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Indien und der Westen: Rückkehr und internationale Verbreitung

Wie gewann der Buddhismus in Indien wieder an Boden?

Mehr als sieben Jahrhunderte nach seinem Ende in Indien kehrte der Buddhismus durch Dr. Bhimrao Ramji Ambedkar (1891–1956) in sein Heimatland zurück. Dort hatten nur kleine buddhistische Enklaven in Bengalen und im Himalaya überdauert, doch mit dem 14. Oktober 1956 setzte eine Welle von Massenbekehrungen ein. Ambedkar rezitierte die dreifache Zufluchtnahme zum Buddha, zur Lehre und Gemeinschaft. Er rief die 400000 Anwesenden dazu auf, Buddhisten zu werden und den hinduistischen Göttern abzuschwören.

Warum bekehrten sich so viele Hindus?

Die neuen Buddhisten stammten fast nur aus der Kaste der Mahar, einer unteren Kaste der »Unberührbaren«, der auch Ambedkar angehörte. Er brandmarkte die Ungerechtigkeiten, die er und viele Millionen andere im hinduistischen Kastensystem zu erdulden hatten. In der Abkehr vom Hinduismus und der Konversion zu einer nicht hinduistischen Religion sah er die einzige Chance, ein menschenwürdiges Dasein führen zu können. Der buddhistischen Konversionsbewegung gelangen jedoch keine über die Kaste der Mahar hinausgehenden Erfolge. Die Ambedkar-Buddhisten Westindiens, die etwa 90 Prozent der über zehn Millionen indischen Buddhisten stellen, sind als quasi neue, gesellschaftlich kaum bessergestellte Kaste in das indische Sozialgefüge eingegliedert. Dem Einzelnen hat die Konversion zum Buddhismus, die viele als »Befreiung« und »Neugeburt« erlebten, jedoch erstmals ein Selbstvertrauen in die eigene Stärke und Würde gebracht.

Wie gelangte die Religion in den Westen?

Buddhistische Inhalte und Praxisformen kamen durch Zuwanderung und Konversion in den Westen. Erste Buddhisten in Nordamerika und Australien waren chinesische und japanische Migranten, die ihre Heimat verlassen hatten, um Gold und Arbeit zu finden. 1853 entstanden erste chinesisch-buddhistische Tempel in San Franciscos Chinatown, 1856 im australischen Melbourne. Das Verbot weiterer Zuwanderung verringerte den einst hohen Buddhistenanteil stark. Erst Änderungen der Immigrationsgesetze in den 1960er Jahren erlaubten süd- und ostasiatischen Migranten die Einwanderung nach Kanada, den USA und Australien. Viele der Zuwanderer sind Buddhisten, und wie ein Jahrhundert zuvor errichteten sie buddhistische Andachtsstätten und Tempel, je nach landestypischer Tradition.

Was führte zur verstärkten Einwanderung von Buddhisten nach Europa?

Das Ende des Vietnamkrieges (1975) und die einsetzende Fluchtwelle brachten mehr als eine halbe Million Vietnamesen, etwa die Hälfte von ihnen Buddhisten, in westliche Länder. In Frankreich leben mit rund 350000 und in Deutschland mit etwa 110000 Vietnamesen die größten Flüchtlingsgruppen Europas. Die asiatischen Buddhisten sind bislang in der öffentlichen Wahrnehmung wenig präsent. Dies steht im Gegensatz zu ihrer numerischen Stärke, die in Europa, Australien oder den USA etwa doppelt so groß ist wie die Zahl der zum Buddhismus konvertierten Westler.

Wie populär ist der Buddhismus heute?

Um 1850 hatten Übersetzungen und philosophische Traktate buddhistische Lehrinhalte in künstlerische und akademische Kreise getragen. Erste »bekennende Buddhisten« traten in den 1880er Jahren an die Öffentlichkeit. Buddhistische Organisationen entstanden zuerst in Leipzig (1903) und London (1907). Doch zu einem breiteren Interesse an buddhistischen Ideen und Meditationsformen sollte es erst ab den ausgehenden 1960er Jahren kommen. »Morgenlandfahrer«, Künstler und Studenten hatten in Indien, Burma und Japan den Buddhismus als spirituelle Kraft kennen gelernt, die in der Meditation den ganzen Körper einbezieht. Die neuen Schüler und ihre Lehrer aus Asien gründeten zahlreiche Zentren und Klöster. Zen und tibetischer Buddhismus sind besonders gefragt. Buddhismus im Westen, sei es in Nord- und Südamerika, in Südafrika, Australien oder Europa, ist äußerst vielfältig und vielgestaltig.

Wussten Sie, dass …

durch Massenbekehrungen ab Oktober 1956 innerhalb eines halben Jahres die Zahl der Buddhisten in Indien von 2500 auf über 4,2 Millionen anwuchs?

bereits der deutsche Philosoph Arthur Schopenhauer (1788–1860) von der Lehre Buddhas fasziniert war?

Wie verlief die Verbreitung des Buddhismus nach Westen?

1853: erster buddhistischer Tempel in San Francisco (USA)

1856: erster buddhistischer Tempel in Melbourne (Australien)

1903: erste buddhistische Gesellschaft in Deutschland

14. Oktober 1956: Beginn der Konversionsbewegung in Indien

ab den 1960er Jahren: vermehrte Zuwanderung asiatischer Buddhisten in Nordamerika und Australien

ab den frühen 1970er Jahren: rasanter Aufschwung des Buddhismus in der ganzen westlichen Welt

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