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75 Jahre Transistor – eine Erfindung, die die Welt veränderte

Vor genau 75 Jahren gelang US-Physikern eine bahnbrechende und folgenreiche Erfindung: der Transistor. Dieses Elektronik-Bauteil prägt bis heute unseren Alltag und unsere Technik. Ohne den Transistor gäbe es keine PCs, Notebooks oder Handys, kein Internet und auch keine andere Elektronik mit Mikroprozessoren. Computer von der Leistung eines Taschenrechners wären noch immer so groß wie ein ganzer Raum. Aber warum?
NPO, 16.12.2022
Symbolbild Transistor

GettyImages, Fototocam (Transistor) und Fototocam (Platine)

In jedem Elektronikbauteil stecken heute Transistoren in Form von integrierten Schaltungen und Mikrochips. Erst sie erzeugen die Nullen und Einsen, die die gesamte digitale Technik prägen. Gleichzeitig arbeiten diese kleinen Halbleiter-Bauteile als Verstärker und übernehmen unzählige weitere Grundfunktionen moderner Elektronik – beispielsweise bei der Erzeugung von Radar- oder Radiosignalen, in Lautsprechern, Mikrofonen und Bildschirmen oder auch bei der Umwandlung von Wechsel- in Gleichspannung.

Der Vorgänger: die Vakuumröhre

Bevor es den Transistor gab, nutzte man für diese Aufgaben entweder mechanische Schalter in Form von Relais, die aber nur vergleichsweise langsam von einem Zustand in den anderen springen konnten. Oder es kamen die 1904 erfundenen Vakuumröhren zum Einsatz. Sie bestehen aus einem luftleer gemachten, länglichen Gefäß aus Glas, Stahl oder Keramik, in das drei Elektroden hineinragen. Das von der dritten Elektrode erzeugte elektrische Feld bestimmt dabei, ob der Strom zwischen den beiden anderen Elektroden fließen kann.

Das macht die Vakuumröhren zu einem elektrisch regelbaren Schalter und Verstärker. Solche Vakuumröhren steckten unter anderem in frühen Radios, in den klobigen Röhrenfernsehern und auch den allerersten Computern. Doch die Bauteile waren unhandlich, anfällig für Defekte und nicht weiter miniaturisierbar. Deshalb suchten Wissenschaftler vor allem in den 1930er und 1940er Jahren intensiv nach einer Möglichkeit, die Röhren durch kleinere, robustere Bauteile zu ersetzen.

Schaltplatine eines Fernsehers mit Vakuumröhren
Bis zur Einführung des Transistors waren Elektronenröhren die einzigen schnellen aktiven Bauelemente der Elektronik.

Waldemarus, GettyImages

Halbleiter als Schalter?

Dabei rückten Halbleiter immer stärker in den Fokus. Solche Materialien, darunter Silizium, Germanium oder auch Verbindungen wie Galliumarsenid oder Kupfersulfid können je nach Temperatur, Energiezufuhr und Ausrichtung mal elektrischen Strom leiten und mal nicht. Interessant sind Halbleiter vor allem deshalb, weil auch sie als Schalter und Verstärker fungieren können. Wenn man dem Material gezielt bestimmte Fremdatome zusetzt, es dotiert, kann man Schichten mit einem Überschuss an negativ geladenen Elektronen oder aber positiv geladenen "Löchern" erzeugen.

Kombiniert man nun unterschiedlich dotierte Halbleiterschichten miteinander, kann man den Stromfluss durch diesen Kristall elektrisch steuern – das Ganze wird dann zu einem Transistor. Wie bei einer Vakuumröhre reguliert dann der Strom an einer Steuerelektrode, ob zwischen zwei anderen ein Strom fließt und wie stark dieser ist.

Das Problem jedoch: In den 1940er Jahren wusste man noch nicht, wie ein solcher Transistor aufgebaut sein muss. Außerdem scheiterten viele frühe Versuche daran, dass man Halbleiter wie Germanium und Silizium noch nicht in der nötigen Reinheit und Dotierung herstellen konnte. Bei den ersten Versuchen drang das regulierende elektrische Feld der Steuerelektrode nicht weit genug in den Halbleiter ein. Dadurch funktionierte das "Schleusentor" für den Stromfluss nicht richtig.

Der erste Transistor

Am 16. Dezember 1947 gelang dann zwei Physikern der Bell Laboratories in New Jersey endlich der Durchbruch: John Bardeen und Walter Brattain konstruierten den ersten funktionierenden Transistor. Dieser bestand aus einem Metallplättchen als Basis, auf der ein Germanium-Kristall lag. Der größte Teil dieses Halbleiterkristalls enthielt einen Überschuss an Elektronen – er war n-dotiert. Nur eine dünne, p-dotierte Oberflächenschicht hatte einen Überschuss an positiven Ladungen.

Darüber kam das entscheidende Bauteil: Brattain und Bardeen konstruierten einen dreieckigen, an einer Feder befestigten Kunststoffkeil, den sie mit einer Goldfolie überzogen. An der Spitze des Keils ritzten sie die leitfähige Goldfolie ein, so dass zwei dicht beieinander liegende Kontaktpunkte entstanden. Diese ließen sich nun als zwei Elektroden verwenden, die jeweils mit der leitfähigen Metallbasis und deren Elektrode einen Stromkreis bildeten.

Als die beiden Physiker nun an die eine Seite der Goldspitze – dem Emitter – einen Strom anlegten, floss ein schwacher Strom von dieser Spitze zur Metallbasis des Transistors. Gleichzeitig aber veränderte sich dadurch Stromfluss im zweiten Stromkreis – und dies abhängig davon, wie viel Strom sie an die erste Goldelektrode anlegten. Wie erhofft wirkte das Bauteil dadurch als regelbarer Schalter und noch dazu als Verstärker, der das Eingangssignal um das Tausendfache verstärkte.

Erster Transistor von 1947, Bell Labs Murray Hill
Der erste, 1947 von John Bardeen und Walter H. Brattain entwickelte Transistor wird heute auf dem Campus der Bell Labs Murray Hill ausgestellt.

Vom Spitzentransistor zum Computerzeitalter

Damit hatten Brattain und Bardeen es geschafft: Sie hatten den ersten funktionsfähigen und effektiv arbeitenden Transistor konstruiert. Endlich war es gelungen, ein miniaturisierbares und auf Halbleitern basierendes Bauteil zu konstruieren, das die alten unhandlichen Vakuumröhren ablösen konnte.  Am 30. Juni 1948 stellten die beiden Physiker ihre Erfindung – den Spitzentransistor – auf einer Pressekonferenz der Ball Labs zum ersten Mal der Öffentlichkeit vor.

Bereits ab 1951 wurden die ersten Spitzentransistoren in Serie produziert und in Telefon-Schaltgeräten, Hörgeräten, Oszillatoren und sogar ersten experimentellen Fernsehempfängern eingebaut. Bis 1953 blieben diese Bauteile die am schnellsten schaltenden Transistoren. Brattain und Bardeen erhielten dafür im Jahr 1956 den Physik-Nobelpreis.

Seither haben sich die Transistoren allerdings erheblich weiterentwickelt. Neue Bauformen wie der Bipolartransitor und der Feldeffekttransistor machten sie leistungsfähiger und erleichterten ihre Massenproduktion, Miniaturisierung und den Einbau in integrierte Schaltkreise. Statt aus Germanium bestehen heutige Transistoren zudem aus dem Halbleiter Silizium. Doch seinen Anfang nahm diese Entwicklung und mit ihm das gesamte Computerzeitalter in dem Transistor, den Bardeen und Brattain vor 75 Jahren zum ersten Mal getestet haben.

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