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Haltbar gemacht: Warum Einmachen heute wieder im Trend liegt

Einmachen galt lange Zeit als Beschäftigung der Großeltern – eine Tätigkeit, die an vergangene Zeiten erinnerte, als Selbstversorgung keine Option, sondern Notwendigkeit war. In den letzten Jahren erlebt diese traditionelle Methode zur Haltbarmachung jedoch ein bemerkenswertes Comeback. Zwischen urbanem Balkon, ländlichem Garten und digitalem Kochforum rücken Einmachgläser, Gummiringe und Einkochautomaten wieder in den Fokus.
Aprikosen und Einmachgläser

© Elena Leya, unsplash.com

Getrieben wird die Renaissance des Einmachens von mehreren Faktoren: gestiegene Lebensmittelpreise, ein wachsendes Bewusstsein für Nachhaltigkeit und der Wunsch, mehr Kontrolle über Zutaten und Verarbeitung zu haben. Auch der DIY-Trend trägt seinen Teil dazu bei. Wer selbst Hand anlegt, weiß nicht nur, was im Glas steckt – es entsteht auch ein spürbares Gefühl der Selbstwirksamkeit.

Zwischen Kellerregal und Küchenfensterbank

Während früher ganze Kellerregale mit Gläsern voll selbst eingekochter Gurken, Bohnen oder Kompott auf den Winter warteten, ist heute oft weniger Platz vorhanden. Trotzdem boomt das Einmachen – mit neuen Ansätzen und in kleinen Mengen. Statt Massenproduktion steht das bewusste Haltbarmachen im Mittelpunkt. Marmelade aus regionalen Früchten, süß-sauer eingelegtes Gemüse oder fermentierter Kimchi auf der Fensterbank: Die Vielfalt ist größer denn je.

Dafür braucht es nicht viel mehr als frische Zutaten, etwas Zeit und passende Einmachgläser, die es heute in großer Auswahl für jeden Zweck gibt. Klassische Gläser mit Gummiring und Metallbügel stehen dabei ebenso zur Verfügung wie moderne Schraubdeckel-Varianten oder formschöne Weckgläser für dekorative Zwecke. Wer es genauer nehmen will, greift zum Einkochthermometer – notwendig ist das allerdings nicht.

Nachhaltigkeit beginnt im Glas

Einmachen ist mehr als eine Methode, Lebensmittel zu konservieren. Es ist ein Statement gegen Verschwendung und Überproduktion. Saisonale Zutaten, die im Überfluss vorhanden sind, lassen sich durch Einkochen länger verfügbar machen – ganz ohne Kühlung. Überschüssiges Obst aus dem Garten, Gemüse aus der solidarischen Landwirtschaft oder günstige Angebote vom Wochenmarkt: All das muss nicht mehr im Biomüll enden.

Ein weiteres Plus: Eingemachtes spart Verpackung. Wer auf wiederverwendbare Gläser setzt, reduziert den Plastikanteil im Haushalt. Gleichzeitig sinkt der Bedarf an industriell gefertigten Fertigprodukten. Gerade für Menschen mit Unverträglichkeiten oder besonderen Ernährungsformen bietet das Einmachen eine Möglichkeit, gezielt auf Zusätze zu verzichten.

Technik mit Geschichte

Die Grundlagen des Einmachens reichen bis ins 18. Jahrhundert zurück. Damals wurden Lebensmittel durch das luftdichte Verschließen und Erhitzen in Gläsern haltbar gemacht – ein Prinzip, das bis heute funktioniert. Der sogenannte „Weck-Prozess“ wurde in Deutschland zum Synonym für diese Methode. Viele der heute bekannten Gläser gehen auf diesen Ursprung zurück.

Moderne Küchen haben den Prozess vereinfacht. Wer keinen Einkochtopf besitzt, kann stattdessen auf den Backofen oder Kochtopf ausweichen. Auch Dampfgarer und Sous-Vide-Geräte eignen sich zum Haltbarmachen. Für Anfänger empfiehlt sich der Start mit Marmelade oder Kompott – beides lässt sich vergleichsweise einfach umsetzen und erfordert keine spezielle Ausrüstung.

Viel mehr als nur Konservierung

Einmachen ist auch eine Einladung, kreativ zu werden. Die Kombination aus altbewährten Techniken und neuen Geschmacksideen macht das Thema für viele attraktiv. Neben Klassikern wie Sauerkirsche oder Aprikose finden heute auch exotischere Varianten ihren Weg ins Glas – etwa Zucchini mit Chili, Birne mit Rosmarin oder Kürbis süß-sauer.

Auch Fermentieren wird häufig in einem Atemzug mit dem Einmachen genannt, obwohl es sich technisch um einen anderen Prozess handelt. Gemeinsam ist beiden Methoden jedoch das Ziel: Lebensmittel zu veredeln und länger nutzbar zu machen. Gleichzeitig verändert sich nicht nur der Geschmack, sondern auch die Beziehung zu den Lebensmitteln selbst. Wer Zeit und Energie in ein Glas Selbstgemachtes steckt, begegnet dem Inhalt mit mehr Wertschätzung.

Alltag mit Vorratsschrank

Eingemachtes erleichtert den Alltag. Wer einen kleinen Vorrat an Soßen, Chutneys oder eingelegtem Gemüse im Regal hat, spart sich spontane Supermarktgänge und kann auf schnelle Mahlzeiten zurückgreifen, ohne auf Fertigprodukte angewiesen zu sein. Auch für Berufstätige oder Familien kann das Einmachen zu einer spürbaren Entlastung führen – vorausgesetzt, die Gläser sind sinnvoll geplant und gelagert.

Der richtige Ort dafür muss kein kühler Keller sein. Ein trockener, dunkler Schrank reicht oft aus. Wichtig ist, die Gläser zu beschriften – mit Inhalt und Datum – um den Überblick zu behalten. Und: Auch Selbstgemachtes hat ein Haltbarkeitsdatum. Zwar sind viele Produkte über Monate stabil, doch bei Anzeichen von Gärung oder Schimmel sollte der Inhalt nicht mehr verzehrt werden.

Zwischen Trend und Tradition

Ob als Hobby, aus Überzeugung oder zur Entlastung im Alltag – das Einmachen hat viele Gesichter. Was früher als notwendige Maßnahme galt, wird heute mit Lust am Selbermachen neu entdeckt. Zwischen fermentierten Karotten, eingelegten Gurken und Aprikosenmarmelade entsteht nicht nur Vorrat, sondern auch ein Stück Alltagskultur, das sich an moderne Bedürfnisse anpassen lässt, ohne seine Wurzeln zu vergessen.

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