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Blackout: Was passiert bei einem großen Stromausfall?

Angesichts von Gasknappheit, Energiewende und Ukrainekrieg wird von einigen das Schreckensszenario eines großen Blackouts heraufbeschworen. Ein solcher großflächiger, über Tage oder sogar Wochen anhaltender Stromausfall würde fast alle Bereiche unseres Alltags und die gesamte Infrastruktur unserer Gesellschaft treffen. Doch was ist dran an der Angst vor dem großen Blackout? Und was wären die Folgen?
Smybolbild Stromausfall in Deutschland

tzahiV,  Getty images

Das deutsche Stromnetz gehört zu den stabilsten weltweit. Im Schnitt kam es im Jahr 2020 nur 0,24-mal pro Kopf überhaupt zu einer Unterbrechung der Stromversorgung – nur jeder vierte Stromkunde in Deutschland hat demnach überhaupt einen Ausfall erlebt. Solche Blackouts dauern zudem meist nur wenige Minuten und sind in Deutschland lokal begrenzt, meist treffen sie nur einzelne Stadtviertel oder Landkreise.

Größere Ausfälle sind die Ausnahme

Blackouts, die eine ganze Region oder ein ganzes Bundesland betreffen, sind dagegen die absolute Ausnahme – und gehen meist auf Wetterextreme zurück. Ein Beispiel dafür war das sogenannte Münsterländer Schneechaos im November 2005. Damals führten ungewöhnliche heftige Schneefälle dazu, dass einige Strommasten einknickten und Hochspannungsleitungen unterbrochen wurden. Als Folge waren laut RWE rund 250.000 Menschen mehrere Stunden, einige sogar mehrere Tage ohne Strom.

Doch was wäre, wenn das Stromnetz trotz vieler teils automatisierter Sicherungsmaßnahmen doch mal komplett aus dem Gleichgewicht gerät? Und wenn dieser Blackout dann nicht nur wenige Minuten, sondern Tage anhält? "Träte dieser Fall ein, kämen die dadurch ausgelösten Folgen einer nationalen Katastrophe gleich", erklärten Experten 2011 in einem Bericht des Ausschusses für Technikfolgen-Abschätzung. Sie haben das Blackout-Szenario im Auftrag des Bundestags ausführlich durchgespielt und untersucht.

Ohne Licht, Mobilfunk und Internet

Was also wären die Folgen? Im Falle eines Stromausfalls zeigen sich die ersten Auswirkungen sehr schnell: Nach Licht und Strom könnte vor allem in Ballungsräumen auch der Mobilfunk schon nach wenigen Minuten zusammenbrechen. "Betroffen sind weniger die Endgeräte, die im aufgeladenen Zustand und bei mäßigem Gebrauch einige Tage funktionstüchtig sein können, sondern die Basisstationen, die die Einwahl in die Netze ermöglichen", erklären die Experten. "Diese sind zumeist, bedingt durch das erhöhte Gesprächsaufkommen, binnen weniger Minuten überlastet oder fallen wegen nur kurzfristig funktionierender Notstromversorgung ganz aus."

Dem Internet ergeht es kaum besser: Zwar sind die großen Rechenzentren und Internet-Knotenpunkte meist durch Notstromaggregate gut gegen einen Blackout abgesichert. Aber die Zugänge zu diesen "Backbones" sind oft nur vorübergehend gegen Stromausfall abgepuffert und halten daher nur wenige Minuten bis Stunden durch.

Ähnlich sieht es beim Zahlungsverkehr aus: Geldautomaten und Kassen in kleineren Läden fallen wahrscheinlich sofort aus. In größeren Supermärkten und in Banken sorgt eine Notstromversorgung dafür, dass Transaktionen weiterlaufen können. Hält der Blackout aber mehrere Tage an, wird es auch für die Banken schwierig: Die Notstromaggregate haben dann ihren Treibstoff verbraucht, außerdem wird Bargeld knapp und kann nicht schnell genug herangeschafft werden.

Leere Supermarktregale
Im Einzelhandel würde es im Katastrophenfall wahrscheinlich einerseits leergeräumte Regale geben, andererseits käme es auf Kundenseite schnell zu Bargeldmangel, weil der elektronische Zahlungsverkehr wegfiele.

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Wenn der Notruf ins Leere geht

Der Ausfall der Telekommunikation behindert auch die Rettungsdienste: Wer schnell medizinische Hilfe braucht, kann nicht mehr den Notruf anrufen. Auch die Kommunikation und Koordination von Feuerwehr, Rettungsdiensten und den Krankenhäusern untereinander ist erschwert. Bei länger anhaltendem Stromausfall könnte zudem der Nachschub an einigen Medikamenten knapp werden, weil auch Apotheken und der pharmazeutische Großhandel betroffen sind.

Immerhin sind die Krankenhäuser und einige Alten- und Pflegeheime über Notstromaggregate für mindestens 24 Stunden versorgt, danach hängt es vom Treibstoff für die Generatoren ab, ob sie weiterlaufen können. Sofort betroffen sind dagegen Arztpraxen und die meisten Dialysezentren: Sie verfügen selten über eine Notstromversorgung und können daher kaum oder nur noch rudimentär arbeiten.

Verkehr: Erst Chaos, dann Stillstand

Betroffen ist auch das Verkehrssystem: Fernzüge, U-Bahnen und andere elektrisch getriebene Züge stehen sofort still und blockieren so auch das Durchkommen für Dieselloks. Leitstellen, Stellwerke und Sicherungssysteme entlang der Schienentrassen funktionieren gar nicht mehr oder nur eingeschränkt. Weil Ampeln und andere Verkehrsleitsysteme ausfallen, kommt es auf den Straßen zu Unfällen und Staus. "Brandbekämpfung, Notrettung und Krankentransporte, Einsätze zur Sicherstellung der Notstromversorgung sowie eine Vielzahl weiterer Maßnahmen zur allgemeinen Schadensbewältigung werden erheblich behindert", konstatiert der Expertenbericht.

Während die Flughäfen wegen ihrer besseren Notstromversorgung zumindest noch einige Stunden arbeiten können, ist auch in den meisten Häfen kein Betrieb mehr möglich: Förderbänder, Kräne und andere Ladeanlagen fallen aus, so dass Schiffe nicht mehr be- oder entladen werden können.

Notstromaggregat im Wasserwerk
Notstromaggregat im Wasserwerk. Ohne Dieselnachschub reichen die Reserven aber meist nur Stunden oder bestenfalls Tage.

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Kein Benzin, wenig Lebensmittel

Spätestens, wenn die Tanks von Autos und LKW leergefahren sind, kommt der Straßenverkehr dadurch ganz zum Erliegen. Denn ohne Strom funktionieren auch die Zapfsäulen der Tankstellen nicht und ohne Häfen und Schienenverkehr kommt kein Treibstoffnachschub an die Tankstellen. Auch der Nachschub von Lebensmitteln und anderen Gütern stockt. Durch Hamsterkäufe, Lieferprobleme und den Ausfall der digitalen Kommunikation leeren sich die Supermarktregale, Lebensmittel könnten knapp werden.

Ein großflächiger Stromausfall beträfe auch das Wassersystem. Zwar kann die Trinkwasserversorgung durch Notstromaggregate in den Wasserwerken noch einige Zeit aufrechterhalten werden, die Wassermenge und -qualität lassen aber nach. Hält der Blackout länger als ein paar Stunden bis Tage an, wird es aber auch hier kritisch. Betroffen davon sind auch viele städtische Feuerwehren, deren Löschwasser nun knapp wird.

Eine ganze Kaskade von Folgen

All dies führt dazu, dass ein Blackout auch an der Psyche und dem Verhalten der Menschen nicht spurlos vorübergeht: Viele Menschen reagieren auf das Zusammenbrechen ihres gewohnten Alltags mit Verunsicherung, Aggressivität und irrationalem Verhalten – Gewalt, Plünderungen und andere Probleme sind die Folge. Im Extremfall droht die öffentliche Ordnung ganz zusammenzubrechen.  Ein langer, großflächiger Blackout entfaltet deshalb eine ganze Kaskade von sich verschlimmernden Folgen: Je länger er dauert, desto mehr Systeme und kritische Infrastrukturen sind betroffen.

Immerhin: Bisher hat es eine solche Blackout-Katastrophe bei uns noch nie gegeben – und sie gilt auch angesichts von Gasmangel und Energiekrise als extrem unwahrscheinlich.

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