Es ist das älteste, auflagenstärkste und bekannteste Männermagazin der Welt, und es gibt wohl kaum einen Mann, der nicht zumindest einmal im Leben darin geblättert hätte: die Rede ist vom Playboy. Die 1953 von Hugh Hefner in den USA gegründete Zeitschrift steht wie kaum eine andere für einen eleganten Lebensstil, materielle Selbstverwirklichung und – na klar – für schöne Frauen. Doch wie kam es zu diesem Erfolg, und beruht er tatsächlich auf einer Handvoll Aktfotos? Hören Sie heute „Playmates, Bunnies und Centerfolds“ – die Geschichte des Playboy-Magazins.
Der Anfang: Marilyn auf Samt
Als der erste Playboy im Herbst 1953 erschien, befanden sich die Vereinigten Staaten in einer Phase des Umbruchs. Der Weltkrieg war zwar gewonnen, doch der Ost-West-Konflikt schwelte. In Asien eskalierte der "Kalte Krieg“, während an der Heimatfront der Antikommunismus ein zunehmend bedrohlicheres Format entwickelte. Niemand konnte sicher davor sein, als "roter Sympathisant“ verdächtigt zu werden. Für zusätzliche Beunruhigung sorgten die beiden kontrovers diskutierten Bücher, in denen der Wissenschaftler Dr. Alfred Kinsey auf Basis von Umfragen detaillierte Angaben zum Sexualverhalten des Menschen machte – ein zu dieser Zeit unerhörter Vorgang, der dem Selbstverständnis vieler Leser zuwiderlief, aber einen ersten Vorläufer der sexuellen Revolution darstellte. Mitten in diese Atmosphäre platzte der Playboy hinein – und ließ gleich vom Cover eine tief dekolletierte Marilyn Monroe winken. Doch das war nicht alles – wer das Heft aufschlug, fand dort ein Aktfoto von der bekannten Filmschauspielerin, die sich lasziv auf rotem Samt räkelte. Ursprünglich war das Bild für einen Kalender produziert worden, und Playboy-Gründer Hugh Hefner hatte es angekauft. Trotzdem sollte das Magazin in der Folgezeit immer wieder mit dem Bild identifiziert werden. Vom Heft verkauften sich 50.000 Exemplare innerhalb kürzester Zeit. Der Grundstock für ein beispielloses Imperium war gelegt.
Ein schlanker Herr mit überzeugenden Ideen: Hugh M. Hefner
Hinter dem Playboy stand Hugh Marston Hefner, ein junger Mann von damals 27 Jahren. Geboren 1926 in Chicago, hatte er zunächst in der Army gedient, dann ein Studium absolviert und als Werbetexter gearbeitet. Doch Hefner strebte nach Unabhängigkeit und wollte seine Idee eines Unterhaltungsmagazins für den jungen, gebildeten und großstädtisch geprägten Mann umsetzen. Das mit geborgtem Geld realisierte Konzept erwies sich von Anfang an als Volltreffer. Hefner setzte keineswegs nur auf nackte Haut, sondern publizierte Reportagen, Literatur, Cartoons und Beiträge zu Stilfragen – über Mode, Essen und Trinken, Musik, Autos und Unterhaltungselektronik, kurz: er gestaltete den Playboy als ultimativen Ratgeber für die Selbstverwirklichung seiner Leser. Dabei war ihm stets das Beste gerade gut genug – und dank der rasch expandierenden Auflage verfügte das Blatt über die nötigen Einnahmen, um sich Künstler aus der ersten Reihe leisten zu können. So veröffentlichte Hefner bereits im Frühjahr 1954 etwa den Science-Fiction-Roman Fahrenheit 451 von Ray Bradbury, der schnell zum modernen Klassiker avancierte. Dies war nur der Anfang für eine Vielzahl hochrangiger Veröffentlichungen, die das Magazin stark prägten. Unter den Playboy-Autoren waren T.C. Boyle, Truman Capote, Ian Fleming, Henry Miller, Vladimir Nabokov, Philip Roth und John Updike. Hefner selbst meinte 1979, ohne die Mädchen wäre er "der Verleger einer Literaturzeitschrift“.
Immer schön aufklappen: Die Playmates
Trotz des Engagements von führenden Autoren und Künstlern blieb das Magazin natürlich dem Pin-up-Bereich verbunden, wenngleich sich jene Fotostrecken als überschaubar erwiesen. Das Blatt setzte von Anfang an auf bekannte Namen wie Brigitte Bardot, Jayne Mansfield und Bettie Page, eine Liste, die später z.B. um Nastassja Kinski, Madonna und Sharon Stone erweitert wurde. Titanic-Star Kate Winslet wollte sich hingegen nicht ausziehen, während Modelle wie Anna Nicole Smith und das Baywatch-Busenwunder Pamela Anderson durch den Playboy erst richtig berühmt wurden. Die Anderson war nicht weniger als zwölfmal auf dem Cover zu sehen. Die Spezialität des Blatts aber waren die unbekannten Gesichter – Frauen, die einem im Leben tagtäglich begegneten: im Büro, im Bus, im Café. Der Kniff bestand darin, diese natürlichen Modelle ebenso natürlich agieren zu lassen. Hefner machte dieses Vorgehen unter der Überschrift "Das Mädchen von nebenan“ zum Prinzip und war auch sonst nicht verlegen, Begriffe zu entwickeln, die den Status von Markenprodukten bekommen sollten. So wurde aus der Überschrift "Sweetheart of the Month“, unter der noch die Monroe posierte, umgehend das "Playmate of the Month“, das mit einer speziellen Bildstrecke und der berühmten Ausklapptafel, dem "Centerfold“, gewürdigt wurde. Übrigens bestand letzteres zunächst aus einer einfachen Doppelseite; dreiseitig wurde das Centerfold erst im März 1956. Ab 1960 konnte dann auch noch das "Playmate of the Year“ gewählt werden, eine clevere Maßnahme zur Leserbindung.
Als weiteres Kennzeichen des Blatts erwies sich der stilisierte Häschenkopf mit der Fliege. Er wurde bereits für die Januarausgabe 1954 entworfen und ist bis heute unverändert geblieben. Dabei handelte es sich eigentlich um eine Ersatzlösung. Hefner wollte seine Zeitschrift ursprünglich Stag Party – also Junggesellenabschied nennen, doch das klappte nicht, weil der Begriff Stag schon für ein Magazin vergeben war. Also wurde aus der Stag Party der Playboy – und aus dem als Maskottchen gedachten Hirsch der Hase. Die Redaktion gönnte sich jahrzehntelang den Spaß, das Symbol auf jedem Cover neu zu verstecken.
Die sechziger Jahre – der Höhenflug
Hefners Ehe mit seiner Jugendliebe lag schon längere Zeit brach, als er sich 1959 von ihr scheiden ließ. In der Folge begann er, den von seinem Magazin vertretenen Lebensstil mehr und mehr zu seinem eigenen zu machen. Ein großzügiges Haus, das Playboy Mansion, diente ihm als Refugium und war für lockere Umgangsformen bekannt. Doch Hefner arbeitete weiterhin rund um die Uhr für sein Lebenswerk, das zunehmend expandierte. 1959 fand ein von ihm initiiertes mehrtägiges Jazzfestival statt, und im selben Jahr moderierte Hefner mit Playboy’s Penthouse eine – kurzlebige – eigene Fernsehshow, die im Stil einer Party gehalten war. 1960 eröffnete er den ersten einer ganzen Reihe von Playboy Clubs, später kamen noch Casinos dazu. Doch meistens fand man Hefner auf seinem kreisrunden Bett, wo er inmitten von Dias und Zeichnungen Manuskripte aufsetzte, Süßigkeiten und Cola stets in Reichweite. Hefner verfasste in den frühen sechziger Jahren die Playboy Philosophy, eine einflussreiche Artikelserie, in der er sich zu Fragen der Zeit äußerte – Bemerkungen zur Sexualmoral inklusive. Das Leserecho war überwältigend. Auch das 1962 eingeführte und stets ausführliche Playboy Interview sorgte für Kontroversen. So wurde ein führender US-Nazi ganz bewusst von Alex Haley befragt, jenem aufstrebenden schwarzen Journalisten, der später den Weltbestseller Roots schreiben sollte. Ansonsten kamen im Playboy alle zu Wort, die etwas zu sagen hatten – Politiker ebenso wie Musiker, Schauspieler oder Architekten, darunter Miles Davis, The Beatles und Jimmy Carter. Der Playboy, seinem Wesen nach eigentlich unpolitsch, bezog so immer wieder Position und trat für liberal-aufgeklärte Grundsätze ein. Kein Wunder, dass ihm dies konservativ-reaktionäre Kräfte, die in dem Blatt eine Attacke auf Familie und Vaterland sahen, verübelten. Kampagnen und zeitweilige Verkaufsbeschränkungen waren die Folge, konnten Hefner jedoch nicht aufhalten. Im Gegenteil, der Playboy revanchierte sich mit dem Abdruck der Watergate-Reportage All the President’s Men, die den Rücktritt von Richard Nixon einleitete. Letztlich zeigten alle zustimmenden wie ablehnenden Reaktionen, dass der Playboy viel mehr war als ein reines Aktfotomagazin, und entsprechend mehrten sich die Anzahl jener Käufer, die das Heft wegen der Texte lasen – auch wenn ihnen das meistens niemand glaubte..
Nackte Frauen – und nackte Männer: Die Konkurrenz
Der Playboy bot stets mehrere Fotostrecken, bei denen nach Möglichkeit ebenfalls mit den Foto-Koryphäen der Zeit zusammengearbeitet wurde, darunter Annie Leibovitz, Russ Meyer, Helmut Newton, Herb Ritts und die Sechziger-Jahre-Ikone Bunny Yeager, die zuvor selbst als Modell gearbeitet hatte. Betrachtet man heute die Aufnahmen der ersten beiden Jahrzehnte, ist bei aller Eleganz eine gewisse Tendenz zur Harmlosigkeit offenkundig, und noch im Juni 1963 konnte ein Playmate über ihre Centerfold-Aufnahme behaupten: "Das einzige, was auf dem Foto wirklich zu sehen war, war meine linke Hüfte.“ Doch während mehr oder minder dezent in Szene gesetzte Barbusigkeit vom ersten Heft des Playboy an Programm war, blieben andere Körperregionen verhüllt, und so war die weibliche Scham erst ab 1969 zu sehen. Die Abgrenzung zur Pornographie blieb jedoch immer streng gewahrt, obwohl weitere international ausgerichtete Männermagazine den Markt stürmten. Dazu gehörte etwa der französische Lui oder das englische Penthouse. Am stärksten setzte Hefner der 1974 gegründete Hustler zu, der sehr viel eindeutigere Bilder publizierte als der Playboy. Das wohl originellste Konkurrenzunternehmen stellte hingegen Playgirl dar. Dieses Magazin erschien von 1973 bis 2008 und spezialisierte sich auf nackte oder halbnackte Abbildungen von Männern. Als Adressaten waren Frauen gedacht, doch die Herausgeber räumten später freimütig ein, dass es zu drei Vierteln von homosexuellen Männern gelesen werden würde.
Der Gegenschlag: Playboy weltweit
Erstaunlicherweise sollte es knapp zwanzig Jahre dauern, bis der Playboy in andere Länder expandierte. Hierbei hatte Deutschland die Nase vorn. Nach einer Testausgabe erschien im August 1972 das erste Heft. Auch die Lizenzversion setzte auf die Stärken des Mutterblatts und präsentierte umfangreiche Reportagen und niveauvolle Kurzgeschichten. Dabei wurde zunächst fleißig Material übersetzt. Doch nach und nach gewann das Blatt immer eigenständigeres Profil, und im Februar 1975 kam dann sogar erstmals das Playmate aus Deutschland. Erst in den 1980er Jahren sollte dieses Konzept zugunsten einer bilderorientierten und leichter verkäuflichen Linie aufgegeben werden. Derzeit behauptet sich das Heft nach einem Verlagswechsel am Markt und weiß seine Käufer immer wieder mit Aktfotos aus der hiesigen Film-, Show- und Sportszene zu beeindrucken. Es zogen sich u.a. aus: Iris Berben, Cosima Shiva Hagen, Andrea Kempter, Sonja Kirchberger, Tina Ruland, Andrea Sawatzki, Ingrid Steeger und Katharina Witt. Welche Stars hingegen die Offerte verschmähten, ist weniger gut dokumentiert. So kam 2003 offenbar mit Heidi Klum nur deshalb kein Vertrag zustande, weil sie in Schwarzweiß Aufnahmen von sich machen lassen wollte – und die Redaktion auf Farbe bestand. Doch bei heiklen Fragen wie diesen schweigt der Gentleman bekanntlich, und so macht es auch der Playboy.
Das 21. Jahrhundert oder: Quo vadis, Playboy?
Im sechsten Jahrzehnt seiner Existenz steckt der Playboy in einer tiefen Krise. Die Zeiten, in denen pro Exemplar sieben Millionen Exemplare verkauft werden konnten, sind lange vorbei; hier markierten die frühen 1970er Jahre den Höhepunkt. Derzeit erscheint das Heft in einer Auflage von 2,6 Millionen Exemplaren, womit es immer noch das auflagenstärkste Männermagazin am Markt ist. Doch statt zwölf Ausgaben sind für 2010 nur deren zehn vorgesehen, und es ist ein offenes Geheimnis, dass das Blatt in erster Linie als Galionsfigur für den Playboy-Unterhaltungskonzern fungiert. Längst erwirtschaft das Geschäft mit DVDs, Internetauftritten, Kabel-TV und einer schier uferlosen Lizenzvergabe für Fremdprodukte die Haupteinnahmen, doch die Schwierigkeiten wollen nicht enden. Unterdessen steht das Imperium sogar selbst zum Verkauf.
Auch Hefner ist angeschlagen. Seit 1998 die Ehe mit seiner zweiten Frau offiziell für gescheitert erklärt wurde, umgibt sich der nun dreiundachtzigjährige Firmengründer mit ebenso jungen wie austauschbaren Frauen, die offiziell als seine Partnerinnen gelten. Seine TV-Serie The Girls Next Door (in Deutschland: The Girls of the Playboy Mansion) vermag indes früheren Ansprüchen kaum zu entsprechen und unterbietet selbst bescheidene Niveauvorstellungen. Seit den 1980er Jahren wurde auch die Linie seines Magazins kontinuierlich verändert. Dies zeigt sich nicht zuletzt an den heutigen Playmates, die kaum noch etwas mit dem natürlichen Typ der früheren Jahre zu tun haben, sondern stereotyp und nicht selten chirurgisch verändert erscheinen, um dem jetzigen und offenbar weit weniger intellektuellen Lesertyp zu entsprechen. Hinweise auf die Konkurrenzsituation aus dem Internet verfangen nicht, denn der Playboy war stets sehr viel mehr als ein reines Nacktfotomagazin.
Was bleibt, ist der Mythos vom Playboy als einer kultivierten und Maßstäbe setzenden Männerzeitschrift, die zu den wichtigen Themen ihrer Zeit Stellung bezog und dabei auf das aufgeklärte und selbstbestimmte Individuum vertraute. Eine gesunde Portion Hedonismus – gerade in punkto Sex – gehörte stets dazu, doch das Blatt predigte in keiner Hinsicht Maßlosigkeit und ging auch mit dem fortwährenden Stein des Anstoßes, den Fotomodellen, sehr respektvoll um. Dies führt dazu, dass sich auch heute noch die früheren Jahrgänge des Playboy mit viel Gewinn lesen lassen. Und das ist ja kein schlechtes Ergebnis.