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Walser

Martin, deutscher Schriftsteller, * 24. 3. 1927 Wasserburg am Bodensee; einer der bedeutendsten Vertreter der deutschen Gegenwartsliteratur. Walser studierte Literatur, Geschichte und Philosophie und war seit 1973 Mitglied der Gruppe 47; er erhielt zahlreiche Literaturpreise, u. a. den Georg-Büchner-Preis (1981) und den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels (1998). Walsers Rede bei der Friedenspreis-Verleihung, in der er vor der politischen und medialen Instrumentalisierung des Holocaust in Deutschland warnte und die Verarbeitung des von den Nationalsozialisten an den Juden begangenen Völkermords als Gegenstand der individuellen, d. h. nicht öffentlichen Trauer und Reflexion bezeichnete, löste eine lange Debatte, teils mit schweren Vorwürfen gegen den Preisträger, aus.
Neben Romanen und Erzählungen schreibt Walser vor allem Theaterstücke und Hörspiele und übersetzt Werke englischer Autoren.
Ein zentrales Thema in Walsers Romanen ist die Identitätsfindung des (aus der Mittelschicht stammenden) Einzelnen und seine Selbstbehauptung in einer von Leistungsdruck, Heuchelei, Anpassungszwängen und Konkurrenzdruck geprägten Gesellschaft. Seine Texte handeln von Überlebensstrategien identitätsschwacher Figuren, die in ihrer Biografie und ihrem Selbstwertgefühl durch Fremderwartungen und Existenzängste deformiert sind. Walser entwirft Kleinbürger-Psychogramme und transportiert mit ihnen gesellschaftskritische Aussagen. Sein Erzählstil ist von Detailreichtum, einer dichten Sprache und subtilen literarischen Anspielungen und Symbolen gekennzeichnet.
Romane u. a.: „Ehen in Philippsburg“ 1957; „Halbzeit“ 1960; „Das Einhorn“ 1966; „Ein fliehendes Pferd“ 1978; „Das Schwanenhaus“ 1980; „Brandung“ 1985; „Die Verteidigung der Kindheit“ 1991; „Ohne einander“ 1993; „Ein springender Brunnen“ 1998; „Der Lebenslauf der Liebe“ 2001; „Tod eines Kritikers“ 2002; „Angstblüte“ 2006; „Ein liebender Mann“ 2008; „Muttersohn“ 2011. Theaterstücke u. a.: „Eiche und Angora“ 1962; „Der schwarze Schwan“ 1964; „Die Zimmerschlacht“ 1967; „Das Sofa“ 1994; „Kaschmir in Parching“ 1997.
  • Erscheinungsjahr: 1957
  • Veröffentlicht: Bundesrepublik Deutschland und DDR
  • Verfasser: Walser, Martin
  • Deutscher Titel: Ehen in Philippsburg
  • Genre: Roman
Für »Ehen in Philippsburg«, seinen ersten Roman, erschienen bei Suhrkamp in Frankfurt am Main, erhält der Rundfunk- und Fernsehregisseur Martin Walser (* 1927), der hier an die realistische Erzähltradition des frühen Heinrich Mann anknüpft, den Hermann-Hesse-Preis 1957. Das Thema, das Walser aufgreift, ist auch für seine folgenden Romane von Bedeutung: Die Gefahr der Korrumpierung eines jungen Intellektuellen durch die verlockenden Angebote der Gesellschaft. Die Verquickung von Geschäft, Kunst und Sex wird durch die Schilderung der Vorgänge in der Oberschicht einer deutschen Stadt sichtbar gemacht. Wer sich dem von der Gesellschaft vorgeschriebenen Kodex nicht unterwirft, wer nicht »mitmacht«, wer sein Handeln nicht durch rücksichtslosen Egoismus, durch Betrug, Heuchelei und gewissenloses Karrierestreben bestimmen lässt, geht unter.
  • Erscheinungsjahr: 1960
  • Veröffentlicht: Bundesrepublik Deutschland und DDR
  • Verfasser: Walser, Martin
  • Deutscher Titel: Halbzeit
  • Genre: Roman
In dem Roman »Halbzeit«, erschienen beim Verlag Suhrkamp in Frankfurt am Main, führt Martin Walser (* 1927) das Thema fort, das er in seinem Romanerstling »Ehen in Philippsburg« (1957) aufgegriffen hat: Die Korrumpierung des jungen Intellektuellen durch die verlockenden Angebote der Wohlstandsgesellschaft. Erzählt wird die Geschichte des Vertreters und späteren Werbefachmanns Anselm Kristlein, der vor dem Hintergrund des deutschen Wirtschaftswunders den gesellschaftlichen Aufstieg schaffen will. Kristlein ist zwar zu Konzessionen bereit, doch muss er einsehen, dass er während seines Kampfs um den Aufstieg mehr fremde Erwartungen befriedigen muss als eigene Wünsche verwirklichen kann. »Halbzeit« ist der erste Teil einer Trilogie um Anselm Kristlein, die mit »Das Einhorn« (1966) und »Der Sturz« (1973) fortgesetzt wird.
  • Erscheinungsjahr: 1966
  • Veröffentlicht: Bundesrepublik Deutschland und DDR
  • Verfasser: Walser, Martin
  • Deutscher Titel: Das Einhorn
  • Genre: Roman
Die Entschlüsselung des »Fremdwortes Liebe« ist der Erzählgegenstand des Romans »Das Einhorn« von Martin Walser (* 1927), erschienen beim Verlag Suhrkamp in Frankfurt am Main. Geschildert werden die Wege und Irrwege auf der Suche nach Liebe in einer Gesellschaft, die vom Erfolgs- und Gewinnstreben geprägt ist und in der sich für die Liebe keine Sprache mehr finden lässt: Der Protagonist Anselm versucht vergeblich, ein Buch zu schreiben über eine Liebe, die dieses Gesellschaftssystem sprengt.
  • Erscheinungsjahr: 1976
  • Veröffentlicht: Bundesrepublik Deutschland und DDR
  • Verfasser: Walser, Martin
  • Deutscher Titel: Jenseits der Liebe
  • Genre: Roman
Der Roman »Jenseits der Liebe« von Martin Walser (* 1927), erschienen beim Verlag Suhrkamp in Frankfurt am Main, beleuchtet das Schicksal eines scheinbar unpolitischen Menschen, der wie er glaubt ohne weltanschauliches Engagement seine Befriedigung einzig in dem Streben nach Anerkennung durch seinen Brotgeber sucht. Erst der soziale Abstieg macht dem Juristen Franz Horn klar, dass die These von der Interessengemeinschaft zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern die Unmenschlichkeit der wirtschaftlichen Ausbeutung nur verhüllt, nicht aufhebt. Walsers Held sieht sich vor die schmerzhafte Erkenntnis eines vertanen Lebens »jenseits der Liebe« und vor die Notwendigkeit grundsätzlicher Neubesinnung gestellt.
  • Erscheinungsjahr: 1985
  • Veröffentlicht: Bundesrepublik Deutschland und DDR
  • Verfasser: Walser, Martin
  • Deutscher Titel: Brandung
  • Genre: Roman
In dem Roman »Brandung« von Martin Walser (* 1927), erschienen im Verlag Suhrkamp in Frankfurt am Main, finden sich der bereits aus Walsers Novelle »Ein fliehendes Pferd« (1978) bekannte Studienrat Helmut Halm und seine Ehefrau Sabine in Kalifornien wieder, wo Halm eine Gastdozentur angenommen hat. Zwischen Lebenssehnsucht und Lebensunfähigkeit hin und her gerissen, nähert er sich einer blonden Studentin, ohne dass eine Affäre daraus wird.
  • Erscheinungsjahr: 1991
  • Veröffentlicht: Deutschland
  • Verfasser: Walser, Martin
  • Deutscher Titel: Die Verteidigung der Kindheit
  • Genre: Roman
Der 1929 in Dresden geborene Alfred Dorn, der 1948 ein Jurastudium in Leipzig aufnimmt, es 1956 in Berlin (West) abschließt und anschließend dort, später in Wiesbaden, als Verwaltungsjurist arbeitet, ist der Held von Martin Walsers umfangreichem Roman. Lakonisch und nüchtern wird dargestellt, wie Dorn schon vor dem Mauerbau an der deutschen Teilung leidet, sich dennoch fügt und in den 60er Jahren in der Bundesrepublik zum Konservativen entwickelt. Vor allem aber leidet Alfred Dorn an seiner Person: Er ist hässlich und verklemmt, ein Sohn, der nicht erwachsen werden will, sich in hysterischer Liebe an die Mutter klammert und nach deren Tod manisch Erinnerungsstücke sammelt. Walser hat seine bei aller Schrulligkeit liebenswürdige Figur nach einem realen Menschen gestaltet, dessen schriftlicher Nachlass ihm 1988 von zwei Frauen übergeben wurde.
  • Erscheinungsjahr: 1967
  • Veröffentlicht: Bundesrepublik Deutschland und DDR
  • Verfasser: Walser, Martin
  • Deutscher Titel: Die Zimmerschlacht
  • Genre: Übungsstück für ein Ehepaar
Ein ähnliches Thema wie Edward Albee in seinem berühmten Stück »Wer hat Angst vor Virginia Woolf ?« behandelt Martin Walser (* 1927) in seiner »Zimmerschlacht«, die am 7. Dezember in den Münchener Kammerspielen uraufgeführt wird: Ein Ehepaar, das einen Abend mit Freunden verbringen wollte, die abgesagt haben, ist sich selbst überlassen und lebt ungeniert seine Aggressionen aus. »Die Zimmerschlacht« wird Walsers erfolgreichstes Stück.
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