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Herrscher und Heerführer – Macht, Ruhm und Reiche
Sie waren von Geburt für ihr hohes Amt bestimmt oder haben sich aus eigener Kraft emporgearbeitet an die Spitze von Staaten und Armeen. Sie wurden geliebt und gefürchtet, bewundert und geschmäht, und nicht jeder, der Krone oder Siegerkranz trug, nahm auch ein ruhmreiches Ende. Die Herrscher und Heerführer verband ein einziges Ziel: Die Erhaltung und Erweiterung des eigenes Reiches. Dabei gingen einige brutal und rücksichtslos vor, andere setzten auf Taktik und Diplomatie. Es gab Machthaber, die auf dem Rücken ihrer Untertanen regierten, und Staatslenker, die zum Wohl ihres Volkes beitrugen. Intrigen, Verrat, Kriege, aber auch Glanz, Ruhm und Siege: Zwischen diesen Polen bewegten sich die Monarchen und ihre Krieger.
Mit den Biografien von 33 Kaisern, Königen und Heerführern führt dieses Kapitel durch vier Jahrtausende Weltgeschichte – beginnend mit dem babylonischen Reichsgründer Hammurapi (um 1700 v.Chr.), dem ersten großen Gesetzgeber der Geschichte, bis zum letzten russischen Zaren Nikolaus II. (1868–1917), dem schwachen, zögerlichen Opfer der Oktoberrevolution. Um die Lebensgeschichten von Julius Caesar (100–44 v. Chr.), Kleopatra (69–30 v. Chr.), Tschingis Chan (1167–1227) oder Napoleon (1769–1821) ranken sich auch heute noch Legenden.
Das deutsche Mittelalter ist mit zwei bedeutenden Stauferkaisern vertreten, dem sagenumwobenen Friedrich I. (1122 bis 1190), den sie Barbarossa nannten, und Friedrich II. (1194 bis 1250), dessen Ideen seiner Zeit weit voraus waren. Sein preußischer Namensvetter Friedrich II. der Große (1712–1786) steht für den aufgeklärten Absolutismus, für militärische Siege und kluge Ordnungspolitik. Den seltsam träumerischen Kontrapunkt dazu setzt der Bayernkönig Ludwig II. (1845–1886), dessen Märchenschlösser heute Millionen Menschen aus aller Welt verzaubern.
Hammurapi: Strenger Gesetzgeber des Orients
Was bedeutet der Name des Königs?
Hammurapi, König und babylonischer Reichsgründer, schuf durch seine Eroberungen ein mesopotamisches Großreich. Der Name bedeutet wahrscheinlich »Der (vergöttlichte) Onkel väterlicherseits ist Heiler«. Allgemein wird der Name des Königs auch mit Hammurabi wiedergegeben. Heute tendiert man jedoch eher zu Hammurapi, genauer Ammurapi.
Die Regierung Hammurapis fällt in die Jahre zwischen 1792 und 1750 v. Chr., in die erste babylonische Dynastie. Da es nicht möglich ist, für diesen Zeitraum genaue Daten anzugeben, könnte seine Herrschaft auch etwa 100 Jahre früher oder später angesetzt werden.
Wie ging Hammurapi mit den Nachbarvölkern um?
Im Allgemeinen gut. Ein Vertrauensmann des Königs Zimri-Lim vom Reich Mari am babylonischen Hof berichtet in einem Brief: »Was Hammurapi auch unternimmt: er informiert mich stets. Wo er sich auch aufhält, so kann ich mich doch zu ihm begeben. Alles, was er im Sinn hat, teilt er mir mit (…).« Auch wenn der mariotische Gesandte sicherlich übertreibt, zeigt das Schreiben an Zimri-Lim einen jovialen Umgang des Königs von Babylon mit ausländischen Gesandten. Die Korrespondenz mit Mari beweist auch, dass Hammurapi imstande war, bestehende Bündnisse zu seinem eigenen Vorteil auszunutzen. Darauf, dass der König ein kühl denkender Stratege war, lässt die Tatsache schließen, dass er keinerlei Skrupel kannte, seine alten Bundesgenossen anzugreifen und ihre Staaten seinem Einflussbereich anzugliedern. Hammurapi war als Eroberer jedoch nicht grausam, schonte meist die Bewohner der eingenommenen Städte. So war er ein milderer Herrscher als die meisten anderen Könige Mesopotamiens.
Was kennzeichnet sein Selbstverständnis?
Hammurapi sah sich in bester Nomadentradition als eine Art übergeordneter Vater seiner Untertanen. Hier unterscheidet er sich etwa von den Königen der dritten Dynastie von Ur oder der Dynastie von Isin, die gegenüber ihrem Volk Anspruch auf göttliche Ehren erhoben. Aus den Briefen, die der König und seine Kanzlei bis in die entlegensten Provinzen schickten, geht hervor, dass sich Hammurapi selbst für alltägliche Vorgänge interessierte; oft genug mischte er sich auch in Streitigkeiten zwischen seinen Beamten und seinen Untertanen ein. Die erhaltenen Anweisungen an seine Emissäre zeigen ganz deutlich, dass er dabei durchaus auch zum Wohl einer Privatperson und gegen die Interessen des Staates entschied.
Was ist seine größte Leistung?
Die neben der Errichtung des altbabylonischen Reichs bekannteste Leistung des Königs ist wohl der von ihm geschaffene Gesetzeskanon. Bereits am Anfang seiner Herrschaft hatte Hammurapi Reformgesetze erlassen. Dieses Verhalten ist für einen mesopotamischen Herrscher jedoch nichts Ungewöhnliches. Zur Legitimation der Herrschaftsansprüche gehörte in dieser Region seit jeher das Streben nach Wahrheit und Gerechtigkeit. Teilweise griff Hammurapi bei der Erstellung seiner Gesetze auf ältere Rechtssammlungen des Alten Orients zurück, zu nennen wäre hier der Kodex des Königs Lipit-Ishtar von Isin.
Wussten Sie, dass …
es Hammurapi gelungen war, hohe Beamte von Mari dazu zu bringen, ihn mit wertvollen Informationen über den Verbündeten zu versorgen?
sein Gesetzeskanon keinen Unterschied zwischen den Bewohnern der babylonischen Kerngebiete und den Menschen der unterworfenen Territorien machte?
in dem Relief auf der Oberseite der Stele, auf der Hammurapi seine Gesetze einmeißeln ließ, der König vor dem Sonnengott dargestellt ist?
das Strafmaß für Verbrechen im Kodex Hammurapi im Vergleich zu anderen zeitgenössischen Gesetzeswerken recht drastisch ist?
Was ist der Kodex Hammurapi?
Die 2,25 Meter hohe Stele des Kodex Hammurapi wurde 1902 in Susa im Westiran entdeckt, wohin sie als Kriegsbeute verschleppt worden war. In 49 Kolumnen sind ein Vor- und ein Nachwort sowie 282 Einzelparagraphen eingemeißelt. Umstritten sind Natur und Absicht des Kodex. So fehlt etwa die Darstellung vorsätzlichen Mords. Immerhin ist es relativ sicher, dass der Rechtskanon zur Anwendung kam. In einem altbabylonischen Dokument wird erwähnt, ein Urteil sei gemäß der Stele des Hammurapi gefällt worden. Auch ruft der König im Epilog dazu auf, dass der Ratsuchende sich die für seinen Fall relevanten Stellen des Textes vorlesen lassen und sein Urteil finden möge.
Ramses II.: Altägyptischer Bauherr und Friedensstifter
Wann regierte Ramses II.?
Ramses II. (der Große) wurde 1279/1280 v.Chr. – im Alter von 25 Jahren – in Memphis zum König gekrönt. Damit trat er die Nachfolge seines Großvaters Ramses I. (1292–1290 v.Chr.) und seines Vaters Sethos I. (1290 bis 1279 v.Chr.) an. Wie seinen Vorgängern so war auch Ramses II. daran gelegen, jegliche Erinnerung an den Ketzerkönig Echnaton, der die Götter Ägyptens abgeschafft und den Monotheismus eingeführt hatte, zu tilgen. Echnatons Denkmäler wurden zerstört, sein Name aus den Inschriften entfernt.
Wie stärkte der Pharao seine Macht?
Vor allem durch erfolgreiche Kriege. Unter der Regentschaft Ramses' II. erlebte Ägypten eine ruhmreiche Ära, die im Friedensvertrag mit den Hethitern gipfelte, dem mehrere Asienfeldzüge vorangegangen waren. 1276 eroberte Ramses den Staat Amurru. 1274 versuchte er mit 20000 Kriegern, die Stadt Kadesch von den Hethitern zurückzuerobern, geriet aber in einen Hinterhalt der mehr als doppelt so großen hethitischen Truppe und entkam nur knapp. Diese Ereignisse wurden in Bildern und Gedichten auf mehreren Tempelwänden Ägyptens festgehalten und glorifiziert, die Kadesch-Schlacht zum heldenhaften Sieg des Pharaos verklärt. Die Asienfeldzüge einige Jahre später waren erfolgreicher, syrische und phönizische Städte kamen wieder zum ägyptischen Herrschaftsbereich. Um das Jahr 1259 schlossen Ramses II. und der Hethiterkönig Hattusalis III. Frieden. Der schriftliche Vertrag ist uns sowohl auf hethitischen Tontafeln als auch auf einer Wand des Tempels von Karnak überliefert. 13 Jahre später heiratete Ramses II. eine Tochter des Hethiterkönigs.
Als was wurde Ramses vor allem bekannt?
Ramses II. gilt als der größte Baumeister unter den Pharaonen. In seiner 66-jährigen Regierungszeit – so lang herrschte kein anderer ägyptischer König – hat er zahlreiche monumentale Architekturdenkmäler und Statuen hinterlassen, denen der Ägyptenreisende noch heute auf Schritt und Tritt begegnet. Besonders bekannt sind sein Totentempel, das Ramesseum in Theben, und der Säulenhof des Luxor-Tempels. Ein 25 m hoher Obelisk dieses Meisterwerks steht heute auf der Place de la Concorde in Paris. Wenig erhalten ist die zehn Quadratkilometer große Residenzstadt Piramesse, die der Pharao bereits in seinen ersten Regierungsjahren erbauen ließ.
Welches berühmte Bauwerk ließ er errichten?
Den Tempel von Abu Simbel. Wer heute das imposante Bauwerk besichtigt, kann sich kaum vorstellen, dass dieses jahrhundertelang nahezu vollständig von Wüstensand bedeckt war. Johann Ludwig Burckhardt, ein Schweizer Orientreisender, entdeckte den Tempel am 22. Mai 1813 zufällig in der nubischen Wüste. Zu dieser Zeit ragte nur der Teil eines riesigen Kopfes aus den Sandverwehungen. Vier Jahre später wurde der Tempel von dem italienischen Antiquitätensammler Giovanni Battista Belzoni freigelegt, der nicht schlecht staunte, als vier 20 Meter hohe Sitzstatuen vor ihm auftauchten. Durch eine Tür gelangte das Forscherteam in das 63 Meter weit in den Felsen getriebene Tempelinnere. Dazu Belzonis spannender Bericht: »(…) unser Erstaunen wuchs noch weiter, als wir gewahr wurden, dass wir in einem der großartigsten Tempel standen, der mit herrlichen Intaglien [eingravierten Bildern], Malereien, Kolossalbildnissen und so weiter ausgeschmückt war.« Die Tempelanlage, die erst nach der Entzifferung der Hieroglyphen durch Jean François Champollion (1822) dem Pharao Ramses II. zugeordnet werden konnte, wurde 1964 bis 1968 vor dem Bau des Assuanstaudamms in einer spektakulären Rettungsaktion der UNESCO 180 Meter weit ins Landesinnere auf eine sichere Anhöhe versetzt.
Neben dem beschriebenen großen ist auch der kleine Tempel von Abu Simbel bekannt, den Ramses II. für eine seiner Lieblingsfrauen, Nefertari, errichten ließ.
Wer fand die Mumie des Pharaos?
1871 entdeckte ein Ziegenhirte auf der Suche nach einem verlorenen Zicklein aus seiner Herde das Grab von Ramses II. Erst zehn Jahre später erfuhren Archäologen von dem Fund in Deir el Bahari (Theben). Durch einen tiefen senkrechten Schacht gelangten sie in einen etwa 70 Meter langen Gang, der in einer Grabkammer endete. In dem mit zahlreichen Beigaben ausgestatteten Grab stießen sie auf mehrere Königsmumien, darunter befanden sich auch die von Ramses II., Sethos I. und Ramses I. 1976/77 wurde die Mumie des Pharaos Ramses II. im Anthropologischen Museum von Paris von einem spezialisierten Forscherteam untersucht.
Wussten Sie, dass …
sich neun Pharaonen der 20. Dynastie nach Ramses II. benannten?
Ramses II. mehrere königliche Gemahlinnen hatte und über 90 Kinder zeugte?
der Pharao im hohen Alter von 90 Jahren vermutlich an einer durch einen Zahnabszess ausgelösten Blutvergiftung starb? Das fanden Anthropologen nach dem Fund der Mumie heraus.
David: Von Gott berufener König
Wer machte David zum König der Israeliten?
Jahwe, also Gott selbst. David, als Kind ein Hirtenjunge, wurde nach Saul zweiter König der Israeliten und erster Monarch über ein geeintes Königreich. Es gelang ihm, Jerusalem zu erobern, das er zur Hauptstadt machte.
David wurde als achter und jüngster Sohn des Isai etwa 1040 v. Chr. in Bethlehem geboren. In der Kindheit arbeitete er als Hirte auf dem Feld. Eines Tages holte ihn der Prophet Samuel von dort fort, um ihn als neuen König heimlich zu salben, da Jahwe den herrschenden König Saul bereits verworfen hatte. David kam nach Gibea an den Hof Sauls und beeindruckte den Herrscher durch sein Zitherspiel. Bald wurde David Waffenträger des Königs, gewann die Freundschaft von Sauls Sohn Jonathan und heiratete dessen Schwester Michal. Bei einer der zahlreichen Schlachten der Israeliten gegen die Philister gelang David der legendäre Sieg gegen den Riesen Goliath (1. Sam 17). Als Saul begann, misstrauisch zu werden, musste David den Hof fluchtartig verlassen.
Wie kam David an die Macht?
Durch Kriege und Mord. David gelangte nach der Flucht in die judäischen Berge und in das Hinterland der Küste, wo er eine schlagkräftige Truppe von Abenteurern um sich scharte. Erfolgreiche Beutezüge mit diesem Heer brachten David Reichtum, die Söldnertätigkeit für die Philister schließlich auch noch ein mächtiges Lehen nahe der Küste. Bei einer großen Schlacht gegen die Philister am Berg Gilboa fiel Jonathan, der geschlagene Saul beging Selbstmord. Kurz nach diesen Ereignissen wurde David von den Stammesältesten der sechs Südstämme in Hebron zum König gesalbt. Wenige Jahre später wurde er, nach der Ermordung von Eschbaal, dem Sohn und Nachfolger Sauls, auch von den Stammesfürsten des Nordreichs zum König erwählt.
Die Vereinigung der beiden Reiche Israel und Juda unter einer Herrschaft missfiel den Philistern, weshalb sie König David in der Ebene Refaim zum Kampf herausforderten. Mithilfe seiner hoch motivierten Söldnertruppe gelang es ihm, die Philister endgültig zu schlagen. Bald darauf eroberte David die Nachbarstaaten im Ostjordanland, darunter Moab und Edom.
Im Inneren festigte er seine Macht, indem er die unabhängigen Stadtstaaten, allen voran Jerusalem, einnahm. So wurde aus dem Stammeskönigtum Sauls schließlich das Staatskönigtum Davids. Der junge König herrschte jetzt über Israel, ein zusammenhängendes großes Reich mit tributpflichtigen Vasallenstaaten.
Was brachte ihm die Eroberung Jerusalems?
Vor allem weiteren Machtzuwachs und eine neue Rolle als Herrscher. Nachdem David um 998 v. Chr. das bisher noch kanaanäisch-jebusitische Jerusalem erobern konnte, machte er den Stadtstaat, der in keinem der zwölf Stammesgebiete lag und somit neutral war, zu seiner neuen Haupt- und Residenzstadt. So gelang es dem König, die Rolle des ehemaligen Stadtkönigs von Jerusalem auf sich zu übertragen.
Wie verhielt sich der neue König als Mensch?
David war auch in seinem Privatleben ein gewiefter Taktiker, der vor harten Maßnahmen, wenn sie seinen Zielen dienten, nicht zurückschreckte. Als David ein Verhältnis mit Bathseba, der Frau eines seiner Offiziere, unterhält, schickt er den Mann Bathsebas an die vorderste Front in den sicheren Tod. Einen Aufstand seines Sohnes Abschalom gegen ihn lässt David blutig niederschlagen. Sein zweiter Sohn, Salomo, wird Davids Nachfolger.
Wussten Sie, dass …
dem Haus Davids eine ewige und gottgewollte Herrschaft verheißen war (2. Sam 7,13)?
noch heute das Judentum einen Erlöser aus dem Hause Davids erwartet?
das Christentum in Christus einen Nachkommen Davids sah?
Wie veränderte sich die Jahwe-Religion unter König David?
Die Religion musste unter David den neuen politischen Gegebenheiten angepasst werden. Dazu bot sich eine Synthese der Jahwe- mit der kanaanäisch-jebusitischen Religion des alten Jerusalems an. Auf diese Weise konnte zudem die ansässige kanaanäische Bevölkerung gewonnen werden. Die königlichen Hoftheologen, meist kanaanäischer Herkunft, machten aus der Befreiungsreligion für eine Randgruppe eine universale Religion mit sakraler Legitimation für das Königtum. Der Lokalgott Jahwe wurde zum höchsten Gott und Weltschöpfer, der mithilfe des Königs von »Zion« regierte. Durch die Machtsteigerung Jahwes war es nun möglich, die politische Machtkonzentration unter David auch theologisch schlüssig zu begründen.
Alexander der Große: Die Vision vom Weltreich
Wie wurde Alexander erzogen?
Kein Geringerer als Athens großer Philosoph Aristoteles schärfte den Geist Alexanders, der im Juli des Jahres 356 v. Chr. in Pella als Sohn des Makedonenkönigs Philipp II. und seiner Gemahlin Olympias, einer epirotischen Prinzessin, geboren wurde. In Homers Epos »Ilias« fand er sein großes Vorbild, den Helden Achilleus. Dass auch seine militärische Ausbildung exzellent war, bewies er in wichtigen Schlachten, die er im Auftrag seines Vaters schlug, so bei Chaironeia (338) gegen die vereinten Griechenheere. Auf dem Heimweg befragte Alexander das Orakel von Delphi: Die Seherin nannte ihn »unbesiegbar« …
Die Scheidung des Vaters von Olympias und seine Wiederverheiratung belasteten die Beziehungen, schließlich mussten Mutter und Sohn gar fliehen. Der Sohn konnte schon bald zurückkehren, doch war seine Position als Thronerbe nicht länger unangefochten. Ob Alexander an der Ermordung seines Vaters 336 beteiligt war, ist historisch nicht belegt, sicher ist nur, dass er die Nachfolge Philipps ohne Schwierigkeiten antreten konnte.
Was war der Alexanderzug?
Der Alexanderzug war ein Feldzug gegen die Perser. Gestützt auf eine hervorragende, kriegserfahrene Armee und ebensolche Heerführer, sorgte der neue König zunächst für innere Ruhe in Griechenland, überquerte die Donau, besiegte Illyrer und Thraker im Norden. 334 war es dann so weit: Alexander zog mit rund 35000 Mann gegen die Perser. Seinem Sieg am Granikos folgte 333 die sattsam bekannte »Keilerei« bei Issos in Kilikien, wo er die Truppen des persischen Großkönigs Dareios III. besiegte. Nach der Okkupation Syriens und Phöniziens ergab sich Ägypten 332/31 kampflos, Alexander ließ sich zum Pharao krönen und gründete die Stadt Alexandria. 331 rückte er in Mesopotamien ein, die Schlacht bei Gaugamela brachte das Ende des letzten persischen Aufgebots. Dareios III. entkam zunächst, wurde jedoch auf seiner Flucht getötet.
Nach der Eroberung des Zweistromlandes visierte Alexander als Nächstes die alte elamitische Hauptstadt und Perserresidenz Susa an, wo ihm der riesige Königsschatz komplett in die Hände fiel. Als er den Thron der Achämeniden bestiegen hatte, proklamierte er das Ende des Feldzugs gegen die Perser. Doch zogen sich die Kämpfe – jetzt auch gegen unzufriedene Makedonen – noch bis 327 hin. Im selben Jahr vermählte er sich mit der baktrischen Fürstentochter Roxane.
Hatte der König immer Erfolg?
Nein. Als der nächste Feldzug in Indien siegreich verlief, sah Alexander zunächst seine Stellung beim Heer zwar wieder gestärkt, doch die berühmt gewordene Meuterei der Soldaten am Fluss Hyphasis zwang ihn schließlich zur Umkehr. Den Rückmarsch durch die Wüste von Gedrosien kennzeichneten endlose Schwierigkeiten und hohe Verluste, die Macht des Königs schwand dahin – auch für ihn selbst deutlich spürbar.
Woran scheiterte Alexander letztlich?
Die zunehmende Entfremdung zwischen Makedonen, Griechen und ihrem König hatte klare Ursachen: Alexanders perserfreundliche Politik – nach seinem Sieg über Dareios – wie auch die Einbindung des persischen Adels in seinen Hofstaat zu Ungunsten der makedonischen Gefolgsleute und seine brutale Reaktion auf deren Unmut.
Eine tiefe Kluft entstand aber vor allem durch seine Begeisterung für orientalisches Gepränge und die Hinwendung zu den orientalischen Göttern. Alexander sah sich seit dem Besuch des Orakels in der Oase Siwa 331 als Sohn des Ammon – der ägyptischen Entsprechung des obersten Olympiers Zeus – und bezog daraus die Legitimation seiner Herrschaft als Gottkönig. Griechen und Makedonen beleidigte er mit dem Versuch, auch ihnen das orientalische Hofzeremoniell vorzuschreiben. 324 zwang er sie gar, ihn selbst als Gott zu verehren – alles Ausdruck zunehmenden Größenwahns.
Wie zerbrach das Reich?
Es wurde zerteilt. Im Juni 323 erkrankte der König und starb, erst 32-jährig, ohne einen Nachfolger bestimmt zu haben. Sein Feldherr Perdikkas erhielt zwar den königlichen Siegelring, doch konnte er sich gegen die anderen Herrschaftsaspiranten nicht durchsetzen. Im Zuge der nun folgenden so genannten Diadochenkämpfe zerfiel das Großreich Alexanders, die Visionen von einer Weltherrschaft der Makedonier zerstoben.
Was bezweckte Alexander mit der Massenhochzeit von Susa?
Beim Versuch, durch eine »Politik der Verschmelzung« den Frieden zu bewahren und eine königstreue Anhängerschaft zu gewinnen, verheiratete Alexander im Jahr 324 v. Chr. rund 80 seiner Getreuen und Feldherren sowie nicht weniger als 10000 Makedonen mit Perserinnen– er selbst ehelichte zwei iranische Prinzessinnen.
Wussten Sie, dass …
Alexander der Große kleinwüchsig war? Nach der Einnahme der Perserresidenz Susa 331 v. Chr. musste man ihm ein Esstischchen als Fußstütze unterschieben, damit er den eroberten Thron erklimmen konnte.
Alexander den Mörder seines Kriegsgegners Dareios III., Bessos, hinrichten ließ?
einer Legende nach die Herrschaft über Asien dem gehören sollte, der den Gordischen Knoten löste? Alexander soll den Knoten einfach mit seinem Schwert zerschlagen haben.
Alexander in Griechenland und Makedonien auch den orientalischen Brauch der Proskynese, den Fußkuss, einführen wollte?
Kaiser Qin: Erster Kaiser Chinas
Wie sah China vor dem Ersten Kaiser aus?
Mehr als 500 Jahre vor der Einigung des chinesischen Reiches betreten die Ahnen des Ersten Kaisers, die späteren Herzöge und Könige von Qin, die historische Bühne. Ihr Lehensreich in der nordwestchinesischen Zentralebene, in dem schon früh die ersten zentralistischen Reformen eingeleitet wurden, blieb jedoch bis ins 4. Jahrhundert v.Chr. eine kulturelle Randerscheinung mit militarisierter Verfassung. Hundert Jahre später fanden die dringlichsten Forderungen der Zeit, nämlich die »Bereicherung des Staates« und die »Stärkung der Heere«, Niederschlag in den Schriften des Han Feizi, des bedeutendsten legalistischen Gelehrten. Auf die Ideen dieses Staatstheoretikers und des eigentlichen Architekten der Einigung, des Kanzlers Li Si, stützte sich der Erste Kaiser bei seinen Regierungsgeschäften.
Wie bezeichnete sich der Kaiser selbst?
Als Gottkaiser. Jener Mann, der die chinesischen Provinzen, in denen eine Vielzahl von Ethnien zu Hause ist, zu einem Reich vereinen wird, kommt 259 v. Chr. auf die Welt. Als 13-Jähriger besteigt der Sohn einer Konkubine und eines wohl nichtchinesischen Großkaufmanns unter dem Namen Cheng den Königsthron und beginnt bald darauf, die noch verbliebenen »Streitenden Reiche« zu erobern. Nach Unterwerfung des letzten nennt er sich Qin Shihuangdi, was so viel wie »Erster Göttlich Erhabener von Qin« bedeutet. Damit formuliert er seinen Anspruch, am Beginn einer unendlichen Folge von Gottkaisern zu stehen.
Erstaunlich war der große Wandel, der während seiner kurzen Regierungszeit in China stattfand. Zur Durchsetzung seiner Vorstellungen dienten einerseits ein hierarchisch gegliederter Beamtenapparat und strenge Strafgesetze, andererseits bemühte er sich, sein magisches Prestige als Gottkaiser oder erster Heiliger der Geschichte beim Volk zu verankern: Fünf Inspektionsreisen führten ihn durchs Land; auf der letzten starb der 49-Jährige überraschend.
Was war die dunkle Seite des Reformers?
Der Kaiser war extrem misstrauisch. Vielleicht erdrückt von der Erkenntnis, ein so gewaltiges Einigungswerk übersteige Kraft und Lebensspanne eines Einzelnen, umgab er sich mit einer Schar von Magiern. Sie sollten dem unter pathologischer Todesangst Leidenden dabei helfen, das Elixier des ewigen Lebens von den »Inseln der Unsterblichen« zu holen. Nach überstandenen Attentatsversuchen wurde der Herrscher immer misstrauischer.
Welche Reformen leitete der Erste Kaiser ein?
Die seit dem 4. Jahrhundert in Qin durchgesetzten und auf das geeinte Reich übertragenen Reformen bedeuteten das Ende des Feudalsystems. An seine Stelle traten einheitliche Regeln und ein ausgeklügeltes System von Strafen und Belohnungen. Die Verwaltung unterstand vom Kaiser selbst ernannten, absetzbaren Beamten. Die Kosten für ihren Unterhalt und die staatlichen Baumaßnahmen wurden durch Steuern und Pflicht-Frondienste der Bevölkerung bestritten. Um sein Reich vor äußerer Bedrohung zu schützen, ließ der Kaiser den größten Teil der Chinesischen Mauer errichten.
Die die Wirtschaftskraft überfordernden Baumaßnahmen trugen ebenso wie die Anwendung der drakonischen Strafgesetze, die Tyrannei des Herrschers, der Hass des entrechteten Adels und der zumeist konfuzianischen Intellektuellen dazu bei, dass nach dem Tod des Kaisers Aufstände ausbrachen, die der Dynastie nach nur insgesamt 14 Jahren ein Ende bereiteten.
Was bedeutet Legalismus?
Der Begriff bezeichnet eine Philosophenschule der Östlichen Zhou-Zeit (722–222 v. Chr.), die davon ausgeht, dass der Mensch von Natur aus schlecht ist. Damit ein friedliches Zusammenleben auf der Erde funktionieren kann, bedarf es strenger Regeln und Strafen, die nur ein zentralistisch regiertes Reich aufstellen und überwachen könne.
Wussten Sie, dass …
der Kaiser ein »Aktenfresser« war? Täglich bearbeitete er etwa 73 kg auf Bambustäfelchen geschriebene Akten.
er 400 Regimegegner lebendig begraben sowie traditionelle historische und philosophische Bücher verbrennen ließ?
unter seiner Herrschaft Maße und Gewichte standardisiert sowie die Wagenspurbreite und die Schrift vereinheitlicht wurden?
Qin über 200 Paläste baute, darunter den Hauptstadtpalast, eine Nachbildung des Sternbilds »Himmelsgipfel«, als Sitz des obersten Himmelsgottes, und das unterirdische Mausoleum?
Hannibal: Gefährlichster Gegner Roms
Wurde Hannibal das Kämpfen in die Wiege gelegt?
Ja. Hannibal entstammte dem karthagischen Adelsgeschlecht der Barkiden. Sein Vater Hamilkar Barkas war einer der erfolgreichsten Feldherrn des Ersten Punischen Kriegs zwischen Rom und Karthago gewesen und hatte nach der Niederlage mit dem Aufbau eines karthagischen Territoriums in Südspanien begonnen. Nachdem Hannibal dort zum militärischen Führer der Mittelmeermacht aufgestiegen war, wurde Karthago wieder zu einer großen Bedrohung für Rom.
Warum zog er mit Elefanten über die Alpen?
Er wollte die Dickhäuter bei seinem Angriff auf Rom als Kampftiere einsetzen. Auf dem anstrengenden Marsch gingen aber die meisten der Rüsseltiere ein. Trotzdem gelang es Hannibal durch sein außerordentliches taktisches Geschick – und obwohl seine Truppen zahlenmäßig unterlegen waren –, die römischen Armeen zu besiegen. Mit seinem tollkühnen Marsch über die Alpen wollte Hannibal einem römischen Vergeltungsangriff zuvorkommen: Er hatte gerade das mit Rom verbündete Sagunt zerstört.
Wie vermied Rom Niederlagen gegen die Karthager?
Nach der vernichtenden Niederlage zweier römischer Heere am Trasimenischen See im Jahr 217 v.Chr. vermieden die Römer unter dem Kommando von Quintus Fabius Maximus Cunctator die offene Feldschlacht. Cunctator, der deshalb seinen Spottnamen – Zauderer – erhielt, begnügte sich damit, Hannibals Bewegungsfreiheit einzuschränken. Entgegen dem Rat Cunctators wagten die Römer aber unter dem Kommando von Gaius Terentius Varro 216 v.Chr. erneut die offene Schlacht. Bei Cannae stellte eine überlegene römische Armee die Karthager und ihre Verbündeten. Hannibal umging die römische Formation und schlug sie vernichtend. Angeblich brachten die Boten, die den Sieg meldeten, die erbeuteten Standesabzeichen der römischen Ritter nach Karthago. Die Römer brachten Menschenopfer, um die Götter zu versöhnen, und hielten sich in Zukunft streng an die Strategie Cunctators.
Starb Hannibal in einer Schlacht?
Nein. In den folgenden Jahren gelang Hannibal kein Sieg über die Römer mehr. 203 v.Chr. landete eine römische Armee unter dem Kommando von Cornelius Scipio in Afrika und bedrohte Karthago. Hannibal wurde zu Hilfe gerufen und kehrte widerwillig zurück. Im Jahr darauf kam es dann bei Zama zur Entscheidungsschlacht zwischen Scipio und Hannibal. Scipio wandte dabei die gleiche Umfassungsstrategie an, mit der Hannibal in Cannae gesiegt hatte. Karthago musste kapitulieren. Der Friedensvertrag verbot Karthago eine eigenständige Außenpolitik, den Unterhalt von Besitzungen außerhalb der direkten Umgebung der Stadt und jede umfangreiche Bewaffnung. Hannibal entging der Auslieferung an die Römer nur durch Flucht. Im Lauf der Jahre fand er Unterschlupf bei diversen Herrschern, denen er als militärischer Berater gegen die Römer diente. Im Jahr 183 v.Chr. entzog er sich dem Zugriff Roms durch Selbstmord.
Welche Spuren hat Hannibal hinterlassen?
Seine brillanten taktischen Konzepte haben Militärs aller Epochen beeinflusst. Zahlreiche Generalstabsentwürfe gehen auf Analysen seiner großen Siege zurück. Seine Genialität, sein Hass auf die Römer und sein Scheitern machen ihn zu einer tragischen Figur. Er war der Letzte, der eine Chance gehabt hatte, Rom auf seinem Weg zur Weltherrschaft entgegenzutreten.
Für die Römer blieb Hannibal ein Trauma. Der Ausruf »Hannibal ante portas« (Hannibal steht vor den Toren), der auch in unsere Sprache Eingang gefunden hat, wurde zu einem Synonym für unmittelbare Bedrohung.
Wussten Sie, dass …
Hannibal angeblich schon als Kind den Römern ewige Feindschaft schwor?
in der Schlacht bei Cannae ungefähr 50000 römische Soldaten zu Tode kamen?
Hannibals Strategie darauf abzielte, die römischen Bundesgenossen zur Ablösung von Rom zu veranlassen?
der römische Senator Cato jede seiner Reden mit dem Ausspruch beschloss: »Im übrigen bin ich der Meinung, dass Karthago zerstört werden muss.«?
Gaius Julius Cäsar: Kaiser einer Republik
War Gaius Julius Cäsar ein Emporkömmling?
Nein. Es war ihm zwar nicht in die Wiege gelegt, dass er einmal zum höchsten Staatsamt in Rom aufsteigen würde. Aber als Angehöriger der exklusiven Elite der römischen Republik hatte Cäsar allerbeste Startchancen.
Cäsar entstammte dem altadligen Geschlecht der Julier, das eine Abkunft vom trojanischen Helden Aeneas für sich reklamierte. Während 88 v.Chr. aufgrund der Rivalität zwischen Marius, Cinna und Sulla in Rom ein Bürgerkrieg tobte, wurde Cäsar – noch in jungen Jahren – für das höchste Priesteramt, Oberpriester des Jupiter, des römischen Staatskults auserkoren. Als Verwandter von Marius und Schwiegersohn Cinnas entging er seiner Ermordung nach der Niederlage der beiden gegen Sulla nur dank der Bitten einflussreicher Freunde bei diesem. Sulla soll angeblich »vor dem schlecht gegürteten Jüngling« gewarnt haben, »in dem mehr als ein Marius stecke«. Sulla verlangte, dass er seine Ehe mit der Tochter seines unterlegenen Gegners Cinna löse. Trotz schlimmster Drohungen der Sullaner hielt Cäsar aber an der Verbindung fest. Er leistete im Osten des Reichs seinen Militärdienst ab und machte sich durch seine kaltblütige Gelassenheit und seine legendären Ausschweifungen einen Namen.
Welches Verhältnis hatte der Politiker zum Senat?
Nach Sullas Tod kehrte Cäsar nach Rom zurück und gewann bald durch seine militärischen Erfolge und durch sein charismatisches Auftreten großen Einfluss. Verschiedentlich geriet er in Konflikt mit der Senatsmehrheit. Nach der Rückkehr aus Spanien 63 v.Chr., wo er militärische Siege errungen hatte, wollte er unmittelbar nach den offiziellen Triumphfeiern als Konsul kandidieren. Die formelle Genehmigung dieser Feierlichkeiten wurde aber von seinen Gegnern im Senat so lange hinausgezögert, bis die Bewerbungsfrist abzulaufen drohte. Cäsar verzichtete auf den Triumph, kandidierte und gewann die Wahlen souverän.
Er vereinbarte mit Crassus und Pompeius gegenseitige Unterstützung. Zur Bekräftigung dieser Vereinbarung verheiratete Cäsar seine Tochter Julia mit Pompeius. Cäsar setzte mehrere Projekte durch, mit denen seine Verbündeten bisher beim Senat gescheitert waren. Pompeius und Crassus ihrerseits sorgten dafür, dass Cäsar für sein Prokonsulat lukrativere Provinzen erhielt, als ihm der Senat bisher zugestehen wollte, nämlich Gallia cisalpina und Gallia Narbonensis, heute die Po-Ebene und die Provence. Diese Randgebiete des Römischen Reichs sollten Cäsar die Möglichkeit zu neuen militärischen Erfolgen bieten.
Warum zog der Feldherr nach Gallien?
Die Helvetier, ein keltischer Stamm aus der heutigen Schweiz, waren aufgebrochen, um sich ein neues Siedlungsgebiet in Westfrankreich zu suchen. Cäsar nahm dies zum Anlass, um sich in die gallischen Verhältnisse einzumischen und die Helvetier vernichtend zu schlagen. Die anschließenden Unruhen gaben dem Feldherrn immer wieder Gelegenheit, zu intervenieren und – letztlich unter dem Vorwand, das Römische Reich zu sichern – eine umfassende, mehrjährige Eroberungskampagne in ganz Gallien durchzuführen. Dabei unternahm er auch Expeditionen über den Rhein und den Ärmelkanal.
Was geschah während Cäsars Abwesenheit in Rom?
Während er in Gallien beschäftigt war, beobachtete Cäsar die politische Entwicklung in Rom aufmerksam und ließ seine Mittelsmänner mehrfach in das Geschehen in der Hauptstadt eingreifen. Die Koalition mit Crassus und Pompeius zerbrach nach dem Tod von Crassus und Julia. Pompeius schlug sich nun auf die Seite der Senatsmehrheit. Um einer drohenden Amtsenthebung zuvorzukommen, überquerte Cäsar am 10. Januar 49 v. Chr. den Rubikon, die Grenze seines Amtsbereichs, mit den legendären Worten »Alea iacta est« (der Würfel ist gefallen) und erklärte damit Rom den Krieg.
Wie besiegte Cäsar seine Rivalen?
Seine Gegner, die sich unter die Führung von Pompeius begeben hatten, waren ihm an Kampfkraft überlegen. Trotzdem gelang es Cäsar durch strategisches Geschick und mithilfe seiner äußerst loyalen Truppen, mehrere Armeen seiner Rivalen niederzuwerfen. Schließlich besiegte er Pompeius bei Pharsalos in Nordgriechenland und schlug in den Jahren danach alle versprengten pompeianischen Heere im Mittelmeerraum. 46 v.Chr. kehrte Cäsar triumphal nach Rom zurück und begann mit der Neuordnung des Staates.
Nachdem er sich zum Diktator auf zehn Jahre hatte ernennen lassen, ging Cäsar längst überfällige Reformen in allen erdenklichen Bereichen an, zum Beispiel seine Kalenderordnung mit 365 Tagen pro Jahr und einem Schaltjahr alle vier Jahre. Abgesehen von einer Modifizierung hat diese bis heute Bestand. Zwar ließ er die Verfassungsorgane der römischen Republik weiter existieren, kontrollierte aber selbst alle politische Macht.
Warum wurde der Diktator ermordet?
Einer Gruppe von Verschwörern ging diese Allmacht des Diktators schließlich zu weit. An den Iden (15.) des März des Jahres 44 v.Chr. stachen sie ihn im Verlauf einer Senatssitzung nieder. Unter den Mördern, die sich selbst als Befreier Roms von der Diktatur sahen, waren begnadigte Pompeianer und enge Freunde Cäsars. Sein Tod löste einen erbitterten Bürgerkrieg aus, den 31 v. Chr. Octavian, der Erbe Cäsars, schließlich für sich entschied. Er führte den Namen Cäsar erstmals als Herrschertitel, aus dem dann die Begriffe Kaiser und Zar hervorgingen.
Wussten Sie, dass …
Cäsars berühmte Worte bei seinem Tod wohl ins Reich der Legende gehören? Als ihn Brutus und Cassius während einer Senatsssitzung mit diversen Dolchstößen erstachen, soll er »Auch du, mein Sohn Brutus?« gesagt haben. Vermutlich waren seine Verletzungen aber viel zu schwer, als dass er noch wohlgesetzte Worte hätte formulieren können.
Warum wurde Cäsars Begräbnis zum Tumult?
Die Bevölkerung Roms schätzte den charismatischen Volkstribun wohl mehr, als seine Mörder gedacht hatten. Die aufgeregte Menge riss die Leiche des Diktators an sich und brachte sie vom Scheiterhaufen auf dem Marsfeld zum Forum, wo sie schließlich unter großer Anteilnahme verbrannt wurde. An den Iden des März, Cäsars Todestag, legen manche Römer noch heute an einem Stein auf dem Forum Blumen zum Andenken an den genialen Staatslenker nieder.
Kleopatra: Geliebte mächtiger Männer
War Kleopatra eine mächtige Herrscherin?
Eher nicht. Geboren 69 v. Chr. in Alexandria, war sie erst 18 Jahre alt, als sie zusammen mit ihrem zehn Jahre jüngeren Bruder und Gemahl Ptolemaios XIII. die Herrschaft in Ägypten antrat. Das junge Königspaar hatte keine Hoffnung, seinem Reich auch nur einen Teil seiner einstigen Macht und Größe zurückgewinnen zu können. Es schien nur noch eine Frage der Zeit, bis das Geschlecht der Ptolemäer von der Bühne der Geschichte verschwinden würde. Denn Rom beherrschte den Mittelmeerraum und würde sich über kurz oder lang auch Ägypten einverleiben.
Welche Rolle spielte Cäsar?
Er half Kleopatra zurück an die Macht. Im September 48 v. Chr. floh Cäsars innenpolitischer Gegner Pompejus nach Ägypten. Die Berater des jungen Ptolemaios ließen Pompejus ermorden, um Cäsar günstig zu stimmen. Doch sie hatten sich verkalkuliert: Kurz darauf besetzte Cäsar mit seinen Truppen die Residenzstadt Alexandria. Nun sah Kleopatra, die von ihrem Bruder vom Hof vertrieben worden war, ihre Chance. Heimlich nahm sie Kontakt mit Cäsar auf. Kleopatra war keine sehr schöne Frau, aber hoch gebildet, klug und charmant, eine starke Persönlichkeit. Und sie setzte alles daran, um Cäsar für sich zu gewinnen. Der römische Feldherr wurde ihr Geliebter.
Nach langen Kämpfen und dem Tod ihres Bruders wurde sie von Cäsar – nun mit ihrem anderen Bruder als Gemahl – wieder auf den Thron gesetzt. 47 v. Chr. gebar sie Cäsar einen Sohn, Kaisarion. Im folgenden Jahr zog der Feldherr mit Kleopatra in Rom ein. Die orientalische Königin mit ihrer prunkvollen Hofhaltung an der Seite Cäsars gefiel den Anhängern der römischen Republik gar nicht. Nach Cäsars Ermordung 44 v. Chr. kehrte Kleopatra umgehend nach Ägypten zurück.
War Cäsars Tod das Ende der Karriere Kleopatras?
Im Gegenteil: In Alexandria vertrieb Kleopatra ihren Brudergemahl und erhob ihren kleinen Sohn zum Mitregenten. Auf einem Bankett in Tarsus kam es im Jahr 41 v. Chr. zur Begegnung mit Marcus Antonius, dem neuen römischen Oberbefehlshaber. Wieder wurde Kleopatra die Geliebte eines mächtigen Römers.
Antonius ging weiter als Cäsar: Er ließ sich von seiner vornehmen Frau – der Schwester von Cäsars Adoptivsohn Octavian – scheiden, um Kleopatra nach ägyptisch-hellenistischem Ritus zu heiraten. Kleopatra wollte Ägypten und ihrer Dynastie den alten Glanz zurückgeben. Und Antonius – in Rom als unbesiegter Feldherr ein echtes Idol – schickte sich an, ihre Großmachtträume zu verwirklichen. Er schenkte ihr römische Gebiete im Osten. Kleopatra beabsichtigte wenig später, sich das unabhängige Judäa, das inmitten ihres Herrschaftsgebietes lag, einzuverleiben, doch Antonius schlug ihr diesen Wunsch ab.
Woran scheiterten die Pläne der Königin?
Die Stimmung in Rom schätzte Antonius falsch ein. Mit Misstrauen beobachtete man dort seine Entwicklung zum orientalischen Potentaten. Er war aufgrund seiner Verbindung mit Kleopatra politisch angeschlagen. Das machte sich Octavian, sein Rivale im Kampf um die Macht in Rom zunutze: Octavian bezeichnete Kleopatra als Feindin Roms und führte Krieg gegen sie, und damit gegen Marcus Antonius.
Am 2. September 31 v. Chr. kam es vor der griechischen Westküste zur Seeschlacht bei Actium, in deren Verlauf Octavian die Oberhand über die Flotte des Antonius gewann. Kleopatra entkam mit ihrem kleinen Geschwader, woraufhin sich Antonius ebenfalls zur Flucht wandte. Eine Woche später kapitulierten seine Landtruppen in Griechenland. Im Frühjahr des Jahres 30 v. Chr. landete Octavian in Ägypten und besetzte im August Alexandria.
Antonius wusste, dass er verloren hatte. Ein Gerücht vom Tod Kleopatras veranlasste ihn zum Selbstmord. Die Königin versuchte ihre Verführungskünste noch einmal an Octavian, scheiterte jedoch an dem kühlen Vernunftmenschen. Der Überlieferung zufolge tötete sie sich durch den Biss einer Kobra, um der Gefangenschaft zu entgehen. Ihren Sohn Kaisarion ließ Octavian ermorden. Ägypten wurde römische Provinz, und Octavian erreichte die größte Machtfülle, die ein Römer bisher besessen hatte: Er wurde zu Augustus, dem Erhabenen.
Wer war Ahnherr der Ptolemäer?
Nach dem Tod Alexanders des Großen 323 v. Chr. wurde dessen Großreich unter den Diadochen, seinen einstigen Freunden und Heerführern, aufgeteilt. Die Herrschaft in Ägypten erkämpfte sich Ptolemaios, der Begründer der hellenistisch-ägyptischen Herrscherdynastie der Ptolemäer. Er machte Alexandria zur Hauptstadt seines streng zentralistisch aufgebauten Staates, übernahm den Königstitel und den prunkvollen ägyptischen Herrscherkult, zu dem auch die Geschwisterehe gehörte. Kleopatra war die letzte und wohl auch bekannteste Herrscherin des Geschlechts.
Wussten Sie, dass …
der historische Stoff um Kleopatra immer wieder künstlerisch behandelt wurde? Zu den berühmtesten Adaptionen gehören William Shakespeares Drama »Antonius und Cleopatra« und die Oper »Julius Cäsar« von Georg Friedrich Händel.
Cäsar in einem Tempel der Venus Genetrix eine goldene Statue der Kleopatra aufstellen ließ, was in Rom großen Unmut auslöste?
Kleopatra und Marcus Antonius ihre drei gemeinsamen Kinder zu Vasallenkönigen proklamiert hatten?
Augustus: Feldherr und Friedenskaiser
Wessen politischer Ziehsohn war Augustus?
Kein Geringerer als Gaius Julius Cäsar war der politische Ziehvater von Augustus. Dieser wurde am 23. September 63 v.Chr. als Gaius Octavius und Großneffe Julius Cäsars geboren, der ihn dann testamentarisch adoptierte und zu seinem Erben bestimmte. Von da an nannte er sich C. Iulius Caesar Octavianus. Ab dem Jahr 46 v.Chr. nahm der junge Octavian an Cäsars erfolgreichen Militärexpeditionen teil; in Illyrien erfuhr Octavian von der Ermordung seines Großonkels durch eine Gruppe von Verschwörern im Jahr 44 v.Chr. In der Folge begann der politische Aufstieg Octavians.
Wie wurde Octavian zum Herrscher Roms?
Indem er seine politischen und militärischen Gegner ausschaltete. Marcus Antonius und der römische Senat verweigerten Octavian sein Erbe, doch er behauptete sich gegen beide. Im August zum Konsul gewählt, arrangierte er sich mit Antonius und etablierte 43 v.Chr. mit ihm und M. Lepidus das Zweite Triumvirat, ein politisches Drei-Männer-Regierungsbündnis zur Neuordnung des Staates. Ihrer Gegner entledigten sich die Herren auf übelste Weise: durch so genannte Proskriptionen, öffentlich ausgehängte Listen mit Namen von Geächteten – diese wurden dadurch vogelfrei und ihre Besitzungen konfisziert.
Als Rächer Cäsars schlug Octavian dessen Mörder Brutus und Cassius 42 v.Chr. bei Philippi; beide entzogen sich dann allerdings durch Selbstmord. Die Aufteilung der Provinzen des Reichs wurde nach heftigen Auseinandersetzungen mit Antonius zugunsten Octavians revidiert. Zur Festigung der Beziehungen verheiratete dieser seine Schwester Octavia mit Antonius. Jetzt gab es nur mehr einen Feind: Sextus Pompeius, der sich auf Sizilien verschanzt hatte. 36 v.Chr. vernichtete M. Agrippa, ein Jugendfreund Octavians, die pompejanischen Truppen bei Naulochos.
Und auch das Ende des Triumvirats brach an: Nach der Entmachtung des Lepidus war Octavian Herr über Italien und den gesamten Westen. Zudem hatte Antonius seine Frau Octavia zugunsten Kleopatras verstoßen und testamentarisch bestimmt, dass die Kinder aus dieser Verbindung seine römischen Provinzen erhalten sollten. Aus Sorge, Cäsars Ex-Konkubine und ihre Familie könnten nun doch noch Einfluss in Rom gewinnen, erklärte der Senat Ägyptens Königin und ihrem neuen Liebhaber den Krieg. Dieser endete mit der Schlacht von Actium 31 v.Chr. siegreich für die Römer: Octavian eroberte Ägypten, Antonius und Kleopatra nahmen sich das Leben.
Wie wurde Octavian zu Augustus?
Innen- und außenpolitische Erfolge läuteten eine Periode friedlicher Stabilität ein, in der es zu einer kulturellen Blüte kam. 27 v. Chr. legte Octavian die Verfügungsgewalt über Heere und Provinzen zurück in die Hände von Senat und römischem Volk, um die alte Republik wiederherzustellen. Auf Bitten der Senatoren wollte er jedoch weiterhin für die Friedens- und Grenzsicherung der Hauptprovinzen sorgen. Kurz darauf wurde er vom Senat mit Ehrungen überhäuft, wie mit dem Ehrennamen Augustus (der Erhabene), dem späteren Kaisertitel. 23 v.Chr. legte Octavian auch noch das Konsulat nieder, erhielt dafür aber die Amtsgewalt des Volkstribuns und den Oberbefehl über die Armee. 12 v.Chr. avancierte er als Pontifex maximus (ranghöchster Priester) auch noch zur obersten Autorität in religiösen Angelegenheiten. Der »Vater des Vaterlandes« herrschte de facto als Kaiser mit dem Titel »Princeps« (der Erste, davon abgeleitet ist die Regierungsform des Prinzipats), Augustus hat jedoch die republikanischen Einrichtungen äußerlich nicht angetastet und nie eine monarchische Staatsform angestrebt.
Warum war die Zeit unter Kaiser Augustus golden?
Zu seinen großen Leistungen gehörte vor allem die Neuordnung der römischen Gesellschaft mit der Rückkehr zu den traditionellen Werten, die er auch mit Gesetzen verteidigte, sowie die Reorganisation von Heer und Verwaltung. Auch als Bauherr tat Augustus sich hervor – etwa als Erbauer der Ara Pacis Augustae, des gewaltigen Friedensaltars –, dazu veranlasste er umfassende Wiederaufbaumaßnahmen in Rom. Er förderte Wissenschaften, Künste und Literatur. Mit seiner Außenpolitik sicherte den Frieden im Osten des Reichs und erweiterte es im Westen und Norden. Am 19. August 14 n.Chr. starb Augustus und wurde vom Senat neben seinem Adoptivvater in den Götterhimmel »befördert«.
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Augustus' Rückbesinnung auf Sitte und Moral seltsame Blüten trieb? 8 n.Chr. verbannte er den Dichter Ovid, den Verfasser der »Ars amatoria« (»Liebeskunst«), nach Tomis am Schwarzen Meer.
Augustus in Germanien kein militärisches Glück beschieden war? 9 n.Chr. erlitt Feldherr Varus in der Schlacht im Teutoburger Wald eine vernichtende Niedederlage gegen germanische Stämme unter Führung von Armin dem Cherusker. Und Augustus klagte: »Varus, gib mir meine Legionen wieder!«
es kein Wunder war, dass Augustus' Tochter Julia gegen seine »Erbfolgeregelung« rebellierte? Mit drei Zwangsverheiratungen hatte er ihre Loyalität überstrapaziert.
Wie gestaltete sich Augustus' Familienleben?
Turbulent: Zwar heiratete er nach zwei gescheiterten Ehen 38 v.Chr. seine große Liebe Livia Drusilla, die aus erster Ehe zwei Söhne hatte, Tiberius und Drusus. Die von Augustus erzwungene Verbindung seiner Tochter Julia mit Stiefsohn Tiberius geriet zum Fiasko: Julia reagierte mit exzessiver Promiskuität sowie »politischen Umtrieben« und endete in der Verbannung. Obwohl Augustus mehrfacher Großvater war, gelang ihm die Sicherung seiner Nachfolge nicht in der gewünschten Weise. Alle Thronanwärter starben vor ihm, weshalb Augustus schließlich doch auf den wenig geliebten Tiberius zurückgreifen musste.
Konstantin der Große: Kaiser des Christentums
War Konstantins christliche Bekehrung echt?
Darüber streiten sich die Gelehrten. Angeblich hatte Konstantin in der Nacht vor der Entscheidungsschlacht am 27. Oktober 312 einen Traum: Darin sieht er ein Lichtkreuz, darunter die Worte »In diesem Zeichen wirst du siegen!«. In aller Eile lässt er das Christusmonogramm auf den Schilden seiner Soldaten anbringen, zieht in die Schlacht – und siegt!
Kaum je ist ein Traum in der Geschichte so heftig diskutiert worden, hat vergleichbare Konsequenzen für die Entwicklung des gesamten Abendlands gezeitigt. Hatte Konstantin tatsächlich eine christliche Vision? War es vielleicht Einbildung, verständlich in einer derart angespannten Situation? Oder hatte gar der orientalische Sonnengott Mithras dem Schlafenden sein strahlendes Symbol gesandt?
Belegt ist, dass sich Konstantin damals noch nicht zum Christentum bekannte, ihm dessen tiefere Inhalte wohl auch nicht vertraut waren. Andererseits weiß man, dass er wie sein Vater keinerlei Animositäten gegen die junge Religion hegte. Ob er schon damals den innenpolitischen Nutzen einer ausgezeichnet organisierten, stark hierarchisch gegliederten Gemeinschaft erkannt hatte?
Wo verbrachte Konstantin seine politischen Lehrjahre?
Am Hof Diokletians, wo er wichtige Anregungen für seine eigene spätere Regentschaft erhielt.
Konstantin, der als Flavius Valerius Constantinus nach 280 im heutigen Nis in Serbien geboren wurde, wurde von seinem Vater, Constantius Chlorus, zur Ausbildung ins kleinasiatische Nikomedien (heute Izmit) an den Hof Diokletians geschickt. Dort erlebte der junge Konstantin die furchtbaren Christenverfolgungen (303/04), aber auch das verwaltungstechnische Genie dieses bedeutenden Kaisers, von dessen Reformen und Ideen er später viele in sein eigenes Regierungsprogramm übernehmen sollte. Nach Diokletians Erkenntnis ließ sich das Riesenreich nicht mehr von einem Einzelnen regieren, weshalb es in einen Ost- und einen Westteil (Ost- und Westrom) geteilt wurde, dessen Spitze jeweils ein Augustus mit einem Stellvertreter, einem Cäsar, bildete. Wie die Geschichte zeigt, lehnte der junge Konstantin diese Konstruktion einer Viererherrschaft (Tetrarchie) für sich ab und bewies noch einmal, dass ein umsichtiger Monarch mit großen Visionen es auch mit einem Riesenreich aufnehmen kann …
Wie gelang Konstantin der Aufstieg zum Kaiser?
Konstantins Vater Constantius wurde Schwiegersohn des Kaisers Maximian und rückte im Rahmen der Tetrarchie 305 selbst zum Augustus auf. Nach dem Tod des Vaters im Jahr darauf riefen dessen Truppen den ungemein populären jungen Mann zum Kaiser aus – doch sollte es bis zur Alleinherrschaft noch fast zwei Jahrzehnte dauern. Zunächst musste er ein paar Konkurrenten und Mitregenten loswerden, vor allem seinen Rivalen in Italien, Maxentius, den Sohn Maximians. In der eingangs erwähnten Schlacht an der Milvischen Brücke gelang ihm dies schließlich. Von nun an zeigte Konstantin seine Hinwendung zum Christentum deutlich. Zusammen mit Maximians Nachfolger Licinius beschloss er 313 das Mailänder Toleranzedikt, das den Christen die ungehinderte Ausübung ihrer Religion garantierte.
Warum wandte Konstantin Rom den Rücken zu?
Nach dem Sieg über Licinius 324 war Konstantin Alleinherrscher. Er wandte sich nun von Rom ab, das ihm als heidnisch galt: Residenz wurde das alte Byzantium. Die 330 eingeweihte neue christliche Kapitale erhielt den Namen Konstantinopolis, »Stadt Konstantins«.
Übrigens: Zum ersten Mal in der Geschichte sah sich ein Kaiser als absoluter Monarch und zugleich als Regent im Namen Christi und als dessen Stellvertreter. Folglich bildete er die oberste Autorität des Staates wie auch der Kirche. Da sein Bestreben aus religiösen, aber auch handfesten innenpolitischen Motiven einer geeinten christlichen Kirche galt, nahm er starken Einfluss bei innerkirchlichen Konflikten, etwa der Reinheit der Lehre. 325 berief er das Konzil von Nicäa ein, um die Frage des Verhältnisses von Gottvater zu Gottsohn zu klären. Im Mai des Jahres 337 starb Konstantin.
Wussten Sie, dass …
Konstantin angeblich erst auf dem Totenbett die Taufe empfangen hat?
er es mit der christlichen Kardinaltugend der Nächstenliebe nicht so genau nahm? Seinen Gegner Licinius ließ er hinrichten, obwohl er geschworen hatte, ihn zu schonen.
er dennoch in der orthodoxen Kirche als Heiliger verehrt wird? Im katholischen Heiligenkalender wird er nicht geführt – wohl weil er den Hauptstadtsitz von Rom nach Konstantinopel verlegt hat.
Was steckt hinter der Konstantinischen Schenkung?
Eine Fälschung. Weil er ihn von der Lepra geheilt und zum Christentum bekehrt hatte, soll Kaiser Konstantin Papst Sylvester I. nicht nur den späteren Kirchenstaat mit Lateran, Rom und Umgebung geschenkt, sondern ihm auch den Vorrang der West- gegenüber der Ostkirche und zusätzlich die Überlegenheit der geistlichen über die weltlichen Würdenträger bestätigt haben. Auf wundersame Weise erschien um 850 ein entsprechendes Dekret, wurde von da an weiter überliefert und wichtig für das Verhältnis von Staat und Kirche. Erst 1440 konnte die Donatio Constantini endgültig als Fälschung entlarvt werden. Ein rabenschwarzer Tag für die katholische Kirche!
Alarich: Ein Barbar erobert Rom
Welches Ziel verfolgte der Gotenführer Alarich?
Er wollte im Römischen Reich militärisch aufsteigen. 391 übernahm er in Thrakien die Führerschaft der arianischen Westgoten. 394 diente er unter dem römischen Kaiser Theodosius I. Nach dem Tod des Kaisers zog sich Alarich mit seinen gotischen Verbänden nach Thrakien zurück und begann, die Provinzen Makedonien und Griechenland zu plündern. Die Versuche des Germanen Stilicho, der in militärischen Diensten des Westreichs stand, Alarichs Unternehmungen Einhalt zu gebieten, scheiterten an den politischen Spannungen zwischen Honorius, dem Kaiser des Westreichs, und Arcadius, dem Kaiser des Ostreichs. Diese Situation konnte Alarich zu seinen Gunsten ausnutzen.
Gelang Alarich der Aufstieg im Römischen Reich?
Ja, er schaffte es, seine Stellung auszubauen. 396 wurde er von Arcadius zum kaiserlichen General ernannt. 401, während Germanenstämme in die römischen Provinzen Raetien und Noricum einfielen, griff Alarich Venetien an, wurde aber von Stilicho bei Polentia zur Schlacht gestellt und bei Verona 403 geschlagen. In den folgenden Jahren verstärkte sich durch die Umbrüche der Völkerwanderung der Druck germanischer Völker auf die Grenzen des Römerreichs. Inzwischen hatte Stilicho Alarich zum General ernannt und ihn beauftragt, Illyrien für das Westreich zu sichern. Zu einer konsequenten Umsetzung dieses Plans kam es nicht. 408, nach der Ermordung Stilichos, gewannen in Rom antigermanische Kräfte die Oberhand.
Da seine Forderungen auf Rückerstattung seiner Kosten für das illyrische Unternehmen in Rom nicht erfüllt wurden, fiel Alarich erneut in Italien ein, um Siedlungsmöglichkeiten für sein Volk zu gewinnen und als römischer Bundesgenosse anerkannt zu werden. Alarich blieb allerdings der Erfolg versagt. Daraufhin griff er Rom an und nahm die Stadt am 14. August 410 ein. Es folgte eine Zerstörungsorgie, von der sich die Stadt nie wieder erholte. Versorgungsschwierigkeiten zwangen Alarich, die Stadt Ende August wieder zu verlassen. Über Sizilien versuchte er, mit seinem Heer nach Nordafrika überzusetzen. Das Unternehmen scheiterte. Auf dem Rückzug starb Alarich.
Führte Alarich den Niedergang Roms herbei?
Rom galt als Ewige Stadt, als Mittelpunkt des Römischen Reichs, als Vollendung der Weltgeschichte. Die Einnahme Roms durch Alarich im Jahr 410 hatte eine Schockwirkung und bewegte die zeitgenössischen Gemüter sehr. Christliche wie heidnische Stimmen verbanden mit der Einnahme der Ewigen Stadt den Niedergang des Römischen Reichs und den Anfang der Endzeit. In diesem Ereignis sahen die Altgläubigen den Beweis für die schuldhafte Vernachlässigung der alten Kulte.
Gegen diesen Vorwurf versuchten sich die Anhänger des Christentums zu verteidigen, allen voran Augustinus, der die Christen gegen diesen Vorwurf in Schutz nahm. Nicht nur in seiner Hauptschrift »Vom Gottesstaat«, auch in vielen Predigten und Briefen wies er darauf hin, dass gerade der Fall Roms ein Zeichen Gottes sei für die Vergänglichkeit alles irdischen Seins. Die Plünderung sei Beweis für die Dekadenz des römischen Staats, eine Strafe für die Sünder, eine Mahnung für die Gerechten (Gottesstaat 1, 33).
Übrigens: Letztendlich konnte auch das Ereignis des Jahres 410 die Idee von Rom als Verkörperung der Weltordnung, als Symbol von Staat und Reich nicht wirklich erschüttern. Sie wurde ins Mittelalter übernommen und erfuhr in der Renaissance einen neuen Höhepunkt.
Wussten Sie, dass …
der Presbyter Orosius der Eroberung Roms durchaus Positives abgewinnen konnte? Ihr Zweck bestünde darin, die Kirchen mit den Invasoren zu füllen.
der Legende nach Alarich im Flussbett des Busento in Kalabrien begraben liegt, der eigens für die Bestattung vorübergehend umgeleitet worden sein soll?
die Vandalen sich 455 bei ihrer Eroberung Roms weit weniger gesittet verhielten als die Goten? Die zwei Wochen dauernde Plünderung der Stadt wurde zur Redensart: Sie haben gehaust wie die Vandalen.
Benahmen sich die Goten in Rom barbarisch?
Wenn man Augustinus glaubt, nicht sehr: »Was also … an Verwüstung, Mord, Raub, Brand … verübt wurde, muss man dem Kriegsbrauch zur Last legen. Aber das Neuartige, das sich zutrug, die unerwartete Tatsache, dass barbarische Roheit sich so milde erwies, dass man weiträumige Kirchen zu Sammelplätzen und Zufluchtsstätten für das Volk auswählte, wo niemand getötet, von wo niemand fortgeschleppt wurde, wohin viele von mitleidigen Feinden in Sicherheit gebracht wurden, von wo niemand auch von unbarmherzigen Feinden in Gefangenschaft abgeführt werden durfte, das ist dem Namen Christi und dem christlichen Zeitalter zuzuschreiben.«
Attila: Legendärer König der Hunnen
Wie wurde Attila Großkönig der Hunnen?
Durch einen Brudermord. Um 385 hatte das Reitervolk der Hunnen die ungarische Tiefebene besetzt und die dort ansässigen ostgermanischen Gepiden unter ihre Obrigkeit gezwungen. Elf Jahre lang herrschte der 395 irgendwo im östlichen Europa geborene Attila gemeinsam mit seinem Bruder Bleda über die Hunnen, bevor er im Frühjahr 445 seinen Mitregenten ermordete, um die Alleinherrschaft zu erringen. Nach seiner Machtübernahme geriet Attila sogleich unter Druck, da seine Getreuen und die Führer der bis dahin von der Macht ausgeschlossenen Gepiden, die den Umsturz unterstützt hatten, auf reiche Entlohnung warteten. Der neue hunnische Großkönig sah sich gezwungen, um jeden Preis und unter jedem Vorwand Kriege zu beginnen. Erstaunlicherweise taucht er in den deutschen Heldensagen als der etwas schwachsinnige, aber umso freigebigere Etzel auf, als edelmütiger Freund germanischer Fürsten und Könige.
Der bedeutendste Großkönig der Hunnen regierte nur kurze Zeit. Trotzdem haben diese wenigen Jahre seiner Herrschaft einen großen Einfluss auf den Verlauf der Weltgeschichte ausgeübt, da sein Auftreten das Ende der Antike beschleunigte.
Wie verlief der Feldzug des Großkönigs gegen Konstantinopel?
447 rückte Attila mit seinen Truppen, darunter erstmals in den Rang von Verbündeten erhobene germanische Stämme, gegen Konstantinopel vor. Mit dieser Maßnahme beraubte er sich aber der Hoffnung auf einen raschen Erfolg, der früher für die hunnischen Steppenreiter typisch gewesen war. Dem sich langsam fortbewegenden Heereszug stellten sich in Mösien (heute Bulgarien) die oströmischen Legionen in den Weg. Attila konnte den Gegner nur zum Rückzug zwingen, aber nicht schlagen. Er leitete Friedensverhandlungen ein und zog mit 8000 Pfund Gold ab.
Wie wurde der Hunne zur »Geißel Gottes«?
Auf seinem Marsch gen Westen zerstörte Attilas Kriegsvolk unzählige Städte, Kirchen und Klöster. Entsetzte Christen sprachen vom Herrscher der Hunnen darum nur noch als »Geißel Gottes«.
Nach dem Übereinkommen mit Ostrom hatte Attila sein Augenmerk auf das westliche Europa gerichtet. Anfang 451 marschierte sein Heer donauaufwärts nach Westen. Am Ufer der Loire erfuhr Attila, dass sich seinen Truppen ein römisch-germanisches Heer unter der Führung von Galliens Heermeister Flavius Aetius näherte. Im Juli 451 stießen die beiden Heere westlich der Stadt Trecas (Troyes) aufeinander. Der Zusammenprall erfolgte am linken Ufer der Seine und nicht, wie später überliefert, auf den Katalaunischen Feldern. Die Schlacht brachte keinen eindeutigen Sieger hervor, die offensichtlich schlechter bewaffneten Germanen Attilas mussten allerdings den Rückzug antreten.
Was tat Attila nach seinem Rückzug aus Gallien?
Nach seiner Rückkehr aus Gallien versuchte Attila, von den Oströmern einen neuen Tribut zu erhalten, doch Konstantinopel lehnte jegliche Zahlung brüsk ab. Da der Hunnenkönig Ostrom für überlegen hielt, beschloss er abermals, das Weströmische Reich anzugreifen. Im Spätfrühling 452 überschritt sein Heer die Pässe der Julischen Alpen und verwüstete unter anderem die Stadt Aquileia. In dieser bedrohlichen Lage schickte der weströmische Kaiser Valentinian III. Papst Leo I. als Delegierten zu Attila. Die Gesandtschaft traf am Mincio mit dem gefürchteten Hunnen zusammen und bat um Waffenstillstand, der zum Erstaunen der Römer gewährt wurde.
Wenig später verließ der hunnische Großkönig Italien und zog sich hinter die Donau zurück. Anlass für den Abzug war der Vorstoß oströmischer Truppen in die ungarische Tiefebene. Der äußerst erbitterte Hunnenherrscher bereitete unverzüglich einen Vergeltungsfeldzug gegen Ostrom vor, doch dazu kam es nicht mehr: Im Frühjahr 453 starb Attila während der Hochzeitsnacht mit der Burgundin Ildico allem Anschein nach im Schlaf an einem Blutsturz. Zwei Jahre später zerschlugen die Gepiden das Hunnenreich.
Woher wissen wir, wie der Hunnenkönig aussah?
Eine zeitgenössische Beschreibung Attilas ist nicht bekannt. Erst Jordanes, ein Historiker des 6. Jahrhunderts von vornehmer gotischer Abstammung, hat den hunnischen Herrscher beschrieben:
»Attila war von untersetzter Statur und breitschultrig, sein Kopf groß, seine Augen klein, sein mit weißen Fäden durchzogener Bart spärlich, seine Nase eingedrückt, seine Hautfarbe dunkel – in allem verriet sich seine Herkunft.« Jordanes schildert typisch asiatische Gesichtszüge, doch in einer Art und Weise, die manchem Leser Schauer über den Rücken gejagt haben mag. Wahrscheinlich ist sie jedoch nur das Produkt schriftstellerischer Fantasie.
Wussten Sie, dass …
die Figur des Königs Etzel aus dem Nibelungenlied auf die historische Gestalt des Hunnenkönigs Attila zurückgeht? Der König Etzel aus dem altgermanischen Epos ist allerdings, im Gegensatz zum historischen Attila, ein positiver, milder Charakter, der Verfolgten Asyl gibt und die Witwe des tragischen Helden Siegfried heiratet.
Karl der Große: Vater Europas
Wie wurde Karl zum größten Karolinger?
Indem er seine Rivalen ausschaltete. Im Jahr 768 trat Karl mit seinem Bruder Karlmann die Nachfolge Pippins I. an, des ersten karolingischen Frankenkönigs. Nach dem frühen Tod des Bruders 771 drängte er sogleich seine Neffen aus der Herrschaft und ließ sich von den Großen des Teilreichs seines Bruders huldigen. Desiderius, der König der Langobarden, versuchte den Papst dazu zu bewegen, seine Neffen zu fränkischen Königen zu salben. Diese Provokation ließ Karl jedoch erst einmal unbeantwortet. Stattdessen begann er 772 einen Kriegszug gegen die Sachsen.
Besiegte Karl die Sachsen?
Ja, aber erst nach 30 Jahren. Den Höhepunkt des Konflikts bildete der Aufstand der Sachsen unter dem westfälischen Adeligen Widukind, der sich erst 785 ergab und zum christlichen Glauben übertrat. Karl führte die Kriege in Sachsen mit größter Brutalität, suchte aber ebenso die Versöhnung zwischen Sachsen und Franken. 774 eroberte er das Langobardenreich und krönte sich selbst zu dessen König. Während der Belagerung Pavias wurde er von Papst Hadrian I. in Rom als Schutzherr empfangen, wo er die Pippinische Schenkung italienischer Gebiete bestätigte und so seinen Anspruch auf die Schutzhoheit über die Stadt bekräftigte. 778 wurde das Stammesherzogtum Bayern in das Reich eingegliedert, der Stammesherzog Tassilo III. 788 in Klosterhaft genommen.
Wie wurde Karl Kaiser?
Er nutzte eine günstige Gelegenheit. 799 floh der neu gewählte Papst Leo III. zu Karl nach Paderborn, nachdem er zuvor von einer Adelsopposition in Rom abgesetzt worden war. Jetzt bot sich Karl die Möglichkeit, nach der Kaiserwürde zu greifen und seine Vorherrschaft in Europa zu dokumentieren. Nominell unterstand Rom zwar der byzantinischen Gerichtsbarkeit, doch nahm Karl die »Weiberherrschaft« der Kaiserin Irene als Vorwand, um die Streitigkeiten als patricius Romanorum zu regeln. Im Herbst 800 reiste er nach Rom. Der Papst musste sich durch einen Reinigungseid von den Anklagen seiner Gegner befreien. Bei der Weihnachtsmesse setzte er Karl in der Basilika Sankt Peter die Krone aufs Haupt und erwies ihm den Kniefall.
Was ist die karolingische Renaissance?
Der Begriff bezeichnet eine Reihe von Reformen. Den Grundstein dafür legte Karl mit seiner Hofschule, für die er die hervorragendsten Gelehrten seiner Herrschaftsgebiete zusammenrief. Hinter diesem Reformbestreben stand wohl die Sorge um den wahren christlichen Charakter seines Reichs. Um Glauben und christliches Gedankengut im Volk zu verbreiten, betrieb er Reformen auf verschiedensten Gebieten. Er vereinheitlichte die Schrift (karolingische Minuskel), denn Lesen und Schreiben waren seiner Meinung nach die elementaren Voraussetzungen, um die christliche Lehre zu verstehen. Um diese auch den lateinunkundigen Laien nahe zu bringen, wurden zunehmend auch volkssprachliche Texte verschriftlicht, darunter das altsächsische Taufgelöbnis und das althochdeutsche Vaterunser. Eine Synode beschloss 813, dass die Predigten zuerst in Latein und dann in der Volkssprache des jeweiligen Herrschaftsgebiets verlesen werden sollten. Für dieses Reformprogramm benötigte er vor allem Kleriker, auf deren Ausbildung an der Hofschule, in Königsklöstern, Abteien und Kirchen der Kaiser persönlich achtete. Ähnlich intensiv kümmerte sich der Herrscher auch um die Rechtsprechung. Eine Reihe von königlichen Gesetzen, die Kapitularien, zeugen von einem großen Regelungseifer. Sie wurden von königlichen Sendboten, bestehend aus je einem weltlichen und einem geistlichen Amtsträger, überprüft. Zur Sicherung seiner Herrschaft richtete er an den Grenzen Marken unter der Leitung besonderer Amtsträger, der Markgrafen, ein. Karls Königtum war ein Reisekönigtum. Der Herrscher erwies seine Gegenwart durch den Besuch verschiedener Pfalzen.
Wussten Sie, dass …
Karl das altsächsische Hauptheiligtum, die Irminsul, zerstörte? Dabei handelte es sich um eine kultisch verehrte Baumsäule bei der Eresburg im heutigen Sauerland.
die Gelehrten seiner Hofschule Karl mit »David« ansprechen mussten?
Aachen mit fortschreitendem Alter Karls Hauptsitz wurde? In seiner Lieblingspfalz, residierte er seit 794/95 fast ohne Unterbrechung, wohl auch wegen der warmen Quellen, die seine Gicht lindern halfen.
War Karl ein Familienmensch?
Das kann man mit Recht behaupten, der Herrscher verfügte über einen ausgesprochenen Familiensinn. Wir wissen von engen Kontakten zu seiner gebildeten Schwester Gisela, seit 788 Äbtissin des Klosters Chelles, und zu seinem ebenso gebildeten Vetter Adalhard, dem Abt von Corbie. Er hatte vier Ehefrauen und zahlreiche Konkubinen. Mindestens 19 Kinder sind bezeugt. Das politische Erbe blieb allerdings nur ehelichen Söhnen vorbehalten. Kurios mutet das Verhältnis Karls zu seinen sieben überlebenden Töchtern an. Diese gingen zwar Verbindungen ein, denen auch Kinder entstammten, doch keine wurde verheiratet. Laut Einhard, dem Vertrauten und Biografen Karls, weil Karl diese so sehr liebte, dass er keine aus seinem Haus ziehen ließ. Tatsächlich war es wohl eher so, dass Karl keine Macht an seine Schwiegersöhne abgeben wollte.
Wilhelm der Eroberer: Ein Normanne auf dem englischen Thron
Was brachte Wilhelm den Eroberer nach England?
Ein Streit um die Thronfolge: Als König Eduard der Bekenner 1066 ohne direkte Nachkommen starb, bestimmte er auf dem Totenbett seinen Schwager Harald zum neuen König von England. Doch jenseits des Kanals regte sich Widerstand. Dort siedelten die Normannen, deren Herzog Wilhelm ebenfalls Ansprüche auf den englischen Thron erhob.
Wie begründete der Herzog seinen Anspruch?
Entfernt war auch Wilhelm mit Eduard verwandt. Außerdem konnte er sich auf ein Versprechen berufen: 1064 hatte ihm Eduard die Nachfolge zugesichert. Wilhelm dachte gar nicht daran, auf die englische Krone zu verzichten, und erreichte beim Papst die formelle Billigung seines Thronanspruchs. Die Zeichen standen auf Krieg. Wilhelm traf Vorbereitungen für die Invasion. Er wusste, dass die Größenordnung dieses Unternehmens weit über die Möglichkeiten seines Herzogtums hinausgehen würde. Also warb er für seine Armee Ritter aus Nordfrankreich und Flandern an.
Um 1027 als illegitimer Sohn Herzog Roberts von der Normandie geboren, hatte Wilhelm schon früh gelernt sich durchzusetzen. Nach dem Tod des Vaters war er kaum zehnjährig unversehens zum Herzog geworden. Intrigen und politische Machenschaften überstand der junge Fürst, den seine Zeitgenossen »den Bastard« nannten, anfangs nur mit Hilfe der Mutter. Später beherrschte er die Werkzeuge der Macht perfekt und sicherte sich gewaltsam seine Autorität in der Normandie.
Wie verlief die Eroberung?
Zunächst sehr erfolgreich. Als Wilhelms Invasionstruppen Ende September des Jahres 1066 an der englischen Kanalküste landeten, war der Angelsachse Harald schon auf dem Weg, um sich den Normannen zu stellen und seinen Thron zu verteidigen. Am 14. Oktober trafen die beiden Heere in der berühmten Schlacht von Hastings aufeinander: Harald fiel, die englischen Truppen flohen, und am Weihnachtstag 1066 ließ sich der Normanne, wie seither alle englischen Herrscher, in der Londoner Westminster Abtei als Wilhelm I. krönen.
Doch damit war der Kampf nicht zu Ende: Der angelsächsische Adel wollte den neuen König nicht anerkennen, leistete Widerstand. Erst 1071 hatte Wilhelm alle Aufstände niedergeschlagen und sich das Land vollständig unterworfen. Die rebellierenden Grundbesitzer wurden mit Enteignung bestraft, ihre Güter an normannische Adelige übergeben. Auch die führenden Amtsträger der Kirche ersetzte Wilhelm durch Landsleute aus der Normandie. So bestand nach einiger Zeit praktisch die gesamte englische Oberschicht aus Normannen. Als Wilhelm 1086 mehrere Kommissionen übers Land schickte, um eine Bestandsaufnahme aller Güter und Einkommensquellen des Reichs anzulegen, gab es in ganz England nur mehr zwei angelsächsische Adlige mit nennenswertem Grundbesitz.
War Wilhelm gerne König von England?
Wohl nicht. Es heißt, Wilhelm sei letztlich nicht allzu glücklich gewesen über sein neu erobertes Reich und die Schwierigkeiten, die es ihm bereitete. Zu Hause in der Normandie blickte man zudem skeptisch über den Kanal auf die Machtfülle des Herzogs und Königs. Seit etwa 1072 verbrachte Wilhelm daher die meiste Zeit in Frankreich, wo er in allerlei politischen Ränkespielen und in großen und kleinen Kriegen seine Stellung als Herzog der Normandie behaupten musste. Im Zuge einer dieser Auseinandersetzungen mit dem französischen König Philipp I. wurde Wilhelm im Juli 1087 verwundet und starb am 9. September in Rouen an den Folgen seiner Verletzung.
Wer wurde Wilhelms Nachfolger?
Das französische Stammland des Normannen ging, wie es die Tradition vorsah, an seinen ältesten Sohn Robert. Der zweitälteste Sohn erhielt England und bestieg noch im September als König Wilhelm II. den Thron. Damit war die Dynastie der normannischen Könige Englands etabliert und mit ihr das für England neue Prinzip der erblichen Thronfolge.
Woher kamen die Normannen?
Ursprünglich aus Dänemark. Wilhelm I. von England war ein Nachkomme jener dänischen Wikinger, die seit 896 in der Seine-Mündung siedelten und dem Frankenreich erfolgreich die Stirn boten. Der ständigen Konflikte müde, verlieh der Frankenkönig 911 den Normannen – so wurden die wehrhaften Eindringlinge aus dem Norden genannt – das Herzogtum Normandie. Im 11. Jahrhundert, etwa gleichzeitig mit Wilhelms Eroberung von England, entstand im Süden Europas noch ein weiteres mächtiges Normannenreich: Robert Guiscard eroberte die byzantinischen und langobardischen Gebiete in Unteritalien und vertrieb die Araber aus Sizilien.
Wussten Sie, dass …
Harald selbst es gewesen war, der als königlicher Gesandter Wilhelm den englischen Thron versprochen hatte?
Wilhelms Halbbruder, Bischof Odo von Bayeux, Ende des 11. Jahrhunderts den berühmten Teppich von Bayeux anfertigen ließ, einen 70 Meter langen bestickten Wandbehang, der von der normannischen Eroberung Englands erzählt?
Friedrich I. Barbarossa: Der legendäre Stauferkaiser
Wer bedrohte Friedrich Barbarossas Herrschaft?
Die Welfen, vor allem aber der Papst. Mit den Welfen – Gegenspieler der Staufer – suchte der 1152 zum König gewählte Friedrich den Ausgleich und überließ dem mächtigen Welfenfürsten Heinrich dem Löwen (1130 bis 1195) 1156 das Herzogtum Bayern. Dieser revanchierte sich anfangs auch durch Waffenhilfe für Friedrichs Italienzüge, doch ließ seine Unterstützung bald nach. Nachdem des Welfen Verweigerung der Heeresfolge 1176 zur Niederlage Friedrichs bei Legnano geführt hatte, kam es zum Bruch und zum Kampf, den Barbarossa (Rotbart), wie die Italiener Friedrich I. nannten, 1180 für sich entschied. Der Konflikt mit den Welfen war damit vorerst beigelegt.
In der Italienpolitik des Kaisers schwelte allerdings ein wesentlich gefährlicherer Konflikt: Als weltlichem Herrn der Christenheit oblag Friedrich der Schutz der Kirche, zu dem er sich bald nach der Thronbesteigung verpflichtete. Das brachte ihm beim ersten Italienzug am 18. Juni 1155 die Kaiserkrönung durch Papst Hadrian IV. ein, der aber eine Verstimmung folgte, weil der frisch Gekrönte eigene Wege ging. Die Auseinandersetzungen eskalierten unter Hadrians Nachfolger Alexander III., der sich während seines Pontifikats (1159–1181) zum bedrohlichsten Gegner des Kaisers entwickelte und diesen mit dem Kirchenbann belegte.
Wodurch wurde Friedrich aus Italien vertrieben?
Durch eine Seuche. Dank der Unterstützung durch die deutschen Fürsten konnte Barbarossa im Jahr 1162 Mailand einnehmen und 1167 schließlich in Rom einziehen. Dort inthronisierte der Kaiser einen Gegenpapst und ließ seine zweite Frau, Beatrix von Burgund, zur Kaiserin krönen. Dann der Rückschlag: Eine verheerende Malaria-Seuche, der reihenweise deutsche Fürsten und der unentbehrliche Kanzler Rainald von Dassel zum Opfer fielen, zwang Friedrich zum Abzug.
Der Lombardenbund witterte nun seine große Chance, verständigte sich mit dem Papst und trotzte der kaiserlichen Oberhoheit. Der 1168 nach Deutschland zurückgekehrte Kaiser versuchte vergeblich, die Verbündeten zu spalten. Und so blieb wieder nur die militärische Option, mit der Friedrich 1176 in der Schlacht bei Legnano endgültig scheiterte. Am 24. Juli 1177 kam es dann in Venedig zu einem Verständigungsfrieden mit dem Papst.
Was versöhnte Friedrich Barbarossa schließlich mit dem Papst?
Der Fall Jerusalems. Am 20. Oktober des Jahres 1187 eroberte Sultan Saladin die Heilige Stadt. Diese Hiobsbotschaft beendete sofort den schwelenden Machtkonflikt zwischen Kaiser und Papst Klemens III.: Jetzt brauchte die Kirche Friedrich Barbarossa als Anführer eines weiteren Kreuzzugs zur Rückeroberung Jerusalems.
Der Kaiser nahm 1188 in Mainz das Kreuz und zog im Jahr darauf auf dem Landweg nach Osten. Doch dann kam es zu einem tragischen Unfall: Friedrich ertrank unter ungeklärten Umständen am 10. Juni 1190 im Fluss Saleph in der heutigen Türkei. Längst war der Kaiser – nicht zuletzt auch wegen der kulturellen Blüte seiner Zeit – zum Mythos geworden.
Warum verlor Friedrich I. die Schlacht bei Legnano?
Der Grund lag wohl in der Ritterehre des Kaisers. Die Lage der Kaiserlichen in Oberitalien war im Frühjahr 1176 denkbar schlecht: Vergeblich hatte der Kaiser Herzog Heinrich den Löwen um militärische Hilfe ersucht. Nur 1000 Ritter und ebenso viel Fußvolk brachten ihm die Reichsfürsten im März über die Alpen. Hätte Friedrich sie mit seinen anderen noch unter Waffen stehenden Truppen vereinigen können, wäre er einem lombardischen Angriff wohl gewachsen gewesen. Aber die Gegner suchten das zu verhindern und zogen Friedrich entgegen.
Ein vernünftiger Feldherr hätte alles daran gesetzt, Gefechte und schon gar eine offene Schlacht zu vermeiden, bis er seine Truppen vereinigt hätte. Doch das wäre gegen Friedrichs und seiner Ritter Ehre gegangen, und so kam es am 29. Mai zur Schlacht bei Legnano am Olonafluss. Nach Anfangserfolgen fiel jedoch erst der kaiserliche Fahnenträger, und dann sahen die Ritter Barbarossa selbst mit seinem Pferd stürzen, hielten ihn für tot und gaben ihre Sache endgültig verloren. Drei lange Tage blieb Friedrich verschollen, ehe er wieder bei den Seinen in Pavia auftauchte. In den schweren Stunden seiner Flucht vom Schlachtfeld muss er wohl eingesehen haben, dass der Konflikt mit Papst und Lombarden mit Gewalt nicht zu lösen sei, und ging auf Verständigungskurs.
Wussten Sie, dass …
Friedrich I. seinen Beinamen Barbarossa den Italienern verdankt – wegen seines rötlichen Bartes (barba = Bart, rossa = rot)?
die Umstände von Friedrichs Tod Anlass für Spekulationen sind? Einige glauben, dass er bei der Flussüberquerung vom Pferd abgeworfen und von seiner Rüstung unter Wasser gezogen wurde, andere wiederum vertreten die Ansicht, dass er wegen der Sommerhitze und seines Alters im eiskalten Gebirgswasser einen Herzinfarkt erlitt.
Saladin: Gegenspieler der Kreuzfahrer
Was machte Saladin zum Kreuzfahrerschreck?
Dafür waren seine militärische Erfahrung und sein politisches Geschick verantwortlich. Saladin kam im Jahr 1137 oder 1138 in Takrit im heutigen Irak zur Welt. Sein Vater Aijub, ein Abenteurer, der im Krieg sein Auskommen suchte, hatte sich vom syrischen Emir Nur ed-Din nach der Eroberung von Damaskus (1154) als Statthalter einsetzen lassen. Nur ed-Din war es dann auch, der für Saladins Aufstieg sorgte. Dieser vollzog sich in Ägypten während der Feldzüge, die König Amalrich I. von Jerusalem dort im Bund mit den Byzantinern unternahm und in die Nur ed-Dins syrische Truppen auf Seiten der Ägypter eingriffen. Saladin verstand es, sich binnen kurzem zum Sultan von Ägypten zu machen. Er beendete im Jahr 1171 das schiitische Fatimiden-Kalifat und begründete – zunächst in Kairo – die Dynastie der sunnitischen Aijubiden. Nach Nur ed-Dins Tod 1174 wagte er den Sprung nach Damaskus und machte sich auch dort zum Herrscher. Durch diese Entwicklung wurde die von den Kreuzfahrern seit langem gefürchtete Allianz zwischen Ägypten und Syrien Wirklichkeit.
1183 gewann Saladin die Herrschaft über Aleppo und 1186 auch die über Mossul. Er kämpfte lang und mit wechselnden Erfolgen gegen die Kreuzfahrer. 1187 glückte ihm der Sieg in der Entscheidungsschlacht von Hattin. Fast die gesamte Streitmacht des Königreichs Jerusalem ging ihm dort in die Falle. Anschließend war es für ihn ein Leichtes, auch die heilige Stadt Jerusalem sowie zahlreiche Kreuzfahrerburgen einzunehmen. Zwar machte ein neuer Kreuzzug (1189–1192), angeführt unter anderem vom englischen König Richard I. Löwenherz, einige der muslimischen Erfolge wieder zunichte. Doch war der Schlag, den Saladin der christlichen Sache versetzt hatte, so stark, dass seine Folgen den Tod des Sultans am 4. März 1193 in Damaskus überdauerten.
Wie machte der Krieger auf sich aufmerksam?
Durch einen Coup in Alexandria. Die Stadt in Ägypten wird im Frühjahr 1167 von christlichen Truppen belagert. Dem muslimischen Heerführer gelingt es, mit einem Großteil seiner Truppen die Stadt zu verlassen. Zurück lässt er 1000 Mann unter dem Befehl Saladins, seines Neffen, der die Erstürmung verhindert und in den Kampfpausen Besuche beim Gegner macht. Die Christen sind begeistert von den feinen Manieren und der Liebenswürdigkeit des muslimischen Befehlshabers. Anfang August wird ein Waffenstillstand ausgehandelt, die tausend Mann Besatzung ziehen mit ihrem Kommandeur ab. Die Episode von Alexandria 1167 enthüllt die Führungseigenschaften dieses außergewöhnlichen Mannes – und seine charismatische Ausstrahlung.
War der Sultan wirklich gütig und tolerant?
Nur bedingt, denn anders als zahlreiche Quellen glauben machen, ist sein Bild nicht ohne Makel. Sein Weg zur Macht war nicht weniger mit Intrigen, Verschwörungen und der Beseitigung von Rivalen verbunden als der anderer orientalischer Herrscher seiner Zeit. Aber er besaß eine starke persönliche Ausstrahlung und zeichnete sich durch Ritterlichkeit und unerwartete Milde aus.
Auf die Christen im Heiligen Land musste Saladins Verhalten bei der Eroberung Jerusalems 1187 sensationell wirken. Im Gegensatz zu den Kreuzfahrern, die 1099 ein Blutbad angerichtet hatten, sicherte er durch Militärstreifen, dass niemand geschändet oder umgebracht wurde, und bot den christlichen Bewohnern die Möglichkeit, sich freizukaufen.
Wussten Sie, dass …
Saladin im Abendland später verklärt wurde? In Voltaires »Geschichte der Kreuzzüge« (1752) und in Gotthold Ephraim Lessings Drama »Nathan der Weise« (1779) erscheint er als aufgeklärter Monarch.
die von Saladin begründete Dynastie der Aijubiden nicht lange herrschte? Sie wurde in Ägypten und Syrien bereits um 1250 wieder von der Macht verdrängt.
War Saladin ein gutes Vorbild für seine Glaubensgenossen?
Ja, wenn man einem Nachruf im »Buch der zwei Gärten« aus der Kompilation des Abu Sama zum Jahr 1193 Glauben schenken kann: »Der Verstorbene hinterließ siebzehn Söhne und eine kleine Tochter sowie ein segensreiches Andenken bei den Hinterbliebenen. In seinem Schatz befand sich nur ein Denar und sechsunddreißig Dirhem, weil er das Geld, so schnell wie es einging, wieder ausgab. Bat ihn jemand in der Not um Unterstützung, so hatte er ein freundliches Wort für ihn, und wenn augenblicklich kein Geld vorhanden war, vertröstete er auf später, und er gab, selbst nach längerer Zeit, die versprochenen Gelder. Auf dem Wege Gottes wandelnd, scheute er keine Auslagen zur Bekämpfung der Feinde im heiligen Kampf sowie zum Unterhalt der frommen Muslime (...) Der Sultan gefiel sich in einfacher Kleidung wie Leinen, Baumwolle oder Wolle. Er liebte es, Kleidungsstücke als Geschenke zu verteilen.«
Tschingis Chan: Eroberer eines Weltreiches
War Tschingis Chan nur ein brutaler Krieger?
Nein. Tschingis Chan, als Held verehrt, als unerschrockener Krieger gefürchtet, war nicht nur der mordende Barbar des Mongolenreichs, sondern auch ein erfolgreicher Eroberer, wie es ihn bis zu diesem Zeitpunkt in der Weltgeschichte noch nicht gegeben hatte und in der Folge auch nicht mehr geben sollte. Er schaffte es, erbittertsten Feinden unter den Nomadenvölkern zu trotzen, die Mongolenstämme zu einen und in kürzester Zeit eine Weltherrschaft aufzubauen.
Verschiedene Zeichen deuteten bereits bei seiner Geburt auf seine besondere Rolle hin. Als er zwischen 1155 und 1167 das Licht der Welt erblickte, nicht weit südlich vom heutigen sibirischen Baikalsee entfernt, soll ein Adler am Himmel über dem elterlichen Zelt seine Kreise gezogen haben. Der Junge, so heißt es, habe einen Klumpen geronnenen Blutes, rot wie Rubin, in den Händen gehalten. Die Schamanen deuteten das als gutes Omen, sahen ihn schon als den großen Krieger. Womit sie Recht behalten sollten. Der Neugeborene erhielt den Namen Temudschin (Schmied). Altem Brauch zufolge wurden die Kinder nach dem wichtigsten Ereignis zum Zeitpunkt ihrer Geburt benannt. Und der Vater hatte gerade erfolgreich Temudschin, den Anführer der verhassten Tataren, geschlagen.
Wann zeigten sich Temudschins besondere Fähigkeiten?
Es wurde schon recht früh deutlich, wie hart Temudschin sein konnte. Jung war er zum Halbwaisen geworden, er musste seiner Mutter und den Geschwistern das Überleben sichern und sie vor Übergriffen schützen. Seinen älteren Halbbruder soll er ermordet haben, weil dieser die Sicherheit der kleinen Sippe bedrohte. Schon früh fand er Freunde und Gefolgsleute, denen er ein Leben lang außerordentlich loyal zur Seite stand und die ihn nicht zuletzt deswegen tief verehrten. Temudschin stammte aus einem wenig bedeutenden Adelsgeschlecht, aber er war der erste Führer, für den Tugend und Leistung, nicht Herkunft zählten. Auch teilte er, im Gegensatz zu anderen Stammesfürsten, Kriegsbeute gerecht auf.
Wie einte der Stammesfürst die Mongolen?
Als Führerpersönlichkeit gelang es ihm, mit politischem Gespür und Härte die Mongolenstämme unter seiner Führung zu einen. Die Mongolen zur Zeit Tschingis Chans waren kriegerische Reitervölker, die selbst im wilden Galopp noch mit Pfeil und Bogen umgehen konnten. Lange galt das Gebot der Ausgeglichenheit der Kräfte unter den einzelnen Stämmen. Mithilfe tollkühner militärischer Übergriffe und kluger politischer Schachzüge entkräftete Tschingis Chan die gegnerischen Machtpositionen und nutzte auch geschickt Auseinandersetzungen verfeindeter Clans für seine Zwecke.
Bis Anfang des 13. Jahrhunderts war es ihm gelungen, die mongolischen Stämme in Zentralasien zu einen. Der Kurultai, der oberste Rat aller Steppenvölker, wählte Temudschin schließlich zu ihrem Herrscher, zu ihrem Khan. Immer mehr Stämme und Krieger schlossen sich ihm an, seine Zeltstädte wurden immer größer.
Wie eroberte der Mongolenführer ein Weltreich?
Mit Organisationstalent, kriegerischem Geschick und nicht zuletzt Grausamkeit. Tschingis Chan verband Traditionelles mit Neuerungen, etwa einer verbindlichen Gesetzgebung. Es gelang ihm, die angestammten Clanstrukturen aufzuweichen, die so unterschiedlichen Stämme neu zu organisieren und vor allem deren Krieger zu einem einzigen, rund zwei Millionen Mann starken Heer zusammenzuführen.
Zum ersten Mal in der Geschichte dieser Nomadenvölker ließ Tschingis Chan ein organisiertes Heer entstehen, das in Tausendschaften gegliedert war. Bis dahin nicht gekanntes strategisches Vorgehen statt bloßer Waghalsigkeit, Ausspionieren der gegnerischen militärischen Verhältnisse, aber auch Angst und Schrecken verbreitende Grausamkeiten machten seine Beutezüge erfolgreich. Nach allen Himmelsrichtungen und immer weiter drangen Tschingis Chans Reiterhorden vor. Als der »ozeangleiche Herrscher« im Jahr 1227 starb, übernahm Ögödei, einer seiner Söhne, ein riesiges Imperium, das vom nordöstlichen China bis weit nach Russland, bis zum Dnjepr, vom Persischen Golf fast bis zum Nordmeer reichte.
Wie leben die Mongolen heute?
Das Leben in der Mongolei ist heute noch hart. Wilde Wald- und karge Steppengegenden wechseln mit Wüstengebieten ab, die Nächte sind oft schon am Ende des Sommers eiskalt. In den strengen Wintern kann die Temperatur 50 Minusgrade ereichen.
Das Überleben ist schwierig. Die Völker dort sind zäh, genügsam und flexibel. Anders als etwa die chinesischen Stämme wandern sie ständig weiter, sie haben keine Steinhäuser, sondern leichte Zelte, mit denen sie weiterziehen können. Das Zelt, die Jurte oder mongolisch Ger, wird immer von Süden, vom begehrten und sagenumwobenen Land der Chinesen her betreten. In der Mitte eines Zeltdorfs steht stets das Zelt des Bagatur, des Clanführers, die anderen Unterkünfte gruppieren sich darum herum.
In der Mitte der runden weißen Filzjurten ist immer eine Feuerstelle mit einem Abzug durchs Dach. Eingeheizt wird meist mit Viehdung. Trockenes Fleisch, zum Beispiel von Schafen, Ziegen oder auch Murmeltieren, gehört zur Vorratshaltung, aber auch steinharte Käsestücke. Getrunken wird vor allem Stutenmilch oder auch Kumyss, das ist abgeschlagene, vergorene, die Sinne berauschende Pferdemilch.
Friedrich II.: Kaiser mit universellen Interessen
Warum wuchs Friedrich in Palermo auf?
Familiäre und weltpolitische Umstände brachten ihn dorthin. Als Friedrich II. am 26. Dezember 1194 in Iesi bei Ancona (Marken) zur Welt kam, stand das Staufergeschlecht auf dem Höhepunkt seiner Macht. Friedrichs Vater Heinrich VI., seit 1169 deutscher König und 1191 Kaiser, war durch seine Heirat mit Konstanze, der Erbin des Normannenreichs, auch in den Besitz von Sizilien und Süditalien gelangt. Die Konturen eines künftigen Großimperiums zeichneten sich ab.
Vier Jahre später sah alles anders aus. Vater und Mutter waren gestorben, der kleine Friedrich kam unter die Vormundschaft von Papst Innozenz III., der ihn nach Palermo bringen ließ. Dort wurde das Kind Spielball eines Machtkampfs zwischen päpstlichen Legaten und Vertretern der deutschen Partei, einheimischen Baronen und sizilischen Sarazenen und erlebte Intrigen und Brutalitäten. Misstrauen, Härte und Verschlagenheit, die später seinen Charakter kennzeichnen sollten, dürften in dieser Zeit ausgebildet worden sein. Gleichzeitig gewann Friedrich aber auch frühe Reife und ein waches Interesse für seine Umwelt. Palermo war damals ein Schmelztiegel aller Kulturen des Mittelmeerraums.
Was kennzeichnete die Herrschaft des Stauferkaisers?
Effiziente Machtausübung, kulturelle und wissenschaftliche Blüte und seine Präsenz in Italien. Mit 14 Jahren wurde Friedrich aus der päpstlichen Vormundschaft entlassen. Es gelang ihm, Adelsaufstände in Sizilien niederzuwerfen und sich in seinen ererbten Ländern zu etablieren. Sein Leben lang blieb das Reich in Unteritalien, das er in einen leistungsfähigen, straff geführten Beamtenstaat verwandelte, die eigentliche Basis seiner Herrschaft.
In Italien trat Friedrich als Förderer der Künste und Wissenschaften auf. An seinem Hof gingen die Gelehrten ein und aus. Er beschäftigte sich mit Philosophie und verfasste das berühmte Falkenjagd-Buch »De arte venandi cum avibus« (Über die Kunst, mit Vögeln zu jagen) – Zeugnis für sein wissenschaftliches Interesse an der Natur. Er soll neun Sprachen gesprochen und sieben schriftlich beherrscht haben. Die Dichtkunst blühte, der Staufer steuerte auch selbst Kanzonen bei, auf ihn wird die Entstehung der italienischen Dichtungssprache zurückgeführt. Mit Bauten wie dem Castel del Monte in Apulien schrieb er sich in die Kunstgeschichte ein.
Spärlich dagegen war seine Anwesenheit in Deutschland. Immerhin sicherte sich Friedrich 1212 die deutsche Königskrone und setzte 1220 die Wahl seines minderjährigen Sohnes Heinrich (VII.) zum deutschen König durch, doch musste er dafür den Fürsten erhebliche Zugeständnisse machen.
Warum bekämpften sich Kaiser und Papst?
Weil Friedrich II. auf Konfrontationskurs ging. Sein anfänglich gutes Verhältnis zu den Päpsten trübte sich Mitte der 1220er Jahre. Die Gründe dafür waren, dass er die kaiserlichen Rechte in Oberitalien wieder in Kraft setzen wollte und mit den lombardischen Städten, den alten Verbündeten des Papsttums, aneinandergeriet, vor allem aber, dass er den lang versprochenen Kreuzzug schuldig blieb. Als er diesen 1228 endlich antrat, lastete schon der Kirchenbann auf ihm. Zwar wurde der Kreuzzug ein Erfolg – Friedrich zog in Jerusalem ein – aber nach seiner Rückkehr musste er sogleich gegen päpstliche Truppen ziehen, die in Apulien eingefallen waren.
Nach dem Sieg Friedrichs über die lombardischen Städte bei Cortenuova 1237 schien die Lage für ihn bereinigt. Doch erst jetzt begann der Endkampf zwischen Kaiser und dem Papst. Im März 1239 wurde Friedrich von Gregor IX. mit dem Bann belegt.
Auf dem Konzil von Lyon im Juli 1245 verkündete Papst Innozenz IV. die Absetzung des Kaisers und ließ in Deutschland Heinrich Raspe und später Wilhelm von Holland zu Gegenkönigen wählen. Derweil musste sich Friedrich mit Verschwörungen im eigenen Lager herumschlagen. Im Begriff, zur Generalabrechnung mit seinen Widersachern im Norden aufzubrechen, starb er überraschend am 13. Dezember 1250 in Fiorentino bei Lucera (Apulien).
Wie lebte Friedrich II. in der Mythologie weiter?
Der Kaiser wurde in Deutschland bald zur Sagengestalt verklärt. Man erwartete seine Rückkehr, der die Wiedererrichtung der alten Reichsherrlichkeit folgen sollte. Im 16. Jahrhundert erst verlor sich sein Bild zugunsten des Großvaters, Friedrichs I. Barbarossa (Reg. 1152–1190), der im Kyffhäuser auf die Auferstehung der staufischen Kaisermacht wartet.
Wussten Sie, dass …
Friedrich II. von seinen Zeitgenossen »Stupor mundi«, Staunen der Welt, genannt wurde? Gemeint waren damit seine immense Bildung und sein von allen religiösen Rücksichten unabhängiges Denken.
das geheimnisumwobene Castel del Monte nicht zuletzt wegen seines idealen achteckigen Grundrisses als »Steinerne Krone Apuliens« bezeichnet wird? Die Burg ziert die Rückseite der italienischen 1-Cent-Münze.
War Friedrich ein Wolf im Schafspelz?
Die Chronik des Salimbene von Parma (um 1280) beschreibt ihn jedenfalls als solchen: »Friedrich war ein verderbenbringender und verdammter Mensch, ein Schismatiker, Ketzer und Epikureer, der den ganzen Erdkreis verdarb und in den Städten Italiens den Samen der Zwietracht säte. Der Kaiser wusste mit niemand Freundschaft zu halten, ja er rühmte sich sogar, dass er niemals ein Schwein gemästet habe, von dem er nicht auch das Fett bekommen habe! (…) Bisweilen war er auch ein tatkräftiger Mann, und wenn er seine guten Eigenschaften und seine Höflichkeit zeigen wollte, freundlich, angenehm, ergötzlich, eifrig; er wusste zu lesen, zu schreiben und zu singen, Gesänge und Weisen zu erfinden.«
Timur Lenk: Mongolenfürst und Erbe Tschingis Chans
Für welche Taten ist Timur Lenk berühmt?
Der Mongolenherrscher »Timur der Lahme« (das ist die Bedeutung von Timur Lenk) war einer der erfolgreichsten und zugleich grausamsten Eroberer Zentralasiens. Viereinhalb Jahrzehnte lang – von 1360 bis zu seinem Tod 1405 – nahm er mit seinen Nomadenhorden weite Gebiete von der Mongolei im Osten bis zum östlichen Mittelmeer im Westen ein.
Wie kam der Krieger an die Macht?
Timur war ein Angehöriger des turkisierten Stammes der Barlas, einer mongolischstämmigen Gruppierung, die in Transoxanien, dem heutigen Usbekistan, siedelte. Zuvor hatte der Stamm an den dortigen Feldzügen von Tschingis Chan teilgenommen. Timur wuchs im so genannten Khanat Chagatai auf. Nach dem Tod des Herrschers von Transoxanien, Amir Kazgan, leistete Timur dem Khan des benachbarten Kashgar, Tughluq Temür, den Treueeid. Dieser hatte 1361 Samarkand eingenommen. Tughluq Temür ernannte seinen Sohn Ilyas Khoja zum Regenten von Transoxanien und machte Timur zum Minister. Timur floh bald darauf, um sich seinem Schwager Amir Husayn, dem Enkel Amir Kazgans, anzuschließen. Sie brachten Ilyas Khoja 1364 eine Niederlage bei und nahmen in den folgenden zwei Jahren ganz Transoxanien ein. 1370 wandte sich Timur dann auch gegen Amir Husayn, den er in der Stadt Balkh belagerte. Nach Husayns Ermordung rief sich Timur in Samarkand zum Herrscher der Linie der Khane von Chagatai und zum Wiedererrichter des Mongolenreichs aus. Anschließend kämpfte er gegen die Khane von Jatah in Ostturkestan und Chorezm. Schließlich gelang es ihm, 1380 Kashgar zu besetzen. Außerdem unterstützte er Tochtamysh, den Khan der Goldenen Horde, der an seinem Hofe Zuflucht gesucht hatte, gegen die Russen, wobei er Moskau eroberte und brandschatzte.
Mit welchem grausamen Schauspiel zelebrierte Timur seine Eroberungen?
Zum Gedenken an die Einnahme der Stadt Isfahan im Jahr 1383 ließ Timur 70000 Gefangenen die Köpfe abschlagen und diese zu einer gigantischen Pyramide aufschichten. Gleiches widerfuhr 1393 der Stadt Bagdad, nur dass sich dieses Mal als Zeichen der Anwesenheit des grausamen Timur 90000 Schädel türmten. Die christliche Stadt Tikrit in Assyrien machte der Feldherr nach zwei Wochen Belagerung dem Erdboden gleich und ließ alle Einwohner niedermetzeln. Das hatte die Zerstörung der christlichen Kirche Assyriens zur Folge. Alle, die sich nicht zum Islam bekehrten verloren ihr Leben, soweit ihnen nicht die Flucht ins Gebirge gelang.
Wie setzte der Mongolenfürst seinen Eroberungszug fort?
Unter dem Vorwand, die islamischen Sultane seien zu nachsichtig mit ihren hinduistischen Untertanen, brach Timur 1398 in Indien ein und wütete dort mordend und brandschatzend, so dass Zeitgenossen über Berge von Massakrierten berichteten. Die Armee des Sultans Mahmud Tughluq wurde vernichtet, die Hauptstadt Delhi vollkommen zerstört – ein Jahrhundert lang lag die Stadt in Ruinen. Als Zeichen seines Sieges ließ Timur in Samarkand die berühmte Moschee errichten. Sein letzter großer Feldzug führte ihn gegen die Mamelucken, Damaskus wurde geplündert, Bagdad 1401 erneut erobert. Ein Jahr später unterlag Sultan Bayazid bei Ankara und Smyrna wurde eingenommen. 1404 kehrte Timur schießlich nach Samarkand zurück, wo er Vorbereitungen zur Eroberung Chinas treffen wollte. Bereits auf dem Feldzug erkrankte er und starb 1405 in Chimkent, im heutigen Kasachstan. Er wurde einbalsamiert und in einem Ebenholzsarg in seinem Grabmal Gure Amir bestattet. Von ihm ging die Dynastie der Timuriden aus, die sich noch ein Jahrhundert lang hielt. Einer seiner Nachfahren, Babur, begründete 1526 die indische Mogul-Dynastie.
Was ist die Perle des Orients?
Samarkand, die Hauptstadt von Timur Lenks riesigem Reich, gilt als Schmuckstück der mittelalterlichen usbekischen Kunst und Architektur. Zu den schönsten Bauwerken gehören die Moschee Bibi-Chanum und das Mausoleum Gure Amir, in dem Timur Lenk bestattet ist. Am Bau von Bibi-Chanum, nach dem Vorbild der tausendsäuligen Moschee von Delhi erbaut, waren allein 500 Steinmetzen beteiligt.
Wussten Sie, dass …
die auf Timur Lenks Feldzügen angerichteten Verwüstungen den Stoff für zahlreiche Geschichten lieferten? Der englische Dramatiker Christopher Marlowe verarbeitete den Stoff in seinem 1590 veröffentlichten Theaterstück »Tamburlaine the Great« (Tamerlan der Große).
Jeanne d'Arc: Kämpferische Nationalheilige der Franzosen
Wieso griff Jeanne d'Arc zu den Waffen?
Auf göttliches Geheiß wollte sie dem zukünftigen König beistehen. Jeanne d'Arc wurde 1412 als Tochter wohlhabender Bauern in dem Dorf Domrémy in Lothringen geboren. Im Alter von 13 Jahren glaubte sie, himmlische Stimmen zu vernehmen. Mit 17 folgte sie den Visionen der Heiligen Michael, Katharina und Margarethe und begab sich im Februar 1429 zum Kommandanten des nahe gelegenen Vaucouleurs, der sie mit einer kleinen Truppe und Männerkleidung versorgte. So ritt sie nach Chinon zum Thronfolger, dem künftigen König Karl VII. Bald hatte sie ihn davon überzeugt, Gottes Gesandte zu sein, und zog mit einer Truppe die Loire aufwärts.
Wie führte sie die Wende im Krieg herbei?
Durch ihr Vorbild als unerschrockene Kämpferin. Orléans war schon über ein halbes Jahr von den Engländern belagert. Durch Jeanne d'Arcs mutiges Eingreifen schöpften die Einwohner neuen Mut und erstürmten am 4. Mai 1429 die von den Engländern okkupierte Bastion St.-Loup vor den Toren der Stadt. Als die Jungfrau am Tag darauf bei einem erneuten Ausfall am Hals verletzt wurde und sich den Pfeil selbst herauszog, hatte das eine Massenflucht der Engländer zur Folge. Am 8. Mai schließlich wurde Orléans freigegeben. Der verloren geglaubte Krieg nahm nun einen neuen Verlauf. Jeanne befreite mit ihrer Truppe weitere Loire-Städte und errang am 18. Juni bei der Feldschlacht von Patay einen glänzenden Sieg.
Nach langem Zögern stimmte nun endlich der französische Thronfolger Karl seiner Krönung in Reims zu. Bei der Krönungszeremonie am 17. Juli 1429 stand Jeanne d'Arc mit ihrem weißen Banner an der Seite des neuen Königs Karl VII.
Warum wurde die Kämpferin hingerichtet?
Weil sich das Kriegsglück wendete und die Engländer sich ihrer nach ihrer Gefangennahme bequem durch die Inquisition entledigen wollten. Nach der Krönung wollte Jeanne die Engländer endgültig aus dem Land vertreiben, doch der König verhielt sich zögerlich. Als er sie dann endlich doch Paris angreifen ließ, kam es zu einem ersten militärischen Misserfolg. Als sie am 23. Mai 1430 im belagerten Compiègne einzog, wurde sie von den mit England verbündeten Burgundern gefangen genommen und für 10000 Gold-Livres an die Engländer nach Rouen ausgeliefert.
Ab Januar 1431 wurde Jeanne d'Arc der Inquisitionsprozess gemacht. Die englischen Besatzer wollten sich die Hände nicht schmutzig machen und überließen die Verurteilung dem französischen Klerus. Nach mehreren Monaten peinlicher Befragungen und erneuter Untersuchung ihrer Jungfernschaft sollte sie am 24. Mai 1431 zum Tod auf dem Scheiterhaufen verurteilt werden. Direkt vor der Urteilsverkündung widerrief sie aus Todesangst und wurde zu lebenslänglich bei Wasser und Brot verurteilt. Die Engländer waren empört und suchten nach Indizien für einen Rückfall. Als Jeanne einige Tage später wieder Männerkleidung trug, war einer der Hauptanklagepunkte erneut erfüllt: Die Jungfrau wurde nun endgültig als Hexe und Ketzerin zum Tod verurteilt und am 30. Mai 1431 auf dem Alten Marktplatz von Rouen verbrannt.
Wie wurde Johanna zur Nationalheiligen?
In Frankreich besitzt sie den Status einer Ikone. Karl VII. hatte nichts unternommen, um Jeannes Leben zu retten. Erst 25 Jahre später, als die Engländer endlich aus Frankreich vertrieben waren, ließ er den Prozess wieder aufrollen und ihre Unschuld beweisen. Sie wurde rehabilitiert und avancierte zur Nationalheldin und zweiten Schutzpatronin.
Wussten Sie, dass …
die Darstellungen Jeanne d'Arcs in der Literatur breit gefächert sind? Sie bewegen sich zwischen der antiklerikalen Kritik Voltaires, der romantischen Glorifizierung in Schillers »Die Jungfrau von Orléans« (1801) und dem Prozessdrama von George Bernard Shaw »Die heilige Johanna« (1923).
Jeanne, obwohl sie schon 1456 rehabilitiert worden war, erst 1909 selig und 1920 heilig gesprochen wurde?
Worum ging es im Hundertjährigen Krieg?
Um den französischen Thron. Die Auseinandersetzungen zwischen England und Frankreich um die französische Krone begannen 1328 mit dem Tod Karls IV. Da er keine direkten Nachkommen hatte, reklamierte König Eduard III. von England, der Sohn von Karls Schwester Isabella, den Thron für sich. Die Franzosen bevorzugten jedoch Philipp VI. von Valois, einen Vetter des Verstorbenen, als Nachfolger. Die englischen Truppen marschierten schließlich 1338 in Frankreich ein und errangen Siege bei Crécy (1346) und Poitiers (1356). In Folge lösten sich Waffenstillstände und Kriegshandlungen ab. Zu Beginn des 15. Jahrhunderts war Frankreich durch innere Wirren stark geschwächt. Der englische König Heinrich V. besetzte den gesamten Norden Frankreichs. Als das Invasionsheer bis an die Loire vorgedrungen war, gab Jeanne d'Arc 1429 mit der Befreiung der Stadt dem Krieg die entscheidende Wende. Bis 1453 verloren die Engländer alle Territorien in Frankreich.
Elisabeth I.: Die Königin des Goldenen Zeitalters
Wie kam eine Frau auf den englischen Thron?
Das war zunächst nicht selbstverständlich, denn ihr Vater hatte alles für einen männlichen Erben getan: Damit sich Heinrich VIII. scheiden lassen und eine Frau heiraten konnte, die ihm nun endlich den ersehnten Thronfolger gebären sollte, hatte er sich vom Papst losgesagt und die anglikanische Kirche gegründet. Als dann Anna Boleyn am 7. September 1533 Elisabeth zur Welt brachte, war seine Enttäuschung so groß, dass er die Tochter für illegitim erklären und seine Gattin köpfen ließ. In seinem Testament verfügte er jedoch anders und Elisabeth wurde in die Erbfolge ihrer Halbgeschwister aufgenommen. Nach der jeweils kurzen Herrschaft Eduard VI. und Marias I. bestieg Elisabeth 1558 nach dem Tod ihrer Geschwister mit 25 Jahren den englischen Thron.
Welche Reformen leitete die Königin ein?
Noch vor ihren wichtigen Wirtschaftsreformen brachte Elisabeth 1559 die Reformation zum Abschluss und baute die anglikanische Staatskirche, an deren Spitze sie stand, auf. Auch betrieb die Königin den Ausbau einer straffen, hierarchisch gegliederten Staatsorganisation. Elisabeth glaubte an die unangefochtene Souveränität des Monarchen, respektierte aber auch das zunehmende politische Gewicht des englischen Parlamentes. Ihre kluge Innen- und Religionspolitik stärkten die königliche Macht, die Einheit der Nation und die Stabilität des Landes.
Warum blieb Elisabeth ledig?
Die beim Volk beliebte Elisabeth schlug die Anträge mächtiger europäischer Herrscher aus. Obwohl sie die beste Partie auf dem Heiratsmarkt war, lehnte sie die Eheschließung mit einem europäischen Monarchen nicht zuletzt deshalb ab, um die Autonomie und Neutralität Englands nicht zu gefährden.
Was gefährdete England?
Elisabeths Reich sah sich von katholischem Feindesland umzingelt: Schottland, Frankreich, Spanien. Das zwang die Monarchin, die bislang mit Weitsicht Entspannungspolitik betrieben hatte, zum Handeln. Mit Militärgewalt unterstellte sie 1560 Schottland der englischen Krone, ab 1572 unterstützte sie die verfolgten Hugenotten in Frankreich und den Befreiungskampf der Niederlande gegen Spanien. Elisabeths Forderungen nach freiem Welthandel und die zunehmende Präsenz englischer Handels- und Piratenflotten auf den Ozeanen entfesselten einen Seekrieg mit Spanien, auf dessen Höhepunkt 1588 die englische Flotte unter Führung von Lord Howard und Sir Francis Drake den Großteil der spanischen Kriegsgaleeren vernichtete.
Wie machte die Königin England zur Seemacht?
Elisabeth förderte Handel und Gewerbe. So schuf sie 1560 ein neues Münzsystem, 1566 wurde in London eine Börse eröffnet, und die Königin erließ Gesetze, um Löhne und Handwerkerausbildung zu kontrollieren. Zukunftsweisend waren ihre Sozialgesetze zur Verbesserung der Lage der Armen und der Handwerker. Im Überseehandel hatten die Engländer zwar schon seit den Zeiten Heinrichs VIII. Expeditionen in alle Himmelsrichtungen unternommen, es war aber der Sieg über die spanische Armada, der eine Wende der Machtverhältnisse zugunsten Englands auf den Ozeanen markierte. Getragen wurden diese Unternehmungen vor allem durch eine im Aufsteigen begriffene besitzende Mittelschicht, die so genannte Gentry.
Wussten Sie, dass …
Elisabeth 19 Jahre wartete, bis sie 1587 die Hinrichtung ihrer Verwandten, der Thronrivalin und schottischen Königin Maria Stuart anordnete?
Sir Francis Drake als erstem Engländer die Weltumsegelung glückte?
Sir Walter Raleigh, ein weiterer Seefahrer im Dienst Elisabeths, die Kartoffel und den Tabak nach Europa brachte?
die von der Monarchin 1600 mit Handelsmonopolen ausgestattete Ostindienkompanie, mit der sich die Briten die Grundlagen für das britische Imperium schufen, über zwei Jahrhunderte Bestand hatte?
Was prägte das Weltbild des Elisabethanischen Zeitalters?
Die Stabilität der langen, 44 Jahre währenden Regentschaft Elisabeths I. ließ eine spezifisch englische Kultur entstehen. Nach Anschauung der Elisabethaner spiegeln der Mensch und die Gesellschaft das Universum und eine gottgewollte hierarchische Ordnung wider; die Kunst hat wiederum die Aufgabe, den Menschen und seine Position innerhalb der göttlichen Ordnung zu betrachten und zu reflektieren. Im Gegensatz zur mittelalterlichen Schicksalsergebenheit werden menschliche Natur und menschliches Handeln mit all ihren Fehlern zum Thema – in der dramatischen Gattung vor allem durch William Shakespeare meisterhaft umgesetzt.
Albrecht von Wallenstein: Des Kaisers erfolgreichster Feldherr
Wie schaffte Wallenstein den Aufstieg?
Albrecht Wenzel Eusebius von Waldstein, Wallenstein genannt, wurde am 24. September 1583 auf Gut Hermanitz in Böhmen geboren. Seine Eltern gehörten dem niederen protestantischen Adel an und waren keineswegs wohlhabend, was den einzigartigen Aufstieg ihres Sohnes um so erstaunlicher macht: Er wurde nicht nur einer der berühmtesten Feldherrn, sondern auch einer der reichsten Männer seiner Zeit.
Nach seinen Studienjahren in Altdorf, Padua und Bologna trat der junge Wallenstein in das habsburgische Heer ein und wurde 1604 Feldhauptmann. Zwei Jahre später heiratete er eine vermögende Witwe und konvertierte um der Karriere willen zum Katholizismus. Nach dem Tod seiner Frau 1614 erbte er ihre riesigen Ländereien in Mähren, überdies fielen ihm Güter seines Onkels zu.
Was waren die ersten Erfolge des Feldherrn?
Als sich 1618 in Prag die protestantischen böhmischen Stände gegen die Habsburger erhoben – später als Beginn des Dreißigjährigen Krieges erkannt –, konnte Wallenstein mit der Kriegskasse eines Reiterregiments, das ihm den Gehorsam verweigerte, nach Wien flüchten. Auf eigene Kosten stellte er in Flandern ein Kürassierregiment auf und leistete dem Kaiser 1620 bei der Niederschlagung der böhmischen Erhebung wichtige Dienste. Aus der Hinterlassenschaft der hingerichteten oder geächteten Führer des Aufstandes erwarb Wallenstein große Landgüter und kaufte die nordböhmische Herrschaft Friedland, die 1622 zum Herzogtum erhoben wurde. Ein Jahr später vermählte er sich mit Isabella, der Tochter des Grafen Harrach, wodurch er größeren Rückhalt am Wiener Hof fand.
Wie war Wallensteins Verhältnis zum Kaiser?
Er war praktisch ein unverzichtbarer Verbündeter des Kaisers. Als sich Dänemark 1625 mit dem Niedersächsischen Bund gegen Kaiser Ferdinand II. und die katholische Liga verbündete, kam Wallenstein für die Anwerbung eines 40000 Mann starken kaiserlichen Heeres auf. Damit erhielt der Kaiser eine Streitmacht, die ihn von den Truppen der Liga unabhängig machte – aber gleichzeitig abhängig von seinem Oberbefehlshaber. 1626 schlug Wallenstein den protestantischen Söldnerführer Graf Mansfeld bei Dessau und drängte ein Jahr später die Dänen bis nach Nordjütland zurück. Nach dem Frieden von Lübeck (1629) belehnte der Kaiser den Heerführer mit dem Fürstentum Mecklenburg.
Warum entließ der Kaiser seinen Verbündeten?
Wallensteins politische Gegner im eigenen Lager, die Fürsten der katholischen Liga, allen voran Maximilian I. von Bayern, fürchteten die wachsende Macht Wallensteins, und damit des Kaisers selbst. 1630 zwang man den Kaiser, Wallenstein zu entlassen.
Das siegreiche Vordringen des schwedischen Königs Gustav II. Adolf bis nach Süddeutschland erzwang aber bereits 1632 seine Rückberufung. Innerhalb kürzester Zeit stellte Wallenstein ein gewaltiges Heer auf. Anfang September 1632 wehrte er die Schweden bei Nürnberg ab, verlor jedoch am 16. November 1632 die Schlacht bei Lützen. Die Niederlage war trotzdem ein Erfolg, da der gefürchtete Schwedenkönig gefallen war.
Das Verhältnis mit Wien verschlechterte sich rapide, als Wallenstein nicht in die Oberpfalz marschierte, um den Bayern gegen die Schweden beizustehen, sondern seine erschöpften Truppen in Böhmen Winterquartiere beziehen ließ. Als er auch noch eigenmächtig Friedensverhandlungen mit Schweden, Brandenburg und Sachsen führte, wuchs das Misstrauen bei den Fürsten und dem Kaiser.
Wie endete der Heerführer?
Wallensteins Ehrgeiz kannte keine Grenzen. Er erhoffte sich die Kurwürde, wenn nicht die böhmische Königskrone. Da er die erneute Enthebung vom Kommando fürchten musste, schwor er seine Offiziere auf sich persönlich ein: Im Januar 1634 ließ er sie in Pilsen eine Erklärung unterschreiben, wonach sie auch im Fall seiner Entlassung seinen Weisungen folgen würden. Die Truppen schuldeten also nicht mehr Kaiser und Reich die Treue, sondern nur noch Wallenstein! Damit war er zu weit gegangen. Der Kaiser beschuldigte seinen erfolgreichsten Heerführer des Hochverrats und befahl, ihn lebendig oder tot nach Wien zu bringen. Zwei Tage später, am 25. Februar 1634, wurde Albrecht von Wallenstein in Eger von einem seiner Offiziere ermordet.
War Wallenstein abergläubisch?
So rational Wallenstein als Heerführer und Kriegsunternehmer dachte, so sehr war er auch ein Kind seiner Zeit: Er glaubte fest an die Astrologie und war empfänglich für okkulte Prophezeiungen. Sowohl der berühmte Astronom Johannes Kepler als auch sein persönlicher Astrologe Giovanni Seni erstellten dem Feldherrn Horoskope.
Wussten Sie, dass …
Wallenstein sein Herzogtum Friedland als lukratives Unternehmen betrieb? Auf dem Gut liefen Pulvermühlen, wurden Geschütze gegossen, Stiefel angefertigt und Tuche gewoben.
Friedrich Schiller Wallenstein zur zentralen Figur seiner gleichnamigen Dramentrilogie machte? Anhand der Figur des großen Feldherrn schildert er die Tragödie des Mächtigen, der sich, trotz guter Absichten, in ein Netz aus Verrat und Intrigen verwickelt und letzlich darin umkommt.
Ludwig XIV.: Der Sonnenkönig
Wann wurde Ludwig XIV. König von Frankreich?
Mit 16 Jahren wurde Ludwig XIV. 1654 in Reims zum König gekrönt. Die Regierungsgeschäfte überließ er zunächst weitgehend seinem Mentor, Kardinal Mazarin, der diese Tätigkeit bereits seit dem Tod Ludwigs XIII. im Jahr 1643, während der Minderjährigkeit des Thronfolgers, ausgeübt hatte. Erst nach dem Tod Mazarins 1661 übernahm Ludwig XIV. selbst die Regierung.
Wie wird der König historisch eingeordnet?
Ludwig XIV. gilt als der bedeutendste Monarch Frankreichs in der frühen Neuzeit. Mit seinem Namen verbinden sich die Stabilisierung der »absoluten Monarchie« nach innen, Expansion nach außen und zeitweilige Vorherrschaft des bourbonischen Frankreichs in Europa.
Was bedeutete die Maxime: »Der Staat bin ich«?
Der König bezog sich in seiner berühmten Äußerung »l'État c'est moi« (der Staat bin ich) mit »Staat« vor allem auf die »Regierungsetage« in Abgrenzung zu den politischen »Ständen« (Adel, Klerus, Bürgertum). Der Satz wurde in späterer Zeit häufig missverstanden, denn das Wort »Staat« bedeutete im 17. und 18. Jahrhundert nicht die Gesamtheit des Landes mit allen seinen Einwohnern, sondern eben die regierende Schicht. Mit dem Satz war also nicht unbedingt der König als Tyrann beschrieben, wiewohl Ludwig XIV. als König natürlich über große Machtbefugnisse verfügte. Das politisch-soziale System Ludwigs XIV. war die höfische Gesellschaft mit dem Monarchen als symbolischem Zentrum – daher die Bezeichnung »Sonnenkönig«. Das Sonnenemblem benutzte Ludwig XIV seit 1662.
In diesem Sinn »war« Ludwig tatsächlich der Staat. Andererseits war er selbst Teil des Systems einer höfischen Gesellschaft, die streng zeremoniell reglementiert und hierarchisch gegliedert war. Glanzvoller Ort seiner Inszenierung politischer Machtrepräsentanz war Versailles, das durch die planmäßige Einbeziehung von Architektur, Gartenbaukunst, Musik und Theater zugleich zum Modell für die meisten europäischen Fürstenhöfe im ausgehenden 17. und frühen 18. Jahrhundert wurde.
Wie verlief der Aufstieg Frankreichs unter Ludwig?
Seinen Glanz als »Sonnenkönig« versuchte Ludwig XIV. jedoch nicht nur als »absoluter Monarch« nach innen im Kampf gegen den alten Feudaladel zu begründen, sondern ebenso aus seinem Selbstverständnis als ruhmreicher Kriegsherr. War der Aufstieg der französischen Monarchie zunächst gegen die Vormacht der christlichen Universalmonarchie der Habsburger und des Kaisers des Heiligen Römischen Reichs erfolgt, so bedrohte er seit Mitte des 17. Jahrhunderts die Niederlande und England als Hauptkonkurrenten im Kampf um die Hegemonie im entstehenden, europäisch dominierten Weltsystem.
In zwei erfolgreichen Kriegen – Devolutionskrieg (1667/68), Holländischer Krieg (1672–1679) – gewann Ludwig XIV. das südliche Flandern und Burgund dazu. Fortgesetzte aggressive Annexions- und Machtpolitik gegenüber dem Heiligen Römischen Reich (Reunionen, Pfälzische Erbfolge) führten zu langwierigen Kriegen mit dem in der Augsburger Allianz (1686) zusammengeschlossenen überkonfessionellen Bündnis europäischer Mächte, an deren Ende Frankreich schließlich zahlreiche zuvor annektierte Gebiete zurückgeben musste (Friede von Rijswijk 1697). Dadurch wurde Ludwigs XIV. Ziel einer dauerhaften Etablierung Frankreichs als Hegemonialmacht in Europa erschüttert, und der mit dem Frieden von Utrecht (1713) beendete Spanische Erbfolgekrieg (1701–1713) markierte einen Wendepunkt in der mächtepolitischen Konkurrenz mit dem aufsteigenden England und brachte Frankreich an den Rand des Abgrunds.
Wie sieht die Bilanz des Sonnenkönigs aus?
Am Ende seiner 54-jährigen Regierungszeit hatte Ludwig XIV. durch seine Eroberungskriege das Territorium Frankreichs beträchtlich erweitert. Sein Hauptziel, es dauerhaft zur Vormacht in Europa zu erheben, war jedoch an den antifranzösischen Koalitionen gescheitert. Im Innern hatte Ludwig XIV. das System der »absoluten Monarchie« gegen die Opposition des alten Adels stabilisiert. Andererseits hinterließen die immensen Kosten seiner Kriegspolitik einen Schuldenberg, der zu einem Dauerproblem der französischen Monarchie im 18. Jahrhundert wurde.
War Ludwig XIV. ein Freund der Künste?
Der König selbst war musisch veranlagt und schätzte Schauspiel und Musik. Unter seiner Regentschaft erlebten Kunst und Kultur in Frankreich eine Blütezeit. Darüber hinaus setzte er die Kunst aber auch zielgerichtet dazu ein, das Ansehen von König und Monarchie zu steigern, und beschäftigte die herausragenden Künstler seiner Zeit. Unter Ludwigs Herrschaft wurden Akademien für Wissenschaften, Musik, Kunst und Architektur gegründet. Glanzvolle Festivitäten in Versailles wurden vom Komponisten Lully und dem Literaten und Theaterdirektor Molière getragen, der bald Hauptverantwortlicher für das Theater am Hof von Versailles wurde.
Wussten Sie, dass …
Ludwig XIV. ein eifriger Arbeiter war? So überstieg zum Beispiel sein Zeitaufwand für die Teilnahme an Ministerkonferenzen das damals übliche Maß an politischer Tätigkeit eines Monarchen weit.
Peter der Große: Reformer auf dem Zarenthron
Welche Begebenheiten und Einflüsse prägten den Zaren in seiner Kindheit?
Politische Ränkespiele in seinem Umfeld und der Kontakt mit westlichem Denken. Pjotr Alexejewitsch erblickte am 9. Juni 1672 das Licht der Welt; der Zarewitsch, der Sohn des Zaren, war erst vier Jahre alt, als sein Vater Alexej starb. Die Macht übernahm der 15-jährige kränkliche Sohn Fjodor aus der ersten Ehe des Zaren. Als dieser sechs Jahre später starb, übernahm nach einem blutigen, grausamen Intrigenspiel dessen Schwester Sophia die Regentschaft. Weil die Atmosphäre im Kreml unerträglich wurde, zog die Zarenwitwe Natalja mit Pjotr aufs Land. Dort vertrieb sich der Knabe die Zeit mit Kriegsspielen und vielen Dingen, die nicht unbedingt ins Ausbildungsprogramm eines jungen Adeligen passten. Er ließ sich das Maurern beibringen, das Zimmern und die Metallverarbeitung. Im »deutschen Viertel«, dort, wo in Moskau die Ausländer wohnten, begriff er, dass es eine Welt außerhalb seines Landes gab, in der man aufgeschlossener, fortschrittlicher war und dachte. Als Peter in einem baufälligen Haus ein Schiff fand, begann eine Leidenschaft.
Wie führte der Zar Russland aus dem Mittelalter?
Durch weit reichende Reformen. Dafür musste er aber zunächst seine Schwester Sophia vom Thron vertreiben, was ihm per Staatsstreich auch gelang. Am Anfang seiner Regentschaft stand 1695 ein schneller Sieg über die Türken in Asow am Schwarzen Meer, wo er den ersten Flottenstützpunkt errichtete. Er ließ die erste russische Flotte und auch Rüstungsbetriebe entstehen. In Holland, wo Peter eine Zeit lang inkognito lebte, hatte er das Schiffshandwerk gelernt, später ließ er Schiffsbauer nach Russland kommen. Der Zar etablierte einen modernen Staat, der dem Westen in nichts nachstand. Er reformierte Wirtschaft und Handel, Armee, Kirche und Regierung. Den russischen Außenhandel konnte der Zar in seiner Amtszeit um ein Vielfaches erhöhen. Das von ihm angelegte Kanalsystem ist noch heute von großer Bedeutung. Insgesamt 21 Jahre lang führte Peter der Große Krieg. Es gelang ihm, die Vormachtstellung des Erzfeindes Schweden an der Ostküste der Ostsee zu brechen und somit einen weiteren Seezugang für Russland zu gewinnen.
Um welchen Preis erneuerte Peter sein Reich?
Um den Fortschritt verwirklichen zu können, waren dem Zaren viele Mittel recht. Gewaltsam wurde mit altrussischen Traditionen gebrochen. Der Staat wurde erneuert, die Landesgrenzen erweitert, aber das Volk litt zum Teil erbärmlich.
Um Adelige und Kaufleute zu bewegen, Werkstätten und vor allem Tuchmanufakturen einzurichten, durften auch sie sich, ebenso wie Bergwerksbesitzer, Leibeigene halten. Wo Arbeiter fehlten, wurden Männer zwangsverpflichtet. Die ehrgeizigen Pläne des Zaren kosteten abertausende Menschen das Leben, etwa beim Bau der neuen Stadt an der Ostsee, Sankt Petersburg. Der Weg in die Neuzeit war steinig und teils von brutaler Härte begleitet.
Wie ging Peter der Große mit dem Volk um?
Er presste das Volk regelrecht aus. Die Projekte des Zaren kosteten viel Geld. Doch Peter wollte keine Schulden, keine ausländischen Anleihen und keine Entwertung der Währung durch unkontrolliertes Drucken von neuen Scheinen. Also musste das russische Volk bluten. Es gab nichts im täglichen Leben, das nicht besteuert wurde. Das Volk litt, der Staat schöpfte aus dem Vollen, dem neuen Russland stand nichts mehr im Weg. Aus dem Zaren Peter war Peter der Große geworden.
Wussten Sie, dass …
Peter der Große seine Landsleute gewaltsam zwingen wollte, mit altrussischen Traditionen zu brechen? Untersagt war zum Beispiel das Tragen von Bärten, und wer nicht auf seine Haarpracht verzichten wollte, musste Extrasteuern zahlen.
der Zar bei der Einrichtung neuer Steuern sehr findig war? Die »Seelensteuer« etwa ordnete an, dass jedes männliche Mitglied der unteren Klassen eine gewisse Summe zu entrichten hatte.
der Beiname »der Große« nicht allein von politischer, sondern auch von der Körpergröße herrührt? Peter maß 2,04 Meter.
Wie wurde St. Petersburg erbaut?
Der Bau von Sankt Petersburg war eine Kraftanstrengung sondergleichen und kostete bis zu hunderttausend Menschen das Leben. Sankt Petersburg, die Stadt, die für rund 200 Jahre Hauptstadt des russischen Reichs werden sollte, ist, wie es immer wieder heißt, »auf menschlichem Gebein« erbaut. Der Zar kannte keine Rücksicht, Arbeiter wurden zwangsverpflichtet, sie lebten unter primitivsten, oft todbringenden Bedingungen. Die Arbeiten konnten nicht schwerer sein. Der umgebende Sumpf musste trockengelegt werden, es gab nicht einmal Karren, nur Pickel und Schaufeln. Straßen, Kais, Docks, Werften und die Festung wurden errichtet, später Häuser und Kirchen. Die Baumaterialien wurden von weither gebracht. Und als keiner in der Stadt leben wollte, wurden viele, auch Adelige und Mitglieder des Zarenhauses, einfach zwangsweise umgesiedelt. Es wollte lange niemand glauben, dass Sankt Petersburg einmal die schönste Stadt Russlands werden sollte.
Friedrich II.: Ein aufgeklärter Staatslenker
Was prägte Friedrichs Regierungsstil?
Der drastische Erziehungsstil des Vaters bereitete Friedrich auf die Härten des Regierens vor. Als der am 24. Januar 1712 in Berlin geborene Friedrich 28 Jahre später an die Macht kam, war sein Staat wohl bestellt. Der Vater, Friedrich Wilhelm I., der »Soldatenkönig«, hatte die Finanzen mit harter Hand saniert, aber ebenso rücksichtslos alles daran gesetzt, aus dem Sohn einen »ganzen Kerl« zu machen. Der musisch begabte, sensible Kronprinz war darüber fast verzweifelt und hatte im Jahr 1730 einen Fluchtversuch unternommen. Das vom König geforderte Todesurteil verweigerten die Richter zwar, doch wurde Friedrich gezwungen, der Hinrichtung seines Freundes und Fluchtgefährten Katte beizuwohnen. Schwächere Naturen hätte eine solch barbarische »Pädagogik« gebrochen, Friedrich aber wuchs daran und entwickelte die große Härte, die er in den ersten Regierungsjahrzehnten bitter nötig hatte, um die zahlreichen innen- und außenpolitischen Herausforderungen durchzustehen.
Konnte der Preuße Schlesien annektieren?
Ja, aber erst nach einem zähen Ringen mit mächtigen Gegenspielern. Des Vaters schlagkräftiges Heer nutzte er 1740 zur Annexion Schlesiens, das er mit fadenscheinigen Argumenten beanspruchte und in drei Kriegen behauptete. Der letzte, der Siebenjährige Krieg (1756–1763), führte Preußen an den Rand des Untergangs, den König aber auf den Gipfel des Ruhms, nachdem er sich gegen eine erdrückende Übermacht fast aller europäischen Großmächte hatte halten können. Das war vornehmlich seiner »Fortune« zu verdanken: 1762 war mit der Zarin Elisabeth eine seiner Hauptfeindinnen gestorben und damit die gegen ihn agierende »Koalition der Unterröcke« zerbrochen. Die verbliebenen Gegenspielerinnen Maria Theresia von Österreich und die gegen Friedrich hetzende Maitresse des französischen Königs, Madame de Pompadour, gaben den Kampf auf: 1763 besiegelte der Frieden von Hubertusburg den Verbleib Schlesiens bei der neuen Großmacht Preußen.
Wie wirkte sich der aufgeklärte Absolutismus aus?
Der Staat erfuhr eine wirtschaftliche und kulturelle Blüte. 1772 erhielt Friedrich, inzwischen europaweit als »der Große« verehrt, durch die Erste Polnische Teilung zudem Westpreußen und konnte sein Herrschaftsgebiet dank energischem Ausbau der Infrastruktur zu einem blühenden Gemeinwesen entwickeln. Als »erster Diener« seines Staates sorgte er für die Urbarmachung von Landstrichen wie dem Rhinluch, ließ Kanäle bauen, siedelte 57000 Kolonisten in den neuen Gebieten an, organisierte ein solides Schulsystem und schaffte die Zensur ab. Glaubens- und Gewissensfreiheit waren für ihn eine Selbstverständlichkeit. Und auch die Universitäten erlebten eine Blüte unter seiner Herrschaft, die als aufgeklärter Absolutismus bezeichnet wird und revolutionären Entwicklungen wie in Frankreich vorbeugte.
War der »Alte Fritz« ein einsamer Streiter?
Ja, denn für ein Familienleben blieb dem rastlosen Staatsmann und umtriebigen Publizisten (»Antimachiavell«, »Denkwürdigkeiten zur Geschichte des Hauses Brandenburg«) kaum Zeit. Von seiner Ehefrau Elisabeth Christine von Braunschweig-Wolfenbüttel lebte der Monarch fast immer getrennt und blieb kinderlos. Im Alter vereinsamte er und verfolgte mit großer Sorge die Entwicklung seines Neffen und Nachfolgers Friedrich Wilhelm II. So ging es auch seinen Untertanen. Zu sehr hatten sie den »Alten Fritz«, wie sie den König wegen seiner knurrigen Fürsorglichkeit nannten, in seiner Selbstlosigkeit, Unbestechlichkeit und geistigen Souveränität achten, ja, lieben gelernt. Am 17. August 1786 starb Friedrich der Große auf Schloss Sanssouci.
Was ist aufklärerisches Denken?
Vertrauen auf die Macht der Vernunft. Friedrich der Große gilt als bedeutendster Repräsentant des aufgeklärten Absolutismus. »Was ist Aufklärung?«, so hieß ein 1784 veröffentlichter Aufsatz des Königsberger Philosophen Immanuel Kant, der den Begriff definierte und ihn populär machte: »Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit (...) Habe Mut, Dich Deines eigenen Verstandes zu bedienen!« Diese Absage an die Bevormundung durch die Obrigkeit, vor allem die Kirche, nahm ihren Ausgang bei den englischen Denkern Hobbes, Locke und Hume, fand über den französischen Rationalismus in den Philosophen Descartes, Voltaire, Montesquieu und Rousseau Fortsetzer und in der Philosophie des deutschen Idealismus von Kant, Fichte, Schelling und Hegel eine Synthese. Das Vertrauen auf die Macht der Vernunft führte einerseits zu einem optimistischen Fortschrittsdenken und zur Verwissenschaftlichung des Daseins, andererseits, beispielsweise in der Französischen Revolution, zu politischem Umsturz durch Infragestellung der traditionellen Autoritäten oder in Preußen und Österreich zu tief greifender Umgestaltung durch Herrscher wie Friedrich II. oder Joseph II.
Wussten Sie, dass …
Friedrich II. Urheber des noch heute gerne zitierten Ausspruchs »In meinem Staate kann jeder nach seiner Fasson selig werden« ist?
sich der »Philosoph von Sanssouci«, so genannt wegen seines Potsdamer Schlosses und der dort um ihn versammelten Schar von Gelehrten, zu denen auch der große französische Denker und Philosoph Voltaire zählte, sich zeit seines Lebens stark zur französischen Kultur hingezogen fühlte? Er schrieb selbst Französisch und benutzte die deutsche Sprache nur im Notfall.
Katharina die Große: Aufgeklärte Zarin
Wie kam Katharina zu ihrem Beinamen?
Es soll Voltaire gewesen sein, der berühmte Vertreter der Aufklärung, der ihren Beinamen »die Große« geprägt hat. Mit ihm stand sie in regem Briefwechsel. Groß war vieles von dem, was sie für Russland getan hat, und vor allem auch für dessen Ansehen im Westen. Katharina die Große war eine begabte, aber auch widersprüchliche Frau.
Was machte eine Deutsche zur Zarin?
Eine arrangierte Heirat. Am 2. Mai 1729 wurde in Deutschland Sophie Auguste Friederike von Anhalt-Zerbst geboren. Sophie war erst 14 Jahre alt, als sie mit ihrer Mutter nach Moskau reiste. Die Zarin Elisabeth hatte das junge Mädchen als geeignete Gattin für ihren Nachfolger und Neffen Peter, den späteren Zaren Peter III., auserkoren. Der Ehrgeiz wird Sophie über die schwierigen Anfangsjahre hinweggeholfen haben. Zum großen Gefallen ihrer neuen Landsleute lernte sie recht schnell Russisch, trat zum orthodoxen Glauben über und ließ sich auf den Namen Jekatarina II. Aleksejewna taufen.
War ihre Ehe glücklich?
Das kann man nicht behaupten, die Ehe, die sie mit 16 Jahren einging, war eher schrecklich denn vergnüglich, denn der Ehemann blieb bis zu seinem Ende kindisch, wehleidig, geistig und psychisch problematisch, dabei tob- und trunksüchtig. Nach neun Jahren erst kam der Sohn zur Welt, vielleicht von Peter, weil er einmal ähnliche Wesenszüge haben würde, vielleicht aber auch von Serge Saltykow, einem Mann, mit dem Katharina eine leidenschaftliche Liebesbeziehung führte.
Welche politischen Ziele verfolgte die neue Zarin?
Mit Katharinas Amtsantritt – nach dem Tod Elisabeths wurde Peter III. Zar, doch 1762 ermordet – leitete sie Reformen nach westlichem Vorbild ein, das Land wurde europäischer. Sie modernisierte die Industrie, baute Wasserstraßen und Handelswege aus, stärkte die Wirtschaft und das marode Militär, reformierte die korrupte Verwaltung und legte erstmals einen Staatshaushalt vor. Im Sommer 1767 berief sie eine Ständeversammlung nach Moskau ein. Neue Gesetze sollten auf den Weg gebracht werden. Sie plante ein gigantisches Waisenhaus im Herzen Moskaus und unterstützte ein Mädcheninternat. Die Eremitage in Petersburg wurde mit neuen Gemälden geschmückt, das Theater hatte Hochkonjunktur.
Geschickt in Macht- und Winkelzügen, kämpfte Katharina erfolgreich gegen die Türken und baute ihr Reich im Süden bis zum Schwarzen Meer und auch gen Westen aus. Dort nutzte sie die Gunst der Stunde und teilte sich mit Österreich und Preußen das durch einen Bürgerkrieg unregierbar gewordene Polen.
Wie endete die Zarin?
Katharina fürchtete ein Überschwappen der Ideen von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit als Folge der Französischen Revolution von 1789. Aus der einmal modern und aufgeklärt denkenden Zarin wurde langsam eine diktatorische Alleinherrscherin. Ein Großteil der Bevölkerung hatte nichts von dem neuen Reichtum, die Not der russischen Bauern wurde immer größer. Katharina die Große starb 67-jährig an den Folgen eines Schlaganfalls.
Wussten Sie, dass …
die kluge und gebildete Zarin nach dem Tod Voltaires dessen Bibliothek aufkaufte, die sich nun in der Russischen Nationalbibliothek in Sankt Petersburg befindet?
die Kaiserin selbst Theaterstücke schrieb, die jedoch nicht von großer Genialität zeugen?
Fürst Potjomkin, einer von Katharinas Günstlingen und Liebhabern, in ihrem Namen Kolonisten aus Südost- und Mitteleuropa, unter ihnen Deutsche, in den neuen Territorien ansiedelte?
die Vermittlung der russischen Zarin großen Anteil an der Beendigung des bayerischen Erbfolgekrieges und am Frieden von Teschen 1779 hatte?
Katharina mehr als 20 Liebhaber hatte?
Wie ging es der Bevölkerung?
95 Prozent der russischen Bevölkerung waren zu Katharinas Zeiten leibeigene Bauern. Durch die Stärkung des Adelsstands waren die Bauern völlig der Willkür der Grundbesitzer ausgeliefert. Sie verarmten weiter, auch wurden oft ihre Familien auseinandergerissen, weil Leibeigene als Zwangsarbeiter nach Sibirien oder in andere abgelegene Ecken des Riesenreichs verschickt wurden. Unter dem Donkosaken Pugatschow kam es zu einem großen Volksaufstand, der allerdings blutig niedergeschlagen wurde. Die »Liberalität« der Regentin scheiterte an der Unmenschlichkeit gegenüber der Mehrzahl ihrer Untertanen.
Napoleon I.: Sternenlauf eines strategischen Genies
Wie begann die Karriere Napoleons?
Vor allem mit militärischen Erfolgen. Geboren wurde Napoleone Buonaparte am 15. August 1769 als Sohn eines Anwalts in Ajaccio auf Korsika. Der kometengleiche Aufstieg Napoléon Bonapartes, so die später französisierte Namensform des Korsen, begann 1793. Damals gelang dem jungen Offizier die Niederschlagung des gegen die Revolution gerichteten, von englischen Flotteneinheiten unterstützten Aufstands in Toulon; dafür wurde der 24-Jährige zum Brigadegeneral befördert. Man wurde in Paris auf den klein gewachsenen, aber vor Energie berstenden Bonaparte aufmerksam und gab ihm 1796 das Oberkommando in Italien, wo er seine Truppen gegen Österreich von Sieg zu Sieg führte. Ohne Rücksprache schloss er 1797 in Campoformio einen vorteilhaften Frieden mit Wien und drängte nun zum Kampf gegen England. Zwar wurde die »Ägyptische Expedition« 1799 wegen des Seesiegs der Briten unter Admiral Nelson bei Abukir zum Fiasko, dennoch konnte Napoleon nach der heimlichen Rückkehr auf seine Popularität bauen, als er am 9. November 1799 (18. Brumaire nach dem Revolutionskalender) das regierende Direktorium stürzte und durch ein dreiköpfiges Kollegium von »Konsuln« ersetzte, das er – ab 1801 – als Erster Konsul quasi diktatorisch leitete.
Was geschah nach dem Staatsstreich?
Napoleon ging es nun vor allem um die innere Konsolidierung Frankreichs: Er schloss Frieden mit Österreich (1801 in Lunéville) und England (1802 in Amiens) und beendete 1802 mit einem Konkordat den Religionskrieg der Revolution gegen die Kirche. Ein ganzes Reformpaket galt der Modernisierung der Verwaltung, des Schulwesens und des Rechts, festgelegt im »Code Civil«. Mit einer Volksabstimmung installierte Bonaparte schließlich das erbliche Kaisertum und wurde am 2. Dezember 1804 im Beisein des nach Paris zitierten Papstes Pius VII. gekrönt.
Wie gewann der Kaiser die Herrschaft in Europa?
Napoleon I., wie er sich nun als »Kaiser der Franzosen« nannte, hatte ein imperialistisches Programm. 1805 schlug er Österreich und Russland bei Austerlitz. 1806 demütigte er bei Jena und Auerstedt Preußen, 1807 arrangierte er sich mit dem russischen Zaren in Tilsit, 1809 blieb er in einem zweiten Waffengang gegen Österreich Sieger. Große Gebiete von Dalmatien bis zur Ostsee wurden annektiert und an die Verwandtschaft verteilt: Bruder Louis wurde König von Holland, Schwager Murat erhielt das Königreich Neapel, Bruder Jerôme wurde »König Lustig« von Westfalen, der älteste Bruder Joseph sollte in Madrid herrschen.
Woran scheiterte der Franzose?
Diese letzte Besetzung war zu viel, die Spanier erhoben sich 1808 und setzten mit ihrem Befreiungskampf ein Fanal für Europa, in dem einzig Großbritannien Napoleon widerstanden hatte. Es trotzte seiner Kontinentalsperre, die die Anladung britischer Waren auf dem Kontinent untersagte. Diese Maßnahme aber schädigte das Festland mehr als den britischen Gegner und sorgte für eine Not, die zum Motor der Auflehnung werden sollte.
Doch erst die Niederlage Napoleons im 1812 entfesselten Krieg gegen Russland, wo die Weite des Raums, Kälte, Seuchen und ein winterharter Gegner seine »Grande Armée« von 600000 Mann besiegten, ließ den Freiheitsfunken zünden. Die Preußen lösten sich aus dem aufgezwungenen Bündnis und verständigten sich mit dem Zaren. Freikorps bildeten sich: Der Sturm brach los. Schließlich schloss sich sogar Österreich an, dem sich Napoleon durch Heirat mit der Kaisertochter Marie Louise (1810) verbunden hatte: In der Völkerschlacht bei Leipzig wurde der Korse im Oktober 1813 geschlagen, musste 1814 abdanken und ging ins Exil auf Elba.
Zwar konnte er angesichts der Uneinigkeit der Sieger 1815 noch einmal zurückkehren und den Thron zurückerobern, doch hielt seine neue Herrschaft nur 100 Tage. Bei Waterloo endete am 18. Juni 1815 eine der glänzendsten Laufbahnen, aber auch eine der härtesten Militärdiktaturen der Weltgeschichte. Auf der Atlantikinsel Sankt Helena interniert, starb Napoleon I. am 5. Mai 1821.
Wussten Sie, dass …
Joséphine, die mit ihrem Gemahl zusammen zur Kaiserin gekrönt worden war, am Abend der Krönung überredet werden musste, die Krone zum Schlafengehen abzulegen?
sich Bonaparte von seiner ersten Frau und großen Liebe Joséphine de Beauharnais scheiden ließ, um aus dynastischen Gründen Marie Louise von Habsburg zu heiraten?
der einzige legitime Sohn des Kaisers, Napoleon II., nach dem Sturz seines Vaters als Herzog von Reichstadt durch die Allierten systematisch von der politischen Bühne ferngehalten wurde?
Wie verlief die legendäre Kaiserkrönung in Paris?
Napoleon bestellte den Papst Pius VII. extra nach Paris, damit dieser ihn in der Kathedrale Notre-Dame zum Kaiser krönte. Am 2. Dezember 1804 war es so weit: Der Papst betrat die Kirche, die Geistlichkeit intonierte den Hymnus »Tu es Petrus«, und Pius rief den Segen Gottes an, um Bonaparte zum Kaiser zu salben. Als der Papst aber die Krone vom Altar nehmen wollte, um den neuen Kaiser damit zu krönen, ergriff Napoleon dieselbe und setzte sie sich selbst auf.
Königin Viktoria: Personifizierung einer Epoche
Wie prägte Viktoria ein ganzes Zeitalter?
Ihre geschickte Politik während ihrer fast 64-jährigen Herrschaft trug entscheidend dazu bei, dass Großbritannien die führende Weltmacht war. Für die Institution der Monarchie bedeutender war indes etwas anderes: Viktorias immenses Ansehen bei ihren Untertanen. Im Gegensatz zu ihren Vorgängern hatte sie ein von Moral und Anstand geprägtes Leben geführt und Zurückhaltung in der Öffentlichkeit gezeigt. Ihre Ehe war ein Vorbild familiärer Eintracht, für die wohlhabende Mittelschicht das Wunschbild des eigenen Lebens.
Viktoria hatte die Monarchie rehabilitiert und die Königsfamilie wieder zur angesehenen, die Gesellschaft verbindenden Instanz erhoben. Der Nachwelt gilt ihre Regentschaft als eigene Epoche der englischen Geschichte und die Königin als Symbol des Empire.
Was war die wichtigste politische Leistung der jungen Königin Viktoria?
Es gelang ihr, durch eine Reihe längst überfälliger Reformen die britische Monarchie wieder zu stabilisieren.
Viktoria war das einzige Kind des Herzogs Eduard von Kent und der deutschen Prinzessin Marie Luise von Sachsen-Coburg-Gotha. Ihre Krönung fiel in die Phase erster innerer Reformen, ausgelöst nicht zuletzt auch durch den Regierungsstil ihrer Vorgänger. Schon Georg IV. (Reg. 1820–1830) hatte durch Prunksucht und Affären das Königshaus in Verruf gebracht. Unter dessen Nachfolger, dem streitfreudigen Exzentriker Wilhelm IV. (Reg. 1830–1837), dem Onkel der späteren Königin, waren Reformen schließlich unausweichlich geworden; den Anfang machte die Ausweitung des Wahlrechts in der Parlamentsreform von 1832.
Was führte zum wirtschaftlichen Aufschwung?
Verbesserung der Rahmenbedingungen und Erschließen neuer Märkte. Bald begann ein rasanter Aufschwung des nationalen Wohlstands. Zölle wurden abgeschafft und 1853 wurde der Freihandel in vollem Umfang eingeführt, Wirtschaft und Industrie blühten und England galt als »Werkstatt der Welt« – zugleich aber wuchs auch die soziale Ungleichheit. Daneben trat das Empire mit einem unverhohlenen Streben nach kolonialer Ausdehnung auf, baute seine Machtstellung aus und öffnete Märkte in Übersee für die heimische Industrie.
Warum bevorzugte die Königin zunächst die Liberalen?
Wegen des großen Einflusses, den der Premier Lord Melbourne auf sie ausübte. Zu Beginn ihrer Regentschaft hatte die junge Königin, die zeitlebens alle Aspekte der Tagespolitik engagiert verfolgte, in Melbourne einen ihrer engsten Vertrauten gefunden. Dank dessen Einfluss schenkte sie den Whigs, der späteren Liberalen Partei, ihre volle Unterstützung – zunächst jedenfalls. Denn 1840 heiratete sie Prinz Albert von Sachsen-Coburg-Gotha, der sich als politischer Berater überaus aktiv an den Alltagsgeschäften der Königin beteiligte.
Hatte ihr Mann Albert Einfluss auf ihre Politik?
Ja. Er bewegte sie zu einem Umschwenken. Seit den frühen 1830er Jahren herrschte politischer Dauerstreit und es lösten sich liberale und konservative Regierungen regelmäßig ab. Zankapfel waren soziale und politische Reformen: Arbeitsrecht, Sozialfürsorge, Bildung, das Parlament selbst. Als Kontrahenten standen sich Robert Peel und Lord Palmerston gegenüber, später Benjamin Disraeli und William Gladstone. Nach dem Fall der Regierung Melbourne 1841 hatte Albert seine Gattin von der konservativen Politik Peels überzeugt und so wechselte sie die Seiten.
Wer wurde nach Alberts Tod ihr engster Berater?
Der Premierminister Benjamin Disraeli. Als Prinz Albert 1861 mit nur 42 Jahren starb, stürzte Viktoria in eine tiefe Depression. Persönlichen Beistand in der Trauer bot ihr Disraeli, Peels Nachfolger als Führer der Konservativen Partei. Als Premier verfolgte Disraeli eine Außenpolitik der imperialen Expansion, was ihm die ungeteilte politische Sympathie seiner Königin garantierte.
Wussten Sie, dass …
Viktoria ihren Vetter Prinz Albert von Sachsen-Coburg-Gotha im Oktober 1839 kennen lernte und schon im Februar darauf Hochzeit gefeiert wurde? Die Ehe, aus der zwischen 1840 und 1857 neun Kinder hervorgingen, verlief überaus glücklich und harmonisch.
sie nach Alberts Tod jährlich mehrere Monate auf ihren Landsitzen Balmoral und Osborne verbrachte und sich zurückzog?
Disraeli Viktoria mit großen Gesten schmeichelte? Den Erwerb der Suezkanal-Aktien 1875 inszenierte er als persönliches Geschenk und 1876 schmückte er Viktoria mit dem Titel »Kaiserin von Indien«.
Kaiser Franz Joseph I. (1830–1916)
Waren Franz Joseph und Elisabeth wirklich ein Traumpaar?
Nur bedingt. Im glanzvollen Wien wird am 28. April 1854 eine Märchenhochzeit gefeiert. Die »schönste Prinzessin Europas« heiratet den strahlend jungen Kaiser von Österreich. Die blutjunge 16-jährige Braut Elisabeth, im Kreise der Familie liebevoll Sisi genannt, und ihr acht Jahre älterer Gemahl bilden ein ungleiches Paar, denn der 1830 geborene Franz Joseph I. steht nach sechs Regierungsjahren im Habsburgerreich bereits mitten im politischen Leben. Sisi, vom eher legeren Leben zu Hause in Bayern geprägt, fühlt sich schon bald inmitten der pompösen Pracht des Wiener Hofs mit seiner steifen Etikette und dem starren Zeremoniell fremd. Franz Joseph dagegen, als Thronfolger erzogen und gründlich auf seine Rolle vorbereitet, hält viel von standesgemäßer Pflichterfüllung.
Elisabeth entstammt einer Nebenlinie der Wittelsbacher, ist »nur« eine Herzogstochter und deshalb nicht unbedingt standesgemäß für einen Herrscher, der eine der mächtigsten Dynastien Europas repräsentiert. Doch der verliebte Kaiser kann seinen Gefühlen ungehindert folgen, denn die Heirat verursachte keine negativen politischen Verwicklungen.
Konnte der Kaiser das Reich zusammenhalten?
Auf der Landkarte Europas ist die Habsburgermonarchie eine imposante Größe. Franz Joseph ist Verfechter der uneingeschränkten, zentralistischen Herrschaft, liberale und nationale politische Strömungen sind ihm fremd. Aber er kann die Entwicklung nicht aufhalten: Die national-liberale Bewegung, die man bei der Revolution von 1848 noch mit brutaler Gewalt niederschlagen konnte, wird stärker. In den 1850er Jahren regt sich in Ungarn, einem wichtigen Bestandteil des Habsburger Vielvölkerstaats, Widerstand gegen den Wiener Zentralismus. Ein erweitertes Wahlrecht wird gefordert, doch über allem stehen die fast unlösbaren Nationalitätenprobleme im Vielvölkerstaat. Immer wieder bricht die Frage der nationalen Selbstbestimmung auf. Eine Lösung des Konflikts wird unumgänglich, aber noch ist Franz Joseph Integrationsfigur für seine Völker. Nach außen gemütlich wirkend, aber innerlich erstarrt, geht er unerschütterlich seinen Amtspflichten nach.
Kaiserin Elisabeth (1837–1898)
Wie eroberte Elisabeth die Sympathie der Ungarn?
Elisabeth hält sich meist aus den Staatsgeschäften heraus. Sie ist kein wirklich politisch denkender Mensch, sondern eher eine gefühlsbetonte Schwärmerin. Gerade diese romantische Seite an ihr spricht die Ungarn an. Gegen den heftigen Widerstand konservativer Kreise erhält Ungarn auf ihr Bestreben hin die Unabhängigkeit innerhalb des Habsburgerreichs. Äußeres Zeichen dafür ist die Annahme der ungarischen Königskrone durch den Kaiser. 1867, als sie in Budapest an der Seite ihres Gemahls zur Königin von Ungarn gekrönt wird, jubelt ihr das Volk dankbar zu.
Hielt Elisabeth dem höfischen Druck stand?
Frustriert, dass ihr der Einfluss auf die Erziehung ihrer vier Kinder verweigert wird, verlässt Elisabeth immer öfter das ungeliebte Wien und begibt sich auf lange Reisen. Die Eheleute haben sich entfremdet, der Kaiser hält sich eine Geliebte, Elisabeth wird immer exzentrischer. Von der Bewunderung und Liebe, die man der jungen Sisi entgegengebrachte, ist in Österreich nichts mehr zu spüren. Elisabeth stirbt im Alter von 61 Jahren: Am 10. September 1898 wird sie in Genf auf offener Straße von dem Anarchisten Luigi Luccheni mit einer Feile erstochen.
Blieb Franz Joseph denn nichts erspart?
Nach der Erschießung seines Bruders Maximilian in Mexiko, dem Suizid seines Sohnes und dem gewaltsamen Tod seiner Frau ereilt Franz Joseph ein weiterer Schicksalsschlag: 1914 wird sein Thronfolger und Neffe Franz Ferdinand in Sarajevo von einem serbischen Nationalisten erschossen – der Auslöser zum Ersten Weltkrieg. Dessen Ende erlebt Franz Joseph I. nicht mehr. Nach 68 Jahren als Kaiser stirbt er am 21. November 1916 in Wien, der Hauptstadt der untergehenden Monarchie.
Wie entbrannte Elisabeths Liebe zu Ungarn?
Die Liebe zu Ungarn vermittelt der jungen Elisabeth bereits in München ihr Hauslehrer, der ungarische Historiker Graf János Mailáth. In Wien wird ihre ungarische Hofdame Ida von Ferenczy zur engen Freundin. Durch sie lernt Elisabeth die Führer der ungarischen Autonomiebewegung Ferenc Deák (1803 bis 1876) und Graf Gyula Andrássy (1823-1890) kennen, mit dem man ihr eine Affäre nachsagt. Sie lernt Ungarisch und setzt sich offen für die politischen Belange ein. Die Ungarn beten ihre schöne Königin dafür förmlich an. Und Elisabeth bekennt immer wieder, wie glücklich sie sich bei »ihren« Ungarn und auf ihrem Schloss Gödöllö bei Budapest fühlt.
Wussten Sie, dass …
Franz Joseph I. und Elisabeth in direkter Linie miteinander verwandt waren? Ihre Mütter waren Schwestern, das Paar also Cousin und Cousine.
der junge Thronfolger zum Kaiser gekrönt wurde, nachdem sein Onkel Ferdinand I. nach der Märzrevolution von 1848 zurückgetreten war und sein Vater auf den Thron verzichtete?
Elisabeth nach dem Selbstmord ihres Sohnes Rudolf im Jahr 1889 bis zu ihrem Tod nur noch Schwarz trug?
Ludwig II.: Träumer auf dem Thron
War Ludwig dem königlichen Amt gewachsen?
Wie sich im Verlauf seiner Regierungszeit herausstellen sollte, eher nicht. Die zu jener Zeit übliche, streng hierarchische Erziehung am Königshof und der frühe Verlust des Vaters führten dazu, dass Erbprinz Ludwig schlecht auf sein Amt vorbereitet war, als er mit gerade 18 Jahren den Thron bestieg. Die strenge Hofetikette verbot soziale Kontakte mit Gleichaltrigen und formte aus ihm einen Sonderling und Einzelgänger.
Dabei entsprach der am Geburtstag seines Großvaters König Ludwig I., dem 25. August 1845 als Sohn von Kronprinz Maximilian und der Hohenzollern-Prinzessin Marie in Schloss Nymphenburg geborene Thronfolger in jungen Jahren dem Bild eines Herrschers auf fast ideale Weise: groß und schlank, eine leuchtende Schönheit. Sehr zu seinem Missvergnügen war die Macht des Königs aufgrund der bayerischen Verfassung deutlich eingeschränkt. Er hatte zum Beispiel keinen Zugriff auf staatliche Gelder und erhielt vom Parlament nur festgesetzte Summen als Apanage, wie das bis heute in konstitutionellen Monarchien üblich ist. Aber Ludwig II. war ein Monarch, der seine Träume rigoros zu leben trachtete und dabei jene Freiheit suchte, die ihm sein hohes Amt verweigerte. Nur – versunken in absolutistische Fantastereien vermochte der schwärmerische König kaum die Erwartungen seiner Untertanen zu erfüllen.
Von wem wurde Bayern wirklich regiert?
Von den Ministern. Ludwig wurde die königliche Würde zunehmend zur Bürde. Voller Verachtung für die »Niederungen« des Alltags, zog er sich immer mehr in seine Welt zurück. Seine Residenzstadt München bekam ihn kaum je zu sehen. Das Regieren überließ er den Ministern. Während der Entscheidungsphase im Vorfeld der Kriege von 1866 und 1870/71 flüchtete Ludwig in seine geliebten bayerischen Berge. Er versuchte zwar, Bayern aus den Kriegshandlungen herauszuhalten, aber eigener politischer Gestaltungswille war ihm genauso wenig gegeben wie die Fähigkeit, dem Druck seiner Kamarilla standzuhalten. Letztlich vollzog er nur per Unterschrift, was andere ihm vorschrieben; sogar der berühmte Kaiserbrief von 1871, mit dem er Preußen die Kaiserkrone anbot, war diktiert – von Bismarck.
Auf die Beitrittsverhandlungen zur Gründung des Deutschen Reichs nahm Ludwig keinerlei Einfluss – eine Verweigerungshaltung, die er mit Unpässlichkeit und Weltflucht begleitete. Seine Rücktrittsdrohungen nahm niemand ernst, er selbst wohl auch nicht. Dass in Bayern, das mit der deutschen Einigung von 1871 einen Teil seiner Souveränität hatte aufgeben müssen, reichsfeindliche und reichsfreundliche Kräfte miteinander rangen, war ein Politikum. Ludwig bekam natürlich dessen Sogwirkung zu spüren, ohne allerdings die Ursache wirklich zu erkennen, zumal einer seiner wenigen Vertrauten, der Oberstallmeister Graf Holnstein, auf beiden Seiten agierte. So geriet der König in einem politischen Machtkampf hinter den Kulissen zwischen die Mühlsteine der verschiedenen Interessen.
Welchen Leidenschaften frönte Ludwig?
Ludwig hatte nur zwei leidenschaftliche Vorlieben: Richard Wagner und das Bauen von Schlössern. Der abgöttisch verehrte Wagner wirkte auf den »Romantiker auf dem Thron« wie eine Droge. Der egomanische Komponist versuchte die bayerische Politik zu beeinflussen und den Monarchen finanziell auszuplündern. Sein Lebenswandel rief allgemeine Empörung hervor und erinnerte das Volk an die Lola-Montez-Affäre, die 1848 König Ludwig I., dem Großvater, den Thron gekostet hatte.
Die Schlösser Neuschwanstein, Linderhof und Herrenchiemsee – steingewordene Träume absolutistischer Herrschaft und Zufluchtsort – ließen der königlichen Bauwut freien Lauf. Er finanzierte sie aus seiner Privatschatulle, die am Ende selbstredend hoffnungslos überschuldet war. Die Gesamtkosten seiner bis auf Linderhof nie vollendeten Märchenschlösser beliefen sich auf die gewaltige Summe von 31,21 Millionen Mark. Aber sie setzten Bauwirtschaft und Handwerk in Arbeit und Brot; gerade das bayerische Kunsthandwerk profitierte enorm von Ludwigs Vorliebe für aufwändiges Interieur.
Verhielt sich der König standesgemäß?
Nein! Ludwigs seltsame Neigungen sowie die melancholische und verschrobene Art waren immer wieder Anlass für Gerede: seine nach wenigen Monaten wieder gelöste Verlobung mit seiner Cousine Sophie in Bayern, der Schwester der österreichischen Kaiserin Elisabeth, die nächtlichen Schlittenfahrten, die exzessiven Trinkgelage in ausschließlich männlicher, ganz und gar nicht standesgemäßer Gesellschaft! All dies war politische Munition, die nur darauf wartete, gezündet zu werden.
War der König verrückt?
Ein von der Regierung in Auftrag gegebenes ärztliches Gutachten bescheinigte dem König geistige Umnachtung und Unzurechnungsfähigkeit, woraufhin Ludwig am 9. Juni 1886 entmündigt wurde. Wie sich herausstellte, handelte es sich um ein Komplott, denn ein Arzt hatte Ludwig nie umfassend und gründlich untersucht. Wer aber wie Ludwig die Normen des Königtums sprengte, musste mit Widerstand rechnen. Sein mysteriöser Tod in der Nacht des 13. Juni 1886 bei Berg im Starnberger See hat die Spekulationen bis heute nicht verstummen lassen. War es Mord, Selbstmord, ein Unfall? Dem Mythos Ludwig war dieser Tod jedenfalls zuträglich.
Wussten Sie, dass …
der technikbegeisterte König Ludwig II. bereits zwei Jahre vor Patentanmeldung der Glühbirne (Kohlefadenglühlampe) durch Thomas Alva Edison im Jahr 1879 schon mit einer »elektrischen Beleuchtung« am Schlitten durch das Graswangtal zum Schloss Linderhof fuhr?
Schloss Linderhof mit den neuesten Errungenschaften der Technik ausgestattet war, wie zum Beispiel einem W.C., und dass die Raumtemperatur in der berühmten Grotte von einer richtigen Klimaanlage gesteuert werden konnte?
in der Münchener Residenz 1882 auf Drängen Ludwigs II. ein Telefon installiert wurde?
Meiji Tenno: Gründer des imperialen Japan
Wie kam Meiji Tenno an die Macht?
Europäische und amerikanische Kriegsschiffe fuhren 1854 ungehindert in den Hafen von Tokio. Dadurch wurde die Schwäche des Regimes der Familie Tokugawa offenbar, die 250 Jahre lang geherrscht hatte. In dieser Situation erschien die von Traditionalisten lange geforderte Wiedereinsetzung des Tenno als der einzige Ausweg. Nach einer Phase bewaffneter Kämpfe zwischen Anhängern des Shogun und Kaiserlichen wurde im Januar 1868 die Rückgabe der Herrschaft an den Tenno feierlich proklamiert. Der 1852 geborene Mutsuhito übernahm mit 16 Jahren unter dem Namen Meiji den Thron.
Welchen Einfluss hatte der Westen?
Die Regierungszeit des Meiji Tenno ist von beispiellosen Umwälzungen geprägt: Dazu zählen die Abschaffung des Feudalstaats mit seinem starren Ständesystem, die Errichtung eines zentralistischen Staatswesens nach europäischem Vorbild, der Aufbau eines schlagkräftigen Militärs und die Etablierung Japans als Kolonialmacht in Ostasien. Vor allem in den ersten beiden Jahrzehnten nach Amtsantritt des Tenno stand die japanische Gesellschaft unter dem Bann westlicher politischer, philosophischer und religiöser Ideen. Sie strömten derart schnell ins Land, dass selbst Intellektuelle beklagten, es bliebe kaum noch Zeit, sie gründlich zu verarbeiten.
Wie waren Tradition und Fortschritt vereinbar?
Diesen Spagat hat die japanische Gesellschaft scheinbar mühelos bewältigt. Der Tenno hatte längst das traditionelle japanische Hofgewand gegen eine schicke Uniform nach französischem oder preußischem Vorbild eingetauscht. Andererseits warnte der Tenno stets vor einer zu weit gehenden Verwestlichung und setzte sich sehr für den Erhalt historischer Stätten in Japan ein. 1873 wirkte er mäßigend auf die Bestrebungen ehemaliger Samurai ein, die einen Feldzug gegen Korea planten. Auch das 1875 auf öffentlichen Druck hin ergangene Edikt, für Japan endlich eine Verfassung zu erarbeiten, fand seine volle Unterstützung. Den Ausbruch des Kriegs mit China 1894 soll er bedauert haben.
Welchen Status hatte der Kaiser?
Nach dem Willen der politischen Elite, die seit der Meiji-Restauration die Schaltstellen realer Macht besetzt hatte, sollte der Tenno, »göttlich, heilig und unverletzlich«, gleichsam über der Verfassung schweben. Auch im kaiserlichen Erziehungserlass von 1890 wird die Göttlichkeit des Tenno betont. Traditionelle Herrschaftsvorstellungen wurden zur Durchsetzung konkreter politischer Ziele eingesetzt. Nach langwierigen innenpolitischen Auseinandersetzungen wurde 1889 schließlich die Verfassung proklamiert.
In der zweiten Hälfte der Meiji-Zeit wurde eine Rückbesinnung auf traditionelle Werte spürbar. Im Gleichklang mit dem internationalen Konzert wurden nun zunehmend nationalistische Töne laut. Die Führer der Meiji-Restauration wollten die Institution des Tenno als Achse des japanischen Staats und als Mittelpunkt japanischer Identität wiederbeleben.
Wirkt die Meiji-Zeit fort?
Ja. Meiji Tenno starb am 30. Juli 1912 und wurde in einem Mausoleum in Fushimi, am südlichen Rand Kyotos, beigesetzt. Der »Geist der Meiji-Zeit« begann und endete mit ihm, doch die in diesem Geist enthaltene Ambivalenz zwischen Öffnung und Isolierung Japans, zwischen Internationalität und Nationalismus blieb bis in die Gegenwart wirksam.
Wussten Sie, dass …
Meiji der 122. Tenno der offiziellen (nicht streng historischen) Chronologie auf dem Thron war?
Meiji »erleuchtete Regierung« bedeutet und als Bezeichnung für die neue Ära gewählt wurde?
mit Anbruch dieser neuen Ära die Burg des Shogun in Edo zum Kaiserpalast, Edo zu Tokio (östliche Hauptstadt) und zur Hauptstadt des modernen Japan wurde?
Wie lauteten die Erziehungsziele?
Vor allem Entwicklung eines Untertanengeistes. Der kaiserliche Erziehungserlass wurde bis zur Niederlage Japans 1945 in den Schulen neben dem Bild des Tenno wie eine Reliquie verehrt. In ihm ist der Gedanke von Japan als Familienstaat niedergelegt. Der »Urquell«, aus dem die Erziehung entspringt, ist die »unverbrüchliche Treue« des Untertanen gegenüber seinem Herrscher, die der »kindlichen Liebe« zu den Eltern gleicht. Die Tugend des Tenno beruht auf seinem göttlichen Ursprung.
Nikolaus II.: Russlands ignoranter Zar
Warum scheiterte Nikolaus II. mit seiner Politik?
Er regierte mit völlig überholten Herrschaftsansprüchen. Geboren am 18. Mai 1868 in Zarskoje Selo, dem heutigen Puschkin, nahe Sankt Petersburg, wuchs Nikolaus II. ganz in der Tradition eines Zarewitsch, eines Thronfolgers, auf, erhielt Privatunterricht und eine klassische konservativ-klerikale Erziehung. Als sein Vater, Alexander III., 1894 starb, wurde der Sohn oberster Machthaber Russlands. Im selben Jahr heiratete er Alexandra Fjodorowna, eine deutsche Prinzessin von Hessen-Darmstadt; mit ihr hatte er fünf Kinder.
Zar Nikolaus II. verstand sich als Alleinherrscher im Sinne seiner Vorgänger. Eine harte Linie sollte seine Herrschaftsrechte untermauern. Als er gegen Ende des 19. Jahrhunderts gegen die Selbstverwaltungsrechte nationaler Minderheiten im Land vorging, kam es etwa in der Ukraine oder in Finnland, dem er massiv den russischen Stempel aufdrücken wollte, zu heftigen Unruhen. Der Zar war aber auch der Initiator der Ersten Haager Friedenskonferenz 1899 mit international gültigen Regeln für Frieden, Abrüstung und die gewaltfreie Beilegung von Konflikten.
Was war der Auslöser für die Revolution von 1905?
Die aggressive Außenpolitik des Zaren bewirkte eine Zuspitzung der angespannten innenpolitischen Situation. Die Expansionstradition der Romanows löste 1904 den Russisch-Japanischen Krieg aus. Er endete für Russland mit einem Desaster und einem enormen Verlust an Soldaten, Schlachtschiffen und Land. Auf Vermittlung des amerikanischen Präsidenten Theodore Roosevelt wurde am 5. September 1905 der Frieden von Portsmouth geschlossen, Russland gab dabei unter anderem territoriale Ansprüche in China auf. Der Krieg war der letzte Auslöser der Revolution von 1905, die zwei Monate später in Russland begann.
Wieso musste der Zar politische Zugeständnisse an das Volk machen?
Die Zugeständnisse waren nötig, um die Aufständischen zu beruhigen und die Lage zu stabilisieren. Die sozialistisch organisierten Arbeiter riefen zum Generalstreik auf, die Menschen gingen auf die Barrikaden. Als sie dem Zar eine Bittschrift überreichen wollten, kam es zu blutigen Auseinandersetzungen. Die Ereignisse waren nicht mehr aufzuhalten, der Zar sah sich gezwungen, ein allgemeines Wahlrecht zuzulassen. Vor allem aber stimmte er mit seinem Oktobermanifest einer Verfassung zu, die eine gesetzgebende Nationalversammlung, die Reichsduma, vorsah. Doch schon 1906 wurde dieses Parlament wieder aufgelöst und der Zar kehrte zur gehabten Alleinherrschaft zurück.
Warum erkannte der Zar die Vorzeichen der Oktoberrevolution nicht?
Aus Arroganz und Ignoranz. Für den Zaren waren die Menschen seines Reichs Manipulationsmasse zur Erhaltung von Macht und Anhäufung von Reichtum. Im Winterpalast in Sankt Petersburg wurde mit goldenen Löffeln gegessen, während draußen die Massen hungerten und geknechtet wurden. Der Zar hatte die Transsibirische Eisenbahn bauen lassen, doch, so scheint es, nur zu einem Zweck: Abertausende Arbeiter wurden zwangsverpflichtet, in den Goldminen Sibiriens zu arbeiten und die Reichtümer Nikolaus' II. zu mehren. Im Volk brodelte es schon lang, doch die Palastmauern waren dick. Der Zar verließ sich auf den Rat von anderen, allen voran den seiner frömmelnden Ehefrau und eines eigenartigen Mönches namens Rasputin, dessen Einfluss das Volk erboste. Der Mystizismus regierte mit in Russland.
Als im Sommer des Jahres 1914 der Erste Weltkrieg ausbrach, nahmen die Spannungen im Land zu, aber Nikolaus II. verschloss weiter die Augen und verließ sich auf sein Schicksal. Zuvor riss er noch gegen jeden Rat den Oberbefehl über die Armee an sich. Das Volk war schließlich nicht mehr zu bremsen. Die Revolution von 1917 beendete den Zarismus in Russland, die Romanows wurden verhaftet und 1918 von den Bolschewisten in Jekaterinburg hingerichtet.
Wussten Sie, dass …
Rasputin eine außergewöhnlich sinnlich-sexuelle Ausstrahlung gehabt haben muss? Sonst ist kaum erklärbar, dass einem so ungepflegten Mann die Frauen zu Füßen lagen.
seine Heilmethoden ungewöhnlich waren? Seine Patientinnen wies er in seinem »Allerheiligsten«, seinem Schlafzimmer, in die Kunst der sexuellen Ausgelassenheit ein.
sein Ruf gigantisch wurde und es als schick galt, bei Rasputin in »Behandlung« zu sein?
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Je mehr elektrische Energie aus regenerativen Quellen wie Sonne und Wind erzeugt wird, desto anfälliger wird die Stromversorgung für kurzfristige Wettererscheinungen. Daher arbeiten die Forscher an immer präziseren und möglichst kleinräumigen Prognosen. von TIM SCHRÖDER Normalerweise lässt der Leuchtturm „Alte Weser“ weiße, rote...
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Vexierspiele der Schwerkraft – von ultradichten Sternruinen bis zu gigantischen Galaxienhaufen. von RÜDIGER VAAS Täuschungen kommen vom Himmel, Irrtümer von uns selbst“, notierte der französische Aphoristiker und Essayist Joseph Joubert einmal. Damals, vor mehr als zwei Jahrhunderten, konnte er noch nichts vom Gravitationslinsen-...