Wissensbibliothek

Altes Testament: Glaubensfundament mit literarischem Anspruch

Aus welchem Grund wurde die Bibel verfasst?

Das »Buch der Bücher«, das im alten Orient entstand, sollte in Zeiten der politischen Apokalypse den Glauben untermauern und erneuern. Es stellt eine Art Bibliothek des monotheistischen Judentums dar. Am Anfang der Bibelschöpfung war alles wüst und leer. Im 6. Jahrhundert v. Chr. hatten die Babylonier die Mauern des Kulturzentrums Jerusalem geschleift. Fast alle Archive waren vernichtet und mit ihnen drohte der jüdische Glaube unterzugehen. Ein Kodex von Schriften war notwendig, der das Volk im Namen des gerechten Gottes Jahwe wieder einen sollte. Das Alte Testament fängt an, wo das Alte Israel zu bestehen aufhörte.

Auf dem Alten Testament beruhen jüdisches und – durch das Neue Testament neu begründet – christliches Leben. Das Alte Testament ist kein Roman, sein Name stammt aus dem zweiten nachchristlichen Jahrhundert.

Was für Texte enthält das Alte Testament?

Im Alten Testament finden sich zum Beispiel ellenlange Stammeslisten wie in Numeri, Gesetze wie in Leviticus, daneben aber auch Vorhersagen, die den Untergang Jerusalems als Konsequenz israelitischer Verfehlungen gegenüber Jahwe quasi prophetisch nachreichen (Jeremias), sowie Lobpreisungen Gottes, Sprüche und Lebensregeln (Weisheit, Jesus Sirach).

Am Ende des Entstehungsprozesses, der etwa um das Jahr 100 n.Chr. abgeschlossen wurde, war ein vierteiliger Schriftkanon entstanden, der die Überlieferung um neun Zehntel erweiterte (und den das Christentum nochmals um sieben »deuterokanonische« Schriften – also Schriften, die für Christen integraler Bestandteil der Bibel sind – ergänzte): die fünf Bücher Mose, die Bücher der Geschichte Israels, Lehrweisheiten und fromme Psalmen sowie prophetische Bücher.

Welche Ereignisse werden in der Bibel erzählt?

Die Historie von der Genesis bis Esther beginnt in mythischer Vorzeit mit der Erschaffung der Welt und von Adam und Eva. Sie beschreibt den Auszug aus Ägypten, die Eroberung des Westjordanlandes, den Krieg gegen die Kanaaniter, die Zerstörung Jerusalems und das babylonische Exil – jenen Moment also, der die Schöpfung des Alten Testaments initiierte. Der politischen Katastrophe ist der Neuanfang mit eingeschrieben: Geschichte und Hoffnung, Vergangenheit und Zukunft, Altes und Neues Jerusalem werden Literatur.

Im Alten Testament lesen die Menschen kaum. Als Mose die Zehn Gebote eines neuen »alten Bundes« aus Gottes Mund, in Stein gemeißelt, vom Berg Sinai hinunterträgt, tanzt das Volk lieber um ein Kalb aus Gold. Hätte Mose den Israeliten »die Leviten lesen« können, die als Buch Leviticus allerdings erst um 450 v. Chr. entstanden, er hätte es sicher getan. Das Alte Testament selbst aber ist ein viel gelesenes und zitiertes Stück Weltliteratur, das Anekdoten, Fabeln, Gleichnisse, Mythen, Annalen, Märchen und Reflexionen, menschliche Tragödien, Liebes-, Kriegs- und Kriminalgeschichten zu einer Anthologie des Glaubens fasst.

Besitzen die Geschichten auch Unterhaltungswert?

Ja, die Handlung bietet ein Panoptikum menschlicher Verhaltensweisen. So gibt es im Alten Testament einfallsreiche Morde. Und von Noahs Töchtern bis zu Thamar oder Judith, von Delila bis zur Königin von Saba wissen die Frauen ihre Reize äußerst verführerisch einzusetzen: unmoralische Angebote zwischen Gut und Böse, zwischen politischem Kalkül, inzestuöser Selbsterhaltung und purer Eitelkeit. Die Legende vom Hof Davids ist ebenso spannend zu lesen wie das Drama um Hiobs verzweifelte Seelenpein oder die weise Lebensskepsis eines Kohelet. Der umfangreichste und gräulichste Fluch der Literaturgeschichte (Deuteronomium 28) ist ebenso atemberaubend wie die Fabeln von Sodom und Gomorrha und vom Turmbau zu Babel oder die Lösung der juristischen Probleme im Buch Ruth.

Verpackt sind die Geschichten in eine mal knappe, mal elegante, mal visionär-gewaltige Sprache, am schönsten aber wohl in den 30 Gedichten des Hohen Liedes Salomons, das wegen seiner lebensfrohen Bildlichkeit und seiner – nur manchmal züchtig metaphorisch verkleideten – Erotik zu den Meilensteinen der Lyrik zählt.

Ist das Neue Testament eine Fortsetzung des Alten Testaments?

Nein, in den vier Evangelien des Neuen Testaments ist alles sehr viel keuscher, braver und auch weniger spannend ausgemalt. Gott will hier der gute Gott aller Menschen sein. Wenn er durch seinen Sohn Jesus Christus Wunder tut, dann nicht, um in der Sintflut alles bis auf Noahs Arche zu vernichten (oder im Roten Meer zumindest die Ägypter zu ertränken); hier will er Lahme gehen machen, Tote zum Leben erwecken und Wasser in Wein verwandeln.

Zur Rettung der Menschheit schickt Gott seinen eigenen Sohn in den Tod am Kreuz. Dem Evangelisten Johannes gemäß droht damit nicht zuletzt auch der Tod der Heiligen Schrift. In Jesus nämlich wurde das Wort (griechisch logos) »Fleisch und wohnte unter uns«. Seine Auferstehung aber hat den Fortbestand der frohen Botschaft und der religiösen Dichtung gesichert.

Wussten Sie, dass …

die Bibel in über 250 Sprachen übersetzt worden ist?

das »Buch der Bücher« bis heute für Maler und Dichter ein unerschöpfliches Motivarsenal darstellt? So bevölkerte Dante in seiner 1307 bis 1321 entstandenen »Göttlichen Komödie« den ersten Höllenkreis mit »gerechten Heiden« aus dem Alten Testament, den größten Teil der Himmelsrose aber mit der Christenheit des Neuen Testaments. Thomas Mann erweiterte die Geschichte vom Verkauf des eigenen Bruders im Buch Genesis zur »Joseph«-Tetralogie (1933–1943).

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