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Fußball-WM in Südafrika - Menschen und Geschichten Folge 3 (Podcast 86)

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Deutsche Auswanderer im WM-Gastgeberland Südafrika: Sie sind so richtig europäisch und lieben ihr Brot? Dann haben Sie in Südafrika ein Problem. Denn gutes Brot ist hier Mangelware. Es sei denn, man landet in Judith Deisters deutscher Bäckerei in Kapstadt. Sie bringt damit Erlösung für alle europäischen Brotfetischisten, die ob des südafrikanischen Angebotes an Backwaren bisweilen verzweifeln. wissen.de-Autorin Tina Bucek hat Judith Deister dort besucht.

 

Südafrikaner verstehen unter Brot etwas völlig anderes

Der Geruch nach Roggenfeld und Omas Küche, dieses kleine, faustgroße Gebäck in der Hand, dieses Knacken beim ersten Zusammentreffen von Zähnen und Kruste und dann das weiche Innere, das, nicht süß und nicht sauer, nicht leicht und nicht schwer, im Mund nach und nach in einen wohlschmeckenden Brei zerfällt... Nichts geht über den herzhaften Biss in ein echtes Vollkornbrötchen.

Das dachte sich auch Judith Deister, als sie vor über zehn Jahren das erste Mal nach Südafrika reiste und in einem Supermarkt ein Teilchen kaufte, das Einheimische "Wholebread" (Vollkornbrot) nennen. Doch schon beim ersten Zubeißen zeigte sich: Was die Menschen am Kap unter Brot verstehen, ist gänzlich etwas anderes, als was ein verwöhnter Deutscher morgens gerne unter seine Erdbeermarmelade klemmt.

Judith, in Friedrichsroda im Osten Deutschlands geboren, in Köln aufgewachsen und gerade das Abitur in der Tasche, war voller Abenteuerlust ans Weltende geflogen, um hier ihren Cousin zu besuchen, der mit dem Fahrrad von Deutschland nach Kapstadt geradelt und hier hängen geblieben war – und die junge Frau fackelte ob ihrer ernüchternden Erfahrung mit afrikanischen Backwaren nicht lange. "Ich hatte mich sowieso sofort in das Land verliebt", erzählt die heute 35-Jährige, "da lag es irgendwie nahe,hier etwas einzustielen. Ein eigenes Geschäft: Warum eigentlich nicht?"

 

Mohnkuchen und Rosinenbrötchen locken aus Massivholzregalen

Wir treffen Judith in ihrer gemütlichen Backstube, die, ja, wirklich deutsch daherkommt, mit dunkel gebeizten Mazzivholzregalen und einer einladenden Verkaufstheke, aus der Mohnkuchen und Rosinenbrötchen den Kunden anlachen.

Dabei hat die hochgewachsene schlanke Deutsche das Backen eigentlich immer nur als Hobby betrieben hat. "Ich war Leistungssportlerin: Beachvolleyball", räumt sie ein. Dass sie hier auf eine Marktlücke gestoßen war, sei ihr sofort klar gewesen. "Ich habe selber das deutsche Brot vermisst und habe viele Touristen und auch Einwanderer aus Europa getroffen, denen es genauso ging. Da dachte ich mir: Wenn das hier keiner macht, dann mache ich es eben selbst."

 

Eine deutsche Oase in der Kloofstreet

Jetzt steht sie da, die "Bäckerei Dinkel", eine winzige deutsche Oase in der Kloofstreet, einer der großen Einfallstraßen Kapstadts. 80 Prozent der Kunden sind Deutsch. "Viel machen die Produkte aus", erklärt sich Judith den Zulauf. "Wir sind der einzige Laden in der Stadt, in dem es Pflaumkuchen gibt - den kennen die Einheimischen hier gar nicht." Ebensowenig wie Mohnkuchen, "der ist typisch deutsch. Weiße Brötchen sind in Südafrika labschig. Die kannst du eindrücken wie Luft. Je weicher, je besser... Unsere sind krustig - das ist deutsch", definiert die Geschäftsführerin ihre Brotphilosophie. Und noch etwas reizt die Einwanderin, die inzwischen mit einem Südafrikaner verheiratet und Mutter eines Kindes ist. "Zu uns kommen hauptsächlich ältere Damen." Mit denen könne man dann ein Schwätzchen halten, "das ist dann wie Zuhause in Deutschland!" Wiewohl Judith keinen Zweifel daran lässt, dass ihre Bäckerei natürlich auch für Einheimische, die einen Geschmack von deutscher Brottradition bekommen wollen, immer offen steht. "Selbstverständlich sprechen wir hier auch Englisch."

 

Wasser, Hefe, Salz und Mehl

Was ist also das Geheimnis deutscher Backkunst, Frau Bäckerin? Die Antwort von Judith ist so schlicht wie ihr Brot schmackhaft: "Wasser, Hefe, Salz und Mehl." Was das traditionelle Backhandwerk ausmache eben. Und um alles in der richtigen Mischung frisch und pünktlich anbieten zu könne, arbeitet Judith mit dem einheimischen Bäcker Shaun von der Bäckerei Artisan Breads zusammen, "der schwört ebenfalls auf deutsche Rezepte", versichert sie. Dabei ist sich Judith durchaus im Klaren darüber, dass auch in ihrem Heimatland mit dem geliebten Frühstücksfetisch nicht alles zum Besten steht. "Die Massen-Backshops sind keine gute Entwicklung. Gebacken in Tschechien, aufgebacken in Deutschland - das schmeckt man." Nur noch 30 Prozent der Bäckereinen in Deutschland würden das traditionelle Backhandwerk pflegen. "Mit meiner Bäckerei Dinkel in Kapstadt möchte die deutsche Back-Tradition erhalten."

Ein Leben zwischen den Welten – so fühlt es sich für die Deutsche in Afrika auch mit Doppelback zum Frühstück dennoch an: Ein Leben, das sie gerne lebt. "Es ist ein schöner Kontrast", sagt Judith. "Die südafrikanische Mentalität beißt sich mit dem Deutschtum, ergänzt es aber auch." Man könne voneinander profitieren, wenn man sich aufeinander einlasse ohne Vorurteile: "Die Südafrikaner können von uns Schnelligkeit und Effizienz lernen." Und was können wir Deutschen von den Südafrikanern lernen? Judith lacht: "Vor allem Gelassenheit!"

 

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