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Fahrrad: Bikefitting fürs gesunde Radeln
Ganz gleich, ob die Atemwege, Gelenke, Muskulatur oder die Durchblutung - das Radeln an der frischen Luft macht fit und gleichzeitig gute Laune. 77 Prozent der Deutschen besitzen, laut dem Fahrrad-Monitor Deutschland, ein klassisches Rad oder E-Bike, letzteres ist in der Regel ein Pedelec und liefert elektrische Unterstützung während der Fahrer tritt. 38 Prozent nutzen ihr Rad regelmäßig, also täglich oder mehrmals wöchentlich, um zum Arbeitsplatz oder zum Supermarkt zu kommen - oder eben als Sportgerät.
"Radfahren ist eine der gesündesten Bewegungsformen überhaupt", erklärt Detlef Detjen von der Aktion Gesunder Rücken (AGR). "Es ist beispielsweise besonders gelenkschonend, weil das größte Gewicht auf dem Sattel lastet."
Was ist ein Bikefitting?
Damit das Radeln den Rücken schont, sollten die Kontaktpunkte - also Sattel, Lenker und Pedale - ergonomisch auf den Radler abgestimmt sein, sonst können Beschwerden wie Nacken- und Knieschmerzen oder Taubheitsgefühle in Händen oder Füßen die Folge sein. Das Zusammenspiel der Komponenten bestimmt, was ein rückenfreundliches Zweirad ausmacht. Deswegen ist beim Kauf das A und O: eine individuelle Beratung.
Dabei heißt das Zauberwort Bikefitting. Der Begriff stammt aus dem englischen und heißt so viel wie angepasstes Rad. Ziel ist es, das Rad möglichst optimal an den Fahrer anzupassen. Und das lässt sich mit einem richtig eingestellten Lenker und Sattel sowie den passenden Griffen und Pedalen auch gut umsetzen. Dabei geht es zunächst um den Fahrradtyp, also ob es ein Trekking-Rad, Rennrad, Gravelbike oder Hollandrad sein soll. Denn je nach Fahrradtyp ist auch die Sitzhaltung eine andere, der Oberkörper ist mal stärker geneigt, mal aufrechter.
Zudem spielen die Häufigkeit, die zurückgelegte Strecke und die körperlichen Voraussetzungen eine Rolle. "Gut aufgehoben ist man bei einem Händler, der aus dem vielfältigen Angebot einen passenden Radtyp auswählt und die Ergonomie optimieren kann, indem er die Komponenten richtig eingestellt oder sie gegebenenfalls austauschen kann", sagt AGR-Experte Detjen.
Das ergonomische Dreieck
Der nächste Punkt beim Bikefitting ist das ergonomische Dreieck. Es umfasst die Druckverteilung auf den Kontaktpunkten Sattel, Lenker, Pedale. Damit lässt sich die optimale Verbindung zwischen Mensch und Fahrrad herstellen, denn nur wenn beides harmoniert, ist das Radeln komfortabel und gesund - auch für den Rücken. Bei einem guten Velo können sechs verschiedene Parameter individuell eingestellt werden: Sitzhöhe, Sattelposition und -neigung, Lenkerhöhe und -neigung sowie Sitzlänge.
Dadurch lassen sich Lenker- und Griffposition anpassen oder der Sattel anders einstellen. Schnell ist dabei spürbar, dass nur wenige Zentimeter in der Einstellung die Last auf den Handgelenken verringern können - und wie wenig es manchmal braucht, um mehr Komfort zu schaffen. Ergonomisch und damit rückengesund zu radeln bedeutet nicht nur mehr Komfort, sondern auch ein Plus an Effizienz. Wenn der Fuß richtig auf dem Pedal sitzt und das Knielot korrekt eingestellt ist, legt man mit der gleichen Kraft mehr Distanz zurück. Im Radrennsport ist dies schon länger bekannt: "Studien haben gezeigt, dass die Fahrer pro Stunde drei Kilometer weiter fahren können, wenn die Biomechanik stimmt. Dieses Wissen nutzt natürlich dem Fahrer eines Trekkingrades ganz genauso", erklärt Fahrradexperte Thorsten Braukmann von ergotec. Von daher gehen Ergonomie und Effizienz stets Hand in Hand.
Wie läuft ein Bikefitting ab?
Es gibt verschiedene Möglichkeiten des Bikefittings. Eine Variante ist der Besuch bei professionellen Bikefittern. Diese nehmen Rad und Mensch genau unter die Lupe und leitet so die optimale Einstellung für Ihr Rad ab. Dafür müssen Sie in der Regel auf einem stationären Fahrrad Platz nehmen. Die Bikefitter gehen dann Schritt für Schritt auf Ihre Bedürfnisse und Vorlieben ein und ermitteln so die richtigen Einstellungen, die dann auf Ihr Wunschfahrrad übertragen werden. Der Vorteil ist: Sie erhalten eine gute Einstellung. Der Nachteil: Es kann viel Zeit in Anspruch nehmen und ist entsprechend kostenintensiv.
Folgende Anpassungen gehören für eine ergonomische Radeinstellung dazu:
- Das Verstellen von Sitzrohrwinkel, Oberrohrlänge, Lenkerüberhöhung und Vorbaulänge
- Ein schneller Sattel- und Lenkerwechsel
- Das zügige Einstellen von Sattelhöhe und Sattelneigung
- Die horizontale Sattelverstellung (Knielot)
- Ein unkomplizierter Wechsel unterschiedlicher Griffe
Bikefitting mit Scanner-System
Das moderne Bikefitting baut auf dem konventionellen Bikefitting auf und macht sich darüber hinaus die heutigen modernen Errungenschaften zu nutze. Soll heißen, geschultes Fachpersonal nutzt moderne Scanner-Systeme zur Datenermittlung. Bei diesem professionelle Beratungstool wird mit einem speziellen Kamerasystem und einem standardisierten Fahrradmodell gearbeitet. Sind Sie nicht sicher welcher Fahrradtyp für Sie der richtige ist, kann dies an Hand verschiedener Sitzpositionen 1:1 simuliert werden. Es unterstützt den Verkäufer dabei, Ihr Wunschfahrrad für gesunden Fahrspaß zu konfigurieren.
Beim modernen Bikefitting ist das Standfahrrad so konzipiert, dass zahlreiche Einstellungen und Veränderungen leicht umzusetzen sind. Verschiedene Sitzpositionen und unterschiedliche Fahrradkomponenten wie Griffe, Lenker, Pedale und Sattel können Sie so in kurzer Zeit schnell erleben und ausprobieren. Und das ohne von einem Fahrrad auf das nächste zu wechseln und bei Wind und Wetter nach jeder Einstellungsänderung eine Runde nach der anderen im Hof des Fahrradhändlers zu drehen.
So lässt sich in kurzer Zeit die ideale Fahrradeinstellung und die individuell passenden Komponenten für Ihr Rad ermitteln. Und das auch in Bewegung und nicht nur starr sitzend. Hinzu kommt, dass Sie sich auf einem Bildschirm sehen und die Veränderungen auch optisch nachvollziehen können. Die ermittelten Werte lassen sich anschließend problemlos auf Ihr Wunschfahrrad übertragen. Egal ob Citybike, Trekkingrad, Mountainbike oder Rennrad – der Weg zum ergonomisch perfekt eingestellten Fahrrad ist so ganz leicht.
Der richtige Sattel
Ein wichtiger Verbindungspunkt zwischen Radler und Rad ist der Sattel. "Typische Probleme sind Gesäß- und Rückenschmerzen. Sie entstehen, weil durch das Radfahren Stöße auf die Wirbelsäule stattfinden", weiß AGR-Experte Detjen. "Wichtig ist auch, dass er das dynamische Sitzen unterstützt, also bei den Tretbewegungen nicht starr ist, sondern etwas mitgeht." Passt ein Sattel nicht optimal, leidet das Fahrvergnügen schon nach kurzer Zeit.
Deshalb bieten Hersteller Sättel mit verschiedenen Breiten und Härtegraden an, außerdem gibt es Fahrradsättel mit speziell geformten, entlastenden Zonen in dem Bereich, in dem Gesäßknochen und Dammbein aufliegen. Ein vollflächiges 3D-Dämpfungselement verhindert die übliche starre Haltung auf dem Rad. Weiterhin sollte der Sattel auf das Geschlecht zugeschnitten sein, denn Männer und Frauen benötigen wegen ihrer unterschiedlichen Anatomie im Gesäß und Beckenbereich auch entsprechend anders geformte Sättel.
Beim Einstellen des Sattels empfiehlt sich eine waagerechte Position als Grundeinstellung. Wird der Damm- und Genitalbereich zu stark belastetet, so kann es helfen die Sattelspitze geringfügig abzusenken. Rutscht man jedoch nach vorne und hat dadurch zu viel Druck im Damm- und Genitalbereich, oder hat zu viel Last auf den Händen, so hilft es die Sattelspitze minimal anzuheben.
Onlineportal rund ums Rad und die passende Einstellung
Welcher Radtyp passt zu mir? Wie kann ich mein Bike richtig einstellen? Was kann ich tun, wenn meine Finger taub werden? Diese und noch viel mehr Fragen beantwortet das Online-Portal "RichtigRadfahren.de". Damit hat die Aktion Gesunder Rücken (AGR) e. V. erstmals eine Internetseite ausgezeichnet, die den Radfahrenden schnell und einfach anleitet, worauf es bei der ergonomischen Einstellung ankommt.
Im Online-Portal finden sowohl Einsteiger als auch Profibiker ein umfassendes Informationsangebot rund um das Thema Ergonomie auf dem Rad sowie viele Erklär- und Übungsvideos. Wer beim Fahren mit Schmerzen zu kämpfen hat, dem hilft ein Problemanalyse-Tool dabei, in nur wenigen Klicks ein Beschwerdebild zu erstellen. Anschließend erhält der User wertvolle Tipps und Lösungsoptionen, um die Beschwerden zu reduzieren.
Quelle: Aktion Gesunder Rücken e. V.