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Telemanns Tafelmusik: Mittler zwischen Barock und Klassik

Komponierte Telemann am Fließband?

Nein, sicher nicht. Aber er war ein sehr fleißiger und ungemein produktiver Komponist und Musiker. In seinem 86-jährigen Leben brachte Georg Philipp Telemann ein wahres musikalisches Mammutwerk zustande: Er schuf 50 Opern, 46 Passionen, 35 Oratorien, 1750 Kantaten, 40 Hamburger Kapitänsmusiken, 600 Orchesterstücke, Suiten, Ouvertüren, Sinfonien, Konzerte und Solosonaten – von den verschollenen Werken des Barockkomponisten nicht zu reden.

War Telemann ein Multitalent?

Das kann man wohl sagen. Neben seinen Pflichten als »leitender Angestellter« im musikalischen Dienst von verschiedenen Fürsten und Städten betätigte er sich als Herausgeber von Werken anderer Komponisten sowie als Gründer der ersten deutschen Musikzeitschrift mit dem Titel »Der getreue Music-Meister«. Zudem verfasste Telemann drei Lebensbeschreibungen und führte eine ausgiebige Korrespondenz.

Gab es im Barock reine Unterhaltungsmusik?

Ja, und zwar bereits seit längerem. Schon seit der Renaissance begleiteten Tafelmusiken festliche Mahlzeiten. Dabei kamen sowohl instrumentale Werke wie Suiten, Divertimenti, Ouvertüren und Sonaten als auch vokale wie Lieder, Quodlibets und Kantaten zur Aufführung. Auch Telemann bediente diese Gattung mit Kompositionen. Als er im Jahr 1733 seine »Musique de table« – Tafelmusik – in drei Teilen zur Subskription auflegte, befanden sich unter den 186 Bestellern so prominente Namen wie Georg Friedrich Händel und Johann Joachim Quantz. Diese Musik diente einem einzigen Zweck: zu unterhalten. Zwischen den einzelnen Stücken bestand kein inhaltlicher, sondern ein zeitlicher Bezug. Was an Stücken zur Aufführung kam, musste in der Gesamtdauer dem Ablauf eines Banketts entsprechen.

Ist die »Tafelmusik« nach einem Schema organisiert?

Rein formal ja. Jeder der drei Tafelmusik-Bände ist in sechs Teile nach demselben Schema untergliedert: 1. Ouvertüre (Suite), 2. Quartett, 3. Konzert, 4. Trio, 5. Solo, 6. Conclusion. Den Unterschied zwischen den drei Bänden bestimmt die jeweilige instrumentale Besetzung. So ist die Ouvertüre in Band I für zwei Flöten, Streicher und Generalbass gesetzt, in Band II sind es neben Streichern und Generalbass Oboe und Trompete oder in Band III zwei Oboen. In Varianten der Solostücke wechselt das Instrument von der Flöte zur Violine oder zur Oboe. Entsprechendes gilt für die anderen Teile, wobei die jeweilige Conclusion am Ende die Ausgangstonart der Ouvertüre wieder aufnimmt.

Telemann kombinierte in seiner Tafelmusik französische Eleganz mit italienischer Vitalität und deutschem Formempfinden. Mit diesem galanten Stil und der kunstmusikalischen Adaption folkloristischer Elemente hat er die Entwicklung der Musik vom Barock zur Frühklassik entscheidend vorangetrieben.

War Telemann ein progressiver Komponist?

Auf jeden Fall glaubte er an den Fortschritt in der Kunst: »Man darf zur Kunst nicht sagen: Du kannst nicht mehr weiter. – Man kann immer weiter, man soll immer weitergehen.« Und diese Devise bestimmte auch sein Handeln.

Wussten Sie, dass …?

Georg Philipp Telemann neben Johann Adolf Hasse (1699–1783) und Georg Friedrich Händel (1685–1759) seinen Zeitgenossen als der bedeutendste Komponist des 18. Jahrhunderts galt?

Telemann in einer »Vermischung der Nationalstile« zu einer leicht verständlichen »Universalsprache« die Zukunft der musikalischen Entwicklung sah?

Telemann Taufpate von Johann Sebastian Bachs Sohn Carl Philipp Emanuel war?

War Telemann ein Karrieremacher?

Durchaus, aber zunächst mal war der 1681 in Magdeburg geborene Telemann ein hochtalentierter Junge, der mit kaum zwölf Jahren seine erste Oper komponierte. Während seines Jurastudiums in Leipzig wurde er 1701 vom Bürgermeister beauftragt, für die Thomaskirche alle 14 Tage eine Kantate zu schreiben. Bald ließ er sich an der Universitätskirche Leipzig als Organist und Musikdirektor verpflichten.

Im Jahr 1705 ging er dann als Kapellmeister des Grafen Erdmann von Promnitz nach Sorau, 1706 als Konzertmeister in die herzogliche Hofkapelle von Eisenach, wo er Johann Sebastian Bachs Bekanntschaft machte.

Zur vollen Entfaltung kam das Allround-Talent Telemann in Frankfurt am Main, wo er von 1712 bis 1721 als städtischer Musikdirektor amtierte, und in Hamburg, wo er das Musikleben von 1721 bis zu einem Tod 1767 zu einzigartiger Blüte führte. 46 Jahre lang wirkte er dort als musikalischer Direktor der fünf Hauptkirchen, Leiter der Oper und des collegium musicum.

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