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Achtung: Diese Medikamente wirken bei Hitze anders
Dauerhaft hohe Temperaturen bedeuten für unseren Körper großen Stress – vor allem, wenn es wie aktuell selbst nachts nur wenig abkühlt. Die Hitze kann dann neben allgemeiner Erschöpfung und Schlaflosigkeit auch zu Kreislauf-Problemen führen. Menschen, die Medikamente nehmen, sind bei Hitze allerdings noch größeren Risiken ausgesetzt, denn die hohen Temperaturen können dazu führen, dass die Arzneimittel anders wirken als gewohnt oder den Körper schneller überhitzen lassen.
Abfallender Blutdruck und Schweißmangel
Vorsicht ist zum Beispiel bei blutdrucksenkenden, gefäßerweiternden Medikamenten wie Betablockern, Sartanen und ACE-Hemmern geboten. Denn bei Hitze erweitern sich unsere Blutgefäße ohnehin, um dadurch mehr Wärme an die Umgebung abzugeben und unseren Körper so vor dem Überhitzen zu bewahren. Die übliche Dosis an Blutdruckmedikamenten kann dadurch an heißen Tagen auf einmal zu hoch sein. Im schlimmsten Fall sinkt der Blutdruck durch diese Überdosis gefährlich weit ab und wir können in Ohnmacht fallen. Auch unsere Organe können durch zu geringen Blutdruck irgendwann unterversorgt sein, wodurch wir uns deutlich erschöpfter fühlen als sonst. Ebenso steigt das Risiko für einen Herzinfarkt. Die starke Durchblutung der Haut an heißen Tagen kann auch bei arzneimittelhaltigen Pflastern zu einer Überdosis führen, weil diese dann zu viel Wirkstoff abgeben.
Andere Medikamente wiederum können unseren Körper daran hindern, sich ausreichend vor dem Überhitzen zu schützen. So sorgen einige Mittel gegen Depressionen (Amitriptylin), Parkinson (Procyclidin), Harninkontinenz (Oxybutynin), Epilepsie (Topiramat) und Psychosen (Chlorpromazin) zum Beispiel dafür, dass wir viel weniger schwitzen und uns dadurch schlechter abkühlen können. Während einer Hitzewelle steigt dann das Risiko, einen gefährlichen Hitzschlag zu erleiden. Um das zu verhindern, empfehlen Mediziner, die reduzierte Schweißproduktion zu kompensieren – zum Beispiel durch kalte Arm- und Fußbäder.
Austrocknung und unbemerkte Überhitzung
An heißen Tagen besonders tückisch ist auch eine typische Nebenwirkung von Parkinsonmitteln, ACE-Hemmern und Neuroleptika: Sie sorgen dafür, dass wir weniger Durst verspüren und zu wenig trinken. Dadurch kann unser Körper dehydrieren. Auch Abführmittel und entwässernde Medikamente (Diuretika), die Wasseransammlungen im Körper ausschwemmen, können während Hitzewellen dazu führen, dass unser Körper zu stark austrocknet. Der Wassermangel im Körper macht sich dann zum Beispiel durch Kopfschmerzen, Müdigkeit, Konzentrationsstörungen und Schwindel bis hin zur Bewusstlosigkeit bemerkbar.
Doch nicht jeder merkt direkt, wenn er gerade gefährlich überhitzt, dehydriert oder sogar auf einen Hitzschlag zusteuert. Denn verschiedene Beruhigungs- oder Schlafmittel wie Benzodiazepine, Medikamente gegen Allergien, Antiepileptika und dämpfende Antidepressiva können dafür sorgen, dass wir eine Hitzeerschöpfung – die Vorstufe zum Hitzschlag – weniger stark wahrnehmen. Das liegt daran, dass diese Medikamente eine beruhigende bis sedierende Wirkung auf unseren Körper haben und dadurch unsere Wahrnehmung trüben.
Genau den gegenteiligen Effekt haben Migränemittel (Triptane), Mittel gegen Inkontinenz (Duloxetin), Androgenblocker (Cyproteron), einige Antidepressiva (Sertralin und Venlafaxin) und Antiepileptika (Topiramat). Sie verstärken die Hitzewahrnehmung im Körper, sodass wir noch stärker unter den hohen Temperaturen leiden.
Was sich dagegen tun lässt
Muss man Arzneimittel einnehmen, die bei Hitze anders wirken, lässt sich manchmal medizinisch gegensteuern, wie der Präsident der Bundesapothekerkammer, Thomas Benker, erklärt: „Bei Hitze ist möglicherweise eine Dosisanpassung erforderlich – dazu können Sie in der Apotheke vor Ort nachfragen. Aber bitte ändern Sie die Dosierung rezeptpflichtiger Medikamente nicht eigenständig, sondern sprechen Sie mit Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt darüber.“
Es gibt aber auch Medikamente, die nicht mit der Hitze an heißen Tagen wechselwirken, sondern mit der Sonne. So machen einige Antibiotika (Doxycyclin), Antirheumatika (Azapropazon), harntreibende Medikamente (Furosemid und Hydrochlorothiazid), Herzmedikamente (Amiodaron) sowie das stimmungsaufhellende Johanniskraut die Haut lichtempfindlicher, was bei zu viel Sonneneinstrahlung zu starken Hautreizungen und Sonnenbränden führen kann. Wer ein solches Mittel nimmt, sollte die Sonne daher lieber meiden.
Medikamente unbedingt richtig lagern
Doch auch Medikamente, die nicht zu den genannten Risikowirkstoffen gehören, können im Sommer Probleme bereiten – zumindest, wenn man sie nicht korrekt lagert. Denn zu hohe Temperaturen können Arzneimittel beschädigen und sie damit unwirksam machen oder Nebenwirkungen hervorrufen. Die meisten Medikamente fühlen sich bei Raumtemperatur zwischen 15 und 25 Grad wohl, es gibt jedoch auch Präparate, die in den Kühlschrank müssen, zum Beispiel Insulin. Bei der Lagerung sollte man sich daher immer an den Informationen auf der Verpackung orientieren – vor allem, weil man vielen Medikamenten wie Asthmaspray hinterher nicht ansieht, wenn sie zu heiß geworden sind.
Spätestens wenn man einem Medikament aber eindeutig ansieht, dass es zu viel Hitze abbekommen hat, sollte man es entsorgen und nicht weiter verwenden. Tabletten verfärben sich zum Beispiel bei falscher Lagerung, entwickeln Risse oder fangen an, ungewöhnlich zu riechen. Säfte und Injektionslösungen können bei zu hohen Temperaturen ausflocken oder eintrüben. Und bei Salben können sich die flüssigen von den festen Bestandteilen lösen.