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Vom Völkerbund zur UNO: Fortschritte und Rückschläge

Was war einst der Hauptzweck von Verträgen?

Verträge zwischen Staaten dienten früher oft nicht der Friedenssicherung, sondern der Verbündung gegen einen möglichen Feind. Ein Paradebeispiel ist das komplexe Bismarck'sche Bündnissystem im späten 19. Jahrhundert. Die Pakte mit Italien, England, Russland u. a. waren jedoch nicht von Dauer: Am Vorabend des Ersten Weltkriegs hatte nur noch Deutschlands vertragliche Bindung an Österreich-Ungarn Bestand.

Die Spannungen zwischen den imperialistischen Großmächten entluden sich 1914–18 in einem Krieg von ungeahnter Zerstörungskraft, der die ganze Welt nachhaltig veränderte. Angesichts des neuen Waffenarsenals – Flugzeuge, U-Boote, Panzer und Giftgas – wuchs die Einsicht, dass derartige Kriege verhindert werden müssten.

Wer hat den Völkerbund erfunden?

In seinem sog. 14-Punkte-Plan regte der US-amerikanische Präsident Thomas Woodrow Wilson 1918 u. a. an, einen Völkerbund zu gründen, der internationale Interessenkonflikte mit politischen Mitteln lösen sollte. Die Satzung des Völkerbunds floss 1919 in den Versailler Vertrag ein und trat mit seiner Annahme in Kraft.

Zu den Gründungsmitgliedern gehörten 32 Siegermächte des Ersten Weltkrieges und 13 neutrale Staaten. Zwar wurden einige der als Aggressoren verurteilten Staaten wie Österreich schon nach kurzer Zeit aufgenommen, das Deutsche Reich erhielt wegen des Einspruchs Frankreichs jedoch erst 1926 die Möglichkeit, Teil des Völkerbunds zu werden.

Übrigens: Ausgerechnet die USA traten dem von ihrem Präsidenten initiierten Gremium nicht bei; man fürchtete einen Souveränitätsverlust. Da auch die UdSSR dem als »kapitalistisch« angesehenen Bündnis zunächst fernblieb, wurde die drohende Machtlosigkeit des Völkerbunds schon früh deutlich.

Woran scheiterte der Völkerbund?

An fehlender Handlungsbefugnis. Kam es zu einem Streitfall zwischen Mitgliedstaaten, so traf der Völkerbundrat eine Entscheidung; kollidierte eine Ratsempfehlung jedoch mit den Interessen eines Mitglieds, war der Völkerbund zur Tatenlosigkeit verurteilt.

Wie beschränkt die Sanktionsmöglichkeiten selbst bei groben Verstößen gegen die Völkerbundsatzung waren, zeigte sich etwa 1935, als das faschistische Italien Äthiopien besetzte: Die verhängten Wirtschaftssanktionen wurden von Frankreich und Großbritannien unterlaufen, da man Italien als Gegengewicht zum Deutschen Reich nicht verlieren wollte. Auch der japanischen Großmachtpolitik in Ostasien, dem Spanischen Bürgerkrieg (1936–39) und dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs 1939 stand der Völkerbund hilflos gegenüber. 1946 löste er sich daher auf.

Was sollte die UNO besser machen?

Nach den Gräueln des Zweiten Weltkrieges sah die UNO ihr Hauptziel in der Wahrung der internationalen Sicherheit. Dem dienten nicht allein Verhandlungen zur Verhinderung von Kriegen, sondern auch vorbeugende Maßnahmen wie die Verbesserung der Lebensbedingungen der Menschen. Die Verantwortung für den Frieden sollte in erster Linie bei solchen Staaten liegen, die in der Lage waren, entsprechende Maßnahmen durchzusetzen.

Erste Schritte waren 1941 eine Deklaration der Alliierten über die Zusammenarbeit mit anderen freien Völkern sowie die »Atlantik-Charta«, in der Winston Churchill und Franklin D. Roosevelt Regeln für die internationale Zusammenarbeit festhielten. Die United Nations Organization (UNO) oder Organisation der Vereinten Nationen wurde 1945 mit der Ratifizierung ihrer Charta gegründet.

Wann und wo erfuhr die UNO ihre Feuertaufe?

1950, nachdem das kommunistische Nordkorea in den prowestlichen Süden des Landes eingefallen war. Unter Führung der USA griffen aus 15 Staaten gebildete UNO-Truppen an der Seite Südkoreas in die Kämpfe ein. Weil viele befürchteten, dass sich die UNO als ebenso hilflos erweisen würde wie der Völkerbund, blickte die Welt mit besonderer Spannung auf diese erste Bewährungsprobe. Sie verlief erfolgreich: Drei Jahre später waren die alten Grenzverläufe wiederhergestellt – allerdings um den Preis der bis heute andauernden staatlichen Teilung.

Auch später gab es Erfolge: Die UNO vermittelte 1956 durch den ersten Einsatz von Friedenstruppen erfolgreich in der Suezkrise, als Großbritannien und Frankreich eine Nationalisierung des Suezkanals durch Ägypten nicht akzeptieren wollten und militärisch zusammen mit Israel eingriffen. Der Einfluss der asiatischen und afrikanischen Staaten nahm zu, die Entwicklungspolitik rückte in den Mittelpunkt. Allein 1960 entließen die ehemaligen Kolonialmächte 17 afrikanische Staaten in die Unabhängigkeit, die von den Vereinten Nationen massiv gefördert wurde.

Wo zeigten sich die Grenzen der Weltorganisation?

Weder gelang es der UNO, im Sechstagekrieg (1967) zwischen Israel und seinen arabischen Nachbarstaaten zu vermitteln, noch konnte die Eskalation des Vietnamkriegs (1946–75) gestoppt werden. Im Sicherheitsrat, dem mächtigsten UNO-Gremium, blockierten sich die Supermächte USA und Sowjetunion gegenseitig.

Anfang der 1970er Jahre standen die Zeichen auf Entspannung. 1973 wurden die Bundesrepublik Deutschland und die DDR gemeinsam in die Staatengemeinschaft aufgenommen. Ende der 1970er Jahre drohte die Welt jedoch durch die Stationierung sowjetischer und US-amerikanischer Mittelstreckenraketen in Europa in eine neue Phase des Wettrüstens zu geraten. Hinzu kam eine Struktur- und Finanzkrise der UNO: Zahlreiche Staaten der Dritten Welt hatten sich an die UdSSR angenähert, so dass die westlichen Staaten in der UNO zur Minderheit wurden. Die USA verweigerten daraufhin zwischenzeitlich Beitragszahlungen an die UNO.

Wie mächtig ist die UNO heute?

Das hängt von ihrer Anpassungsfähigkeit an die neue Weltlage ab. Nach dem Ende der Blockkonfrontation und der Auflösung der Sowjetunion schien die Staatengemeinschaft vor einer Phase des friedlichen Miteinanders zu stehen. Aus dem Zerfall bisheriger Vielvölkerstaaten resultierten jedoch blutige Regionalkonflikte, und der Terrorismus entwickelte sich zu einer weltweiten Bedrohung. Im »Krieg gegen den Terrorismus« stützen sich die USA nicht auf die UNO, sondern auf gleichgesinnte Staaten (im Irakkrieg 2003 »Koalition der Willigen«). Daher steht die UNO vor der Frage, welche Rolle sie bei der Krisenbewältigung spielen soll, wenn die einzige Supermacht eigenmächtig handelt.

Kritisiert wird jedoch auch die Struktur der UNO, die die wichtigsten Entscheidungen ins Belieben der den Sicherheitsrat beherrschenden Großmächte stellt. Qualifizierte Mehrheitsentscheidungen wären eine Alternative. Um der Bedeutung der aufstrebenden Regionen gegenüber der »Alten Welt« gerecht zu werden, wird auch eine Vergrößerung des Sicherheitsrats gefordert. Außerdem könnten Gremien wie die Generalversammlung und der Wirtschafts- und Sozialrat von beratenden zu mitentscheidenden Organen werden. Diese Aufwertung stünde im Einklang mit dem traditionellen UNO-Grundsatz »ein Land – eine Stimme« und würde den Vereinten Nationen größere Legitimität verleihen.

Wo treffen sich die UNO-Mitglieder?

In der General- oder Vollversammlung. Sie ist das Parlament und das zentrale politische Beratungsorgan; einmal jährlich wird sie einberufen. Hier treffen sich alle 191 Staaten.

Meist spricht die Generalversammlung nur Empfehlungen aus. Zudem wählt sie die nichtständigen Mitglieder des Sicherheitsrats, die Vertreter des Wirtschafts- und Sozialrats und – zusammen mit dem Sicherheitsrat – die Richter des Internationalen Gerichtshofs in Den Haag sowie (auf Vorschlag des Sicherheitsrats) alle fünf Jahre den Generalsekretär. Mit Zweidrittelmehrheit muss sie über Aufnahmeanträge entscheiden, sofern der Sicherheitsrat zuvor eine entsprechende Empfehlung ausgesprochen hat.

Wie viele Staaten gehören dem Sicherheitsrat an?

15 Staaten. Die Volksrepublik China, Frankreich, Großbritannien, Russland und die USA sind ständige Mitglieder und können durch ihr Veto Entscheidungen des Sicherheitsrats blockieren. Die übrigen zehn Vertreter des Weltsicherheitsrats werden von der Generalversammlung mit Zweidrittelmehrheit für jeweils zwei Jahre gewählt. Der Sicherheitsrat tritt auf Antrag eines UNO-Mitgliedstaats zusammen.

Er ist das in der Öffentlichkeit am stärksten wahrgenommene Gremium, da er für die wichtigen politischen Entscheidungen zuständig ist. Die unter dem Eindruck des Zweiten Weltkriegs getroffene Veto-Regelung erweist sich für die Wirksamkeit der UNO bei Konfliktregelungen einerseits als Hemmschuh, andererseits fördert sie den Konsensgedanken.

Wer gibt der UNO ein Gesicht?

Der Generalsekretär ist der höchste Repräsentant der Vereinten Nationen, seit 1997 der Ghanaer Kofi Annan. Er leitet das Generalsekretariat, also die Verwaltung der UNO, und kann vom Sicherheitsrat beauftragt werden, friedenssichernde Maßnahmen vorzubereiten oder durchzuführen.

Als neutrale Autorität vermittelt der Generalsekretär häufig in internationalen Konflikten. Die Außenwirkung der UNO sowie der Erfolg ihrer Bemühungen um den Weltfrieden hängen in entscheidendem Maß von seinen diplomatischen und kommunikativen Fähigkeiten ab.

Was macht eigentlich ...

der UNO-Wirtschafts- und Sozialrat? Er beschäftigt sich mit den wirtschaftlichen und sozialen Gegebenheiten in den Mitgliedstaaten und koordiniert auch Bildungs- und Kulturprogramme. Darüber hinaus achtet er darauf, dass jedes UNO-Land die Menschenrechte einhält.

der Internationale Gerichtshof in Den Haag? Er spricht bei Streitfällen zwischen UNO-Mitgliedstaaten Recht, um militärische Konflikte zu verhindern. Akzeptieren die Parteien vorab die Zuständigkeit des Gerichts, so müssen sie dessen Urteil annehmen. Zu den wichtigen völkerrechtlichen Entscheidungen des Gerichtshofs zählen das Urteil, das Frankreich 1973 weitere Atomwaffenversuche im Pazifik untersagte, und die Entscheidung, die 1975 Marokko und Mauretanien die territorialen Souveränitätsrechte über die ehemalige spanische Kolonie Westsahara verweigerte. Bis April 2006 sprach der Gerichtshof 100 Urteile.

Was gehört noch zur UNO?

Neben ihren Haupt- und Nebenorganen hat die UNO noch zahlreiche selbständig arbeitende Programme, Fonds und Sonderorganisationen, darunter folgende:

Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO)

Internationale Atomenergie-Agentur (IAEA)

Internationale Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (IBRD, Weltbank)

Internationaler Währungsfonds (IWF)

Organisation für Erziehung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO)

Hoher Kommissar für Flüchtlinge (UNHCR)

Weltkinderhilfswerk (UNICEF)

Weltgesundheitsorganisation (WHO)

Welthandelsorganisation (WTO)

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