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Astronauten - Was eine Weltraumreise mit unserem Körper macht
Im Frühjahr dieses Jahres kehrten die Astronauten Sunita „Suni“ Williams und Bary „Butch“ Wilmore von einer Mission zurück, die ursprünglich nur acht Tage dauern sollte. Am Ende verbrachten sie jedoch neun Monate im All, weil technische Probleme an der Raumfähre Boeing Starliner ihre Rückreise verzögerten und sie daher auf der ISS bleiben mussten. Die NASA hatte keine Möglichkeit, sie „außer der Reihe” zurück zur Erde zu bringen.
Mit der unerwarteten Verlängerung kamen nicht nur die Sorgen darüber, ob und wann die Astronauten wieder zur Erde zurückkehren würden. Die beiden Orbitbewohner durchlebten nun auch die körperlichen Belastungen, die jeder längere Aufenthalt im All mit sich bringt. Denn ab dem Moment, in dem ein Mensch die Erde verlässt, beginnt der Körper, sich an Bedingungen anzupassen, für die er nicht gemacht ist.
Puffy Head und Bird Legs
Eines der ersten Anzeichen dieser Anpassung zeigt sich in der Verteilung der Körperflüssigkeiten. Ohne die ständige Schwerkraft, die auf der Erde Flüssigkeit in die Beine zieht, wandert ein Teil des Blut- und Lymphvolumens Richtung Oberkörper. Das fühlt sich so an, als würde man kopfüber hängen, nur eben dauerhaft. Der Kopf wirkt dadurch leicht geschwollen, während die Beine an Umfang verlieren. Unter Astronauten ist dieses Phänomen als „puffy head, bird legs“ bekannt und gilt als typische Begleiterscheinung des Lebens in der Schwerelosigkeit.
Keine Erdanziehungskraft bedeutet auch Muskelschwund, weil der Körper nicht mehr so belastet wird wie auf der Erde. Man benötigt keine Muskelkraft mehr, um den Körper aufrecht zu halten oder zu gehen. Im All verlieren Astronauten dadurch bereits innerhalb von zwei Wochen rund 20 Prozent ihrer Muskelmasse – besonders in den Bereichen, die normalerweise für unsere aufrechte Haltung sorgen: Rücken, Nacken und Beine.
Kosmischer Zwilling
Auch kosmische Strahlung spielt eine große Rolle: Auf der Erde schützt uns das Magnetfeld davor, doch auf der Internationalen Raumstation lässt sich ihr Einfluss kaum abschirmen. Dort bekommt ein Mensch in einem Jahr so viel Strahlung ab wie sonst in mehreren Jahrzehnten auf der Erde. Das kann Folgen für unser Erbgut haben. Bestätigt wurde das in einer ungewöhnlichen Zwillingsstudie: Ein eineiiger Zwilling lebte und arbeitete insgesamt ein Jahr im All, während sein Bruder auf der Erde blieb. Das sind die NASA-Astronauten Scott und Mark Kelly.
Es zeigte sich, dass die Zellen des „himmlischen" Bruders Scott beim Kopieren der DNA mehr Fehler machten als bei seinem Zwilling. Teile der Chromosomen wurden falsch zusammengesetzt oder an ungewohnte Stellen eingebaut. Bedenklich ist besonders, dass diese Kopierfehler auch nach der Rückkehr zur Erde noch Monate anhielten. Langfristig könnten diese Strahlenfolgen das Krebsrisiko für Astronauten deutlich erhöhen.
Schlafende Viren
Auch alte Viren können sich im All wieder zurückmelden. Besonders betroffen sind Herpesviren – und die haben es in sich. Zu dieser Gruppe gehören nicht nur die Verursacher von Lippenbläschen, sondern auch die Erreger von Windpocken, Gürtelrose oder Cytomegalie. Manche Varianten können sogar das Krebsrisiko erhöhen.
Die meisten Menschen tragen ein oder mehrere dieser Viren ihr Leben lang in sich, ohne es zu merken, denn die Erreger bleiben normalerweise inaktiv. Im All jedoch kann die Stressbelastung des Körpers dazu führen, dass diese „schlafenden“ Viren wieder aufwachen. Das liegt daran, dass die immunhemmenden Stresshormone Cortisol und Adrenalin erhöht sind, was die Abwehrkraft vom Immunsystem verringert. Diese Immunhemmung hielt noch bis zu 60 Tage nach Rückkehr zur Erde an. Astronauten sind demnach im All und nach ihrer Rückkehr möglicherweise anfälliger für Infektionen und andere Erkrankungen.
Alles in allem zeigt das: So schön und faszinierend der Weltraum auch ist - gesund ist er nicht.