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Der DAAD – 100 Jahre akademischer Austausch

Schon seit 100 Jahren können Studierende mithilfe des „Deutschen Akademischen Austauschdienstes“ – kurz DAAD – in internationalen akademischen Austausch treten. Der DAAD vergibt dabei nicht nur Stipendien, sondern fördert unter anderem auch die Internationalisierung von deutschen Hochschulen und stärkt die deutsche Sprache im Ausland. Aber wie kam es zur Gründung des DAAD? Und wie hat er sich seitdem entwickelt?
SSC, 23.01.2024
Junge Männer und Frauen neben einem großen Globus

© franckreporter, iStock

Was als studentische Initiative begann, den Nationalsozialismus durchlebte und schließlich neu gegründet wurde, ist jetzt die nach eigenen Angaben weltweit größte Förderorganisation für den internationalen Austausch von Studierenden und Wissenschaftlern. In den 100 Jahren seit seiner Gründung am 13. Januar 1925 blickt der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) allerdings auch auf eine Geschichte zurück, die nicht nur positiv war.

Austausch gegen die Isolation

Die Ursprünge der Förderorganisation liegen in den Nachwehen des Ersten Weltkriegs. Damals war Deutschland von anderen Ländern aufgrund seiner Kriegsschuld isoliert. Anfang der 1920er Jahre beschloss eine kleine Gruppe amerikanischer Studierender jedoch, dass Studierende aus verschiedenen europäischen Ländern die USA bereisen sollten. Ein Sozial- und Staatswissenschaften-Student der Universität Heidelberg –  Carl Joachim Friedrich – erhielt so die Möglichkeit zu einer USA-Rundreise.

Friedrich zeigte sich begeistert von der Reise und dem akademischen Austausch mit Studierenden anderer Länder und wollte der Isolation Deutschlands zumindest im akademischen Bereich weiter entgegenwirken. Ihm gelang es mithilfe des New Yorker Institute of International Education, für den Herbst 1924 insgesamt 13 Stipendien bereitzustellen. Am Institut für Sozial- und Staatswissenschaften gründete die Universität Heidelberg 1923 sogar extra eine „Staatswissenschaftliche Austauschstelle“, die auswählte, wer eines dieser Stipendien für die USA bekam, und die Gegenstipendien für ausländische Studierende anbot.

Da die Stipendienvergabe sich unter den Sozial- und Staatswissenschaften großer Beliebtheit erfreute und die bisherige Organisation nicht mehr auszureichen schien, gründete Friedrich im Januar 1925 dann den Verein „Akademischer Austauschdienst“ (AAD) – den Vorläufer des DAAD. Schon bald waren in dessen Kuratorium auch das Auswärtige Amt und das Reichsinnenministerium vertreten. Noch im selben Jahr siedelte der AAD nach Berlin über und weitete sein Angebot auf alle Fächer aus.

DAAD-Stipendiatinnen und -Stipendiaten 1933 an Bord eines Hapag-Schiffes auf dem Weg in die USA.
DAAD-Stipendiatinnen und -Stipendiaten 1933 an Bord eines Hapag-Schiffes auf dem Weg in die USA.

© DAAD

Über den Tellerrand hinaus

1926, ein Jahr nach der Gründung des Vereins, gründete sich in Großbritannien mit dem Anglo-German Academic Board eine erste Partnerorganisation des AAD im Ausland. Kurz darauf richtete der AAD unter der Leitung von Adolf Morsbach, seinerzeit in der Hochschulabteilung des Preußischen Kultusministeriums tätig, eine erste Außendienststelle in London ein. Nach Kontakten zu Frankreich bekam der AAD 1930 auch dort eine Außendienststelle.

Den Namen „Deutscher Akademischer Austauschdienst“, den der Verein noch heute trägt, erhielt er am 1. Januar 1931, als er sich mit der Deutschen Akademischen Auslandsstelle des Verbandes der deutschen Hochschulen und der Alexander von Humboldt-Stiftung zusammenschloss. Doch nur zwei Jahre nach diesen Erfolgen fand schließlich  die Machtübernahme durch die Nationalsozialisten statt.

Nur „Arier“ bekommen ein Stipendium

Schon kurz nach der Machtübernahme stellte sich der DAAD freiwillig in den Dienst der Nationalsozialisten. Geschäftsführer Morsbach erhoffte sich, dadurch die Position und Finanzierung der Organisation sichern zu können. Doch die Gleichschaltung hatte Folgen: Der DAAD nahm Ernst Röhm, Stabschef der SA, in den Vorstand auf. Im Zuge des Röhm-Putsches verhaftete die Gestapo auch Morsbach und hielt ihn für zweieinhalb Monate im Konzentrationslager Dachau gefangen. Danach durfte Morsbach den DAAD nicht mehr leiten.

Mit NSDAP-Mitglied Wilhelm Burmester als neuem Geschäftsführer hielt die NS-Ideologie nun endgültig Einzug in den Verein: Ein Auswahlkriterium bei der Vergabe der Stipendien war fortan die arische Abstammung der Bewerber. Durch den Krieg endeten auch die Kontakte des DAAD nach Großbritannien, Frankreich und in die USA.

Mit verbündeten Ländern wie Ungarn und Italien verstärkte der Verein hingegen die Vergabe der Stipendien. „So sollen beispielsweise in Deutschland ausgebildete ukrainische Fachkräfte gezielt gefördert werden, um sie später zur politisch verlässlichen Basis für die angestrebte deutsche Nachkriegsherrschaft in ihrem Herkunftsland zu machen“, erklärt der DAAD auf seiner Website. Nach Kriegsende löste das Amtsgericht Berlin den Verein im Mai 1945 schließlich auf.

DAAD-Zentrale in Bonn mit Jubiläumsbeflaggung, 2025
Heute hat der DAAD seinen Sitz in Bonn.

© DAAD / Pankau

Der DAAD weltweit

Der DAAD existiert heute jedoch wieder. Was geschah also nach dem Zweiten Weltkrieg? Vor allem die britische Militärverwaltung setzte sich für einen Ansprechpartner für alle Fragen des akademischen Austauschs ein. 1948 sollte deshalb der Theologe Theodor Klauser, seinerzeit Rektor der Universität Bonn, den DAAD neu gründen. 1950 war es dann so weit und der DAAD erblickte erneut das Licht der Welt.

In den darauffolgenden Jahrzehnten kamen immer mehr Länder, Stipendien und Programme hinzu. Inzwischen unterhält der DAAD Außenstellen in den folgenden Ländern: Ägypten, Belgien, Brasilien, China, Frankreich, Georgien, Ghana, Großbritannien, Indien, Indonesien, Japan, Jordanien, Kenia, Kirgistan, Kolumbien, Mexiko, Polen, Russland, Tunesien, den USA und Vietnam. Der DAAD fördert heute jedes Jahr über 100.000 Studierende in Deutschland und im Ausland.

Ein erfolgreicher Stipendiat

Und was ist aus DAAD-Mitgründer Carl Joachim Friedrich geworden? In den 1920er Jahren wanderte er in die USA aus und lehrte später als einer der angesehensten Politikwissenschaftler seiner Zeit an der renommierten Harvard-Universität.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs übernahm er verschiedene Funktionen in der amerikanischen Militärregierung: Er unterstützte die Ausarbeitung der Länderverfassungen der Besatzungszone, wirkte als politischer Berater von General Lucius D. Clay, dem Militärgouverneur der Zone, war an der Ausarbeitung des Grundgesetzes beteiligt und arbeitete im Ausschuss für die Planung der Marshallplanhilfe mit.

In den folgenden Jahrzehnten lehrte er abwechselnd an seiner Alma Mater in Heidelberg und an der Harvard-Universität, bis er 1984 verstarb. „Friedrich war eindeutig der Primus inter pares [„der Erste unter Gleichen“, etwas ganz Besonderes]“, erinnert sich Politikwissenschaftler Jürgen W. Falter auf der Website der Universität Heidelberg.

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