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17. Juni 1953: Wie kam es zum Volksaufstand in der DDR?

"Wir wollen freie Menschen sein" – vor 70 Jahren, am 17. Juni 1953, kam es zuerst in Berlin, dann in der gesamten DDR zu einem Massenaufstand. Rund eine Million Menschen protestieren gegen die 1952 beschlossen massive Verstaatlichung der Betriebe und vor allem der Landwirtschaft und gegen Versorgungsengpässe und soziale Probleme. Doch der Aufstand wurde blutig niedergeschlagen, die Sowjetunion verhängt das Kriegsrecht und sowjetische Panzer rollen durch die Straßen. Tausende Menschen werden verhaftet, mindestens 55 erschossen.
NPO, 16.06.2023

An die Ereignisse vor 70 Jahren erinnert noch heute die "Straße des 17. Juni" im Zentrum Berlins, denn dort fanden die ersten und heftigsten Proteste statt. Auslöser der Aufstände war das Bestreben der SED-Führung, die DDR nach Vorbild der stalinistischen Sowjetunion umzubauen. Die Bevölkerung jedoch identifizierte sich zu diesem Zeitpunkt kaum mit dem kommunistischen System. Sie hatten vielmehr zunehmend mit Versorgungsengpässen zu kämpfen, während der Lebensstandard im Westteil Deutschlands und Berlins stetig anstieg. Vor allem in Berlin, das damals noch nicht durch die Mauer geteilt war, zeigten sich die Unterschiede deutlich, weil dort zehntausende Menschen zum Arbeiten zwischen den Stadtteilen pendelte.

Historisches Straßenschild Straße de 17. Juni
Historisches Straßenschild am Großen Stern im Großen Toergarten

Was waren die Ursachen des Aufstands?

Die Lage verschärfte sich, nachdem die SED im Juli 1952 auf einer Parteikonferenz tiefgreifende Veränderungen in der wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Struktur der DDR beschloss. So sollte private Landwirtschaft nicht mehr möglich sein, Betriebe wurden zu landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG) zusammengelegt und verstaatlicht. Auch in der Industrie wurden Unternehmer durch einschränkende Regelungen und massive Steuerlasten zur Aufgabe gedrängt, damit die Fabriken verstaatlicht werden konnten. Die Umsetzung dieser Maßnahmen löste eine  Ernährungs- und Versorgungskrise in der DDR aus, landwirtschaftliche und industrielle Produktion brachen ein.

Parallel dazu verschärften sich auch die politischen Repressalien. Politiker der ehemals bürgerlichen Parteien wurden verhaftet, Abweichler  innerhalb der SED ausgeschlossen. Eine Verwaltungsreform verstärkte zudem die Zentralisierung des staatlichen Systems. Die Umstrukturierung betraf auch das Bildungssystem, eine Schulreform sollte die Gleichschaltung sicherstellen. Zunehmend verfolgt und ausgegrenzt wurden zudem Angehörige der Kirchen.

Der Tropfen, der das sprichwörtliche Fass zum Überlaufen brachte, war jedoch ein Beschluss der SED-Parteiführung im Mai 1953: Nachdem im Mai 2953 der sowjetische Machthaber Stalin gestorben war, gab es zunächst Hoffnung, dass die DDR-Führung sich vom strikten Kurs  des Stalinismus lösen würde. Doch das erfüllte sich nicht. Stattdessen beschloss die SED am 14. Mai 1953, die Arbeitsnormen zu erhöhen: Arbeiter sollten bei gleichem Lohn zehn Prozent mehr leisten, erfüllte man die Norm nicht, gab es Lohnkürzungen. In der Praxis bedeutet dies für viele einen erheblichen Einkommensverlust.

Der Aufstand und seine Niederschlagung

Damit hatten die Menschen endgültig genug: Schon am 15. und 16. Juni 1953 begannen Bauarbeiter in Ostberlin und Stahlarbeiter in Leipzig mit Streiks und Protestaktionen. Am 17. Juni weiteten sich die Proteste über die gesamte DDR aus. Die Menschen forderten die Rücknahme der Normenerhöhung, aber auch freie Wahlen, die Wiedervereinigung, die Ablösung der SED-Führung und die Freiheit für politische Gefangene. Es kam zu Massenkundgebungen, Polizeiwachen und Parteizentralen wurden gestürmt und besetzt, SED-Funktionäre und Staatsbedienstete wurden verprügelt. Vor allem in Berlin, aber auch in anderen Städten geriet die Lage außer Kontrolle.

Weil die SED-Führung kaum mehr handlungsfähig war, griff die Sowjetunion ein: Sie verhängte am Nachmittag des 17. Juni den Ausnahmezustand über zahlreiche Städte und Regionen, dort herrschte nun Kriegsrecht. Alle Demonstrationen und Versammlungen wurden verboten und gewaltsam niedergeschlagen. In Berlin und einigen anderen Städten rollten sowjetische Panzer durch die Straßen, es fielen Schüsse. Die Folge waren mindestens 55 Tote, im Verlauf der folgenden Tage und Woche wurden mehr als 15.000 Menschen verhaftet und eingesperrt – es war die größte Festnahmewelle der DDR.

Die Folgen und die Erinnerung

Für die SED-Führung in der DDR war der 17. Juni 1953 ein Trauma und eine Warnung zugleich. In der Folge des Volksaufstands reagierte sie mit einer Doppelstrategie: Politisch ging sie mit aller Härte gegen ideologische Abweichler und verhaftete Aufständische vor. In der SED-Propaganda wurde der gesamte Aufstand  als ein von westlichen Provokateuren gesteuerter, faschistischer Putschversuch deklariert. Bis zum Ende der DDR gab es kein offizielles Gedenken an die wahren Ereignisse des 17. Juni, in den Schulen kam das Thema nicht vor. Inoffizielle Gedenkaktionen wurden bestraft.

Im Bereich der Wirtschaft jedoch ruderte die SED-Führung jedoch in einigen Bereichen zurück. So wurden die Normenerhöhungen für die Arbeiter zurückgenommen und die Lebensmittelpreise gesenkt. Das zuvor für den Aufbau der Armee, die Schwerindustrie und Reparationszahlungen an die Sowjetunion genutzte Geld wurde nun vermehrt in die Produktion von Lebensmitteln und Konsumgütern gesteckt, um die Versorgungsengpässe zu beheben.

In der Bundesrepublik Deutschland stützten die Aufstände vom 17. Juni dagegen die Bestrebungen nach einer Wiedervereinigung. Noch im Sommer 1953 beschloss der Deutsche Bundestag, den 17. Juni zu einem gesetzlichen Feiertag zu manchen. Nachdem im Oktober 1989 die Mauer fiel und es tatsächlich zur Wiedervereinigung kam, wurde stattdessen der 3. Oktober zum Tag der Deutschen Einheit erklärt. Der 17. Juni ist seitdem kein Feiertag mehr, bleibt aber Gedenktag.

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