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Die Frühzeit Griechenlands: Minoer und Mykener

Was kennzeichnet die griechische Frühgeschichte?

Zwei Faktoren, die sich aus der Geografie herleiten, prägten die griechische Geschichte für lange Zeit: Einerseits begünstigten die seit etwa 4000 v.Chr. bestehenden Verbindungen zwischen dem griechischen Festland, der Inselwelt der Ägäis und Kleinasien die Entstehung einer relativ einheitlichen Kultur. Andererseits führte diese nicht zu einer politischen Einigung, weil die durch Gebirgszüge zerklüftete Landschaft die Kontrolle über größere Gebiete erschwerte. So entstanden zahlreiche Kleinstaaten, die meist nur eine Stadt und ihr Umland umfassten.

Wo lag die erste bedeutende Kultur Griechenlands?

Auf der Insel Kreta. Dort entwickelte sich in der ersten Hälfte des 3. Jahrtausends v.Chr. die erste bedeutende Zivilisation, die minoische Kultur – benannt nach dem sagenhaften König Minos. Die Insel war auf dem Seeweg gleichermaßen gut von Griechenland, besonders der Halbinsel Peleponnes, und von Kleinasien aus zu erreichen und lag auch unweit der syrischen und nordafrikanischen Küste. Kreta stieg zu einem wichtigen Handelsplatz auf. Früher als im übrigen Europa begann auf der Insel und dem mit ihr in Verbindung stehenden griechischen Festland die Bronzezeit. Eine erste Blütezeit, aus der die charakteristischen Rundgräber (Tholoi) stammen, erlebte Kreta um 2200 v.Chr. In Knossos, Phaistos und Mallia entstanden Anfang des 2. Jahrtausends v.Chr. die ersten Paläste. Sie wurden im 17. Jahrhundert v.Chr. durch ein Erdbeben zerstört, dann wieder aufgebaut und im 16./15. Jahrhundert v.Chr. zu großartigen Anlagen erweitert.

Wie sah der Palast von Knossos aus?

Knossos war die mächtigste Stadt auf Kreta. Sie hatte Mitte des 16. Jahrhunderts v.Chr. vermutlich mehr als 50000 Einwohner. Die Palastanlage von Knossos erstreckte sich über mehr als 2 ha und war prunkvoll ausgestattet. Es gab fließendes Wasser und beheizte Baderäume. Doch waren die kretischen Paläste nicht nur repräsentativer königlicher Wohnsitz, sondern auch wirtschaftlicher Mittelpunkt. Große Speicherräume für Getreide, Öl und Wein zeugten von Reichtum und einer effektiven zentralen Verwaltung. Die zahlreichen Hallen, Lichthöfe, Werkstätten, Vorratsräume des Palastes von Knossos waren durch eine Vielzahl von Treppen und Gängen miteinander verbunden. Das Labyrinth, in dem König Minos den Minotauros, ein Ungeheuer mit Menschenleib und Stierkopf, gefangen gehalten haben soll, ist vermutlich eine Beschreibung dieser imposanten Anlage.

Was war die mykenische Kultur?

Auf dem griechischen Festland entwickelte sich im 16. Jahrhundert v.Chr. die mykenische Kultur. Sie basierte auf der helladischen Kultur, die seit dem 3. Jahrtausend bestand, und wird daher auch als späthelladisch bezeichnet. Sie nahm aber auch wichtige Elemente der minoischen Kultur auf, z. B. die Linearschrift. Getragen wurde die mykenische Kultur von den indogermanischen Achäern, die um 1900 v.Chr. nach Griechenland eingewandert waren.

Die Eroberung Kretas um 1400 v.Chr., als die Insel durch Erdbeben oder innere Unruhen geschwächt war, markiert den Höhepunkt achäischer Macht. In dieser Zeit entstanden in Mykene, Tiryns, Theben, Pylos und anderen Städten Paläste nach minoischem Vorbild. Von Kreta übernahm Mykene die Position als herrschende Seemacht des östlichen Mittelmeers. Die Stadt, vom Dichter Homer als »goldreich« bezeichnet, häufte Reichtümer an, wovon ägyptische Kunstwerke und Königsgräber mit wertvollen Grabbeigaben zeugen. Mykene umgaben gewaltige Stadtmauern; Haupteingang war das berühmte Löwentor. Mit Troja in Kleinasien erwuchs der Stadt jedoch ein Konkurrent, gegen den im 13. und 12. Jahrhundert v.Chr. Kriege geführt wurden – von Homer als »Trojanischer Krieg« überliefert.

Wie kam es zum Ende Mykenes?

Im 12. Jahrhundert v.Chr. wurde Mykene durch die ebenfalls indogermanischen Dorier bedrängt. Ihre mit Eisenwaffen ausgerüsteten Reiterheere waren den achäischen Streitwagenkämpfern überlegen. Als Mykene trotz seiner starken Befestigung schließlich fiel und um 1100 v.Chr. zerstört wurde, flohen viele Achäer in den Norden der Peloponnes. Mit der mykenischen Kultur (einschließlich der Schrift) verschwand die erste Hochkultur des europäischen Festlandes und es begannen die »dunklen Jahrhunderte«, über die wir nur wenig wissen.

Was bedeuten Linear A und B?

Linear A ist eine seit etwa 1900 v.Chr. auf Kreta vor allem in der Verwaltung verwendete Schrift. Die Zeichen dieser Silbenschrift wurden wie bei unserer heutigen Schrift horizontal (»linear«) von links nach rechts geschrieben. Diese Linear-A-Schrift, welche die nichtindogermanische Sprache der minoischen Kultur wiedergibt, wurde bis heute nicht entziffert.

Eine Abwandlung der Linear A, Linear B genannt, wurde in der mykenischen Kultur zwischen 1500 und 1100 v.Chr. verwendet. Im Jahr 1952 entzifferte der britische Architekt und Schriftenforscher Michael Ventris (1922 bis 1956) diese Schrift. Er erkannte, dass es sich bei der Sprache der Mykener um eine Frühform des Griechischen handelte, was bis dahin für unmöglich gehalten worden war. Nach dem Untergang Mykenes verschwand Linear-B.

Wussten Sie, dass …

Ortsnamen auf -ssos und -nthos, etwa Knossos, Korinth(os), Labyrinth(os), sprachliche Überreste aus vorindogermanischer Zeit sind?

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