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Warum gibt es aktuell so viele Masernausbrüche?
In letzter Zeit kam es vermehrt zu Masernausbrüchen. In Europa und Zentralasien breiten sich die Masern seit einigen Monaten besorgniserregend stark aus, wie verschiedene Gesundheitsbehörden berichten. In der Europäischen Region wurden zum Beispiel für das Jahr 2024 rund 127.000 Masernfälle gemeldet – die höchste Zahl seit 1997. Damals waren es rund 216.000 Fälle. In Europa mussten im vergangenen Jahr zudem tausende Menschen wegen schwerer Masernverläufe im Krankenhaus behandelt werden, 38 Infizierte starben.
Auch in den USA grassiert der Masernerreger derzeit wieder in 15 Bundesstaaten, obwohl die Infektionskrankheit dort bereits seit dem Jahr 2000 als ausgerottet galt. Seit Jahresanfang haben sich bereits über 300 Menschen angesteckt – mehr als im gesamten letzten Jahr. Besonders stark kursieren die Masern in Texas. Dort wurden seit Ende Januar 124 Masernfälle bestätigt, darunter waren 18 Menschen, die ins Krankenhaus eingeliefert wurden. Erstmals seit 2003 ist im Februar auch wieder ein Betroffener in den USA an der Krankheit gestorben. Aber was ist das für ein Erreger, der gerade solche Besorgnis auslöst?
Was sind Masern und wie werden sie übertragen?
Masern sind eine Viruserkrankung, die als Kinderkrankheit gilt, jedoch prinzipiell alle Menschen befallen kann. Die Ursache ist ein RNA-Virus aus der Familie der Paramyxoviren, das im Gegensatz zum Influenza- oder Coronavirus fast nur beim Menschen vorkommt.
Die Erreger sind für den Menschen hochansteckend – weit ansteckender als die meisten anderen Virusinfektionen – und übertragen sich überall dort, wo zu wenige Menschen geimpft sind. „Eine Person mit Masern kann zwischen zwölf und 18 ungeschützte Personen anstecken“, berichtet das Robert Koch-Institut (RKI). Zum Vergleich: Beim Coronavirus Sars-CoV-2 lag dieser Wert bei unter fünf. Die Übertragung der Masernviren erfolgt über Tröpfchen aus Mund oder Nase sowie über die Luft.

Welche Symptome verursachen die Masern?
Eine Infektion mit den Masernviren löst charakteristische rote Hautflecken aus, denen meist Fieber, Kopfschmerzen, Husten und Schnupfen vorangehen. In schweren Fällen kommt es auch zu Durchfall und Dehydrierung sowie zu Entzündungen der Lunge oder des Mittelohrs, die im Krankenhaus behandelt werden müssen.
Das Masernvirus hat zudem die Fähigkeit, über Nervenbahnen und die Blut-Hirn-Schranke bis ins Gehirn vorzudringen. Dort kann es in rund 0,1 Prozent der Fälle eine Entzündung der Hirnhäute und des Gehirns auslösen. Eine solche Meningoenzephalitis endet bei zehn bis 20 Prozent der Betroffenen tödlich, bei weiteren 20 bis 30 Prozent der Fälle bleiben Hirnschäden und geistige Behinderungen zurück.
Jährlich sterben rund 100.000 Menschen an solchen Komplikationen der Masern, wie die Weltgesundheitsorganisation WHO dokumentiert. Im Schnitt stirbt einer von 1.000 Infizierten. Zudem kann die Maserninfektion auch bei leichtem Verlauf das Immungedächtnis löschen. Das Immunsystem vergisst dann, welche Erreger es zuvor schon bekämpft hat, so dass die Betroffenen etwa ein Jahr lang anfälliger für andere Krankheiten werden.
Wie gut schützt eine Masernimpfung?
Impfstoffe gegen Masernviren, die Geimpfte vor einer Infektion schützen, wurden in Deutschland 1971 eingeführt. Bei einer einmaligen Dosis liegt die Wirksamkeit bei 92 Prozent, bei den für Kinder meist empfohlenen zwei Dosen bei 98 bis 99 Prozent. „Die Impfung ist der beste Schutz gegen das Virus“, betont die WHO. Sie enthält abgeschwächte Masernviren, die sich nicht mehr vermehren können.
Kleinkinder in Deutschland erhalten dieses Vakzin in der Regel in Kombination mit anderen Impfstoffen gegen Mumps und Röteln (MMR-Impfung). Beträgt die Impfquote in der Bevölkerung mindestens 95 Prozent, sind indirekt auch Personen geschützt, die selbst (noch) nicht geimpft werden können. Dazu zählen beispielsweise Säuglinge und Kleinkinder unter neun Monaten.
Zu Beginn des Jahrtausends hatten die meisten europäischen Länder hohe Impfquoten erreicht, woraufhin die Zahl der Maserninfektionen in Europa bis 2016 deutlich gesunken ist. Doch seit einigen Jahren lassen weniger Eltern ihre Kinder impfen, so dass Lücken im Bevölkerungsschutz entstanden sind. Seither treten auch wieder größere Ausbrüche auf, samt vermehrt schwerer Krankheitsverläufe, Krankenhausaufenthalten und vereinzelter Todesfälle.
Warum sind zu wenige Menschen geimpft?
Seit 2020 besteht in Deutschland eine Impfflicht gegen Masern für Kinder, die in die Kita oder die Schule gehen. Auch in den USA ist eine Impfung theoretisch schon seit Jahrzehnten Pflicht und die Impfrate unter Kindern sehr hoch. Im Schuljahr 2023/24 lag sie bei 93 Prozent, vier Jahre zuvor noch bei 95 Prozent. Doch weil die Corona-Pandemie die Impfroutinen störte, haben tausende Kinder noch einen Nachholbedarf bei der Masernimpfung.
Weitere Kinder sind nicht geschützt, weil ihre Eltern die Impfung aus religiöser Überzeugung ablehnen oder Angst vor Impfschäden haben. Tatsächlich gibt es schwere Nebenwirkungen der Impfung, diese treten jedoch wesentlich seltener auf als schwere Symptome bei einer Maserninfektion. Die Krankheit ist also gefährlicher als die Impfung.
Angst vor der Impfung schüren auch Falschnachrichten, wonach die Masernimpfung angeblich Autismus oder andere Krankheiten auslöst. Das stimmt jedoch nicht. „Es besteht keine Assoziation zwischen der Impfung und dem Auftreten eines Morbus Crohn, einer Colitis ulcerosa, von Autismus oder einer SSPE“, betont das RKI mit Blick auf chronische Darmerkrankungen und die Hirnschädigung SPPE.
Wie ist die Lage in Deutschland aktuell?
In Deutschland wurden für 2024 „nur“ 645 Masernfälle gemeldet. Damit liegen die Zahlen hierzulande noch ähnlich hoch wie im Auf und Ab der vergangenen 20 Jahre. Der letzte Tiefstand war 2021 mit acht Fällen, der letzte Höchststand 2015 mit 2.466 Fällen. Allerdings wäre eine erneute großflächigere Ausbreitung auch in Deutschland zeitnah möglich, weil es hier regionale Impflücken gibt. Laut RKI haben beispielsweise in Baden-Württemberg nur 68 Prozent der 2021 geborenen Kinder beide Masernimpfungen erhalten, in Sachsen nur 55 Prozent. Bundesweit waren im Jahr 2020 rund 93 Prozent aller Kinder doppelt geimpft.