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E-Scooter im Fluss – Vom Verkehrsmittel zum Umweltproblem
Sie sollen zur umweltfreundlichen Mobilität in den Städten beitragen und vor allem auf kurzen Strecken das Auto ersetzen: Elektroroller zum Ausleihen finden sich inzwischen massenhaft in vielen deutschen Städten.
Die Schattenseiten der Elektroroller
Doch die anfängliche Euphorie ist vielerorts der Ernüchterung gewichen. Denn die meist kreuz und quer abgestellten E-Scooter sind ständig im Weg und halten auch in puncto Umwelt und Klima nicht, was sie zu versprechen schienen: Die elektrischen Flitzer werden meist nicht anstelle des Autos genutzt, sondern eher statt Bus, Bahn oder dem Fußmarsch. Damit sparen sie kein CO2 ein. Zudem mehren sich die Hinweise darauf, dass es gerade durch die Elektroroller vermehrt zu Unfällen im Stadtverkehr kommt. Weil viele Nutzer keinen Helm tragen, hat dies teilweise fatale Folgen.
Auch die Ökobilanz der E-Scooter ist nicht gerade makellos: Die Elektroroller werden von Lithium-Ionen-Akkus angetrieben, die weder in Umwelthinsicht noch in der Entsorgung unbedenklich sind.
"Die Lithium-Ionen-Batterien sind heutzutage die leistungsfähigsten, wiederaufladbaren Batterien mit der größten spezifischen Energiedichte", erklärt Reinhart Job von der Fachhochschule Münster. Aber die Akkus haben auch Schattenseiten: Zum einen benötigen sie für ihre Elektroden Rohstoffe wie Kobalt und Lithium, deren Abbau zur Umweltzerstörung in ihren Herkunftsgebieten beiträgt. Zum anderen sind die als Ionentransporteur und Matrix eingesetzten Elektrolyte des Akkus oft giftig. Deshalb müssen Batterien und Akkus nach Möglichkeit als Elektroschrott eingesammelt und entsorgt werden.
Haufenweise E-Scooter im Rhein
Was aber passiert, wenn Elektroroller einfach in der Landschaft landen oder noch schlimmer – im Fluss oder See? Das dies kein Einzelfall ist, belegen Berichte aus der Stadt Köln: Dort wurden von Unbekannten hunderte E-Scooter von der Hohenzollernbrücke in den Rhein geworfen. Die Roller türmen sich am Flussgrund teilweise so auf, dass sie für Schiffe zur Gefahr werden. Auch anderswo gibt es Berichte über in Gewässern landende Roller.
Das Problem dabei: Die Bergung der E-Scooter ist extrem aufwendig. Meist müssen dabei Spezialschiffe und Bergungstaucher zum Einsatz kommen und der Fluss muss während dieser Zeit für die Schifffahrt gesperrt werden. Aber drinlassen kann man die Roller auch nicht einfach: Sie behindern Arbeiten an Kaimauern oder Brückenpfeilern und geben zudem Schadstoffe an das Flusswasser ab. Im Falle des Rheins bedeutet dies, dass eine der wichtigsten Trinkwasserquellen der Region durch Schwermetalle und Chemikalien verschmutzt werden könnte. Bei ersten Tauchgängen im Rhein haben Taucher bereits festgestellt, dass die Elektroroller nicht nur rosten, sondern dass bei einigen bereits eine gelartige, klebrige Masse austritt – offenbar Inhaltsstoffe der Batterien.
"Da kommt einiges zusammen"
Welche Schadstoffe dabei austreten können und welche Auswirkungen dies auf das Wasser haben kann, erklärt Reinhart Job so: "Im Wasser können verschiedene Stoffe, aus denen die Batterien zusammengesetzt sind, auslaufen und freigesetzt werden und sie landen so in der Natur. Je nach Batterietyp sind das verschiedene Elektrolyte. Dabei könnte je nach eingesetztem Elektrolyt zum Beispiel auch Flusssäure entstehen."
Auch wenn das Flusswasser im Vergleich zu den austretenden Stoffen ein weit größeres Volumen hat, reichern sie sich mit der Zeit im Wasser an – auch wenn sie verdünnt werden. "Die metallenen Gehäuse der Scooter verrotten, die Gummireste zersetzen sich, es entsteht Mikroplastik. Da kommt einiges zusammen, was für das Wasser und auch zum Beispiel für die Fische, die darin leben, schädlich ist", erklärt Job. "Lithium wird außerdem auch in einigen Psychopharmaka verwendet – das sollte besser nicht im Wasser landen. Und der Rhein ist eine wichtige Ressource für Grund- und Trinkwasser."
Global denken – auch im Alltag
Nach Ansicht des Forschers ist es auch Aufgabe der Nutzer von E-Scootern und anderen Geräten mit Lithium-Ionen-Akkus, auf eine korrekte und umweltgerechte Entsorgung zu achten. Denn wenn die Inhaltsstoffe nicht recycelt werden, müssen umso mehr Rohstoffe für neue Akkus unter umweltbelastenden Bedingungen gefördert werden. "Als Konsumenten müssen wir uns immer darüber im Klaren sein, dass wenn wir ressourcenintensive Produkte kaufen, die Bevölkerung und die Umwelt in den Abbauländern massiv darunter leiden. Wenn wir nachhaltig leben wollen, müssen wir global denken", sagt Job.
Denn gerade das Lithium für die Akkus wird unter stark umstrittenen Bedingungen in verschiedenen Ländern in Südamerika abgebaut. Der Rohstoff wird durch Verdunstung von Lithiumsalz aus der Sole von Salzseen gewonnen. "Der dabei auftretende immense Wasserverbrauch in den ohnehin schon sehr trockenen Gegenden Boliviens, Chiles und Nordargentiniens führt zu massiven Grundwasserabsenkungen. Das ist katastrophal für die Menschen, die dort leben", erklärt Job. Sozial bedenklich ist auch die Gewinnung des Kobalts, die größtenteils in der Demokratischen Republik Kongo in Zentralafrika stattfindet. Die Probleme mit den dortigen Abbaubedingungen und der Kinderarbeit seien ebenfalls hinlänglich bekannt, so der Wissenschaftler.