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Chemie – die Frage nach dem Stoff

Was fällt Ihnen als Erstes ein, wenn Sie an Chemie denken? Glasbecher mit klaren Flüssigkeiten, die plötzlich bunt werden, möglicherweise werden dabei auch Gerüche, Funken oder Rauchschwaden frei. Dieses Beispiel zeigt, dass bei chemischen Reaktionen irgendetwas geschieht, lässt aber völlig offen, was dies ist. Diesen Hintergrund aufzuspüren ist die Aufgabe der Chemie. Die Untersuchung farbiger Lösungen sowie der nach dem Trocknen verbleibenden Rückstände führte im Lauf der Jahrhunderte zur Entdeckung immer neuer chemischer Elemente und Verbindungen. Von den vier klassischen Elementen der abendländischen Philosophie – Erde, Feuer, Wasser und Luft – ist die Menge der naturwissenschaftlich gesicherten chemischen Elemente auf 115 angewachsen.

Bereits im Namen der Chemie steckt eine enge Verbundenheit zur Handwerkskunst – über »Alchemie« leitet er sich vom arabischen »al-Kimiya« ab, das so viel wie »Kunst des Legierens von Metallen« bedeutet. Eines der Hauptziele der antiken und mittelalterlichen Alchimie war die Umwandlung von Eisen oder Blei in Gold. Die Versuche blieben erfolglos – doch sie waren nicht umsonst. Neben vielen noch heute gültigen Erkenntnissen wurde dabei unter anderem das bis dahin in Europa unbekannte Geheimnis der Porzellanherstellung gelüftet.

Die wachsende wirtschaftliche Bedeutung der chemischen Industrie zeigte sich Ende des 19. Jahrhunderts, als chemische Farbstoffe den Anbau natürlicher Färbereipflanzen überflüssig machten. Die neuen Chemiefabriken wuchsen zu Giganten: In den 1920er und 1930er Jahren war die I. G. Farben das mächtigste deutsche Unternehmen.

Heute umfasst das Themenspektrum der Chemie weit mehr als Analysieren oder Synthetisieren von neuen Verbindungen. Medizin, Biologie, Physik und Umweltwissenschaften profitieren von chemischen Erkenntnissen. Neue, grenzüberschreitende Forschungsgebiete sind entstanden wie Pharmazie, Biochemie oder Quantenchemie – mit immenser wirtschaftlicher Bedeutung, manche werden zu den Schlüsseltechnologien des 21. Jahrhunderts gezählt.

Chemiker: Vom Goldmacher zum Moleküldesigner

Was ist Chemie?

Chemie ist die Wissenschaft, die sich mit den Eigenschaften und der Umwandlung von Stoffen befasst. Sie untersucht sowohl die in der Natur vorkommenden als auch künstlich hergestellte Substanzen und analysiert ihren Aufbau aus den verschiedenen chemischen Elementen. Zentral ist dabei der Begriff der chemischen Reaktion: der Umwandlung eines oder mehrerer Stoffe in andere Substanzen.

Der Ursprung des Worts »Chemie« – und damit die Entstehung der heutigen Naturwissenschaft – ist unklar. Die älteste Wurzel ist »chemi«, das ägyptische Wort für »schwarz«. Das Griechische machte daraus »chy-meia«, was so viel wie »Metallguss, Legierungskunst« bedeutete. Im Arabischen hieß dies »al-Kimiya«, in Europa wurde »Alchemie« daraus, später zu »Chemie« verkürzt.

Die sprachlichen Wandlungen zeigen, dass die Metallverarbeitung eine der Wurzeln des Faches ist. Die »Chemie« befasste sich demnach auch schon in früher Zeit damit, neue Stoffe aus bekannten herzustellen und die Veränderung von Substanzen zu verstehen.

Wie arbeiten Chemiker?

Die Tätigkeit eines Chemikers oder einer Chemikerin besteht aus zwei Hauptaufgaben: der Analyse von bestehenden und der Synthese von neuen Substanzen. Chemische Analysen nutzen ein breites Arsenal unterschiedlichster Nachweismethoden, um die Bestandteile einer Substanz sowie deren mengenmäßige Anteile zu ermitteln, dabei werden sowohl chemische als auch physikalische Methoden genutzt. In Lebensmittelkontrolle, Umweltschutz und Kriminalistik sind solche Analysen unverzichtbar.

Chemische Synthesen finden nicht nur in Universitätslaboren statt. Sie sind vor allem das tägliche Brot der vielen großen und kleinen Unternehmen der chemischen Industrie. Diese beliefert uns mit Produkten vom Lippenstift über die Plastiktüte bis zum Kunstdünger – und alle sind das Ergebnis chemischer Synthesereaktionen.

Im Gegensatz zu heute haftete der Arbeit der mittelalterlichen Alchemisten der Ruf von Magie und Schwarzer Kunst an. Insbesondere ihre steten (erfolglosen) Versuche, wertloses Material in gediegenes Gold zu verwandeln, waren geheimnisumwittert und Quelle immer neuer Gruselgeschichten. Dabei wurde auch damals in den Laboratorien wenig »gezaubert«. Stattdessen pulverisierte, destillierte, kochte und vermischte man unterschiedlichste Materialien – ganz ähnlich wie heute!

Was ist der »Stein der Weisen«?

Der sagenhafte »Stein der Weisen« soll unedle Stoffe (»Dreck«) in Gold umwandeln und darüber hinaus auch gleich noch ein Elixier für das ewige Leben liefern. Demjenigen, der ihn besaß, versprach diese Verheißung unbegrenzten Reichtum und Macht. Die Suche nach dem Stein der Weisen beherrschte daher das Tun der mittelalterlichen Alchemisten. Zwar wurde das Ziel nie erreicht, dennoch entsprangen dem Tun der Alchemisten zahlreiche erfolgreiche Methoden und Produkte: Sie entwickelten das Schwarzpulver, Verfahren zur Aufarbeitung von Metallerzen und die Destillation von Alkohol.

Gibt es Designermoleküle?

Nicht in dem Sinne, dass Chemiker Moleküle mit besonders ansprechender Gestalt für reiche Käuferschichten kreieren würden. Doch mit Supercomputern lassen sich heute die Eigenschaften von noch gar nicht existierenden Molekülen so genau vorausberechnen, dass mit ihrer Hilfe Moleküle mit ganz bestimmten Fähigkeiten quasi am Reißbrett entworfen werden können. Derartige Computerprogramme greifen auf riesige Datenbanken zu, in denen die Eigenschaften fast aller bekannten chemischen Verbindungen gespeichert sind. Nachdem einige besonders viel versprechende »Designermoleküle« mit solch einem Supercomputerprogramm entworfen wurden, werden sie im Labor synthetisiert, um zu überprüfen, ob die gewünschten Eigenschaften tatsächlich vorliegen.

Mit welchen Disziplinen ist die Chemie verwandt?

Die Chemie hat Berührungspunkte mit Physik, Geowissenschaften und Biologie und spielt auch in der Medizin eine immer größere Rolle. Besonders eng verzahnt ist die Chemie mit der Physik, etwa wenn die Geschwindigkeit chemischer Reaktionen untersucht wird. Die Chemie nutzt auch physikalische Analysemethoden, etwa die Röntgenstruktur- und die Spektralanalyse mithilfe von Laserlicht. Den Geowissenschaften hilft die Chemie bei der Untersuchung der Zusammensetzung von Gesteinen oder des Verhaltens von Schadstoffen in der Umwelt. Befasst sie sich mit Reaktionen und chemischen Grundlagen von Lebensvorgängen, wirkt die Biologie mit der Chemie zusammen, oft redet man hier auch einfach von »Biochemie«. Die »medizinische« Chemie beschreibt die Wirkung von Medikamenten auf molekularer Ebene. Dies greift die Pharmazie auf, die diese Substanzen herstellt. Die Labormedizin oder »klinische Chemie«, kommt ins Spiel, wenn Blut-, Urin- oder andere Proben analysiert werden sollen.

Wussten Sie, dass …

derselbe Stoffe unterschiedlich aussehen kann? Beispielsweise enthalten die (blaue) Kornblume und der (rote) Klatschmohn denselben Farbstoff. Der Saft der Kornblume ist allerdings basisch (seifig), Klatschmohn hingegen hat sauren Saft.

es im 20. Jahrhundert tatsächlich gelungen ist, mit physikalischen Mitteln Quecksilber in Gold umzuwandeln? Dieses Gold ist jedoch um ein Mehrfaches teurer als »echtes« Gold.

die moderne, auf überprüfbaren experimentellen Ergebnissen beruhende Chemie erst im Zeitalter der Aufklärung (Ende des 18. Jahrhunderts) entstand? Spekulative und quasireligiöse Theorien verloren seitdem auch hier ihre früher große Bedeutung.

der Begründer der modernen Chemie, Antoine Lavoisier, in der Zeit der Französischen Revolution geköpft wurde? Daran war jedoch nicht seine wissenschaftliche Tätigkeit schuld, sondern seine »Vergangenheit« als königlicher Steuereinnehmer.

Wie viele Elemente gibt es?

Die moderne Chemie kennt 115 verschiedene chemische Elemente. Die meisten davon kommen in der Natur vor, etwa Gold, Eisen, Sauerstoff oder Kohlenstoff. Andere, insbesondere die schwersten, sind dagegen radioaktiv, d. h., sie wandeln sich nach einer gewissen Zeit in andere, leichtere Elemente um. Mithilfe von Teilchenbeschleunigern lassen sie sich heute künstlich herstellen, wobei manchmal auch neue, bisher unbekannte Elemente produziert werden. Zuletzt wurden im Jahr 2003 die Elemente mit den Ordnungszahlen 113 und 115 auf diese Weise »entdeckt«.

Die Welt der Chemie: Elemente und Stoffe

Was ist ein chemisches Element?

Ein Element ist ein Grundstoff, der sich mit chemischen Mitteln nicht in weitere Bestandteile zerlegen lässt. Die Atome eines Elementes sind alle völlig gleichartig. Unterschiedlich ist nur die Art, ob und wie die Atome miteinander verbunden sind. Chemische Elemente sind beispielsweise Eisen, Stickstoff oder Quecksilber. Keine Elemente sind dagegen Wasser oder Luft: Wasser ist eine chemische Verbindung der Elemente Wasserstoff und Sauerstoff, Luft ein Gasgemisch, das sowohl gasförmige Elemente (Stickstoff, Sauerstoff, Argon und andere Edelgase) als auch Verbindungen (wie z. B. Wasserdampf, Kohlendioxid und Methan) enthält.

Während reine Elemente aus den Atomen des jeweiligen Elements zusammengesetzt sind, ist der Grundbaustein einer Verbindung ein Molekül. Bis heute sind 115 verschiedene Elemente bekannt. 93 kommen in der Natur vor, die übrigen lassen sich künstlich erzeugen. Praktisch alle besitzen ein oder mehrere Isotope.

Was sind Isotope?

Isotope sind Abwandlungen eines chemischen Elements. Bei einem Element und seinen Isotopen ist die Kernladungszahl im Atomkern (die Zahl der positiven Ladungen, also der Protonen) identisch, allerdings unterscheidet sich die Zahl der Neutronen, der neutralen Teilchen im Kern. Für die Chemie haben Isotope nur geringe Bedeutung, da sich alle Isotope eines Elements chemisch völlig identisch verhalten und nur mit physikalischen Verfahren getrennt werden können.

Unterscheiden sich Stoffe nur in ihrer chemischen Zusammensetzung?

Nein, doch die in einem Stoff vorkommenden Elemente sind der wichtigste ihre Eigenschaften beeinflussende Faktor. Oft bewirkt schon der Austausch eines einzigen Atoms in einem Molekül durch eines, das einem anderen Element angehört, ganz neue Eigenschaften der Verbindung!

Es ist aber eben auch wichtig, wie die chemischen Elemente in einem Molekül miteinander verknüpft sind. So besteht ein Molekül Ether (ein Narkosemittel) genau wie ein Molekül Ethanol (Trinkalkohol) aus zwei Kohlenstoffatomen, sechs Wasserstoffatomen und einem Sauerstoffatom. Da diese Elemente in beiden Molekülen jedoch unterschiedlich verknüpft sind, stellen Ether und Ethanol zwei verschiedene Substanzen mit ganz unterschiedlichen Eigenschaften dar.

Noch ähnlicher sind sich Diamant, Steinkohle und Graphit: Alle drei Stoffe sind nur aus Kohlenstoffatomen aufgebaut, doch ihre mechanischen und optischen Eigenschaften sind äußerst verschieden. Der Grund hierfür liegt darin, dass in diesen drei sog. Modifikationen des Kohlenstoffs die einzelnen Atome auf unterschiedliche Weise miteinander verbunden sind. Noch erstaunlicher ist die Tatsache, dass bestimmte Biomoleküle sich biochemisch anders verhalten als ihre Spiegelbilder. So war der Wirkstoff, der den Contergan-Skandal in den 1960er Jahren auslöste, die gespiegelte Version einer ansonsten harmlosen Verbindung.

Woher kommen die chemischen Elemente?

Die Antwort liegt in den Sternen – ganz buchstäblich. Nach der Entstehung des Universums im Urknall bildeten sich zunächst nur die beiden leichtesten Elemente Wasserstoff und Helium sowie Spuren des nächstschweren Lithiums. Später ballten sich Wasserstoff- und Heliumatome zu Sternen zusammen, in deren Innern Kernfusionen die Energie freisetzen, welche diese riesigen Gasbälle leuchten lässt. Kernfusion aber bedeutet nichts anderes, als dass leichtere Elemente in schwerere umgewandelt werden. Denn der Hauptunterschied zwischen zwei Elementen ist die elektrische Ladung der jeweiligen Atomkerne und die addiert sich, wenn zwei Kerne verschmelzen.

In normalen Sternen können Elemente bis zum Eisen entstehen. Größere und schwerere Elemente werden kurz vor oder während einer Supernova, einer gewaltigen Sternenexplosion, erzeugt. So ist alles Silber, Gold und Blei auf der Erde das Produkt einer solchen Supernova in der fernen kosmischen Vergangenheit. Man könnte also mit Recht sagen, dass die gesamte Erde mit all ihren Bewohnern inklusive uns Menschen größtenteils aus Sternenstaub besteht.

Wieso finden sich die Elemente zu Verbindungen zusammen?

Weil in der den Atomkern umgebenden Elektronenwolke bei allen Elementen mit Ausnahme der Edelgase (und mit Einschränkungen auch der Edelmetalle) zu viele oder zu wenige Elektronen im Vergleich zum energetisch optimalen Zustand vorhanden sind. Der Ausgleich dieser Unterschiede erfolgt durch Bildung einer chemischen Verbindung, wenn also ein »Lückenelement« wie etwa Sauerstoff sich mit einem »Überschusselement« wie Eisen zusammentut (in diesem Fall ist das Ergebnis Rost).

Was ist ein Atommodell?

Allgemein gesagt eine Vorstellung, wie diese sinnlich nicht erfahrbaren, submikroskopischen Materiebausteine aufgebaut sind. In der modernen Wissenschaft handelt es sich dabei in der Regel um mathematische Formeln und Gleichungssysteme, doch es gibt auch recht anschauliche Formulierungen, die der Wahrheit recht nahe kommen.

Für die Chemie und die chemische Bindung genügt oft das Atommodell des dänischen Physikers Niels Bohr (1885–1962). Ihm zufolge bestehen Atome aus einem Kern, der von Elektronen umkreist wird, so wie die Sonne von den Planeten. Dieses Modell lässt sich aber nicht in Einklang mit der Quantenmechanik bringen und wurde daher durch das sog. Schalenmodell ersetzt. Dabei werden nicht mehr die Aufenthaltsorte einzelner Elektronen betrachtet. An deren Stelle treten den Atomkern umgebende Schalen und Unterschalen, in denen sich von innen nach außen immer mehr Elektronen befinden können.

Der wichtigste Grundsatz des Schalenmodells ist, dass bei aufeinanderfolgenden chemischen Elementen (also zunehmender Kernladungszahl) die Schalen von innen nach außen gefüllt werden. Das bedeutet, dass bei den Elementen Wasserstoff und Helium, die ein bzw. zwei Elektronen besitzen, nur die innerste Schale gefüllt ist, welche zwei Elektronen aufnimmt. Die nächsten Schalen können dann bereits 8, 18 und 32 negative Ladungsträger enthalten. Die am weitesten außen sitzenden Elektronen sind gewöhnlich diejenigen, welche die chemischen Bindungen bewirken, man bezeichnet sie auch als »Valenzelektronen«.

Lassen sich die Elemente systematisch anordnen?

Ja, im sog. Periodensystem der chemischen Elemente. Dem liegt zum einen die Idee zugrunde, dass die Ladung des Atomkerns (die zugleich die Anzahl der Elektronen in der Atomhülle angibt) das entscheidende Ordnungsmerkmal der Elemente ist. Man bezeichnet diese Kernladungszahl deshalb auch als Ordnungszahl (OZ). Wasserstoff als das leichteste Element, dessen Kern eine elektrische Elementarladung trägt, hat die OZ 1, Helium mit zwei Ladungseinheiten ist Element Nr. 2, Kohlenstoff 6 und Uran 92. Das schwerste bekannte Element hat die Ordnungszahl 115, und es ist mit der Entdeckung noch schwererer Elemente zu rechnen.

Zum anderen spiegelt sich im Periodensystem die Schalenstruktur der Elektronenhülle wider. Das Periodensystem wird nämlich gemeinhin als Tabelle dargestellt, deren Zeilen –die Perioden – Elemente einnehmen, deren äußerste Elektronen in derselben Schale sitzen. Die Spalten der Tabelle bilden die sog. Elementgruppen (z. B. Alkalimetalle, Halogene oder Edelgase). Diese weisen jeweils ähnliche chemische Eigenschaften auf. Dies liegt daran, dass sie zwar unterschiedlich viele Elektronenschalen besitzen – die jeweils äußerste Schale ist aber bei ihnen immer mit der gleichen Anzahl von Elektronen gefüllt. Und da die Elektronen der äußersten Schale die chemischen Eigenschaften eines Elements prägen, verhalten sich die Gruppenmitglieder jeweils ähnlich.

Warum wurde das Periodensystem entwickelt?

Der russische Chemiker Dimitrij Mendelejew (1834–1907) ordnete die damals bekannten 60 chemischen Elemente nach Ähnlichkeiten und fand dabei Lücken in seinem System. Ende der 1860er Jahre veröffentlichte er Vorschläge zur Neuordnung der Elemente; unabhängig und fast zeitgleich hatte der Deutsche Lothar Meyer (1830–1895) dasselbe System erfunden. Der entscheidende Fortschritt gegenüber früheren Versuchen bestand darin, dass Meyers und Mendelejews Periodensysteme den chemischen Eigenschaften den Vorrang vor der Masse als Kriterium gaben und damit erstmals die Elemente Tellur und Iod aus heutiger Sicht korrekt anordneten.

In den 1870er Jahren machte Mendelejew die damals sehr gewagte Vorhersage, dass für jede Lücke in seinem Periodensystem ein bisher unentdecktes Element stehen müsse. Und nicht nur dies: Er konnte auch deren chemische Eigenschaften und ihre ungefähre Atommasse »prophezeien«. Als dann tatsächlich die Metalle Gallium (1875) und Germanium (1886) mit genau den von Mendelejew vorausgesagten Eigenschaften entdeckt wurden, war Mendelejews Triumph perfekt. Meyers System geriet jedoch in Vergessenheit.

Übrigens: Mitte des 20. Jahrhunderts wurde Mendelejew selbst im Periodensystem verewigt: Das 1955 entdeckte radioaktive Element 101 erhielt ihm zu Ehren den Namen Mendelevium. Das stabilste Isotop dieses Elements zerfällt mit einer Halbwertszeit von 51,5 Tagen.

Was ist eine Verbindung?

Verbindungen bestehen aus chemischen Elementen, die durch Bindungskräfte zusammengehalten werden. Sie heißen auch Moleküle. Im Wesentlichen kommen vier verschiedene Bindungsarten in der Chemie vor, die alle auf elektromagnetischen Kräften beruhen. In den meisten Fällen teilen sich die beteiligten Atome ein oder mehrere Elektronen, bisweilen sind es nur die Anziehungskräfte zwischen Atomen und Elektronen, die eine chemische Bindung ermöglichen. Aus dem Gemisch dieser vier Kräfte entstehen die, besonders in der Biochemie, oft komplexen Formen der chemischen Verbindungen.

Was stellten sich die Menschen früher unter den Elementen vor?

Die im Abendland verbreitete Vier-Elemente-Lehre wurde erstmals von dem griechischen Philosophen Empedokles im 5. Jahrhundert v. Chr. aufgeschrieben, ist jedoch vermutlich noch weit älter. Danach ist die gesamte Natur aus den Grund-»Essenzen« Feuer, Wasser, Erde und Luft aufgebaut. Aristoteles fügte eine fünfte Essenz, also eine »Quintessenz«, hinzu: den Äther. Dieses sagenumwobene fünfte Element kam noch in den letzten Jahren in einem Actionfilm zu Ehren. In China hingegen ging man immer von fünf Ursubstanzen aus: Holz, Feuer, Erde, Metall und Wasser. Diese ursprünglich daoistische Einteilung findet man auch bei den im Westen verbreiteten Lehren des Fengshui und Qigong wieder.

Wussten Sie, dass …

das mit Abstand häufigste Element des Universums Wasserstoff ist? Das häufigste Element auf der Erde ist Silicium, gefolgt von Sauerstoff.

die einzigen bei »Normalbedingungen« flüssigen Elemente Brom und Quecksilber sind?

Helium das einzige Element ist, das selbst am absoluten Temperaturnullpunkt nicht fest wird? Es kann dazu nur durch starken Druck gezwungen werden.

nicht nur nach Deutschland (Germanium, Ge) und Frankreich (Francium, Fr) ein Element benannt worden ist, sondern auch nach dem Land Hessen und der Stadt Darmstadt? Es handelt sich um die überschweren und sehr kurzlebigen Transurane »Hassium« (Hs) und »Darmstadtium« (Ds), die beide in Darmstadt entdeckt wurden.

quantenmechanische Rechnungen vorhersagen, dass Elemente mit Ordnungszahlen im Bereich um 120 möglicherweise stabile Isotope besitzen könnten? Diese würden dann neuartige Werkstoffe mit ungeahnten Eigenschaften darstellen und wären vermutlich wertvoller als alle Edelmetalle der Welt zusammen.

Gibt es alle Elemente in der Natur?

Nein, einige wenige Elemente im Periodensystem nämlich Technetium, Promethium und alle Elemente jenseits von Uran sind radioaktiv mit so kurzen Halbwertszeiten, dass sie in der Natur nicht vorkommen können. Sie sind dennoch von Interesse, weil sie wertvolle Informationen für die Kernphysik liefern und medizinische Anwendungen ermöglichen.

Aggregatzustände: Erscheinungsformen der Materie

Was sind Aggregatzustände?

Die drei verschiedenen Zustandsformen einer Substanz: fest, flüssig oder gasförmig. Im Gegensatz zum Atomgewicht oder der Ordnungszahl der enthaltenen Elemente ist der Aggregatzustand eines Stoffes keine Eigenschaft, die zu seiner Charakterisierung herangezogen werden kann. Im Gegenteil: Jede Substanz kann durch eine geeignete Kombination aus Temperatur und Druck fest, flüssig oder gasförmig gemacht werden. Generell bewirkt dabei Erwärmen eine »Auflockerung« – fest wird flüssig, flüssig wird gasförmig –, zunehmender Druck erreicht das Gegenteil. Bei manchen Stoffen ist es etwas mühsam, sie in einen gewünschten Aggregatzustand zu bringen: So wird Kohlendioxid nur unter hohem Druck flüssig und Helium gefriert ebenfalls nur unter großem Druck.

Der Begriff Aggregatzustand kommt von dem lateinischen Wort aggregare für »zusammenlagern«. Und genau darum geht es hier: ob und wie sich die Atome bzw. Moleküle einer Substanz zu größeren Aggregaten zusammenfinden.

Was ist an Wasser so besonders?

Es ist in allen drei Aggregatzuständen Teil unseres Alltags. Als Eis ist Wasser hart und fest. Es behält die Form bei, in der es eingefroren wurde, etwa die Form eines Eiswürfelbehälters. Das Volumen eines Eiswürfels ändert sich zwar geringfügig mit der Temperatur, doch merkliche Formänderungen erreicht man nur durch Einsatz äußerer Kräfte (zum Beispiel mit einem Eispickel).

Schmilzt Eis, wird es also flüssig, ist es vorbei mit der Formstabilität. Ohne Behälter würde das Wasser so lange nach unten fließen, bis es auf eine wasserundurchlässige Sperre träfe. Wird das Schmelzwasser allerdings in demselben Behälter aufgefangen, in dem der Eiswürfel ursprünglich entstanden war, dann sieht man, dass es in etwa das gleiche Volumen einnimmt wie der Eiswürfel. Und mit einer Waage kann man feststellen, dass die Masse beim Schmelzen exakt gleich geblieben ist.

Lässt man Wasser in einem Glas stehen, scheint es zu verschwinden. Bei dieser sog. Lufttrocknung verdunstet die Flüssigkeit allmählich, d. h., Wassermoleküle treten in die Gasphase und werden so Teil des Gasgemischs Luft. Würde man das Wasser auf 100 °C erhitzen, so könnte man diesen Vorgang in kurzer Zeit erzwingen. Auch dann lässt sich feststellen (z. B. wenn der Dampf in einem Ballon aufgefangen wird), dass die Masse gleich bleibt. Allerdings ist nun das Volumen viel größer als beim Eis oder beim flüssigen Wasser. Und bei weiterem Erwärmen des Ballons stellt man fest, dass dessen Ausdehnung sich mit der Temperatur deutlich ändert.

Was geschieht beim Sieden und Gefrieren?

Die Wärmeenergie der betrachteten Substanz über- bzw. unterschreitet einen Schwellenwert, bei dem sie die natürlichen Bindungskräfte zwischen den Atomen oder Molekülen gerade kompensieren kann.

Man erinnert sich vielleicht noch an den Schulunterricht: Wärme ist die ungerichtete Bewegungsenergie von Atomen und Molekülen. Ist diese Energie gering, so reicht sie nur aus, um die fest aneinander gebundenen Bausteine eines Festkörpers (auch Kristall genannt) um ihre Ruhelage schwingen zu lassen. Wird der Gefrier- bzw. Schmelzpunkt überschritten, so ist die Wärmeenergie groß genug, damit sich die Teilchen gegeneinander verschieben und ihre Plätze tauschen können, sie kommen jedoch nicht vollständig voneinander los – der Stoff ist flüssig geworden. Am Siedepunkt schließlich übersteigt die Wärmeenergie alle Anziehungskräfte zwischen den Molekülen. Sie können sich frei und unabhängig voneinander bewegen, die Substanz ist zu Gas geworden.

Kann man Stoffe elektrisch verfestigen?

Ja, die Flüssigkristalle. Sie sind aus langen, stäbchenförmigen Molekülen aufgebaut. In Abwesenheit elektrischer Felder sind diese, wie die Moleküle in normalen Flüssigkeiten, frei gegeneinander beweglich. Legt man aber eine elektrische Spannung an, dann richten sich die molekularen Stäbchen plötzlich parallel zueinander aus und bilden eine kristallartige Struktur. Dadurch ändert sich ihre Lichtdurchlässigkeit. Fachsprachlich sagt man, das Licht werde im Flüssigkristall polarisiert. Für einfache LCDs wie die in Digitaluhren genügt der erste Effekt: Das elektrische Feld schaltet die Anzeigeelemente zwischen »hell« und »dunkel«. Ausgefeiltere Geräte benutzen sog. Polarisatoren, mit denen sich komplexere Lichteffekte erzielen lassen.

Flüssigkristalle sind nur ein Beispiel für eine ganze Klasse von Stoffen, die im festen und/oder flüssigen Zustand von dem oben beschriebenen einfachen Modell Abweichungen zeigen. Ein Beispiel, das jedem bekannt ist, ist Eiweiß. Dieses ist bei Raumtemperatur flüssig, wird jedoch beim Kochen fest und bleibt dies auch, wenn es wieder abgekühlt ist. Dies liegt daran, dass die langen, kettenartigen Eiweißmoleküle miteinander verkleben, wenn die Temperatur deutlich über 40 °C steigt.

Gibt es noch weitere Aggregatzustände?

Ja. Im Alltag treten sie nur selten in Erscheinung, doch Chemie und Physik haben im Laufe der Zeit weitere Zustandsformen der Materie gefunden, die bisweilen als vierter, fünfter usw. Aggregatzustand bezeichnet werden. Bei hohen Energien geben die Atome eines Stoffes ihre Elektronen nach und nach ab, dieser Zustand heißt Plasma und ist eine Art Gas mit elektrisch geladenen Bestandteilen. In Energiesparlampen und (natürlich) Plasmabildschirmen ist dieser Zustand zu finden. Bei extrem niedrigen Temperaturen, die nur Bruchteile eines Grads über dem absoluten Nullpunkt liegen, kann es zur Bildung eines sog. Bose-Einstein-Kondensats kommen. Dieser exotische Aggregatzustand lässt alle Atome zu einem einzigen Quantenobjekt verschmelzen; er ist seit seiner Entdeckung in den 1990er Jahren Gegenstand intensiver Forschung.

Wussten Sie, dass …

man den direkten Übergang zwischen Festkörper und Gas, wie er bei Kohlendioxid auftritt, Sublimation nennt?

Trockeneis gefrorenes Kohlendioxid ist?

man zwischen kristallinen und amorphen Festkörpern unterscheidet? Erstere sind aus einem oder mehreren durchgehenden dreidimensionalen Gittern aus miteinander verbundenen Atomen aufgebaut, Letztere weisen keine solche Struktur auf.

zur »weichen Materie« die meisten Kunststoffe zählen und paradoxerweise auch das gar nicht weiche Glas? Aber diese Stoffe sind alle dadurch gekennzeichnet, dass sie keinen festen Schmelzpunkt haben, sondern bei Erhitzung langsam dünnflüssig werden.

der Firmenname »Osram« sich aus den beiden Metallen »Osmium« und »Wolfram« zusammensetzt? Diese haben extrem hohe Schmelzpunkte von über 3000 °C, was sie zum idealen Material für die Glühfäden von Glühbirnen macht.

Helium zwar bei Normaldruck niemals fest wird, jedoch unterhalb von etwa 4 Kelvin (– 269 °C) in einen sog. superflüssigen Zustand übergeht, in dem es ohne Reibung fließen kann?

Chemische Reaktionen: Gestaltung, Umgestaltung

Was heißt »Reaktion«?

Eine chemische Reaktion ist eine Stoffumwandlung, deren Produkt andere Eigenschaften hat als die Ausgangsstoffe haben, die man auch »Edukte« nennt. Beim Ablauf einer Reaktion können sich verschiedene Begleiterscheinungen zeigen: Energie in Form von Wärme kann freigesetzt oder verbraucht werden, Rauch und/oder Gase können sich entwickeln, Stoffe sich absetzen, Licht kann ausgesandt werden, oder es sind Geräusche zu hören.

Manchmal ist das Ergebnis einer Reaktion nicht direkt zu beobachten, da Aussehen, Geruch etc. der beteiligten Stoffe sich nicht geändert haben. Erst wenn geeignete Hilfssubstanzen verwendet werden – z. B. Indikatorpapiere oder Nachweisreagenzien –, zeigt ein Farbumschlag, dass eine Reaktion stattgefunden hat. Andere Reaktionen sind allerdings sehr wohl zu bemerken und mitunter sehr eindrücklich, etwa Explosionen von Sprengladungen oder Treibstoff. Eine chemische Reaktion meint also etwas anderes als in der Umgangssprache: Im Alltag reagiert man auf Situationen oder Ereignisse.

Laufen Reaktionen immer gleich schnell ab?

Ganz und gar nicht! Chemische Reaktionen können sehr langsam oder sehr schnell ablaufen. Ein Beispiel einer langsamen Reaktion ist das Verrosten von Eisen. Eine schnelle Reaktion ist dagegen diejenige von Kalium in Wasser: Sie verläuft unter Abgabe von Licht und Wärme, zusätzlich entwickelt sich Rauch. Noch schneller ist die Explosion von Schwarzpulver bei einem Feuerwerk oder von Benzin im Automotor.

Die Geschwindigkeit einer Reaktion hängt immer sowohl von den beteiligten Substanzen als auch von den Umgebungsbedingungen wie Temperatur oder pH-Wert (Säuregehalt) ab. Allgemein gilt, dass Reaktionen umso schneller ablaufen, je höher die Temperatur ist. Der schwedische Chemiker Svante Arrhenius (1859–1927) fand hierzu eine heute nach ihm benannte Gleichung. Anwenden kann man sie z. B. beim Entkalken eines Wasserkochers: Mischt man den Essig mit heißem Wasser, löst sich der Kalkbelag um ein Vielfaches schneller als in kalter Essiglösung.

Was passiert bei einer chemischen Reaktion?

Atome gehen neue chemische Bindungen ein – werden zu Molekülen oder Teilchenverbänden –, lösen bisherige Bindungen oder es geschieht beides zugleich. Es gibt verschiedene Wege, wie sich Atome binden können. Dabei spielen elektrische Anziehungskräfte, aber auch das Bestreben der Atome, ihre Elektronenschalen möglichst vollständig zu besetzen, eine Rolle. Doch nicht nur Atome, auch Moleküle können miteinander reagieren.

Die Elektronen gruppieren sich immer so, dass sie solche Plätze in den Schalen einnehmen können, die möglichst nah am Atomkern liegen. »Tun« sich nun Atome mit anderen »zusammen« – gehen sie eine chemische Bindung ein –, so können besonders viele Elektronen auf solche bevorzugten Plätze gelangen. Je nachdem, wie die Elektronenschalen bei den Bindungspartnern besetzt werden, kann es zu ganz unterschiedlichen Bindungsformen kommen. Es gibt die Atom- oder kovalente Bindung, die Ionenbindung und die Metallbindung. Erstere beruht darauf, dass Elektronen quasi beiden Bindungspartnern gleichzeitig gehören. Die Ionenbindung rührt von der elektrischen Anziehung zwischen geladenen Atomen (»Ionen«) her. Die Metallbindung ist ein Spezialfall der kovalenten: Hier sind die Elektronen der äußeren Schalen der Atome im ganzen Metallkörper frei beweglich und gehören allen Atomen gemeinsam. Bei allen drei Bindungstypen ist der gebundene Zustand für die beteiligten Atome und Moleküle energetisch günstiger als der ungebundene.

Damit lässt sich verstehen, was bei einer Reaktion im Einzelnen geschieht, z. B. bei der Bildung von Kochsalz (Natriumchlorid): Kommen sich ein Natrium- und ein Chloratom nahe genug, so ist es für beide energetisch günstiger, wenn ein Elektron das Natriumatom verlässt – wodurch dieses zu einem positiv geladenen Ion wird – und zum Chloratom hinüberwechselt. Aus dem Chloratom ist jetzt ein negatives Chlorion geworden. Allein durch den Elektronenwechsel kommt es bereits zur chemischen Bindung. Diese wird noch dadurch verstärkt, dass sich die entgegengesetzt geladenen Ionen elektrisch anziehen. Verbinden sich nicht nur einzelne, sondern sehr viele Natrium- und Chlorionen miteinander, so entsteht ein Salzkristall.

Welche Typen von Verbindungen gibt es?

Moleküle und Teilchenverbände. Beide Verbindungsarten unterscheiden sich durch ihren Aufbau.

In Molekülen sind Atome desselben Elements oder verschiedener Elemente zu kleinsten Einheiten – eben den Molekülen –zusammengetreten. Innerhalb eines Moleküls sind die Atome fest aneinander gebunden, und zwar mittels kovalenter Bindung. Ein Teilchenverband dagegen besteht aus einer großen Zahl von Atomen, die durch Ionen- oder Metallbindung miteinander verbunden sind.

Bestehen die Moleküle aus nur einem Element, dann spricht man von Elementmolekülen, ein Beispiel ist das Sauerstoffmolekül. Bestehen Moleküle dagegen aus verschiedenen chemischen Elementen, werden sie Verbindungsmoleküle genannt, wie im Beispiel des Wassermoleküls, das aus Wasserstoff und Sauerstoff gebildet wird. Auch Teilchenverbände bestehen aus einem einzelnen Element oder aus einer Elementmischung. Graphit ist z. B. ein Teilchenverband, der sich nur aus dem Element Kohlenstoff zusammensetzt, Kochsalz ein Teilchenverband aus mehreren Elementen: aus Natrium und Chlor.

Was hält Eis zusammen?

Es sind sog. Wasserstoffbrückenbindungen. Wie andere Feststoffe besteht auch Wassereis aus einem regelmäßigen Gitter, dessen Grundbaustein in diesem Fall das Wassermolekül (H2O) ist. Zwischen den Wasserstoffatomen eines Moleküls und und dem Sauerstoffatom eines benachbarten Moleküls herrscht eine im Vergleich zur Bindung im Kochsalz schwache elektrische Anziehung, die aber bei einer Temperatur von 0 °C oder darunter ausreicht, damit sich die Wassermoleküle zu einem Gitter zusammenfinden.

Was hatte Goethe mit Chemie zu tun?

Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832) war nicht nur Dichter, sondern sah sich selbst auch als Naturwissenschaftler und beschäftigte sich u. a. mit chemischen Reaktionen. Diese hatte ein Chemiker vor ihm als »Wahlverwandtschaften« von Stoffen bezeichnet, die sich »zueinander hingezogen« fühlen. Goethe griff dies auf und übertrug es in seinem Roman »Die Wahlverwandtschaften« auf zwischenmenschliche Beziehungen. Und auch der Vers »Gestaltung, Umgestaltung, Des ewigen Sinnes ewige Unterhaltung« (Schlussszene Faust II) spiegelt Goethes Weltbild und Naturverständnis wider, das geistige wie natürliche Stoffe in ewiger Umwandlung begriff.

Wussten Sie, dass …

in vielen Gemüsegärten ein guter Säureindikator wächst? Der Saft von gekochtem Rotkraut (Rotkohl) färbt sich rot, wenn die Flüssigkeit leicht sauer ist. Wird das Kraut in einer basischen Umgebung gekocht (z. B. mit Natron), färbt sich die Flüssigkeit blau, es wird zum Blaukraut.

man die Reaktionsgeschwindigkeit mithilfe von sog. Katalysatoren erheblich erhöhen kann?

fast alle Lebensvorgänge wie Atmung, Verdauung oder die Umsetzung des genetischen Codes auf chemischen Reaktionen beruhen?

Katalysatoren: Nicht nur im Auto

Welche Stoffe reagieren ohne Reaktion?

Katalysatoren – Moleküle oder Atome, die an einer Reaktion teilnehmen, diese sogar erheblich beschleunigen, selbst aber unverändert bleiben. Dieses Verhalten ist beileibe keine Kuriosität, die nur für Fachleute interessant wäre. Weil Katalysatoren »ohne Reaktion« Umwandlungen anderer Stoffe fördern, genügt eine kleine Menge an Katalysatormaterial, um eine im Prinzip unendlich große Menge eines anderen Stoffes zu verändern. Und dies ist nicht nur die Grundlage von vielen, meist sehr gewinnträchtigen Prozessen in der chemischen Industrie, sondern ist ein Vorgang, ohne den kein Lebewesen existieren könnte. Aus historischen Gründen werden allerdings Biomoleküle, die Reaktionen wie etwa die Verdauung katalysieren, meist »Enzyme« und nicht »Biokatalysatoren« genannt.

Was entfernt Ei, Blut und Kakao aus schmutziger Wäsche?

Die Enzyme Amylase (Kakao und Stärke) und Proteinase (Eiweiß und Blut), die in geringer Menge jedem Waschmittel beigefügt sind. Beide Moleküle kommen in praktisch allen Organismen vor und helfen diesen, komplexere Biomoleküle in ihre Bestandteile zu zerlegen. Amylase beispielsweise wird beim Menschen in den Speicheldrüsen und im Pankreas (der Bauchspeicheldrüse) gebildet und sorgt dafür, dass Brot nach längerem Kauen einen süßlichen Geschmack erhält: Es zerlegt die im Mehl enthaltene Stärke in einzelne Zuckermoleküle. Weitere waschaktive Biokatalysatoren sind Lipasen (Abbau von Butter, Öl und anderen Fetten) und Cellulasen. Letztere zerlegen Cellulose, Grundbaustein pflanzlicher Zellwände und häufigste organische Verbindung auf der Erde.

Was ist ein 3-Wege-Kat?

Wie der Name schon andeutet, ein Katalysator, der den Abbau von schädlichen Verbindungen in Autoabgasen befördert. Er besteht aus einem hochporösen Keramikträger, der mit einer hauchdünnen Lage eines katalytisch aktiven Edelmetalls, normalerweise Platin, beschichtet ist. An deren Oberfläche lagern sich unvollständig verbrannte Kohlenwasserstoffe, Stickoxide und Kohlenmonoxid an, zersetzen sich und werden als unschädliche Abbauprodukte wieder abgegeben. »3-Wege-Katalysator« nennt man den am häufigsten eingesetzten Abgaskatalysatortyp, da er die drei genannten Schadstoffgruppen parallel, also auf »drei Wegen« behandelt. Er funktioniert jedoch nur, wenn der Sauerstoffanteil im Luft-Kraftstoff-Gemisch genau geregelt wird, hierzu dient die sog. Lambdasonde.

Stecken Katalysatoren nur im Auspuff?

Nein, auch an einer anderen Stelle spielen Katalysatoren eine zunehmend wichtige Rolle im Automobil. Und zwar werden sie benötigt, um den Brennstoff für den zukunftsträchtigen Antriebstyp »Brennstoffzelle« aufzubereiten. Klassische Brennstoffzellen verbinden Wasserstoffgas mit Luftsauerstoff zu Wasserdampf. Dabei wird auf sehr effiziente Weise eine elektrische Spannung erzeugt, mit der ein Elektromotor angetrieben werden kann. Wasserstoff ist aber in Reinform schwer zu handhaben und auch noch recht teuer. Deswegen haben Ingenieure einen Weg ersonnen, aus Methanol (Methylalkohol) oder anderen Kohlenwasserstoffen mithilfe eines Katalysators Wasserstoff zu gewinnen, der dann in die Brennstoffzelle eingespeist werden kann. Dieser Vorgang heißt auch »Reformierung«.

Wer führte den Begriff »Katalyse« ein?

Der berühmte schwedische Chemiker Jöns Jakob Berzelius (1779–1848). Er prägte das Fachwort »Katalyse« im Jahr 1835. Er ging dabei von dem griechischen Wort Katalysis aus, was »Auflösung« bedeutet. Doch beschreibt dies eigentlich nur einen Teil der katalytischen Prozesse, denn genau gibt es Reaktionen, bei denen Stoffe mithilfe eines Katalysators beschleunigt miteinander verbunden werden.

Übrigens: Die chinesische Sprache bezeichnet die Katalyse als »tsoo mei«, was wörtlich übersetzt »Heiratsvermittlung« bedeutet. Damit wird gerade die andere Seite der Medaille betrachtet, die »Verkupplung« chemischer Elemente zu mehr oder weniger stabilen Paaren. Man könnte also sagen, dass das ganze Wesen der Katalyse, nämlich die Beschleunigung sowohl von Auf- als auch Abbaureaktionen, sprachlich nur von Ost und West gemeinsam erfasst wird.

Gibt es Biokatalyse ohne Enzyme?

Obwohl es eigentlich ein Widerspruch in sich ist, wurden Prozesse entdeckt, bei denen in einer Zelle eine Katalyse geschieht, ohne dass Enzyme beteiligt sind. Gefunden wurden solche Reaktionen bei einem zu den Archaebakterien zählenden Einzeller. Dies ist eine Gruppe von meist sehr extreme Lebensräume besiedelnden Organismen, die weder mit den Bakterien noch höheren Lebewesen wie Tieren und Pflanzen verwandt sind. In solchen Mikroorganismen wurde nachgewiesen, dass Stoffe wie das Mineral Pyrit (Eisensulfit) Stoffwechselreaktionen per Katalyse beschleunigen. Dies ist aus folgendem Grund interessant: Zur Entstehung des Lebens waren sicherlich katalytische Reaktionen erforderlich, doch Enzyme gab es damals noch nicht, sie wurden ja erst im Laufe der Evolution entwickelt. Anorganische Katalysatoren wie das erwähnte Pyrit könnten deshalb – etwas pathetisch ausgedrückt – die Hebammen bei der Geburt des Lebens selbst gewesen sein!

Wussten Sie, dass …

der 3-Wege-Katalysator nur bei Autos mit Ottomotor eingesetzt werden kann? Für Dieselfahrzeuge wurde der sog. Diesel-Oxidationskatalysator entwickelt, der außer Platin auch Palladium enthalten kann.

3-Wege-Kats im Verdacht stehen, Ammoniak zu produzieren, das wie Gülle zu einer Überdüngung von Pflanzen in der Nähe von Straßen führt?

schon 1783 der britische Theologe und Chemiker Joseph Priestley (1733 bis 1804) eine katalysierte Reaktion beschrieb (Alkohol bzw. Ethanol wurde mithilfe von Tonmineralen zu Ethen umgesetzt)?

bei 80 % aller chemischen Erzeugnisse ein Katalysator im Herstellungsprozess eingesetzt wird?

katalytische Prozesse auch bei Photosynthese und Atmung vorkommen?

Säuren und Basen: Ätzend, aber wichtig

Warum sind Säuren und Basen so ätzend?

Der Grund für die Aggressivität, mit der starke Säuren andere Materialien angreifen, ist, dass sie sehr viele Protonen, oder, was das Gleiche ist, elektrisch positive Wasserstoff-Ionen enthalten. Diese sind hochreaktiv und können darum fast alle anderen Stoffe und Chemikalien anätzen oder sogar vollständig auflösen. Starke Basen oder Laugen wiederum enthalten besonders wenig Protonen, dafür aber sehr viele elektrisch negative Hydroxid-Ionen, die ebenso gern mit anderen Substanzen reagieren.

Gasförmige Salzsäure (HCl) beispielsweise zerfällt in Wasser in positiv geladene Protonen (H+) und negative Chlor-Ionen (Cl), dadurch steigt im Wasser die H+-Konzentration. Löst man dagegen Natronlauge (NaOH) in Wasser, zerfällt sie zu positiven Natrium-Ionen (Na+) und negativen Hydroxid-Ionen (OH), d. h., die Konzentration der Hydroxid-Ionen wird größer. Beim Umgang mit starken Säuren und Basen ist wegen der Verletzungsgefahr große Vorsicht geboten!

Übrigens: »Lauge« ist einfach nur der Alltagsbegriff für »Base«.

Was ist der pH-Wert?

Eine Maßzahl, die angibt, wie sauer oder basisch eine Lösung ist. Genauer gesagt bedeutet ein niedriger pH-Wert, dass in der Lösung viele Protonen und wenig Hydroxid-Ionen enthalten sind, ein hoher pH-Wert steht für den umgekehrten Fall. Genau in der Mitte liegen neutrale Lösungen, etwa reines Wasser; in diesem Fall beträgt der pH-Wert 7. Sehr starke Säuren haben einen pH-Wert von 0 oder 1, bei Magensäure beträgt er 2, bei Essig 2,9, Kaffee hat 5,0 und Mineralwasser etwa 6,0. Blut ist schwach basisch mit einem pH-Wert von 7,4, bei Meerwasser liegt der Wert bei 8,0, Haushaltsammoniak kommt auf 11,5 und Ätznatron (Natriumhydroxid) erreicht einen pH-Wert von 13,5.

Was ist saurer Regen?

Niederschlag, der einen pH-Wert von weniger als 5,4 aufweist. Natürlicher Regen ist bereits schwach sauer, da der Kohlendioxidgehalt der Luft zu einem geringen Anteil an Kohlensäure in Regentropfen führt. Industrielle Abgase wie Stick- und Schwefeloxide dagegen bilden in Regentropfen stärkere Säuren wie Salpeter- und Schwefelsäure. Diese können den pH-Wert des Niederschlags auf Werte unter 5 drücken, in Deutschland wurden »Spitzenwerte« von 3 gemessen. Das wirkt sich sowohl auf die Umwelt als auch auf viele Gebäude, Denkmäler und Ähnliches aus: Böden und Seen »versauern« im wahrsten Sinn des Wortes. Dies hat fatale Folgen für die dort lebenden Organismen sowie die Pflanzen, die von dort ihr Wasser beziehen – bekannt unter dem Schlagwort »Waldsterben«, das als Lehnwort aus der deutschen Sprache weltweit Karriere gemacht hat. Und auch Bauwerke aus Kalkstein, Marmor oder Beton werden von saurem Regen angegriffen und korrodieren.

Warum hilft Kalkung dem kranken Wald?

Kalk ist chemisch gesehen eine Verbindung aus elektrisch positiven Calcium-Ionen und negativen Carbonat-Ionen. Wenn diese mit dem sauren Bodenwasser von geschädigten Wäldern reagieren, fangen die Carbonat-Ionen überzählige Protonen und erhöhen auf diese Weise den pH-Wert. Allerdings ist dies kein Allheilmittel, da die Aufnahmefähigkeit dieses sog. Kalkpuffers begrenzt ist.

Sind Salze sauer?

Nein. Ein Salz entsteht immer dann, wenn eine Säure und eine Base miteinander reagieren. Bei der Reaktion von Salzsäure und Ätznatron beispielsweise bildet sich in Wasser gelöstes Kochsalz, chemisch Natriumchlorid (NaCl). Wird das Wasser durch Trocknung entzogen, bleibt kristallines Salz in Form des bekannten weißen Pulvers zurück. Die Chemie kennt unzählige Salze.

Welche Lauge steckt in der Laugenbrezel?

Keine – ihren Namen haben Laugenbrezeln, Laugenbrötchen und anderes Laugengebäck daher, dass sie vor dem Backen wenige Sekunden lang in kalte Natronlauge getaucht werden. Dabei handelt es sich um eine 3–5%ige Lösung von Ätznatron (Natriumhydroxid) in Wasser, die einen stark basischen pH-Wert von 13–14 aufweist und mit der entsprechend vorsichtig umgegangen werden sollte. Diese Lösung trägt als Lebensmittelzusatzstoff die Nummer E524. Beim Backen verbindet sich das an der Oberfläche der Teigbrezel angelagerte Natriumhydroxid mit Kohlendioxid aus der Luft zu Natriumcarbonat (Soda), wobei Wasserdampf frei wird. Dadurch erhält das Gebäck seine typische dunkelbraune Farbe und den leicht seifigen Geschmack. Alternativ zu kalter Natronlauge kann auch kochende Natronlösung (100 g Natriumhydrogencarbonat auf 1 l Wasser) benutzt werden, seltener nimmt man auch kochende Sodalösung, also in Wasser gelöstes Natriumcarbonat.

Wussten Sie, dass …

»pH« die Abkürzung für »pondus hydrogenii« oder »potentia hydrogenii« ist? Übersetzt bedeutet dies »Gewicht« oder »Macht des Wasserstoffs«.

Saurer Regen nicht nur durch Umweltverschmutzung, sondern auch durch Vulkanausbrüche verursacht wird? Der Unterschied ist allerdings, dass nur die Dauerbelastung durch industrielle Abgase langfristige Schädigungen bewirkt, während Vulkanausbrüche dafür zu selten und nur an wenigen Orten auf der Welt geschehen.

der pH-Wert von menschlichem Blut durch natürliche Puffermoleküle in sehr engen Grenzen (pH = 7,4 ± 0,03) konstant gehalten wird?

unsere Haut über einen sog. Säureschutzmantel verfügt, der durch zu häufiges Waschen mit Seife (einer basischen Lösung) gestört wird?

Reduktion und Oxidation: Am Anfang stand das Feuer

Was haben das Rosten von Eisen und das Laden einer Batterie gemein?

Bei beiden Vorgängen laufen – wie auch bei vielen anderen Prozessen, etwa dem Verbrennen von Holz oder Öl – chemische Reaktionen vom gleichen Typ ab: Elektronenübertragungsreaktionen, bei denen in der Sprache der Chemiker ein Reaktionspartner oxidiert und der andere reduziert wird. Neben den Säure-Base-Reaktionen handelt es sich bei diesen Vorgängen um einen der häufigsten Reaktionstypen, der auch in Biologie und Alltag unzählige Male auszumachen ist: so beim Atmen, im Automotor oder bei der Anwendung von Sanitärreinigern.

Was ist eine Redoxreaktion?

Die Abkürzung für »Reaktion, bei der Oxidation und Reduktion zugleich ablaufen«. Das Wort »Oxidation« kommt vom wissenschaftlichen Namen des Sauerstoffs, Oxygenium (O). Früher dachte man, das Entscheidende etwa bei einer Verbrennung sei die Anlagerung von Sauerstoffatomen: Wird beispielsweise der in einem Stück Kohle enthaltene Kohlenstoff (C) verbrannt, so entsteht dabei Kohlenstoffdioxid oder kurz Kohlendioxid (CO2) – der Kohlenstoff ist »oxidiert«. Im umgekehrten Fall, etwa bei der Fotosynthese in den Blättern eines Baums, wird der Sauerstoffgehalt des aus der Luft aufgenommenen Kohlendioxids reduziert (nämlich von zwei O-Atomen pro C-Atom auf eines im Produkt Glucose), daher der Begriff »Reduktion«. Erst später wurde erkannt, dass bei diesem Reaktionstyp die Übertragung von Elektronen das eigentlich Entscheidende ist. Mittlerweile kennt man viele Redox-Reaktionen, an denen keinerlei Sauerstoff beteiligt ist, die aber dennoch nach demselben Schema wie die »klassische« Kohlenstoffverbrennung ablaufen.

Was ist das Besondere am Sauerstoff?

Von allen chemischen Elementen nehmen Sauerstoff und Fluor am bereitwilligsten Elektronen auf. Und während das extrem aggressive Fluor auf der Erde recht selten vorkommt, ist Sauerstoff eines der häufigsten Elemente unseres Planeten: Fast die Hälfte der Erdkruste besteht aus Sauerstoff. Die Tatsache, dass dieses Element so begierig auf Elektronen ist, lässt es mit praktisch jedem anderen Element Verbindungen eingehen, wobei meist große Energiemengen freigesetzt werden. Dies merkt nicht nur das »gebrannte Kind«, das seine Hand ins Feuer gehalten hat (Verbindung von Kohlenwasserstoffen mit Sauerstoff), sondern auch der Chemielehrer, dem die gefürchtete Knallgasreaktion von Wasserstoff und Sauerstoff außer Kontrolle geraten ist.

Warum heißt es eigentlich »wasserstoffblond«?

Aufgrund eines Missverständnisses bzw. einer sachlich nicht ganz richtigen Verkürzung. Verantwortlich für die Aufhellung der Haare beim Blondieren ist nämlich ein Sauerstoffatom (O). Wenn sich dieses an ein Wassermolekül (H2O) anlagert, entsteht das hochreaktive Wasserstoffperoxid (H2O2). Nach diesem Molekül ist das Verfahren offiziell benannt, doch die Umgangssprache verkürzte das etwas sperrige Wort »wasserstoffperoxidblond« zu »wasserstoffblond«. Chemisch passiert dabei Folgendes: Das Wasserstoffperoxid gibt sein überzähliges Sauerstoffatom ab. Dieses oxidiert umgehend ein Farbstoffmolekül im Haar (z. B. das dunkle Melanin) und nimmt ihm so seine Wirkung, wodurch bei genügendem Einsatz des Bleichmittels die Haare einen oft unnatürlich hell wirkenden Farbton bekommen.

Gibt es auch biologische Redoxreaktionen?

Ja, auch im Menschen (und in allen Tieren und Pflanzen) laufen unzählige Redoxreaktionen ab; eine der wichtigsten davon ist der Abbau von Glucose beim Verdauen einer zucker- oder stärkehaltigen Mahlzeit. Als zweiter Redoxpartner neben der Glucose fungieren sog. Coenzyme. Der Name »kalte Verbrennung« für diese biochemischen Abbaureaktionen rührt daher, dass wie bei einer echten Verbrennung am offenen Feuer letztlich Kohlen(wasser)stoffe reduziert werden und Kohlendioxid als Abbauprodukt entweicht. Der Unterschied ist aber, dass hier die Reaktionsenergie nicht als Hitze, sondern in chemischer Form freigesetzt wird. Dies ist nicht nur schonender für das Körpergewebe, sondern auch wesentlich effizienter, weil kaum Energie ungenutzt verloren geht.

Sind Antioxidantien gesund?

Im Prinzip ja – aber nicht alle bzw. nicht ausschließlich. Vielen Lebensmitteln (und u. a. auch Kunststoffen) werden sog. Antioxidantien zugesetzt, die deren Oxidation verhindern sollen. Andernfalls können beispielsweise angebissene bzw. aufgeschnittene Äpfel braun, andere Speisen sogar ungenießbar werden. In Obst und Gemüse, angeblich auch in Kaffee enthaltene Antioxidantien sollen darüber hinaus auch die Gesundheit der Konsumenten fördern, indem sie die Oxidation von wichtigen körpereigenen Molekülen hemmen. Diese gilt derzeit als Ursache oder wichtige Begleiterscheinung verschiedener Alterungsprozesse. Manche Antioxidantien gelten aber als Krebs fördernd oder anderweitig schädlich, so dass eine unüberlegte Überdosierung nicht zu empfehlen ist.

Wussten Sie, dass …

viele Reinigungsmittel Oxidations- oder Reduktionsmittel enthalten?

beim versehentlichen Zusammenmischen von chloridhaltigen und hypochlorithaltigen Sanitärreinigern giftiges Chlorgas entstehen kann? Auch dies ist eine Redoxreaktion.

Die Vitamine C und E natürliche Antioxidantien sind? Dies zeigt ein alter Trick aus dem Haushalt: Wenn man auf einen frisch aufgeschnittenen Apfel Zitronensaft träufelt, wird das unschöne Braunwerden der Schnittfläche verhindert.

»Rost« eine Sammelbezeichnung für verschiedene Eisenoxide ist, die sich bilden, wenn Eisen in feuchter Umgebung mit Luftsauerstoff reagiert?

Batterien, Akkus, Brennstoffzellen: Tiger in der Zelle

Wer schuf die Galvani'sche Zelle?

Die Italiener Luigi Galvani (1737–1798) und Alessandro Volta (1745–1827). Galvani untersuchte mit seinen berühmten Froschschenkelversuchen die Wirkung von Elektrizität auf Muskelgewebe. Dabei stellte er fest, dass Froschschenkel immer dann zusammenzuckten, wenn er mit ihnen zwei unterschiedliche Metalle, z. B. eine Eisenstange und einen Messinghaken, verband. Er erkannte ganz richtig, dass die Verschiedenartigkeit der beiden Metalle die Ursache für die elektrischen Zuckungen im Muskelgewebe war – Schenkel, Eisenstange und Messinghaken bildeten das erste sog. Galvani'sche Element. Volta wiederum entwickelte die Idee weiter und konstruierte im Jahr 1800 die erste elektrische Batterie, nachdem er zuvor bereits den Plattenkondensator erfunden hatte. Voltas erste Galvani'sche Zelle enthielt Kupfer- und Zinkplatten, die durch Säure verbunden waren, ganz ähnlich wie heutige Batterien.

Was macht Metalle edel?

Für den Chemiker weder Glanz noch Kilogrammpreis, sondern das sog. elektrochemische Potenzial. Edle Metalle wie Gold, Platin, Silber oder Kupfer nehmen in einem elektrochemischen (oder Galvani'schen) Element Elektronen auf, unedle wie Kalium, Natrium oder Aluminium geben Elektronen ab. Man kann sogar aus dieser Potenzialdifferenz (also sozusagen der »Adligkeits-Differenz«) direkt ausrechnen, welche elektrische Spannung an solch einem Element entsteht bzw. welche Spannung eine mit diesen beiden Metallen konstruierte Batterie abgibt.

Was ist der Unterschied zwischen Batterie und Akkumulator?

Batterien lassen sich nur einmal aufladen und entladen, Akkus können im Prinzip immer wieder aufgeladen und entladen werden. Der prinzipielle Aufbau hingegen ist bei beiden Formen der elektrochemischen Elektrizitätsspeicherung gleich: Zwei unterschiedlich edle Metalle, die Elektroden, werden über einen sog. Elektrolyten (z. B. säuregetränktes Papier) elektrisch verbunden. Wenn an die beiden Metalle zusätzlich ein elektrischer Verbraucher angeschlossen wird, schließt sich der Stromkreis und eine chemische Redoxreaktion startet. Diese gibt einerseits elektrische Energie an den Verbraucher ab, andererseits wird das edlere Metall reduziert, das andere oxidiert. Bei einer nicht wiederaufladbaren Batterie stoppt der Prozess unwiderruflich, wenn die Elektroden vollständig reduziert bzw. oxidiert sind. Akkumulatoren dagegen kehren den Redoxprozess um, wenn sie an eine Stromquelle angeschlossen werden: Die edlere Elektrode wird wieder aufoxidiert, die unedlere wieder reduziert. Handelsübliche Akkus kann man bis 1000-mal wieder aufgeladen, bevor das Material ermüdet.

Was sind Brennstoffzellen?

Gewissermaßen Akkumulatoren, die gleichzeitig aufgeladen und entladen werden. Das zu oxidierende Material, hier Brennstoff genannt, wird beständig zugeführt (z. B. Wasserstoff oder Methanol), oxidierter Wasserstoff, also Wasser, wird als »Abgas« ausgeleitet. Brennstoffzellen sind daher zwar ebenfalls elektrochemische Zellen, sie dienen aber nicht als Energiespeicher, sondern als Energiewandler: In oxidierbarem Wasserstoff gespeicherte chemische Energie wird in elektrisch nutzbare Leistung konvertiert. Der Vorteil gegenüber Verbrennungsmotoren oder Kohlekraftwerken liegt im sauberen Abgas Wasser(dampf) sowie in einer recht großen Energieeffizienz.

Warum sind Autobatterien mit Vorsicht zu behandeln?

Vor allem aus zwei Gründen: Da sie mit 12 V nur eine relativ geringe Spannung haben, müssen sie sehr hohe Stromstärken abgeben, denn in der Elektrizitätslehre gilt: Leistung = Spannung x Stromstärke. Entlädt sich eine Autobatterie durch einen unvorsichtigen Menschen, herrscht akute Lebensgefahr! Der zweite Grund ist die 20–30%ige Schwefelsäure, die als Elektrolyt wirkt und bei Hautkontakt Verätzungen hervorruft. Im wahrsten Sinne des Wortes beschwerlich ist zudem das große Gewicht einer Autobatterie. Dieses rührt von den Bleiplatten her, aus denen die Elektroden hergestellt sind – Blei ist eines der schwersten natürlich vorkommenden chemischen Elemente.

Wussten Sie, dass …

Elektroautos wegen des hohen Gewichts elektrochemischer Batterien und Akkumulatoren sich nicht gegen Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor durchsetzen können, obwohl der Elektromotor dem Verbrennungsmotor in vielen Aspekten überlegen ist?

eine Autobatterie keine Batterie, sondern ein Akkumulator ist?

man die Redoxreaktion in einer elektrochemischen Zelle auch benutzt, um Metalle auf Werkstücken abzuscheiden? Dieser Vorgang heißt Galvanisierung.

die Ladekapazität von vielen Akkumulatoren, die nicht vollständig entladen werden, durch den sog. Memory-Effekt mit der Zeit abnimmt?

in den letzten Jahren Brennstoffzellen für Autos, Laptops und andere Anwendungen entwickelt wurden, sie sich aber noch nicht am Markt haben durchsetzen können?

Korrosion: Zerstörung Schritt für Schritt

Wie rostet Eisen?

Eisen ist zwei verschiedenen Formen von Korrosion ausgesetzt, der Säure- und der Sauerstoffkorrosion. Der erste Fall tritt auf, wenn Eisen und ein anderes, edleres Metall durch eine Säure verbunden werden. Solch eine Situation liegt z. B. vor, wenn die innere Zinnschicht einer Konservendose mit Früchten durch Kratzer verletzt wird. Dann bilden nämlich das Weißblech der Dose, die Zinnschicht und die Fruchtsäure ein klassisches elektrochemisches Element. Elektronen wandern vom Eisen zum edleren Zinn, Eisenatome gehen in Lösung und zu allem Überfluss entsteht auch noch Wasserstoff.

Die zweite Form der Eisenkorrosion, die Sauerstoffkorrosion, ist bekannter, denn es handelt sich um nichts anderes als das lästige und allgegenwärtige Verrosten. Grob gesagt, geschieht dabei Folgendes: Ein Wassertropfen oder ein Wasserfilm auf einer Eisenoberfläche enthält immer auch gelösten Sauerstoff. Dieser startet eine Reaktionskette, an deren Ende Eisenatome aus der Oberfläche entfernt und in einem festen, aber porösen Gemisch aus verschiedenen Eisenoxiden und -hydroxiden abgeschieden werden: dem Rost. Das Gefährliche für eisenhaltige Materialien hierbei ist gerade die Porosität. Während nämlich bei anderen Materialien eine solche Oxidschicht das Material dicht abschließt und vor weiterer Korrosion schützt, lässt Rost Wasser und Sauerstoff zur noch nicht angegriffenen Materialoberfläche dringen. Dadurch kann der Prozess bis zur völligen Zerstörung des Werkstücks fortschreiten.

Was ist Lochfraß?

Eine gefürchtete Form der Sauerstoffkorrosion, die u. a. in Wasserleitungen aus Kupfer auftreten kann. Das hochwertige Halbedelmetall gilt eigentlich bei Installateuren als Material der Wahl. Wenn allerdings durch Materialfehler Fremdmetalle in die Rohrwände gelangen oder mit diesen in Kontakt geraten, bilden sich örtlich elektrochemische Elemente aus, denn die in jedem Wasser enthaltene Kohlensäure genügt, um dieses als Elektrolyt wirksam werden zu lassen. Lochfraß betrifft auch durch eine Oxidschicht geschützte Metalle, wenn von dort Sauerstoffatome durch im Wasser gelöste Ionen verdrängt werden. Durch selbstverstärkende Prozesse werden übrigens in einem einmal entstandenen mikroskopischen Loch die Bedingungen für die Korrosion immer günstiger, so dass Löcher entstehen können, die die ganze Rohrwand durchdringen.

Macht Grünspan Kupferdächer grün?

Nein, normalerweise nicht. Kupferdächer und auch alle anderen Kupferoberflächen, die längere Zeit der Luft ausgesetzt sind, bekommen zwar bald einen grünlichen Überzug, dabei handelt es sich aber um eine sog. Patina (auch als Edelrost bezeichnet). Dies ist ein Gemisch verschiedener basischer Kupferverbindungen, v. a. Carbonate, aber auch Sulfate und Chloride. Die Patina ist zwar auch ein Korrosionsprodukt, verhindert wie die Oxidschichten auf manchen Metallen aber die weitere Zersetzung der Oberfläche.

Grünspan dagegen ist chemisch gesehen das Kupfersalz der Essigsäure, kurz Kupferacetat. Hält man beispielsweise ein Kupferstück in Essig, so bildet sich schnell ein grünlicher Überzug, der Grünspan. Als »Spanisches Grün« wird Grünspan als Farbpigment genutzt, mit Kalk vermischt ergibt sich ein blauer Farbton. Bei Feuerwerkskörpern sorgt Grünspan für eine grüne Flammenfärbung.

Was schützt vor Korrosion?

Wie bereits angedeutet, haben manche Metalle das »Glück«, dass sie sich quasi von selbst mit einer schützenden Oxidschicht oder Patina umhüllen. Bei Eisen ist dies dagegen nicht der Fall, hier half bis zur Erfindung des rostfreien Edelstahls v. a. das Überstreichen mit Schutzanstrichen. Stahl wird bei der Herstellung ein Chromanteil von gut 10 % beigemischt, der dafür sorgt, dass er eine schützende Chromoxidpatina erhält. In der chlorgasgeschwängerten Luft von Hallenbädern genügt dies nicht, hier müssen weitere Stoffe wie Molybdän zu Hilfe kommen. Eine weitere Möglichkeit ist die galvanische Verzinkung von metallischen Werkstücken. Dabei nützt man das unterschiedliche elektrochemische Potenzial von verschieden edlen Metallen aus. Diese werden in ein Säurebad getaucht und unter Strom gesetzt, wobei sich das edlere Metall auflöst und als Überzug auf dem unedleren Werkstück abgeschieden wird.

Wie kommt es zur Glaskorrosion?

Oft verursacht der Anwender unbeabsichtigt selbst das Trübwerden von Gläsern, die häufig in der Spülmaschine gesäubert werden. Werden nämlich Spülmittel und/oder Enthärter falsch dosiert, so werden beim Spülen Natrium- und Kalium-Ionen aus der Glasoberfläche herausgelöst und es bilden sich mikroskopisch kleine Risse, die das Glas trüb aussehen lassen. Hochwertige Gläser aus Bleikristall gelten allerdings als weniger korrosionsanfällig als Billiggläser.

Wussten Sie, dass …

der Firma Krupp bereits 1912 ein Patent auf Stahl mit »hoher Widerstandskraft gegen Korrosion« erteilt wurde?

an Schiffen Opferanoden aus einem unedlen Metall angebracht werden, die im Salzwasser elektrochemisch aufgelöst werden, während der Schiffsstahl durch dieses »Opfer« verschont bleibt?

auch Beton durch Korrosion geschädigt wird, wenn das im Inneren verborgene Stahlgerüst angegriffen wird?

Bakterien und andere Mikroorganismen die Korrosion von Materialoberflächen beschleunigen können? Dies nennt man auch Biokorrosion.

zu viel Streusalz im Winter die sog. Frost-Tausalz-Korrosion auslöst, welche Straßenbauwerke zerstören kann?

es auch eine mechanische Korrosion gibt, die durch Abrieb, thermische Spannungen und Ähnliches hervorgerufen wird?

Pasteur, Wöhler und Pauling: Wichtige Wegbereiter

Wer erfand die Pasteurisierung?

Louis Pasteur. Der französische Chemieprofessor und Mikrobiologe (1822–1895) beschäftigte sich viel mit der Natur von Krankheitserregern, die im 19. Jahrhundert noch Gegenstand erbitterter Debatten war. Er konnte zeigen, dass in vielen Fällen mikroskopisch kleine Lebewesen die Verursacher waren und dass diese durch kurzes, starkes Erhitzen (auf etwa 60–90 °C) unschädlich gemacht werden können. Ihm zu Ehren nennt man dieses Vorgehen »Pasteurisierung«, das europäische Recht schreibt sie für alle Milchprodukte mit Ausnahme von Roh- und Vorzugsmilch zwingend vor. Pasteurs großes Ansehen – in Frankreich gilt er als Nationalheld – gründet sich auf den starken Rückgang vieler Krankheiten, der durch die generelle Pasteurisierung der Milch in kurzer Zeit erreicht werden konnte.

Übrigens: Louis Pasteur gelang es auch im Jahr 1885 als Erstem, einen Impfstoff gegen die gefürchtete Tollwut zu entwickeln, die auch heute noch nicht behandelt werden kann, wenn sie bei einem Menschen erst einmal ausgebrochen ist. Vorher schon konnte er Impfstoffe gegen Hühnercholera, Milzbrand und Schweinerotlauf herstellen.

Welches organische Molekül schuf Friedrich Wöhler in seinem Labor?

Den Harnstoff. Die im Jahr 1828 erstmals geglückte Synthese dieses Moleküls aus einer anorganischen Vorläufersubstanz durch den deutschen Chemiker Friedrich Wöhler (1800–1882) war die Geburtsstunde der Organischen Chemie, also des Zweigs der Chemie, der sich mit kohlenstoffhaltigen, in der belebten Natur anzutreffenden Stoffen beschäftigt. Es handelte sich um eine wissenschaftliche Sensation: Bis dahin galt als ausgemacht, dass Lebewesen eine nicht greifbare »Lebenskraft« oder »vis vitalis«, vielleicht sogar eine »Seele« besitzen müssen, um Stoffe wie Harnsäure, Stärke oder Eiweiß synthetisieren zu können. Und nun war Wöhler die Herstellung im »unbeseelten« Reagenzglas geglückt! Kein Wunder, dass er selbst erst zehn Jahre später vorsichtig kundtat, dass »die Erzeugung aller organischen Materien in unseren Laboratorien nicht allein als wahrscheinlich, sondern als gewiss betrachtet werden muss.« Heute können die meisten biochemischen Moleküle auch künstlich produziert werden, wie man schon an den allgegenwärtigen »naturidentischen Aromastoffen« sieht.

Was hat Gicht mit Harnsäure zu tun?

Sehr viel. Bei dieser schmerzhaften Erkrankung werden in den Gelenken Harnsäurekristalle abgelagert, wodurch heftige und schmerzhafte Entzündungsreaktionen (sog. Gichtanfälle) hervorgerufen werden. Zu der Harnsäureüberproduktion kommt es, wenn das v. a. in Fleisch und Fisch vorkommende Molekül Purin nicht vollständig abgebaut wird. Da sich früher nur die Begüterten purinreiche Kost leisten konnten, galt Gicht lange Zeit als »Reiche-Leute-Krankheit«.

Warum erhielt Linus Pauling zwei Nobelpreise?

Den ersten bekam er 1954 für seine chemischen Entdeckungen, den zweiten 1963 für sein großes Engagement für den Frieden und gegen die atomare Aufrüstung. Als Chemiker war Pauling (1901–1994) eng mit den revolutionären Veränderungen vertraut, welche die Quantentheorie in der Physik ausgelöst hatte. Er baute darauf auf und konnte ein einfaches Modell der chemischen Bindung aufstellen, das die meisten Bindungstypen erklärt.

Als Politiker nahm er seine Verantwortung als Wissenschaftler wahr und kämpfte gegen die atomare Bewaffnung, die er als Missbrauch der neu gewonnenen Erkenntnisse ansah. Dabei war er vielen Anfeindungen aus amerikanischen Regierungskreisen ausgesetzt, aber erhielt auch große Unterstützung, v. a. von seiner Frau Ava, die ebenfalls Chemikerin war.

Übrigens: Gegen Ende seines Lebens befasste sich Pauling mit der wissenschaftlich eher abseitigen »orthomolekularen Medizin«.

Wussten Sie, dass …

Pasteurisierung gegen Milchsäurebakterien, Hefen, Salmonellen und viele andere Keime wirkt, nicht aber gegen den Botulismuserreger und Schimmelsporen?

Friedrich Wöhler auch der Erste war, der reines Aluminiummetall produzierte? Auch die Elemente Phosphor, Beryllium, Silicium und Bor stellte er als Erster in Reinform dar.

Wöhler auch die rauschauslösenden und süchtig machenden Opiate und insbesondere das Cocain untersuchte? Dieses galt damals allerdings noch eher als Medikament, das sogar Kindern verabreicht wurde!

das LIFE-Magazin die Verleihung des Friedensnobelpreises an Linus Pauling als »bizarre Beleidigung aus Norwegen« bezeichnete?

Pauling als alter Mann die tägliche Einnahme von mehreren Gramm Vitamin C propagierte? Dies ist eine starke Überdosis, die von Medizinern und Ernährungswissenschaftlern als »bestenfalls wirkungslos« angesehen wird.

Ist die alkoholische Gärung ein chemischer oder ein biologischer Vorgang?

Beides. Die Beantwortung dieser Frage löste einen heftigen Streit zwischen den Chemikern des 19. Jahrhunderts aus. Während etwa der Deutsche Justus von Liebig (1803–1873) von einem rein chemischen Geschehen überzeugt war, propagierte Pasteur aufgrund seiner Beobachtungen der Aktivität von Hefezellen eine biologische Ursache. Wie so oft lag die Wahrheit in der Mitte: Beim Bierbrauen oder bei der Vergärung von Fruchtsaft spielen tatsächlich die produktiven Einzeller die Hauptrolle. Gleichwohl bewies der Chemiker Eduard Buchner 1897, dass die Gärung auch ohne Mikroorganismen ablaufen kann.

Chemische Analytik: Was ist drin?

Wie findet man Nitrat in Urin oder Bodenwasser?

Wenn es schnell gehen soll, mit Teststäbchen, genauere Werte liefern chemische Analysegeräte wie z. B. Chromatographen. Nitrat ist ein Salz der Salpetersäure, das im Körper zu dem gesundheitsschädlichen Nitrit abgebaut wird. Überhöhte Düngung in der Landwirtschaft hat in vielen Orten die Nitratbelastung von Grund- und Trinkwasser ansteigen lassen. Um die Einhaltung der gesetzlichen Grenzwerte zu gewährleisten, muss daher der Nitratgehalt im Wasserkreislauf kontrolliert werden. Bei der Teststäbchenmethode wird ein farbig beschichteter Papier- oder Plastikstreifen in das Wasser (oder bei medizinischen Untersuchungen in eine Urinprobe) gehalten. Eine chemische Reaktion in der Beschichtung ändert deren Farbe, und zwar umso intensiver, je mehr Nitrat in der Probe enthalten ist. Diesen einfachen Nachweis können auch medizinische Laien oder Schüler im Umweltpraktikum durchführen. Genaue und verlässliche Werte erhält man dagegen mit einem Chromatographen. Dieser besteht, vereinfacht gesagt, aus einer dünnen Säule, durch welche die Probeflüssigkeit geleitet wird. Die einzelnen Bestandteile der Probe verlassen die Säule nacheinander, so dass ihre Konzentration getrennt bestimmt werden kann. Nicht nur in der Umwelt-, sondern auch in der Lebensmittelanalytik und der klinischen Chemie wird diese Methode verbreitet angewendet, da viele Stoffe sich gleichzeitig und mit hoher Präzision messen lassen.

Was zeigt uns der Regenbogen?

Eine Fülle von Informationen über alles, was Licht reflektiert oder sich damit durchleuchten lässt. Wissenschaftlich gesehen ist ein Regenbogen nichts anderes als ein Spektrum, also eine Aufspaltung von Licht in einzelne Farbkomponenten bzw. Wellenlängen.

Seit dem 19. Jahrhundert weiß man, dass jede chemische Substanz eine Art Fingerabdruck in Licht hinterlässt, das von ihr reflektiert wird oder – bei durchsichtigen Stoffen – diese durchstrahlt. Dies liegt daran, dass jedes Molekül gewissermaßen einen ganz eigenen »Appetit« auf Licht von bestimmten Wellenlängen hat. Sind im Spektrum eines Lichtstrahls also einige Wellenlängen abgeschwächt oder andere verstärkt, kann man daraus auf die Natur der Stoffe schließen, mit denen das Licht in Kontakt gekommen ist. Dies klingt nur scheinbar abstrakt: Es ist letztlich nichts anderes als die Tatsache, dass Gegenstände verschiedene Farben tragen. Bei einem roten Apfel überwiegen die Wellenlängen des roten Lichts, am blauen Himmel die des blauen und bei einer Orange die des gelb-roten Übergangsbereichs.

Wie schwer ist ein Femtogramm?

Nur ein Millionstel eines Milliardstel Gramms, in Zahlen 0,000000000000001 oder kurz 10–15 g. Zum Vergleich: Die Masse 1 fm verhält sich zu einem Kilogramm wie die Masse eines Lkw zu der des Planeten Pluto. Diese unvorstellbar kleine Menge eines Spurenstoffs lässt sich heute mit gängigen Analysemethoden nachweisen. Dies ist nicht nur in der Umweltanalytik erforderlich, in der hochgiftige Substanzen bereits in solch winzigen Spuren bedenklich sein können, sondern auch in der Klimaforschung. Diese kann aus winzigsten Mengen von bestimmten Elementen oder Isotopen in einer Eisprobe ableiten, welche Temperaturen und Umweltbedingungen vor Hunderttausenden von Jahren geherrscht haben.

Was verrät die Farbe einer Flamme?

Welche Elemente oder Verbindungen in den verbrennenden Substanzen enthalten sind. Eine ganze Reihe von Stoffen wird routinemäßig durch Flammenfärbungen nachgewiesen, etwa die Metalle Barium, Kalium, Kupfer oder Natrium. Für Halogene (z. B. Fluor, Chlor oder Brom) gibt es die sog. Beilsteinprobe, bei der eine grüne Flamme die Anwesenheit eines Halogens verrät; allerdings können organische Stickstoffverbindungen eine ähnliche Färbung hervorrufen.

Warum sind Blätter grün?

Weil der Blattfarbstoff Chlorophyll rotes und blaues Licht verschluckt oder absorbiert. Grünes Licht dagegen wird weitgehend verlustfrei reflektiert – man könnte sagen, unsere Augen führen mithilfe ihrer farbempfindlichen Sehzellen eine einfache Spektralanalyse des von den Blättern zurückgeworfenen Sonnenlichts durch. Den Farbeindruck »Grün« würde nämlich ein Chemiker so in Worte fassen: »Im reflektierten Licht sind die roten und blauen Wellenlängen unterdrückt, also muss dort Chlorophyll enthalten sein.« Und dass sich die Blätter im Herbst verfärben, lässt darauf schließen, dass Chlorophyll abgebaut bzw. durch andere Moleküle ersetzt wird.

Wussten Sie, dass …

Robert Wilhelm Bunsens (1811–1899) größte Leistung nicht etwa die Erfindung des Bunsenbrenners war, sondern die Begründung der Spektralanalyse? Im Jahr 1859 führte er zusammen mit Gustav Kirchhoff in Heidelberg die ersten spektroskopischen Untersuchungen durch.

nicht nur sichtbares Licht, sondern auch andere Strahlungsarten spektroskopisch genutzt werden? Beispielsweise werden beim in vielen Krankenhäusern eingesetzten Kernspintomographen Radiowellen benutzt.

mit spektroskopischen Methoden die chemische Zusammensetzung von Sternen am Ende des beobachtbaren Universums bestimmt wurde?

es Computerchips gibt, die auf der Fläche eines Fingernagels komplexe chemische Analysen durchführen?

der bei Verkehrskontrollen angewandte berüchtigte Alkoholtest eine Redoxreaktion nutzt, bei der Chromat-Ionen einen Farbumschlag bewirken?

der Begriff »Femtogramm« aus dem Dänischen kommt? »Femten« bedeutet dort »fünfzehn« und wurde von dem dänischen Gelehrten Niels Bohr als Einheitenvorsatzwort ausgewählt.

Organische Chemie: Nicht ohne Kohlenstoff

Welche Bedeutung haben Kohlenwasserstoffe?

Ihre Wichtigkeit für uns ist kaum zu unterschätzen – zählen doch Erdöl, Zucker, Stärke, Alkohol oder Penicillin zu dieser nicht überschaubaren Gruppe von Molekülen. Etwa zehn Millionen unterschiedliche Moleküle sind bekannt und täglich werden es mehr. Ihnen allen gemein ist das grundlegende Bauprinzip: Sie bestehen aus einem zentralen Gerüst von miteinander verbundenen Kohlenstoffatomen, an die jeweils Wasserstoffatome »angehängt« sind. Für das Gerüst gibt es zwei Baumöglichkeiten: entweder eine lange Kette oder einen Ring aus meist sechs (seltener fünf) Kohlenstoffatomen. Die Ringe können sich auch zusammenlagern, so dass man regelrechte Netzwerke aus Kohlenwasserstoffketten erhält.

Kohlenwasserstoffmoleküle haben sehr unterschiedliche Größen: Beginnend bei zwei Kohlenstoffatomen erreichen sie nahezu beliebige Längen. Könnte man sie von oben betrachten, würden sie wie ein Tausendfüßer erscheinen, mit den Wasserstoffmolekülen als »Beinen«. Prominente Vertreter solcher kettenartigen Kohlenwasserstoffe sind die Alkane, die etwa in den fossilen Brennstoffen Erdgas, Erdöl und Steinkohlenteer vorkommen. Sie sind wichtige Rohstoffe und dienen bei weitem nicht nur zur Energieerzeugung.

Gibt es Kohlenwasserstoffe im Menschen?

Ja, beispielsweise als Fette oder Aminosäuren. Eine große Zahl von Kohlenwasserstoffen liefert die belebte Natur, der Mensch ist da nicht ausgenommen. Aus mit der Nahrung aufgenommenen Kohlenwasserstoffen stellt unser Körper wieder andere her, beispielsweise Harnsäure oder körpereigene Fette, darunter auch Cholesterin. Auch Zucker und andere Kohlehydrate, die wir mit der Nahrung zu uns nehmen, werden im Körper in Fett umgewandelt.

Bei der Gärung treten ebenfalls Kohlenwasserstoffe auf, ganz gleich, ob dieser Prozess nun Zucker in Alkohol umwandelt, die anhaftenden Fetzen des Fruchtfleischs von Kakao zersetzt oder ob aus biologischen Abfällen brennbares Biogas entsteht. Die an den Gärungsprozessen beteiligten Mikroorganismen nehmen einen Teil der vorhandenen Kohlenwasserstoffe auf und wandeln sie in andere um.

Was ist organisch an der Organischen Chemie?

Diese Frage lässt sich nur historisch beantworten. Im 19. Jahrhundert dachte man noch, dass organische Substanzen nur in den Körpern von Lebewesen gebildet werden können. Eine nicht weiter erklärbare »Lebenskraft«, die eben nur die Organe von Pflanzen und Tiere besäßen, sei unbedingt notwendig, um solche Verbindungen zu erzeugen oder zu verändern. In ihren Laboren meinten die Chemiker dagegen, nur sog. anorganische Stoffe wie Metall, Glas oder mineralische Verbindungen schaffen zu können. Selbst als vor rund 180 Jahren der organische Harnstoff zweifelsfrei im Labor aus anorganischen Grundstoffen und ohne Beteiligung von Lebewesen erzeugt worden war, änderte sich die Einstellung der Chemiker nur langsam. Es dauerte noch Jahrzehnte, bis die Vorstellung der Lebenskraft aus den Lehrbüchern verschwunden war. Heute gibt es zwar noch die Unterscheidung zwischen Anorganischer und Organischer Chemie, doch die Trennlinie zwischen anorganischen Kohlenstoffverbindungen (Kalk, Backpulver) und organischen (Kohlenwasserstoffe) ist in Einzelfällen willkürlich und hat keine tiefere Bedeutung mehr.

Was ist das Besondere am Kohlenstoff?

Dass er mit ein bis vier anderen Atomen stabile chemische Bindungen eingehen kann, und zwar sowohl mit anderen Kohlenstoffatomen als auch mit Atomen anderer Elemente. Dies und die Tatsache, dass die gebildeten Moleküle fast beliebig groß werden können, macht die unvorstellbare Vielfalt dieser Molekülfamilie möglich. Mengenmäßig dagegen spielt der Kohlenstoff lediglich eine untergeordnete Rolle: Nur 0,04 % der Erdmasse wird von diesem Element aufgebracht, während Eisen und Sauerstoff jeweils fast ein Drittel der Gesamtmasse ausmachen. Bei Lebewesen sieht dies allerdings anders aus: Immerhin knapp 30 % des Gesamtgewichts eines Menschen und 10 % der Atome unserer Körper bestehen aus Kohlenstoff.

Bedeutet aromatisch wohlriechend?

Nein. In der Organischen Chemie versteht man unter »aromatischen Molekülen« oder kurz Aromaten Kohlenwasserstoffe, die mindestens einen Ring aus Kohlenstoffatomen enthalten. Das Beispiel für einen Sechserring schlechthin ist das Benzol, eine farblose, »aromatisch« riechende Flüssigkeit, die vor allem als Lösungsmittel etwa für Farben oder Lacke dient. Da sie als Krebs auslösend gilt, ersetzt man sie häufig durch Toluol oder Xylol, die aber ebenfalls gesundheitsschädlich sind. Ein lebenswichtiges aromatisches Molekül ist dagegen Glucose, der Grundbaustein aller Zuckermoleküle. Übrigens weisen alle Aromaten eine chemische Besonderheit auf: Anders als bei normalen Verbindungen sind nicht alle Elektronen jeweils einem Atom zugeordnet. Einige Atome sind sozusagen über den ganzen Kohlenstoffring »verschmiert«. Und gerade dieses »Elektronen-Sharing« bewirkt die stabile Bindung zwischen den Ringatomen.

Wussten Sie, dass …

die biologische Funktion eines organischen Moleküls oft durch sog. funktionelle Gruppen bestimmt wird, die anstelle eines Wasserstoffatoms an das Kohlenstoffgerüst angehängt sind? So tragen organische Säuren die Gruppe –COOH und der (natürlich aromatische) Aromastoff Vanillin sogar gleich drei solcher Gruppen.

die 20 Aminosäuren, aus denen alle Proteine sämtlicher Lebewesen aufgebaut sind, recht kurze Kohlenstoffketten mit nur wenigen funktionalen »Anhängseln« sind?

das Kürzel BASF für »Badische Anilin- und Sodafabrik« steht – und damit für die organische Kohlenstoffverbindung Anilin (ein Teerbestandteil) und das anorganische kohlenstoffhaltige Molekül Soda?

der giftige Methylalkohol sich vom (vergleichsweise) ungiftigen normalen Alkohol nur in der Länge der Kohlenstoffkette unterscheidet?

Polymere: Nützliche Kunststoffe

Sind alle Kunststoffe künstlich?

Ja, allerdings kann es sich durchaus auch um künstlich abgewandelte Naturstoffe handeln. Andererseits ist nicht jedes beliebige künstlich hergestellte Material ein Kunststoff. Tatsächlich haben die unzähligen heute auf dem Markt erhältlichen Kunststoffsorten v. a. zwei Dinge gemeinsam: Zum einen sind sie aus organischen Verbindungen aufgebaut, die entweder synthetisch oder durch Abwandlung von Naturprodukten hergestellt werden. Zum anderen handelt es sich bei diesen Verbindungen immer um kettenartige Makromoleküle, die aus unzähligen Wiederholungen desselben Grundbausteins (seltener eines Satzes von Bauelementen) bestehen.

Warum beginnen die meisten Kunststoffnamen mit »P«?

Weil es sich um Polymere handelt. Dieser Fachbegriff für Kunststoffe wurde aus den griechischen Wörtern »poly« (viel) und »meros« (Teil) gebildet. Der Grundbaustein, das Einzelteil, heißt entsprechend »Monomer« (griechisch »monos«, allein). Oft lässt sich der Name des Monomers aus dem des Polymers ableiten: »Ethen« bei Polyethen, »Styrol« bei Polystyrol, »Vinylchlorid« bei Polyvinylchlorid (PVC) und so weiter. Wenn zwei (oder mehr) verschiedene Monomere vervielfältigt und zum Makromolekül verbunden werden, spricht man auch von Copolymeren. Durch Variation der Grundbausteine, funktionale Zusätze und die Kombination verschiedener Grundelemente in den Copolymeren wurde eine unermessliche Vielfalt von Kunststoffen für die unterschiedlichsten Anwendungen erschaffen – und täglich kommen neue hinzu.

Übrigens ist die Polymerisation chemisch gesehen nicht die einzige Art, organische Makromoleküle zu bilden. Bei der verwandten, aber nicht gleich ablaufenden Polykondensation werden Bruchstücke des Monomers vor der Kettenbildung entfernt. Ein sehr bekanntes Polykondensat ist Nylon, die »Mutter aller Kunstfasern«.

Warum sagte man in der DDR »Plaste und Elaste« und nicht »Plastik«?

Weil es nicht nur plastische, sondern auch elastische Polymere gibt. Wissenschaftlich gesehen war dieser Sprachgebrauch korrekter als die im Westen übliche Bezeichnung »Plastik« für alle Kunststoffe. Der physikalische Unterschied zwischen »plastisch« und »elastisch« ist der folgende: Elastische Stoffe nehmen nach einer (nicht übertrieben heftigen) Verformung wie ein Gummiband wieder ihre Ausgangsgestalt an. Im Gegensatz dazu verformen sich plastische Stoffe wie Knete oder Wachs unter äußerem Druck. In diesem Sinne ist also eine elastische Plastikfigur eigentlich ein Widerspruch in sich! Allerdings gibt es Kunststoffe, die bei Erwärmung von elastischem zu plastischem Verhalten wechseln. Sie werden genannt thermoplastische Elastomere.

Übrigens: Elastische und plastische Materialien gibt es nicht nur bei den Kunststoffen, sondern in der gesamten Werkstoffkunde. Und es gibt auch Stoffe, die weder plastisch noch elastisch sind, z. B. Glas – dieses bricht schon bei der geringsten Verformung.

Was bestimmt die Materialeigenschaften eines Kunststoffs?

Die mechanischen Eigenschaften eines Polymers hängen außer von der Art des Monomers v. a. davon ab, ob und wie viele Verzweigungen die Kette der Monomere aufweist. Dies bestimmt, wie fest die Polymere miteinander verbunden sind, und zwar entweder chemisch oder einfach durch Verhaken. Generell gilt, dass besonders innig verwobene Polymerketten besonders harte und hitzebeständige Kunststoffe liefern. Auch die Verformbarkeit, also die Frage, ob das Material plastisch oder elastisch ist, wird von den Verknüpfungen zwischen den Ketten mitbestimmt.

Warum ist PVC gefährlich?

Das v. a. in der Bauwirtschaft häufig eingesetzte Material ist aus zwei Gründen nicht ohne Risiko: Erstens werden dem an sich harten Kunststoff bis zu 50 % sog. Weichmacher zugesetzt. Weich-PVC wird zu Fußbodenbelägen oder Lebensmittelverpackungen verarbeitet. Im letzteren Fall können sich die Weichmacher in Anwesenheit fetthaltiger Lebensmittel wie Käse lösen und in diese übergehen. Darum dürfen Lebensmittel nur in Folien aus weichmacherfreien Kunststoffen (Polyethen oder Polypropen) aufbewahrt werden. Vorsichtshalber sollte man deshalb fertigverpackte Lebensmittel rasch aus der Folie nehmen und sie keinesfalls darin einfrieren. Besonders gefährlich aber ist PVC bei Bränden. So starben 1996 auf dem Düsseldorfer Flughafen 17 Menschen, als u. a. brennende Kabelummantelungen aus PVC ätzende Gase und das Seveso-Gift Dioxin freisetzten.

Übrigens: Trotz der Risiken wird noch immer oft PVC verwendet, denn der Kunststoff ist recht beständig gegen Säuren und Laugen, lässt sich erwärmt gut formen und ist prinzipiell schwer entflammbar.

Was hat Playmobil Lego voraus?

Während man über den pädagogischen Wert von Spielzeug sicherlich trefflich streiten kann, ist der wirtschaftliche Erfolg des produzierenden Unternehmens leicht messbar. Und hier sieht es für den mittelfränkischen Hersteller der kleinen Plastikfiguren wesentlich besser aus als für den dänischen Weltkonzern. Der Grund scheint paradox: Lego kämpft mit dem Problem, dass die Systembausteine schon in den 1970er Jahren so stabil und haltbar waren, dass sie heute von den Eltern an ihre Kinder vererbt werden können, was zwar gut für die Umwelt, aber schlecht für den Absatz ist. Das Playmobilmaterial ist zwar sicherlich auch nicht minderwertig, doch gelang es dem Hersteller, die Figürchen mit immer neuem Aussehen für Sammler attraktiv zu machen, was dauerhaften Absatz garantiert.

Können Kunststoffe Strom leiten?

Ja. Obwohl man in der Schule lernt, dass Plastik ein guter Isolator ist und Ummantelungen von Stromkabeln oft aus Kunststoff hergestellt werden, sind in letzter Zeit dennoch auch elektrisch leitfähige Polymere auf den Markt gekommen. Diese haben das Stadium der Grundlagenforschung im Labor bereits hinter sich gelassen, und komplizierte elektronische Schaltkreise wurden damit konstruiert. Der große Vorteil gegenüber Silicium, dem traditionellen Grundstoff der Mikroelektronik, ist die einfache Herstellung. Leitfähige Polymere können wie Druckfarbe auf einen Träger aufgedruckt werden und härten danach von selbst aus. Ein weiteres Plus gegenüber der Siliciumtechnologie: Leitfähige Kunststoffe sind flexibel, so dass sich mit ihnen biegsame Schaltungen herstellen lassen. Damit ließen sich in Zukunft Produkte wie aufrollbare Bildschirme oder Handys als T-Shirt-Aufdruck realisieren.

Was sind OFET, OLED und RFID?

Anwendungen von organischen Leitern mit hohem Marktpotenzial. Das »O« steht jeweils für »organisch«, ein OFET ist also die organische Version eines Feldeffekttransistors (FET), der seit über 50 Jahren das wichtigste Schaltelement der Elektronik ist. Ein OFET besteht aus vier übereinander liegenden dünnen Schichten, die auf einem flexiblen Träger aufgebracht sind und zum Teil leitend, zum Teil isolierend wirken. Die OLED ist dementsprechend das organische Gegenstück zur Leuchtdiode (LED).

Auch OLEDs bestehen aus mehreren Schichten. Die Trägersubstanz ist meistens Glas oder Folie, je nach Anwendungsgebiet. Darauf befindet sich eine kaum 200 Nanometer (Milliardstel Meter) dünne Polymerschicht, die oben und unten von je einer elektrisch leitenden Lage begrenzt wird. Wird zwischen diesen eine elektrische Spannung angelegt, so wandern Elektronen von der einen Schicht zur anderen. Bei ihrem Weg durch die Polymerschicht regen sie deren Atome zum Leuchten an. Dabei lässt sich über die Kunststoffsorte die Farbe des ausgesandten Lichts variieren: Polythiophen leuchtet rot, Polyfluoren blau und Polyphenylenvinylen grün. Alle drei zusammen erlauben die Darstellung beliebiger Farbtöne. Bereits heute sind im Handel Digitalkameras und Handys mit OLED-Display erhältlich.

RFID schließlich steht für »Radio Frequency Identification«, d. h. Radiowellen-Identifikation. Es ist gewissermaßen die organoelektronische Zukunft des Barcodes – Polymerchips, die auf Waren oder Lagergut geklebt werden und mit Radiowellen berührungslos ausgelesen werden können. Seit 2003 existiert hierfür ein weltweit gültiger Datenstandard. Bis 2010 werden für die RFID-Technologie globale Umsätze von bis zu fünf Milliarden Euro prognostiziert. Datenschützer haben Einwände, da mit RFID-Technologie auch Personen elektronisch überwacht werden könnten, ohne dass sie es bemerken.

Gibt es intelligente Flüssigkeiten?

Intelligenz im eigentlichen Sinne wird sicherlich noch auf lange Sicht nur beim Menschen zu finden sein. Aber es gibt Materialien, deren erstaunliches Reaktionsvermögen auf äußere Reize zumindest auf hohe Intelligenz bei den Wissenschaftlern schließen lassen, die sie entwickelt haben. Hierzu zählen sog. elektrorheologische Flüssigkeiten. Diese ändern unter dem Einfluss von elektrischen oder magnetischen Feldern ihre Zähigkeit von dünnflüssig bis nahezu fest – und das innerhalb weniger Millisekunden.

Ein gutes Beispiel ist die erste magnetorheologisch gedämpfte Brücke der Welt, die Dong-Ting-Brücke in Zentralchina. Es handelt sich um eine Schrägseilbrücke, deren Stahlseile ohne Dämpfung bei Erdbeben oder starken Windböen erheblich schwingen würden. Magnetorheologische Dämpfer dämpfen die Seilschwingungen in Abhängigkeit von der jeweils einwirkenden Kraft, so dass es zu nicht zu einem bedrohlichen Aufschaukeln der Schwingungen kommen kann.

Wussten Sie, dass …

das »unkaputtbare« Polykondensat PET, aus dem z B. Plastikgetränkeflaschen bestehen, aus dem Frostschutzmittel Glycol und einer organischen Säure hergestellt wird? Ausgeschrieben lautet der Name »Polyethylenterephthalat«.

90 % der weltweiten Kunststoffproduktion auf die sechs Materialien PE, PP, PVC, PS, PUR und PET entfallen?

Bakelit, der erste vollsynthetische feste Kunststoff, 1909 in den USA hergestellt wurde?

die Hauptbestandteile von Tupperware Polyethylen (PE) und Polypropylen (PP) sind, die genaue Zusammensetzung jedoch ein Betriebsgeheimnis ist?

Ist Jute besser als Plastik?

Für die Umwelt schon. Seit längerem werben Umweltgruppen dafür, anstelle von Plastiktüten Einkaufstüten aus Baumwolle, Papier oder Jute zu verwenden. Alle drei Materialien sind leicht kompostierbar, während Kunststoffe kaum verrotten. Seit einiger Zeit versucht die chemische Industrie, auf den Zug aufzuspringen: Sie erfand biologisch abbaubare Polymere. Diese entstehen, wenn für Bodenmikroben »leicht verdauliche« Stoffe wie Stärke als Ausgangsmaterial der Polymerisationsreaktion benutzt werden. Allerdings haben kompostierbare Plastiktüten das herkömmliche Gegenstück noch nicht am Markt ersetzen können. Ein weiteres Argument für Jutefasern ist, dass sie auch von Kleinbauern in der sog. Dritten Welt in Eigenproduktion hergestellt werden können, die Jutetüte aus dem Eine-Welt-Laden also ein kleiner Beitrag zur globalen Entwicklungsgerechtigkeit ist.

Wird man in Zukunft spüren, was im Computer vor sich geht?

Ja, denn sog. elektro- und magnetorheologische Flüssigkeiten (griechisch »rhein«, fließen) versprechen den Freunden der virtuellen Realität, ihre dreidimensionalen Datenwelten künftig auch greifen und anfassen zu können, oder präziser: haptisch erfahren zu können (von griechisch »haptein«, berühren). Wird diese Vision Wirklichkeit, so werden 3D-Computerspieler, militärische Planer und Piloten im Flugsimulator nicht nur sehen und hören, sondern auch direkt spüren, was in der vom Rechner erzeugten virtuellen Welt geschieht. Zu Kopfhörer und Datenbrille tritt dann ein Datenhandschuh oder sogar -anzug hinzu, welcher nicht nur die Bewegungen des Users erfasst, sondern ihnen je nach der virtuellen Umgebung, in der er sich gerade befindet, auch einen unterschiedlichen mechanischen Widerstand entgegensetzt. Möglich würde dies, wenn der gesamte Datenanzug mit elektrorheologischen Elementen umgeben wäre, die sich je nach Erfordernis verfestigten oder »verdünnisierten«. Während solch eine haptische Ganzkörperumgebung derzeit noch Zukunftsmusik ist, gibt es bereits haptische Joysticks. Diese lassen sich umso schwerer bewegen, je härter das virtuelle Gelände ist. Dies ist nicht nur für Spieler interessant, sondern auch für Chirurgen, die den Einsatz von medizinischen Operationsrobotern steuern.

Zucker, Fette, Kohlenhydrate: Energie zum Essen

Ist Zucker gleich Zucker?

Nein. Chemisch gesehen ist Zucker eine ganze Gruppe von miteinander verwandten Molekülen, den Sacchariden, bzw. von daraus gebildeten Kettenmolekülen (auf Lateinisch heißt Zucker »saccharum«). Die Namen von einfachen Zuckermolekülen, also von Monosacchariden, enden alle auf »-ose«, etwa Glucose (Traubenzucker), Fructose (Fruchtzucker), Maltose (Malzzucker) oder Saccharose (Haushaltszucker). Dabei spielt Glucose in allen Lebewesen eine besondere Rolle als zentrale Komponente des Kohlenhydratstoffwechsels. »Kohlenhydrate« ist ein anderer Name für die Saccharide, er kommt daher, dass viele dieser Verbindungen aus Kohlenstoffatomen und Wassermolekülen in jeweils typischer Zahl bestehen. Oft wird der Name »Kohlenhydrat« besonders für langkettige Moleküle wie Stärke oder Cellulose benutzt, während die Bezeichnung »Zucker« für kurzkettige Moleküle und v. a. die Einfachzucker Glucose, Fructose usw. steht.

Was ist Stärke?

Ein Polysaccharid, also ein langkettiges Zuckermolekül, das aus Tausenden von miteinander verknüpften Glucosebausteinen zusammengesetzt ist. Es wird von vielen Pflanzen als Reservenährstoff für Notzeiten aufgebaut und in Wurzelknollen und auch in Samen gespeichert. Stärkehaltige Nahrungsmittel dienen oft als Sättigungsbeilage, etwa Kartoffeln oder Teigwaren, also Nudeln und Brot. In anderen Ländern baut man Mais, Maniok, Reis oder Süßkartoffeln (Bataten) als Hauptstärkelieferanten an. Wird Stärke chemisch verändert, nennt man sie modifizierte Stärke, sie gilt als Lebensmittelzusatzstoff (z. B. E1410, E1420). Stärke ist aber nicht nur ein Nährmittel: Frühere Generationen gingen ohne gestärkte Kragen und Schürzen nicht auf die Straße. Und noch heute dient Stärke als Grundstoff zur Herstellung von Farben und Kleister oder Papierleim sowie zum Beizen von Baumwolle.

Machen Triglyceride dick?

Leider ja. Denn »Triglyceride« ist nichts anderes als die chemische Bezeichnung für Fette und Öle, die nahrhaftesten und energiereichsten Grundbestandteile unserer Nahrung. Die wissenschaftliche Bezeichnung spiegelt die chemische Struktur dieser Moleküle wider: An jedem der drei Kohlenstoffatome des Alkohols Glycerin ist jeweils eine Fettsäure angebunden. Fettsäuren gehören zur Gruppe der organischen Säuren, deren bekannteste Vertreter Essig- und Milchsäure sind. Da es viele verschiedene Fettsäuren gibt, existieren auch viele Möglichkeiten, unterschiedliche Fettmoleküle zu bilden. Natürliche Fette wie Rindertalg oder Olivenöl wiederum sind Gemische aus verschiedenen Triglyceriden.

Dass Fettmoleküle gerne als Pölsterchen in den berühmten Problemzonen (Bauch, Beine, Po) deponiert werden, liegt an ihrem großen Energiegehalt: Ein Gramm Fett liefert bei der inneren Verbrennung in den Zellen des menschlichen Körpers etwa 40 Kilojoule und damit gut doppelt so viel Energie wie Kohlenhydrate oder Eiweiß. Es ist daher eigentlich ein Platz sparender Energiespeicher. Nur bei einem starken Überangebot an Nährstoffen fangen die Fettreserven an, sichtbar Raum im Körper zu beanspruchen.

Was sind ungesättigte Fettsäuren?

Fettsäuren mit reduziertem Wasserstoffanteil. Diese Moleküle können wie alle Kohlenstoffkettenmoleküle Wasserstoff enthalten. »Gesättigt« nennt man sie, wenn sie die maximal mögliche Anzahl an Wasserstoffatomen pro Kohlenstoffatom enthalten (jedes Atom kann sich immer nur mit einer bestimmten Zahl von anderen Atomen verbinden). Fehlt ein Wasserstoffatom zur Maximalzahl, ist die entsprechende Fettsäure »einfach ungesättigt«, fehlen mehr als eines, heißt sie »mehrfach ungesättigt«. Im Gegensatz zu den gesättigten Fettsäuren müssen ungesättigte mit der Nahrung aufgenommen werden, weil der menschliche Körper sie nicht selbst produzieren kann. Lebensnotwendige ungesättigte Fettsäuren nennt man auch »essenziell«.

Ist Pflanzenöl nur zum Backen und Braten gut?

Nein, die lange Zeit v. a. in der Küche als preiswerte Alternative zu Butter und Olivenöl geschätzten Pflanzenöle wie Raps- oder Sonnenblumenöl und die in ihnen gespeicherte Sonnenenergie werden auch anderweitig genutzt: Durch eine recht einfache Reaktion wird aus Rapsöl Biodiesel, ein klimaneutraler Treibstoff, der in den meisten Dieselfahrzeugen problemlos verbrannt werden kann. Speziell nachgerüstete Dieselmotoren können sogar direkt mit Pflanzenöl betrieben werden.

Wussten Sie, dass …

bereits 300 v. Chr. in Indien Zuckerrohr verarbeitet wurde?

die erste Zuckerrübenfabrik 1801 in Schlesien eröffnet wurde?

in Deutschland jährlich 35 kg Haushaltszucker pro Kopf konsumiert werden?

Kohlenhydrate, wie sie z. B. in Vollkornbrot enthalten sind, gesünder als Zucker sind, weil sie Vitamin B1 liefern, während die Zuckerverdauung Vitamin B1 verbraucht?

Honig ein Viertel weniger an chemischer Energie enthält als Haushaltszucker?

industriell hergestellter Traubenzucker nicht aus Trauben oder anderen Früchten, sondern aus Stärke gewonnen wird?

Cellulose, einer der weltweit am häufigsten vorkommenden natürlichen Rohstoffe, ein Polysaccharid, also ein Zucker ist?

die in Gerstenkörnern enthaltene Stärke das Ausgangsprodukt beim Bierbrauen ist?

der ringförmige Zucker Desoxyribose Grundbaustein des Moleküls Desoxyribonucleinsäure (auf englisch als DNA abgekürzt) ist, des Trägers der Erbinformation?

Seife chemisch gesehen ein Natrium- oder Kalium-Fettsäuresalz ist?

die Deutschen im Schnitt etwa doppelt so viel Fett zu sich nehmen wie medizinisch erforderlich?

Warum schwimmt Fett oben?

Weil es leichter als Wasser ist. Aus diesem Grund setzt sich bei nicht homogenisierter Milch die Sahne oben ab und kann für das Buttermachen abgeschöpft werden.

Proteine: Strukturgeber und zelluläre »Maschinen«

Woher haben Proteine ihren Namen?

Wie so oft in der Wissenschaft, aus der Sprache der alten Griechen. Dort bedeutet »protos« der Erste, der Wichtigste. Und in der Tat kann man die Bedeutung der Proteine für Aufbau und Funktion aller Lebewesen nicht hoch genug ansetzen: Sie bestimmen den Aufbau der Zelle und damit letztlich die Beschaffenheit von Geweben, und sie ermöglichen und beschleunigen chemische Reaktionen, um nur einige ihrer Eigenschaften zu nennen.

So bestehen z. B. Haare, Haut, Blut und viele andere Körperstrukturen aus Proteinen. Insgesamt machen Proteine gut die Hälfte des Trockengewichts eines Menschen aus. Ihre Funktion als molekulare »Maschinen« üben sie in Form der Enzyme aus: Sie sind die entscheidenden chemischen Regulatoren des Körpers. In den Muskeln verändern bestimmte Proteine ihre Form und sorgen so für die Kontraktion der Muskeln und damit für Bewegung. Und als Hormone gehören sie zu den wichtigen molekularen Informationsträgern (es gibt allerdings auch Hormone, die keine Proteine sind) und steuern sehr viele Vorgänge im Körper.

Übrigens: Der deutsche Name der Proteine, »Eiweiße«, beruht eher auf einem historischen Zufall. Sie wurden erstmals in Hühnereiweiß wissenschaftlich beschrieben – ebensogut hätte man sie auch »Rattenblut« oder »Sojabohnen« nennen können!

Wie sind Proteine aufgebaut?

Ihre dreidimensionale Struktur ist hochkomplex und hierarchisch geordnet. Ihre Aufklärung war lange Zeit eines der großen Rätsel der Biochemie. Gleichzeitig ist sie der Grund dafür, dass Proteine sowohl als Baumaterial als auch in der innerzellulären Informationsverarbeitung so vielfältig einsetzbar sind. Auf der untersten Ebene ist ein Protein ein Kettenmolekül oder Polymer (genauer gesagt, ein Copolymer, da es aus verschiedenen Grundbausteinen besteht). Dies ist die Primärstruktur. Es gibt 20 verschiedene mögliche Monomere, die in der Wissenschaft Aminosäuren genannt werden. Ihre Abfolge ist in einem Abschnitt des genetischen Codes, dem »Gen« für dieses Protein, festgelegt.

Die Kette der Aminosäuren faltet sich von selbst zu blättrigen, spiraligen oder anderen Formen zusammen, der sog. Sekundärstruktur. Diese wird dadurch bestimmt, dass die Aminosäuren unterschiedlich stark dazu neigen, sich miteinander zu verbinden. Die Spiral- oder sonstige Kette der Sekundärstruktur wiederum wickelt sich zu einem komplizierten Knäuel zusammen, da die Aminosäuren »Reste« genannte Seitenketten tragen, welche ebenfalls in charakteristischer Weise miteinander in Wechselwirkung treten. Auch diese Tertiärstruktur ist letztlich durch die Abfolge der Aminosäuren und damit genetisch festgelegt. Schließlich formen mehrere Proteine häufig Proteinkomplexe – die Quartärstruktur. Erst solchermaßen in Form gebracht, können sie ihre ganz spezifischen biologischen Aufgaben erfüllen.

Wie erkennen sich Biomoleküle gegenseitig?

Wie Schlüssel und Schloss. Viele Biomoleküle wirken nur auf ganz bestimmte Strukturen ein, so darf ein Stoff, der der Krankheitsabwehr dient, nur feindliche Eindringlinge, aber auf keinen Fall körpereigene Zellen attackieren. Darum müssen Enzyme und andere Proteine »erkennen«, ob sie sich im richtigen Zielgebiet befinden. Dies gelingt, weil jedes Biomolekül eine einzigartige räumliche Struktur und Oberflächengestalt hat. Ist zum Beispiel eine bindungsfreudige Region in einer Einbuchtung oder Tasche »versteckt«, dann reagiert das betreffende Enzym nur mit solchen Stoffen, deren passende Bindungsregion auf einer entsprechend geformten Ausbuchtung sitzt – ganz ähnlich wie ein Haustürschlüssel. Aber auch die Natur ist natürlich nicht vor Pannen gefeit. Viele Krankheitserreger haben die Form körpereigener Moleküle angenommen, sie besitzen sozusagen einen Dietrich und können so unbemerkt in Körperzellen eindringen.

Was fehlt bei Eisenmangel?

Das Protein Hämoglobin. Es ist das entscheidende Transportmittel für Sauerstoff, den es von der Lunge mit dem Blut in alle Körperzellen leitet. Das Hämoglobin ist ein Komplex aus vier Proteinuntereinheiten, die gemeinsam ein Eisen-Ion binden, so dass dieses genau in der Mitte des Hämoglobins sitzt. Ohne das Eisen-Ion kann kein Sauerstoff und damit auch keine Energie zu den Organen und Zellen transportiert werden. Der »Eisenwert«, der einem Patienten vom Arzt nach einer Blutuntersuchung mitgeteilt wird, ist aus diesem Grund normalerweise die Konzentration der Hämoglobinmoleküle im Blut. Zusätzlich wird aber auch die Menge der Eisentransport- und Speicherproteine Transferrin und Ferritin angegeben (auf Latein heißt Eisen »ferrum«). Diese erlauben weitere Rückschlüsse auf den Eisenhaushalt.

Übrigens: Nur Eisen-Ionen in biologisch verwertbarer Form können in Hämoglobin eingebaut werden. Es hilft also nicht, bei Eisenmangel am Autoschlüssel zu lecken. Und auch eine Reihe von sog. Eisenpräparaten, die im Functional-Food-Bereich angeboten werden, enthält Eisen in nicht oder nur schwer verwertbarer Form.

Wussten Sie, dass …

die Krankheit Diabetes auf einer gestörten Produktion des Enzyms Insulin beruht?

das Faserprotein Collagen nicht nur Bindegewebe und Knochen Festigkeit verleiht, sondern in Form von Gelatine auch Sülze und Wackelpudding?

Aminosäuren in zwei zueinander spiegelbildlichen Formen vorkommen, in Lebewesen jedoch immer nur die sog. L-Form auftritt?

über 250 Aminosäuren bekannt sind, die nicht in Proteine eingebaut werden?

der menschliche Körper nicht alle 20 Aminosäuren selbst bilden kann? Diese sog. essenziellen Aminosäuren müssen mit der Nahrung aufgenommen werden.

Schwermetalle wie Blei oder Quecksilber mit Enzymen reagieren und auf diese Weise deren biologische Funktion blockieren? Daher sind diese Metalle giftig.

Enzyme selbst ebenfalls hochgiftig sein können? So ruft das Choleratoxin die Symptome der oft tödlichen Cholera hervor.

Einzeller Hitze- und Frostschutzproteine entwickelt haben, mit deren Hilfe sie in siedendem Wasser oder im ewigen Eis leben?

Wie viele verschiedene Aminosäuren gibt es?

In der Natur kommen nur 20 verschiedene Aminosäuren vor. Dies scheint wenig zu sein in Anbetracht der unzähligen verschiedenen Proteine, die in der belebten Welt zu finden sind. Doch dies täuscht: Die Grundbausteine lassen sich nämlich fast beliebig kombinieren. Die 150 einzelnen (teilweise gleichen) Aminosäuren eines kleineren Proteins können bereits auf 20150 verschiedene Arten angeordnet werden. Dies ist eine Zahl mit 195 Nullen! Würde man je ein Exemplar von jeder Kombination dicht an dicht aufeinanderstapeln, ließe sich das Universum damit 1090-mal füllen. Und dabei sind 150 Aminosäuren sehr wenig – Titin, das größte menschliche Protein, besitzt 30 000 Aminosäuren. Wer gerne rechnet, kann sich an den 2030 000 Möglichkeiten, diese anzuordnen, versuchen …

Prionen: Infektiöse Moleküle

Was ist das Besondere am Erreger des »Rinderwahns«?

Er besitzt kein Erbgut, sondern ist ein Protein. Dies widerspricht einem lange als fundamental angesehenen Lehrsatz der Biologie, nach dem eine Krankheit nur von etwas übertragen werden kann, was zumindest kurze Abschnitte von Erbsubstanz enthält – wie sonst sollte die Information, welche das Krankheitsgeschehen auslöst, weitergegeben werden können? Dementsprechend groß waren sowohl Erstaunen als auch Widerspruch, als der US-amerikanische Biochemiker Stanley Prusiner (*1942) genau dies als Erklärung für die seit 1985 v. a. in Großbritannien beobachtete Ausbreitung des »Rinderwahns« vorschlug. Demnach sollten sog. Prionen für die Übertragung dieser Krankheit verantwortlich sein, Moleküle, die irgendwie außer Kontrolle geraten waren und durch die Fütterung von infiziertem Tiermehl an gesunde Kühe übertragen wurden. Noch im Jahr 1997, als er hierfür mit dem Nobelpreis für Physiologie oder Medizin ausgezeichnet wurde, gab es heftige Kritik – selten war ein wissenschaftlicher Nobelpreis so umstritten wie der von Prusiner! Mittlerweile gilt seine Hypothese aber als gesichert.

Wie können Prionen Krankheiten übertragen?

Der Schlüssel zur Antwort liegt in der Tatsache, dass Prionen in zwei unterschiedlichen räumlichen Konfigurationen vorkommen, wobei der Wechsel von der einen zur anderen gewissermaßen ansteckend ist: Kommt ein normales Prion mit der infektiösen Form in Kontakt, so nimmt es dessen Form an und wird ebenfalls infektiös. Dies wäre nicht weiter schlimm, wenn nicht die infektiöse Form gleichzeitig bewirken würde, dass sich das Gewebe im Hirn des befallenen Opfers krankhaft verändert, bis schließlich zentrale Lebensfunktionen ausfallen und das Tier stirbt. Zuvor sind die berühmt gewordenen Symptome des »Rinderwahns« zu sehen, v. a. Bewegungsstörungen sowie auffälliges und aggressives Verhalten.

War die Rinderwahn-Epidemie vermeidbar?

Ja, durchaus. Zu einer Seuche hätte es eigentlich gar nicht kommen können, denn nur wenn Tiere die Hirnmasse von verendeten infizierten Tieren aufnehmen, können sie selbst befallen werden – und Rinder fressen als Vegetarier überhaupt kein Fleisch.

Zur Katastrophe wurde das Problem erst, als »findige« Landwirte auf die Idee kamen, Tiermehl als Viehfutter zu verwenden, und gleichzeitig schlampige Kontrollen dazu führten, dass an Scrapie gestorbene Schafe als Tiermehl in den Handel gelangen konnten. Scrapie ist nämlich, wie man heute weiß, eine bei Schafen natürlich auftretende Prionenkrankheit, die durch die widernatürliche Fütterungspraxis an Rinder weitergegeben wurde, die sich unglücklicherweise als besonders anfällig erwiesen.

Die Seuche erreichte 1988–1992 in Großbritannien ihren Höhepunkt. 1990 trat der erste Fall in der Schweiz auf, daneben wurden auch in Irland, Frankreich und Portugal mehrere Hundert bis über tausend Ansteckungen nachgewiesen. In Großbritannien sind bis heute knapp 200 000 Tiere verendet. Im Jahr 2001 führte das erste Auftreten von BSE in Deutschland zum Rücktritt von zwei Bundesministern. Auch außerhalb Europas, etwa in Kanada, gab es BSE-Fälle.

Welche Tiere können mit Prionen infiziert werden?

Eine Reihe von Säugetieren hat bisher Symptome gezeigt, die mit denen von Scrapie und Rinderwahn vergleichbar sind, u. a. Nerze, Elche, Katzen, Hirsche, Antilopen, einige Nagerarten und leider auch der Mensch. Dabei muss es sich nicht in allen Fällen um Ansteckung gehandelt haben, da Prionenkrankheiten sich auch durch genetische Defekte ausbilden können. So ist beim Menschen seit langem die äußerst selten auftretende, erbliche Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (CJK) bekannt. Hier scheint eine Mutation das Entstehen der krank machenden Form des menschlichen Prions hervorzurufen. Besorgnis erregend war es, als in den 1990er Jahren in England eine neue Variante der CJK (abgekürzt mit vCJK) beschrieben wurde. Hierbei handelte es sich offenbar um eine Übertragung der Prionenkrankheit vom Rind auf den Menschen – bei den Rindfleisch liebenden Engländern eine Grauen erregende Neuigkeit.

Mittlerweile haben sich die zunächst befürchteten Opferprognosen nicht bewahrheitet, denn offenbar ist die Infektiosität von Prionen von Säugerart zu Säugerart unterschiedlich; Menschen reagieren auf degenerierte Rinderprionen offenbar nur mäßig empfindlich. Dennoch starben bisher über 150 Menschen in Großbritannien an vCJK, einige weitere Fälle sind aus Frankreich und anderen europäischen Ländern bekannt geworden.

Ist Kannibalismus ungesund?

Ja, und zwar nicht nur für das Opfer, sondern unter Umständen auch für den Täter. In Zusammenhang mit der Erforschung der Prionen ist nämlich eine bereits seit langem bekannte Krankheit ins Augenmerk der Wissenschaft gelangt, die bei einigen Gruppen von Ureinwohnern in Neuguinea auftritt: Kuru. Die Symptome gleichen denen der CJK, der Übertragungsweg liegt hier im rituellen Verspeisen der Gehirne Verstorbener. Seit dem gesetzlichen Verbot des Kannibalismus in dieser Region ging die Häufigkeit der Krankheit stark zurück, heute kommt sie praktisch nicht mehr vor.

Wussten Sie, dass …

BSE der wissenschaftliche Name des »Rinderwahns« ist? Die Abkürzung steht für »bovine spongiforme Enzephalopathie«, was so viel heißt wie schwammartige Hirnkrankheit bei Rindern.

man alle übertragbaren Krankheiten, bei denen eine schwammartige Entartung des Hirngewebes von Säugetieren auftritt, als »TSE« zusammenfasst (das »T« steht für transmissibel, also übertragbar)?

auch die sog. tödliche familiäre Schlaflosigkeit zu den TSE zählt? Auch dieser seltenen Erbkrankheit liegt ein nicht korrekt aufgebautes Prionprotein zugrunde. Die nicht behandelbare Krankheit lässt die Patienten immer weniger schlafen und innerhalb weniger Jahre führen immer mehr geschädigte Hirnfunktionen zum Tod des Erkrankten.

auch bei der Alzheimer-Krankheit Ablagerungen defekter Proteine die gefürchteten Funktionsausfälle im Gehirn der Betroffenen bewirken?

es noch eine weitere Klasse von Erregern gibt, die einfacher als Viren aufgebaut sind? Die sog. Viroide, die nur Pflanzen befallen, sind ebenfalls »nackte« Moleküle. Allerdings handelt es sich bei ihnen um Ribonukleinsäuren, also kleine Abschnitte des Moleküls, das auch in vielen Viren die Erbsubstanz enthält.

Warum bilden infektiöse Prionen Klumpen?

Der Unterschied zwischen beiden Prionenformen liegt in der unterschiedlichen Weise, in der sich die Kette ihrer Aminosäuren zusammenfaltet. Während beim normalen Prion Wasser abweisende Bereiche im Inneren verborgen bleiben, befinden sie sich in der ansteckenden Form an der Oberfläche des Proteins. Dadurch kann es sich in der wässrigen Hirnflüssigkeit nicht mehr lösen und »flockt aus«.

Stickstoff: Für Dünger und Sprengstoff

Was brauchen Pflanzen?

Natürlich Licht, Luft und Wasser, darüber hinaus aber auch noch eine Vielzahl von Mineralstoffen und Spurenelementen. Es stimmt zwar, dass bei der Fotosynthese grundsätzlich Kohlendioxid aus der Luft und Wasser aus dem Boden mithilfe der Sonnenenergie zu organischer Materie umgesetzt werden. Doch ohne weitere Nährstoffe kann keine Pflanze überleben. Diese müssen zwar, ähnlich wie Vitamine beim Menschen, meist nur in geringen Mengen aufgenommen werden, doch ohne sie würde kein Enzym und kein Protein korrekt zusammengebaut werden können.

Warum ist Stickstoff wichtig?

Aus zwei Gründen: Zum einen sagt schon der wissenschaftliche Name »Aminosäure«, dass diese Grundbausteine aller Proteine Stickstoff enthalten, denn die Wortbestandteile »Amin-« und »Ammon-« stehen in der Chemie immer für stickstoffhaltige Moleküle. Zum anderen besteht Luft zwar zu vier Fünfteln aus Stickstoff, dieser kann jedoch weder von Pflanzen noch von Tieren genutzt werden. Nur bestimmte Bakterien, die sog. Stickstofffixierer, sind in der Lage, das äußerst stabile Stickstoffmolekül zu knacken und in biologisch verwertbare Formen umzuwandeln.

Übrigens: Dass bestimmte Feldfrüchte wie Erbsen, Bohnen oder Lupinen als »Stickstofffixierer« bezeichnet werden, liegt daran, dass ihre Wurzeln Bakterien als sog. Symbionten beherbergen, welche für sie den Stickstoffaufschluss bewerkstelligen.

Wie behalf man sich früher bei Nährstoffmangel im Boden?

Bis ins 19. Jahrhundert hinein waren Dreifelderwirtschaft und der Eintrag von Jauche und Mist die einzige Methode, verbrauchte Ackerböden zu regenerieren. Bei der Dreifelderwirtschaft wurde in einem Jahr auf einer Ackerfläche Wintergetreide, auf einer zweiten Sommergetreide angebaut. Eine dritte Fläche blieb brach und wurde als Weide benutzt. In den nachfolgenden Jahren wurde die Feldfrucht reihum gewechselt, so dass jeder Anbaufläche alle drei Jahre ein Ruhejahr eingeräumt wurde.

Warum ist die Ammoniaksynthese Segen und Fluch zugleich?

Die Produktion des stickstoffhaltigen Ammoniakmoleküls aus Luftstickstoff im großtechnischen Maßstab brachte im Jahr 1913 der Menschheit sowohl unermesslichen Nutzen als auch großes Leid: Sie lieferte gleichzeitig den ersten künstlichen Stickstoffdünger und einen billigen Grundstoff für Sprengstoff und Munition, wie sie im kurz danach beginnenden Ersten Weltkrieg in Massen eingesetzt wurden.

Was ist Gründünger?

Eine Form der Feldbewirtschaftung, die hilft, den Einsatz von Gülle und Kunstdünger zu begrenzen. Ein Problem bei der Ausbringung von Dünger hat jeder Landwirt: Einen Teil der Nährstoffe, die nicht sofort von den Pflanzen aufgenommen werden, spült das im Boden versickernde Regenwasser in tiefere Schichten, bis sie im Grundwasser verschwinden. Dies gilt insbesondere für Stickstoffverbindungen. Sie treten nämlich häufig in Form des gut im Wasser löslichen Ions Nitrat auf. Darum weisen Grund- und Trinkwasser in Regionen mit intensiver Landwirtschaft und stark gedüngten Kulturen wie Spargel oft hohe Belastungen mit gesundheitsschädlichen Nitraten auf.

Der Vorteil beim Anpflanzen von Gründüngerkulturen liegt nun darin, dass nach der Ernte der Hauptfrucht schnell wachsende Pflanzen wie Raps oder Klee ausgesät werden, die noch im Herbst keimen und aufwachsen. Bis in den Frühwinter nehmen sie dazu die im Boden verbliebenen Nährstoffe auf und bauen sie in Stängel und Blätter ein. Im Frühjahr werden die winterharten Pflanzen dann untergepflügt, woraufhin Mikroorganismen ihre organische Materie zu natürlichen Düngestoffen zersetzen. Diese können dann von der neuen Saat sofort aufgenommen werden. Auf diese Weise wird einerseits der mittlerweile nicht mehr ganz billige Kunstdünger gespart und andererseits das Grundwasser vor zu hohen Nitratwerten geschützt.

Wussten Sie, dass …

im 19. Jahrhundert Stickstoffdünger aus Chilesalpeter gewonnen wurde?

die Ammoniaksynthese nach Haber und Bosch so energieaufwendig ist, dass 3 % des globalen Energieverbrauchs nur in diese eine Reaktion gehen?

80 % des so erzeugten Ammoniaks für Düngemittel verwendet werden?

der Name des Sprengstoffs Nitroglycerin vom wissenschaftlichen Namen des Stickstoffs, Nitrogenium, herrührt?

Fritz Haber das Kaiser-Wilhelm-Institut für Physikalische Chemie in Berlin, das er ab 1911 leitete, bei Beginn des Ersten Weltkriegs der preußischen Heeresverwaltung zur Verfügung stellte, als Initiator und Organisator des deutschen Giftgaskriegs gilt und zudem für die Einführung der Grün- und Blaukreuzgeschosse verantwortlich war?

er trotzdem 1918 den Chemienobelpreis erhielt?

Fritz Haber 1933 wegen seiner jüdischen Herkunft nach Großbritannien emigrierte?

Was ist das Haber-Bosch-Verfahren?

Die erste großtechnisch durchführbare Methode zur Herstellung von Ammoniak (NH3) aus Luftstickstoff (N2). Während die Herstellung von Stickstoffdünger aus Ammoniak relativ leicht zu bewerkstelligen ist, war die Umwandlung des Luftstickstoffs äußerst schwierig. Der Grund hierfür liegt in der sehr starken chemischen Bindung zwischen den beiden Stickstoffatomen im N2-Molekül. Dies bedeutet, dass sehr viel Energie aufgewendet werden muss, um diese Bindung aufzubrechen und die Stickstoffatome mit Wasserstoff reagieren zu lassen. Fritz Haber (1868–1934) entdeckte, dass unter hohem Druck die Stickstoffbindung leichter geknackt werden kann, Carl Bosch (1874–1940) schuf das großtechnische Verfahren, das die Massenproduktion und damit die enorme Ausweitung der mineralischen Stickstoffdüngung erst möglich machte.

Bosch war ab 1925 Chef des Chemiekonzerns I. G. Farben; in dieser Funktion unterstützte er indirekt die Machtergreifung der Nationalsozialisten und war außerdem mitverantwortlich für deren spätere Aufrüstungs- und Kriegspolitik.

Künstliche Farbstoffe: Das erste Massenprodukt

Welches war der erste künstliche Farbstoff?

Den ersten synthetischen Farbstoff (Mauvein, sprich »Mowe-in«, von französisch mauve, »Malve«) entdeckte der Brite Henry Perkin (1838–1907) im Jahr 1856 eher zufällig bei dem Versuch, aus Anilin – einem Teerbestandteil – Chinin herzustellen. Die unansehnliche schwarze Masse löste sich überraschenderweise in Alkohol und lieferte dann eine violette Farbe, die dauerhaft in Stoffe eindrang, ohne auszubleichen. Die Mauveinsynthese gab den Startschuss für die Herstellung einer Vielzahl anderer synthetischer Anilin-Farben, etwa Perkin-Grün, Alizarin (Rot) und Methylenblau.

Welches waren die ersten Chemiefabriken?

Die erste Fabrik gründete Henry Perkin kurz nach seiner bahnbrechenden Entdeckung des Mauveins mit dem Ziel, diesen künstlichen Farbstoff in größerem Maßstab herzustellen. Damit legte er den Grundstein für einen neuen Industriezweig: die chemische Industrie. In rascher Folge entstanden überall neue Farbenfabriken, in Deutschland etwa die Firmen Boehringer Mannheim (1859), Bayer, Hoechst und Kalle (1863), Badische Anilin- & Sodafabrik (BASF, 1865), Agfa (1867) und Schering (1871). Schon 1877 betrug der deutsche Anteil an der Welterzeugung von Farbstoffen 50 Prozent, bis 1913 stieg er auf 87 Prozent.

Welcher Farbstoff macht Jeans blau?

Indigo. Bereits im Altertum war bekannt, dass aus den Blättern des Färberwaids ein Farbstoff gewonnen werden kann, der Textilien einen intensiven Blauton verleiht. Das Verfahren war allerdings sehr mühselig und auch recht unappetitlich, denn es waren große Mengen gut abgestandenen Urins erforderlich.

Der Weg zur technischen Synthese von Indigo war recht schwierig. Lange Zeit ließ sich der Farbstoff, mit dem im 19. Jahrhundert vor allem Uniformen und Arbeitskleidung eingefärbt wurden, trotz aller Bemühungen nicht künstlich herstellen. Erst nachdem Adolf von Baeyer und seine Mitarbeiter 1870 seine chemische Struktur aus zwei miteinander verbundenen Doppelkohlenstoffringen aufgeklärt hatten (wofür von Baeyer 1905 den Nobelpreis für Chemie erhielt), konnte eine Synthese gesucht werden. Ein Verfahren war nach zehn Jahren gefunden, doch war es für den großtechnischen Einsatz zu teuer.

Werden Jeans im Licht ausgebleicht?

Nein, mit Indigo gefärbte Stoffe sind durchaus lichtecht. Dass ältere Jeans nach und nach ihre Farbe verlieren, liegt an der mechanischen Beanspruchung, der dieses für körperliche Arbeiten geschaffene Kleidungsstück meist stärker unterworfen ist als der feine Zwirn eines Bankangestellten. Wie so oft hat sich dieser Materialfehler bei manchen Kunden zum besonderen Qualitätsmerkmal bzw. »Look« entwickelt: So genannte Stone-washed, Moon-washed oder Mouth-washed Jeans werden bereits bei der Produktion so vorbehandelt, dass sie schon im Laden stellenweise ausgebleicht und damit gebraucht aussehen.

Sind Lebensmittelfarben immer künstlich?

Nein, es gibt sowohl aus Naturstoffen als auch künstlich hergestellte Lebensmittelfarbstoffe. Bekannte Speisefarben, die völlig unbedenklich genossen werden können, erhält man beispielsweise aus Safran (Gelb), dem auch in Curry enthaltenen Curcumin (Gelb-orange, E100) und aus Roten Beten (E162). Letztere färben so intensiv, dass man beim Kochen auf seine Kleidung achten sollte und der Farbstoff auch am nächsten Tag – nach der Darmpassage – noch deutlich zu erkennen ist.

Ein künstlicher Lebensmittelfarbstoff ist E110, auch als »Gelborange« bekannt, der u. a. in Obstkonserven zu finden ist. Es gibt auch mineralische Farbstoffe wie Titandioxid, das Zahnpasta zugesetzt wird. Am häufigsten werden in der Lebensmittelindustrie sog. naturidentische Farbstoffe eingesetzt. Hierunter sind synthetische Nachbildungen von auch natürlich auftretenden Substanzen zu verstehen. Ein typisches Beispiel ist Vanillin. Es entspricht dem Hauptaromastoff der Vanille, wird aber aus Ligninsulfonsäure hergestellt, einem Abfallprodukt der Papierherstellung.

Was macht man, wenn man blau macht?

Nichts, denn diese Redewendung geht auf den letzten Schritt im klassischen Färbevorgang mit Indigo zurück: das Abwarten, bis die angesetzte Färbelösung den Textilien den gewünschten Farbton gegeben hat.

Wussten Sie, dass …

Walter Flemming (1843–1905) synthetische Farbstoffe verwendete, um Körperzellen anzufärben, und dabei 1882 die Chromosomen im Zellkern entdeckte? Und dass Robert Koch (1843–1910) mit Methylenblau die Tuberkelbazillen nachwies?

der im fränkischen Buttenheim geborene Industrielle Levi Strauss (1829–1902) in den 1870er Jahren eine mit Indigo gefärbte Arbeitshose auf den Markt brachte, die sich zum meistgetragenen Kleidungsstück weltweit entwickeln sollte? Es war die Blue Jeans.

das Levi-Strauss-Museum in Buttenheim eine große Ausstellung zur Geschichte der Jeans zeigt?

die amerikanische Bezeichnung Denim für Jeansstoff eine Verkürzung des französischen »serge de Nîmes« (Gewebe aus Nîmes) ist? In der südfranzösischen Stadt wurde schon seit langem ein strapazierfähiger Stoff mit diesem Webmuster hergestellt.

der ADI-Wert angibt, welche Menge eines Lebensmittelfarbstoffs bedenkenlos eingenommen werden kann? »ADI« steht dabei für »acceptable daily intake«, zu Deutsch »akzeptierbare Tagesaufnahme«.

Industrielle Chemie im 21. Jahrhundert: Stoffe für alles

Ist Chemie nur etwas für Chemiker?

Streng genommen, nein. Nur 8 % der Beschäftigten in der Chemieindustrie sind studierte Chemiker, mehr als zwei Drittel dagegen Facharbeiter, Meister und Laboranten. Insgesamt arbeiten in Deutschland knapp 450 000 Menschen in einem chemischen Betrieb, über 25 000 davon sind Auszubildende. Die Gehälter liegen um etwa 20 % über dem Durchschnitt des verarbeitenden Gewerbes in Deutschland. Allerdings gibt es auch einen Faktor, der das Berufsfeld weniger erstrebenswert macht: Die Lebenserwartung von Chemikern ist einige Jahre niedriger als die von Menschen in anderen Berufen.

Welches sind heute die wichtigsten Produkte der Chemieindustrie?

An der Spitze liegen drei Produktgruppen fast gleichauf: die Arzneimittel, die Kunststoffe und die sog. organischen Grundstoffe, also organische Materialien, die von der chemischen Industrie oder anderen Wirtschaftszweigen als Ausgangsstoffe für weitere Produkte benötigt werden. Eine vierte Gruppe, die Fein- und Spezialchemikalien, hat ebenfalls einen recht großen Anteil an der Jahresproduktion, hierunter fallen u. a. Farben und Lacke.

Insgesamt ist nur knapp ein Drittel aller chemischen Erzeugnisse für den Endkunden bestimmt, kann also direkt im Laden erworben werden. Der Rest wird weiterverarbeitet; dies zeigt die große Bedeutung, welche die Chemieindustrie heute für die gesamte Wirtschaft besitzt.

Welche ist die größte Chemiefabrik der Welt?

Das Gelände der BASF in Ludwigshafen am Rhein. Es nimmt fast ein Drittel des Ludwigshafener Stadtgebiets ein, immerhin eine Großstadt mit über 160 000 Einwohnern. Die Größe des Geländes spiegelt die lange Jahre gültige Firmenphilosophie wider, die Betriebsanlagen an einem Ort zu konzentrieren und nicht auf viele Standorte zu verteilen, wie es bei anderen Firmen üblich ist.

Das Schicksal Ludwigshafens ist untrennbar mit seinem größten Arbeitgeber und Gewerbesteuerzahler verknüpft. Gegründet wurde die Stadt erst im Zeitalter der Industrialisierung, seit 1925 ist sie eine Großstadt, die mit dem mittlerweile weltgrößten Chemiekonzern wuchs und prosperierte, aber auch hart von rückgängigen Steuerzahlungen getroffen wurde. Übrigens wurde die BASF nicht in Ludwigshafen, sondern im badischen Mannheim gegründet, zog jedoch kurze Zeit später auf die damals bayerische linke Rheinseite um.

Welche Rolle spielt die Forschung in der chemischen Industrie?

Eine große, die Aufwendungen der deutschen Chemieindustrie für Forschung und Entwicklung liegen bei 8 Mrd. Euro jährlich und werden im Land nur von denen der Automobil- und der Elektroindustrie übertroffen. Dabei ist das Themenspektrum sehr vielfältig: Sowohl in etablierten Gebieten wie der Pharmazeutik oder der Herstellung von Gebrauchsmaterialien als auch in neuen Fachrichtungen wie Biotechnologie oder Nanotechnik werden laufend neue Produkte oder sogar die Grundlagen für ganz neue Produktbereiche entwickelt. Und nicht nur marktfähige Erzeugnisse stehen im Fokus; auch die Verbesserung der Herstellungsverfahren oder die Etablierung gänzlich neuer Produktionswege stehen auf der Tagesordnung. Dies gilt insbesondere in Hinblick auf Wirtschaftlichkeit, Sicherheit, Energieverbrauch und Umweltverträglichkeit der Verfahren. Innovationen in diesem Bereich können entscheidend für die Entwicklung der Chemiekonzerne sein und sind oft auch für die Bevölkerung, die in der Umgebung chemischer Fabriken wohnt, bedeutsam.

Warum ist Kunststoffrecycling schwierig?

Weil es so viele verschiedene Kunststoffe gibt, auch wenn für den Laien alles »wie Plastik« aussieht. Schon die sechs wirtschaftlich bedeutendsten Polymere sind aus jeweils verschiedenen Grundbausteinen aufgebaut, die chemisch nicht immer gut miteinander verträglich sind. Darum ist für eine effektive und ökonomische Wiederverwertung eine sortenreine Sammlung fast immer zwingend notwendig. Ein weiteres Problem ist, dass man viele Kunststoffe nicht einfach einschmelzen und neu gießen kann, wie dies mit Altglas seit langem praktiziert wird. Manche werden dabei durch chemische Reaktionen unbrauchbar, andere reagieren mit winzigen Restverschmutzungen, die nur schwer zu entfernen sind.

Aus all diesen Gründen hat es in den vergangenen 15 Jahren zwar viele Versuchsprojekte zum Recycling von Kunststoffen gegeben, aber es wurde noch kein marktgängiges Verfahren für große Stoffumsätze etabliert. Dies könnte sich allerdings ändern, wenn die Erdölpreise weiter so rasant ansteigen: Je teurer die natürlichen Ausgangsmaterialien werden, desto eher lohnt sich der Aufwand, Altplastik wieder zu verwerten.

Was ist das Besondere an Nylon?

Nylon war die erste vollsynthetische Kunstfaser. Im Jahr 1938 ließ sich die US-amerikanische Firma DuPont eine Kunstseide aus Polyamid patentieren, die vollständig synthetisch produziert werden konnte. Fast zeitgleich stellte der deutsche Großkonzern I. G. Farben unter dem Namen »Perlon« eine sehr ähnliche Polyamidfaser vor. 1940 wurden die ersten Damenstrümpfe aus Nylon sofort ein Renner – innerhalb weniger Stunden sollen allein in New York vier Millionen Paar verkauft worden sein.

Erst Ende der 1940er Jahre etablierten sich »Nylons« auch in Deutschland: als Ersatzwährung auf dem Schwarzmarkt. In den 1950er und 1960er Jahren erlebte die Nylon- und Perlonproduktion einen rasanten Aufschwung: Modische Kleidung aus den preiswerten und pflegeleichten Synthesefasern, etwa Strümpfe, Miederwaren, Damenoberbekleidung und Hemden, prägte das Lebensgefühl einer Epoche.

In der DDR wurde Perlon unter dem Namen »Dederon« produziert. In den 1970er Jahren ging die Nylonherstellung v. a. im Westen zurück. In neuerer Zeit sind Synthetikstoffe jedoch als »Funktionskleidung«, etwa für Jogger und Nordic Walker, wieder gefragt.

Was sind Mikrofasern?

Als Mikrofasern werden im Allgemeinen solche Fasern bezeichnet, die noch feiner als Seide sind. Im Vergleich zu Baumwolle sind sie dreimal, zu Wolle sechsmal und zu einem menschlichen Haar 60-mal feiner. Mikrofasern gewinnt man unter anderem aus Polyamid (Meryl, Silky Touch, Amaretta), Polyester (Trevira), Viscose (Danufil Mikro) oder Teflon (Polytetrafluorethylen bzw. PTFE, Gore-Tex®). Stoffe aus Mikrofasern tragen sich angenehm und haben einen weichen Griff. Mikrofasergewebe aus Polyester und Polyamid werden von Wasser schlecht benetzt, sind also auch ohne Beschichtung wasserdicht. Wasserdampf hingegen lassen sie passieren, sie sind also »atmungsaktiv«. Damit sind sie besonders geeignet für Sport- oder Wanderbekleidung. Problematisch ist, dass Mikrofaserstoffe praktisch nicht verrotten. Es gibt allerdings erste Versuche, durch Mikrofaser-Recycling den Mikrofaseranteil im Hausmüll zu reduzieren.

Verdanken wir die Teflonpfanne der Raumfahrtforschung?

Dieser viel zitierte Mythos ist falsch, in Wirklichkeit wurde Teflon 1938 von Roy Plunkett (1910–1994), einem Mitarbeiter des Chemiekonzerns DuPont, entdeckt. 1954 wurde erstmals eine Pfanne mit dem Material beschichtet – in die Raumfahrt gelangte es noch später als Isoliermaterial für Kabel, etwa in den Apollo-Mondlandekapseln.

Dass die Entdeckung dieses Polymers der Raumfahrtforschung zugeschrieben wurde, liegt wohl an dem allgemeinen großen Aufsehen, das 1969 die erste Mondlandung und alles, was damit zu tun hatte, erregte. Im selben Jahr entwickelte der US-amerikanische Chemiker und Industrielle Bob Gore durch Erhitzen und Strecken aus Teflon ein heute fast noch bekannteres Material: das Kunstgewebe Gore-Tex®, eine wasserfeste Membran, die jedoch für Wasserdampf durchlässig ist. Sie wird u. a. für wetterfeste Bekleidung oder künstliche Arterien eingesetzt. Einige Jahre nach seiner Erfindung wurde Gore-Tex® auch für die Herstellung von Raumanzügen verwendet. Heute kommt das fluorhaltige Teflon zu neuen Ehren: Als Beschichtung von Glasplatten senkt es deutlich die Anlagerung von Fetten und Stäuben aus der Umwelt.

Übrigens: Plunketts Entdeckung war eher ein Zufallsprodukt. Er hatte eine Flasche mit Fluor enthaltenden Gasen einige Tage auf seinem Schreibtisch stehen lassen. Als er sie wieder inspizierte, hatte sich ein weißes Pulver gebildet: Polytetrafluorethylen.

Wussten Sie, dass …

die Mineralölindustrie der wichtigste Lieferant der chemischen Industrie ist? Über 30 000 unterschiedliche Waren und Stoffe entstehen aus Erdöl und dessen Folgeprodukten.

10 km Mikrofaserfaden nur ein Gewicht von 0,1 bis 1 g aufweisen?

zwei der vier größten Chemiekonzerne der Welt ihren Sitz in Deutschland haben?

in der chemischen Industrie die Einhaltung von Sicherheitsstandards sehr wichtig ist? Trotzdem kommt es immer wieder zu Unfällen, zu den verheerendsten zählen die Katastrophe von Seveso (Italien 1976) und vor allem das Unglück von 1984 im indischen Bhopal, an dessen Folgen mehrere Tausend Menschen starben.

die Firmen Agfa, BASF, Bayer, Hoechst (später Aventis), Wacker-Chemie und andere alle Nachfolgeunternehmen der I. G. Farben sind bzw. waren, des größten Chemiekonzerns der deutschen Geschichte? Die I. G. Farben wurde 1946 von den Alliierten wegen ihrer Verstrickung in die Kriegswirtschaft der Nationalsozialisten zwangsweise aufgelöst.

Arbeiten Industriechemiker immer in der Chemieindustrie?

Nein, auch wenn es etwas paradox klingen mag: Sowohl die Herstellung von Arzneimitteln als auch die Verarbeitung von Rohöl wird offiziell nicht zum Wirtschaftszweig der chemischen Industrie gezählt. Erstere gehört zur pharmazeutischen Industrie, Letztere zur Petrochemie. Natürlich sind aber die Übergänge fließend, in beiden Branchen sind auch viele Chemiker beschäftigt.

Wussten Sie, dass …

Teflon selbst von sog. Königswasser, einer der aggressivsten Säuren, nicht angegriffen wird?

bei der Herstellung der ersten Atombombe das gefährliche Uranhexafluorid in teflonbeschichteten Behältern aufbewahrt wurde?

Waschen und Reinigen: Schmutzfänger Tenside

Kernseife oder Schmierseife: Was ist der Unterschied?

Die Ausgangsprodukte. Seifen entstehen bei der alkalischen Spaltung von Fetten, der sog. Verseifung. Chemisch gesehen sind sie Alkalisalze von Fettsäuren, wobei Natriumsalze die harten Kernseifen bilden, Kaliumsalze die weicheren Schmierseifen. In alten Zeiten wurden dazu Rindertalg und Schweineschmalz mit Soda (Natriumcarbonat) oder Pottasche (Kaliumcarbonat) gekocht – dies war die gängige Methode, Seife für den täglichen Gebrauch herzustellen. Prinzipiell wird derselbe Vorgang heute industriell durchgeführt. Als Rohstoffe dienen dabei Talg, Kokos- oder Palmfett sowie Natronlauge. Flüssigseifen entstehen mit Fettsäuren aus acht bis zehn Kohlenstoffatomen. Durch Zusätze wie Parfümöle, Farbstoffe, Deodorantien und rückfettende Stoffe wie Lanolin (Wollfett) werden Feinseifen hergestellt.

Weshalb kann man mit Seife waschen?

Die Waschwirkung von Seifen beruht v. a. auf ihren sog. grenzflächenaktiven Eigenschaften: Sie setzen die Oberflächenspannung des Wassers herab; solche Stoffe nennt man auch Tenside. Wasser besitzt eine starke Oberflächenspannung, die auf der Struktur des flüssigen Wassers beruht. Die Wassermoleküle in flüssigem Wasser werden durch zahlreiche Wasserstoffbrücken untereinander vernetzt. Substanzen, die weder Wasserstoffbrücken noch ionische Wechselwirkungen mit Wassermolekülen ausbilden können – zum Beispiel Fette –, können dieses Netz der Wasserstoffbrücken nicht aufbrechen und lösen sich daher nicht in Wasser.

Tenside sind in der Lage, gleichzeitig sowohl mit Wassermolekülen als auch mit Schmutzteilchen, die häufig aus Fett bestehen, eine Wechselwirkung einzugehen. Diese lang gestreckten Moleküle vereinen zwei gegensätzliche Eigenschaften in sich: Ein Molekülteil (der Kopf) ist hydrophil (Wasser liebend), der andere (der Schwanz) wendet sich vom Wasser ab, ist also hydrophob. Im Wasser sammeln sich Tensidmoleküle daher an der Oberfläche: Der polare Kopf steckt im Wasser und der unpolare Schwanz ragt aus dem Wasser heraus. Auf diese Weise verringern sie die Oberflächenspannung des Wassers, so dass Textiloberflächen besser benetzt werden.

Tenside haben aber auch noch eine weitere, wichtigere Wirkung: Sie umschließen Schmutzpartikel oder Fettreste, indem sich der hydrophobe Schwanz an sie anlagert, während der hydrophile Kopf sich von ihnen abwendet und im Wasser zu bleiben versucht. Durch diese Hülle werden die eigentlich unlöslichen Partikel wasserlöslich und können mit dem Waschwasser fortgespült werden.

Ist hartes Wasser hart?

Nein, hartes Wasser ist genauso flüssig wie weiches. Die sog. Wasserhärte gibt an, ob (und wie viele) gelöste Ionen im Wasser enthalten sind. Besonders häufig ist gelöstes Calcium-(hydrogen)carbonat, also Kalk. Bei uns wird die Wasserhärte daher als Kalkgehalt in °dH (Grad deutscher Härte) angegeben, wobei 1 °dH einem Kalkgehalt von 1 Milligramm pro 100 Milliliter Wasser entspricht. Kalk kann beim Erwärmen oder sich änderndem Säuregehalt »ausfallen«, d. h. sich als fester Niederschlag an den Gefäßwänden oder in Leitungen absetzen. Die Wasserhärte beeinflusst sowohl die Lebensdauer einer Waschmaschine als auch das Waschergebnis.

Enthalten Waschmittel heute noch Seife?

Nein, denn Seife ist nur in weichem Wasser waschaktiv. In hartem Wasser dagegen werden schwerlösliche Calcium- oder Magnesiumsalze ausgefällt, die als weiße Flocken auf der Lösung schwimmen. Außerdem wird dadurch ein Teil des Waschmittels nutzlos, so dass man bei hartem Wasser das Waschmittel höher dosieren muss. Um die Nachteile von Seifen zu umgehen, werden seit etwa 1950 sog. synthetische Tenside eingesetzt. Sie haben die gleiche Struktur aus unpolarem Alkylrest und polarem Kopf wie Seifen und waschen gleich gut. Unterschieden wird zwischen anionischen (elektrisch negativ geladenen), kationischen (positiv geladenen) und nichtionischen (neutralen) Tensiden – jeweils bezogen auf die Eigenschaft der polaren Kopfgruppe. Alkylbenzolsulfonat etwa ist ein anionisches Tensid, das biologisch gut abbaubar ist. Zu den neutralen Tensiden gehören unter anderem die Alkylpolyglucoside. Sie werden aus nachwachsenden Rohstoffen wie Kokosöl und Maisstärke gewonnen, sind sehr hautfreundlich und werden in kurzer Zeit biologisch abgebaut. Esterquats sind dagegen kationische Tenside, die beispielsweise als Weichspüler verwendet werden.

Übrigens: Das strahlende Weiß von frischer Wäsche erzeugen nicht Tenside, sondern optische Aufheller. Diese lagern sich an den Fasern an und verwandeln ultraviolettes in sichtbares blaues Licht. Da Pflanzenfasern meist eine gelbliche Naturfarbe besitzen, erzeugt dies optisch einen weißen Eindruck.

Sind Waschmittel umweltschädlich?

Ja, aber nicht mehr in dem Maße wie früher, als man ihnen zur Wasserenthärtung Natriumtriphosphat zusetzte, das mit Calcium-Ionen wasserlösliche Komplexe bildet. Seit 1990 gibt es in Deutschland nur noch phosphatfreie Waschmittel – zu groß war die Umweltbelastung geworden. Phosphate sind zwar nicht giftig, fördern aber das Algenwachstum in Gewässern (Eutrophierung). Bakterien verbrauchen beim Abbau von Algen Sauerstoff, der den übrigen Wasserlebewesen fehlt: Das Gewässer »kippt um«. Heute ersetzen Zeolithe und Polycarboxylate die Phosphate. Zeolithe schädigen weder Umwelt noch Gesundheit. Ökologisch unbedenklich sind moderne Waschmittel deshalb jedoch nicht. Waschmittelrückstände werden nicht immer vollständig mikrobiologisch abgebaut: Schaumberge bilden sich. Heute müssen in Kläranlagen Tenside nach drei Wochen zu mindestens 80 % abgebaut sein und die Abwässer dürfen nicht mehr direkt in Gewässer eingeleitet werden.

Ist Putzen eine Gefahr für die Gesundheit?

Ja, wenn es im Übermaß betrieben wird, wobei die berüchtigten »Spülhände« noch das geringste Problem darstellen. Denn inzwischen hat man festgestellt, dass das menschliche Immunsystem zu seiner Reifung den Kontakt mit einer gewissen Menge an Fremdstoffen und Erregern benötigt. Eine zu stark gereinigte Umgebung, in der zu wenig solche Kontakte stattfinden, gilt deshalb als ein möglicher Auslöser von Autoimmunkrankheiten wie Asthma oder Allergien. Außerdem sind viele der starken Reinigungsmittel bei Einatmen, Verschlucken oder Hautkontakt gesundheitsgefährdend und stellen – werden sie zu hoch dosiert – eine Belastung für die Umwelt dar.

Wussten Sie, dass …

Waschmittel eine Reihe von Zusatzstoffen enthalten? Gegen Flecken werden etwa Bleichmittel und Enzyme zugesetzt; Letztere entfernen vor allem »biologische« Flecken wie Kakao oder Blut.

Waschen in vielen Kulturen auch ein ritueller Akt ist? Es dient nicht in erster Linie der Reinigung des Körpers, sondern der Seele, um sich von Belastendem frei zu machen.

Petrochemie: Mehr als Benzin

Wem verdanken wir das Erdöl?

Vor allem Pflanzen, die vor Jahrmillionen auf der Erde wuchsen. Erdöl – und Erdgas ebenfalls – ist ein sog. fossiler Brennstoff: Es entstand vor mehr als 100, teilweise sogar vor über 250 Millionen Jahren durch die äußerst langsam ablaufende Zersetzung von urzeitlichem organischem Material wie Pflanzen, Plankton oder Mikroorganismen unter Druck und unter Ausschluss von Sauerstoff; die genaue Bildungsweise ist noch nicht entschlüsselt. Vom Ort der Entstehung (dem Erdölmuttergestein) wanderten Öl und Gas unter dem Druck der Erdkruste in poröse Speichergesteine, die von undurchlässigen Schichten umgeben sind. Günstige Orte für die Entstehung der heutigen Lagerstätten waren abgeschlossene, flache Meeresbuchten und Lagunen des Erdmittelalters.

Für die chemische Industrie ist Erdöl heute ein unverzichtbarer Rohstoff. Zuerst entwickelte sich die Petrochemie zwischen Erstem und Zweitem Weltkrieg in den USA, wo dieser Rohstoff preiswert zur Verfügung stand. Die chemische Industrie in Europa zog nach, als ab 1950 die riesigen Ölfelder im Nahen Osten erschlossen wurden. Erdöl und Erdgas werden durch Bohrungen in die Lagerstätten aufgespürt und mithilfe des Eigendrucks oder durch Einpressen von Wasser oder Luft an die Oberfläche befördert. Da die meisten Lagerstätten weit von den Raffinerien und Verbraucherländern entfernt sind, wird Erdöl mit riesigen Tankschiffen oder über Rohrleitungen (Pipelines) über weite Strecken transportiert. Erdgas leitet man vor allem durch Pipelines, es kann aber auch bei tiefen Temperaturen verflüssigt und dann in Schiffen verfrachtet werden.

Lassen sich Medikamente aus Erdöl herstellen?

Ja, denn aus Erdöl kann man den Alkohol Ethanol gewinnen, der unter anderem zu Arzneimitteln weiterverarbeitet wird. Doch bevor es so weit ist, müssen die einzelnen Bestandteile des Rohöls in einem aufwendigen Prozess voneinander getrennt werden.

Der erste Schritt ist die Destillation, bei der man je nach Temperatur unterschiedliche Produkte erhält: Der bedeutendste Rohstoff der Petrochemie, das Naphtha (Rohbenzin), scheidet sich bei 70–140 °C ab. In Steamcrackern (Röhrenspaltöfen) petrochemischer Anlagen werden die vergleichsweise großen Moleküle des Naphthas in Anwesenheit von Wasserdampf bei 750–850 °C »gecrackt«, das heißt in deutlich kürzere Kohlenwasserstoffverbindungen aufgespalten. Hauptbestandteile des solcherart aufbereiteten Ölgemischs sind nun unter anderem Ethylen (Ethen), Propylen (Propen), Buten und Butadien. Außerdem fallen flüssige aromatische Kohlenwasserstoffe wie Benzol, Toluol und Xylol an. Schließlich entsteht auch Synthesegas, ein Gasgemisch aus Kohlenmonoxid und Wasserstoff, aus dem beispielsweise Methanol, Ammoniak und Essigsäure produziert werden.

Das Gemisch der Crackprodukte wird durch aufwendige Verfahren weiter getrennt: Durch nochmalige Destillation kann man die Bestandteile mit unterschiedlichen Siedepunkten, durch Extraktion mit differierenden Löslichkeiten und durch Molekularsiebverfahren nach ihrer Molekülgröße trennen. Die dabei gewonnenen Olefine und Aromaten sind heute die wichtigsten Ausgangsstoffe der chemischen Industrie.

Wie lange reichen die Erdölvorräte noch?

Das ist nicht genau zu sagen. Doch heute können deutlich mehr Lagerstätten erschlossen werden, als zunächst möglich erschien. Denn wegen des gestiegenen Rohölpreises lohnt es sich inzwischen, auch schwierig zu erschließende Vorkommen auszubeuten. Zudem haben technischer Fortschritt und neue geologische Erkenntnisse die Möglichkeiten der Prospektoren, neue Lagerstätten zu finden, enorm ausgeweitet.

Deshalb ist trotz zunehmenden Verbrauchs die Menge der weltweiten Erdölreserven in den letzten Jahrzehnten angestiegen: Fürchtete man 1940, die Ölquellen würden in den 1960ern versiegen, waren 1961 Lagerstätten für weitere 38 Jahre nachgewiesen. Heute würden die bestätigten Reserven die Versorgung über 40 Jahre lang sichern. Nimmt man vermutete und unsichere Vorkommen dazu, dürfte sich eine noch um einige Jahrzehnte längere Reichweite ergeben. Optimistische Schätzungen errechnen sogar eine potenzielle Reichweite von über 200 Jahren – dies jedoch nur bei sparsamem Wirtschaften und einem deutlich gebremsten Bevölkerungswachstum.

Weshalb ist Schwefel in Erdölprodukten unerwünscht?

Schwefel im Benzin beispielsweise würde Abgaskatalysatoren vergiften. Außerdem entstehen bei seiner Verbrennung die giftigen Gase SO2 und SO3, die als Luftschadstoffe Smog hervorrufen. Mit Wasser bildet sich aus diesen Gasen Schwefelsäure, die ätzend wirkt sowie Material- und Umweltschäden verursacht. Die Entschwefelung findet in sog. Hydrofiner-Anlagen statt. In ihnen werden die Erdölfraktionen unter Druck erhitzt und mit Wasserstoff umgesetzt. Unter der Wirkung eines Katalysators entsteht dabei Schwefelwasserstoff, H2S. Auch dies ist ein hochgiftiges Gas, das jedoch in der Anlage aufgefangen und wieder zu elementarem Schwefel umgesetzt werden kann.

Wussten Sie, dass …

es auch Erdgas aus nichtbiologischen Quellen geben soll? Es soll sich in den Tiefen der Erde befinden und zum Beispiel bei Erdbeben an die Erdoberfläche treten.

die Zusammensetzung von Erdöl vom Fundort abhängt? So enthält Nordseeöl beispielsweise nur 0,3 % Schwefel, Erdöl aus Venezuela jedoch 2,7 %.

die petrochemische Industrie weltweit 7 bis 8 % des geförderten Rohöls verarbeitet? Das sind 3,4 Milliarden Tonnen pro Jahr.

der größte Steamcracker der Welt in Texas steht? Hier entstehen jährlich 820 000 Tonnen Ethylen (Ethen) und 880 000 Tonnen Propylen (Propen).

auch in Niedersachsen Erdöl und Erdgas gefördert werden? Die Erdölwerke Barnstorf verarbeiten einen bedeutenden Anteil der heimischen Produktion.

Alfred Nobel: Erfinder des Dynamits

Kann man Sprengstoff kontrollieren?

Ja. Alfred Nobel erfand mit dem Dynamit ein sicheres Sprengmittel. Mit Sprengstoffen war Nobel von Kindesbeinen an vertraut. Sein Vater besaß Sprengstofffabriken, in denen er Schwarzpulver für Seeminen und andere Waffen produzierte. Alfred arbeitete zusammen mit seinen Brüdern im elterlichen Geschäft, das besonders während des Krimkriegs (1853–1856) florierte. Und er sammelte zusätzliche Erfahrungen auf seinen Bildungsreisen durch Europa und die USA, auf denen er unter anderem in Paris kurze Zeit Assistent des französischen Chemikers Théophile-Jules Pelouze war. Hier lernte er den Italiener Ascanio Sobrero kennen, der bereits Ende der 1840er Jahre das Nitroglycerin erfunden hatte. Diesem Sprengstoff wurde wegen seiner Gefährlichkeit jeder praktische Nutzen abgesprochen. Alfred Nobel jedoch erkannte, dass ein großes wirtschaftliches Potenzial darin lag – es galt nur, einen Weg zu finden, Nitroglycerin praktisch anwendbar zu machen.

So blieb Alfred Nobel der Beschäftigung mit dem Thema an sich und dem Nitroglycerin im Besonderen treu. Ab 1860 führte er vermehrt Experimente durch, um die Substanz sicherer zu handhaben und kontrolliert zur Explosion zu bringen. Erfolg hatte er recht bald mit einer Mischung aus Nitroglycerin und Schwarzpulver. Die konnte er in den kommenden Jahren so gut verkaufen, dass er imstande war, 1864 in Stockholm seine erste Fabrik zu gründen. Doch die Produktion des explosiven Gemischs war höchst gefährlich: Noch im gleichen Jahr flog die Fabrik in die Luft. Aus Sicherheitsgründen musste Nobel seine Produktion auf eine Flussbarke verlegen. 1865 folgte die Gründung einer zweiten Fabrik in Krümmel bei Hamburg. Auch diese Fabrik wurde durch eine Explosion zerstört, aber gleich wieder aufgebaut. Die Zerstörungen bewogen Nobel, über ungefährlichere Formen des »Nobelschen Sprengöls«, wie das Nitroglycerin auch genannt wurde, nachzudenken. Er experimentierte mit unterschiedlichsten Substanzen. Im Boden von Krümmel war er auf ein Gestein gestoßen, das aus ehemaligen Kieselalgen bestand, nämlich Kieselgur. Er stellte fest, dass Kieselgur Nitroglycerin aufsaugen konnte, wodurch ein wesentlich besser handhabbarer Sprengstoff entstand, den er Dynamit nannte und den er sich 1867 patentieren ließ. Dynamit war nur durch Schlag zur Explosion zu bringen und brannte gefahrlos ab.

Wieso stiftete Nobel die Nobelpreise?

Möglicherweise veranlasste Nobel ein lebenslanger innerer Konflikt zur Stiftung der berühmten Preise. Denn er verdankte seinen Wohlstand der Produktion zerstörerischer, zu Kriegszwecken eingesetzter Substanzen. Dabei war er nicht nur Erfinder, Techniker und Industrieller, sondern ebenso an Wissenschaft, Literatur und auch an Friedenspolitik interessiert. Alfred Nobel verfügte in seinem Testament, dass sein Vermögen in eine Stiftung fließen solle, die alljährlich die Preise aus den Zinsen finanziert.

Seit wann werden die Nobelpreise vergeben?

Seit 1901. Berücksichtigt werden die Gebiete Physik, Chemie, Physiologie oder Medizin, Literatur sowie Verdienste um die Erhaltung des Friedens. Dies waren Nobels größte Interessensgebiete. Im Jahr 1968 wurde noch der Wirtschaftspreis hinzugenommen.

Im Jahr 1968 kam zu den »echten« Nobelpreisen noch der Wirtschaftspreis hinzu, der von der schwedischen Reichsbank finanziert wird. Die Preisträger werden alljährlich von der schwedischen Akademie der Wissenschaften festgelegt, mit Ausnahme des Friedensnobelpreises, der vom schwedischen Parlament ausgewählt wird.

Was ist Nitroglycerin?

Es ist ein farbloses, hochexplosives, aber giftiges Öl, dessen chemisch korrekter Name Glycerintrinitrat lautet. Die chemische Formel ist C3H5N3O9. Bei der Explosion zersetzt es sich in Kohlendioxid (CO2), Wasser (H2O), Stickstoff (N2) und Sauerstoff (O2), also in Gase. Die in Glycerintrinitrat gespeicherte Energie ist so groß, dass die entstehenden Gase sich mit immenser Geschwindigkeit ausbreiten. Es kommt zur Detonation.

Wussten Sie, dass …

Nobel mit der österreichischen Friedensaktivistin Bertha von Suttner (1843–1914) befreundet war? Sie wurde 1905 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet und ist auf der Rückseite der österreichischen 2-Euro-Münze abgebildet.

nur vier Menschen bisher zwei Nobelpreise erhalten haben? Es sind dies Marie Curie (1903 Physik und 1911 Chemie), Linus Pauling (1954 Chemie und 1962 Frieden), John Bardeen (1956 und 1972 jeweils Physik) und Frederick Sanger (1958 und 1980 jeweils Chemie).

Nobels Bruder Emil 1864 bei einer Explosion in Nobels Labor ums Leben kam?

Nobel auf dem Höhepunkt seiner Geschäftstätigkeit 90 % aller Dynamitfabriken weltweit besaß?

Wie lebte Nobel privat?

Am liebsten hielt sich Alfred Nobel in Paris auf. Dort hatte er 1873 nahe des Bois de Boulogne ein Haus erworben, dessen Wintergarten berühmt wurde. Soweit es ihm seine Geschäfte erlaubten, befasste sich Nobel, der in seiner Jugend Gedichte und kurze Dramen geschrieben hatte, mit Literatur. Mathematik dagegen war ihm zuwider, weswegen es keinen Mathematiknobelpreis gibt. Zeit seines Lebens blieb er ein Einzelgänger. Aus dem Kontakt zu Bertha von Suttner entwickelte sich vermutlich die Idee des Friedensnobelpreises.

Nach seinem Tod dauerte es mehrere Jahre, bis die ersten Nobelpreise vergeben werden konnten, da seine Erben das Testament anzufechten versuchten. – 1957 wurde das chemische Element Nobelium nach ihm benannt.

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