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Kinofilm "Eingeimpft": Gefährliche Impfskepsis
Impfungen sind eine der wichtigsten Waffen der Medizin. Ihnen verdanken wir, dass potenziell tödliche Krankheiten wie Pocken, Tuberkulose, Diphterie oder Kinderlähmung bei uns so gut wie ausgerottet sind. Trotz dieser offensichtlichen Erfolge werden in Deutschland, aber auch in anderen Ländern Europas und in den USA zunehmend kritische Stimmen laut: die Stimmen der Impfskeptiker.
Angst vor Nebenwirkungen
Diese Menschen fokussieren sich anstatt auf den Nutzen mehr auf die vermeintlichen Risiken von Schutzimpfungen – vielleicht auch deshalb, weil sie sich von den Krankheiten selbst nicht mehr unmittelbar bedroht fühlen. Sie befürchten dagegen, die Vakzine könnten krankmachen und beispielsweise Allergien oder gar Entwicklungsstörungen wie Autismus hervorrufen.
Was einmal selbstverständlich war, wird von Eltern daher immer häufiger hinterfragt: Soll mein Kind geimpft werden? Genau diese Frage musste sich auch Filmemacher David Sieveking nach der Geburt seiner Tochter stellen. Denn während der Regisseur und Drehbuchautor Impfen immer "für so selbstverständlich wie Zähneputzen" gehalten hatte, äußerte seine Lebensgefährtin Angst vor Nebenwirkungen und Impfschäden.
Risiken im Vordergrund
Die gemeinsame Suche nach einer Antwort hat Sieveking in seinem neuesten Dokumentarfilm "Eingeimpft" festgehalten. Was einen wichtigen Beitrag zur objektiven Aufklärung hätte leisten können, ist allerdings gründlich danebengegangen, wie Wissenschaftler kritisieren.
Denn der Film informiert die Zuschauer nicht etwa ausgewogen über das Für und Wider in Sachen Impfungen. "Stattdessen werden impfkritische Meinungen vorwiegend unkommentiert wissenschaftlichen, evidenzbasierten Erkenntnissen gegenübergestellt", sagt der Präsident des Robert-Koch-Instituts Lothar Wieler. "Die Risiken des Impfens treten so überproportional in den Vordergrund."
Wissenschaftlicher Konsens
Durch diese Vorgehensweise unterschlägt der Film, dass unter seriösen Wissenschaftlern grundsätzlich ein großer Konsens beim Thema Impfen herrscht: "Impfstoffe weisen eine positive Nutzen-Risiko-Bilanz auf. Dies bedeutet, dass der positive Effekt des Schutzes vor einer Infektionskrankheit oder deren schwerem Verlauf gegenüber den erwarteten Nebenwirkungen überwiegt", konstatiert Klaus Cichutek, Präsident des Bundesinstituts für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel.
"Zugelassene Impfstoffe sind sicher und werden auch nach der Zulassung überwacht", so der Forscher weiter. Hinzu komme, dass in manchen Kreisen verbreitete Mythen über die Gefahren des Impfens längst widerlegt sind. Dazu gehört zum Beispiel auch das angeblich gehäufte Auftreten von Autismus im Zusammenhang mit Masernimpfungen.
Fatale Verunsicherung?
Wissenschaftler wie Cichutek befürchten daher, dass "Eingeimpft" nicht nur ohnehin impfkritische Eltern in ihrer Haltung bestärkt, sondern womöglich auch andere verunsichert – mit gefährlichen Folgen. Noch entscheidet sich in Deutschland zwar die Mehrheit der Eltern für das Impfen: Von den jährlich rund 650.000 Schulanfängern haben zwischen 84 und 97 Prozent die empfohlenen Impfungen erhalten.
Was passiert, wenn sich immer mehr dagegen entscheiden, hat sich am Beispiel Masern jüngst jedoch bereits gezeigt: Allein im ersten Halbjahr 2018 kam es in Europa zu 41.000 Masernfällen und 37 Toten und damit zu so vielen wie lange nicht. Der Grund: In einigen Gebieten werden die nötigen Impfraten nicht mehr erreicht. Um eine Ausbreitung des hochansteckenden Virus zu verhindern und beispielsweise auch noch ungeimpfte Säuglinge zu schützen, wäre eine Impfquote von mindestens 95 Prozent erforderlich.