Wissensbibliothek

Kühlgemäßigte Breiten: Heimat der sommergrünen Laubwälder

Wo auf der Erde ist es kühlgemäßigt?

Die gemäßigten Breiten erstrecken sich sowohl auf der Nord- als auch auf der Südhalbkugel zwischen dem 45. Breitengrad und den Polarkreisen auf 66,5 º. Dort herrscht ein stark jahreszeitlich geprägtes Klima, das durch Sonnenhöhe und Tageslänge bestimmt wird. Die Sommer sind warm und hell, die Winter dagegen kalt und dunkel. Regen kann zu allen Jahreszeiten fallen.

Die kühlgemäßigte Zone mit vorherrschenden sommergrünen Laubwäldern bedeckt in Nordamerika einen breiten Streifen, der sich zwischen Nordkalifornien und der kanadischen Provinz British-Columbia bis zur Ostküste erstreckt. In Europa zieht sie sich als breites Band über West- und Mitteleuropa und den Süden Nordeuropas quer durch Eurasien bis nach Ostasien. Auf der Südhalbkugel zählen das südliche Chile, Südostaustralien mit Tasmanien sowie die Südinsel Neuseelands zu den kühlgemäßigten Breiten.

Übrigens: Obwohl auch in Nordamerika und Ostasien in der Eiszeit zahlreiche Arten in wärmere, südliche Gefilde verdrängt wurden, ist die Flora in diesen beiden Arealen weitaus artenreicher als in Europa. Dies ist auf den günstigen Gebirgsverlauf der Appalachen und des Südchinesischen Berglandes zurückzuführen, die sich in Nord-Süd-Richtung erstrecken, während der West-Ost-Verlauf der Alpen eine Barriere für die von Süden zurückwandernden Arten darstellte.

Was unterscheidet das Westseiten- vom Ostseiten-Klima?

An den Westseiten der Kontinente bringen Tiefdruckgebiete, die über den weiten Wasserflächen der Ozeane entstehen, das ganze Jahr über Regen. Die Temperaturen im Sommer und im Winter sind gemäßigt. Im Innern der Kontinente herrscht dagegen ein kontinentales kühlgemäßigtes Klima. Während im Winter Tiefdruckausläufer wenig Regen mit sich bringen, fällt der Sommerregen aus Gewitterwolken, die sich durch die starke Hitze über dem Land bilden.

Das außertropische Ostseitenklima wird das ganze Jahr über durch Kaltlufteinbrüche bestimmt. Im Winter kommt die Kaltluft aus dem Innern der Kontinente, im Sommer stammt sie aus den polaren Breiten. Die Niederschläge erreichen im Sommer ihr Maximum.

Die Jahresmitteltemperaturen der kühlgemäßigten Breiten betragen 8–12 °C. Die Mittel der wärmsten Monate erreichen einheitlich 15 °C bis etwas über 20 °C.

Warum fühlen sich Laubbäume in der gemäßigten Zone wohl?

Mit ihrem herbstlichen Blattabwurf passen sich die Laubbäume der kühlgemäßigten Breiten der kalten Jahreszeit an, denn bei den hier herrschenden tiefen Temperaturen würden die Blätter erfrieren. In den langen Sommern wachsen die Bäume und legen Stoffreserven an, mit deren Hilfe sie nach dem Winter austreiben und fruchten können. Sie benötigen eine Vegetationszeit von mindestens 120 Tagen, also Tage, an denen die Tagesmitteltemperatur über 10 °C liegt. In den ozeanisch geprägten Regionen sind sommergrüne Laubwälder aus Eichen, Buchen, Hainbuchen, Birken und Eschen weit verbreitet.

Unter den Bäumen liegt eine dichte, Schatten liebende Kraut-Gras-Schicht. Nach Osten hin werden die Laubbäume immer weniger. Zunächst verschwindet die Buche, deren östliche Verbreitungsgrenze dem Verlauf der Flüsse Dnjestr und Weichsel entspricht. Die Hainbuche schafft es noch über den Dnjepr hinaus, die Gemeine Esche bis in das Wolgagebiet. Eichen treten bis zum Ural auf. Noch weiter nach Osten reichen Birke und Eberesche. Wird es noch trockener, breiten sich in weiten Steppengebieten üppige, krautreiche, aber baumlose Grasländer aus.

Wo grünt es auch im Winter?

Immergrüne Wälder in den gemäßigten Breiten findet man vor allem in den südlichen, schon subtropischen Zonen.

Viele dieser Wälder wurden schon frühzeitig gerodet, zahlreiche Hartlaubwälder im Mittelmeerraum z. B. bereits in der Antike. Mit kleinen, lederartigen Blättern schützen sich dort die Bäume, vor allem Stein- und Korkeichen, vor dem Vertrocknen im heißen Sommer. An vielen Orten sind die natürlichen Hartlaubwälder Ersatzgesellschaften wie der Macchie, einer dichten Buschvegetation, oder der Garigue gewichen, die nur noch aus niedrigen dornigen Sträuchern oder duftenden Kräutern besteht.

Übrigens: Auf den Kanarischen Inseln und auf Madeira, vor allem aber in Ostasien sind Lorbeerwälder beheimatet. Sie benötigen ein schwüles, nicht aber unbedingt heißes Klima und können leichten Frost vertragen. Die kleinen Bestände auf La Gomera oder La Palma stehen unter strengem Naturschutz.

Ist der Wald auf dem Rückzug?

In den gemäßigten Breiten schon seit langem, denn für Siedlungen und die Landwirtschaft wurden die meisten Wälder seit dem Mittelalter gerodet.

Einst bedeckten die sommergrünen Laubwälder als natürliche Vegetationsform weite zusammenhängende Flächen. So schrieb der römische Historiker Tacitus wenige Jahrzehnte nach der Zeitenwende noch von Germanien als einem Land, das ihn durch »abstoßende Wälder, entstellt von Sümpfen« beeindruckt hat. Doch gerade diese Regionen wurden wegen ihres gemäßigten Klimas vom Menschen besonders dicht besiedelt; der einst fast urwaldähnlich anmutende Laubwald musste im Laufe der Zeit wirtschaftlichen Interessen weichen.

Heute sind meist nur noch mosaikartig eingestreute Restbestände innerhalb einer Kulturlandschaft erhalten. An die ehemaligen vielschichtigen Naturwälder mit reichem Krautwuchs erinnern noch am ehesten die wenigen erhaltenen Auenwälder, an trockenen Standorten die Restbestände von Eichen-Birken-Wäldern oder die unter Schutz gestellten Relikte.

Wie viele Tiere leben in unseren Wäldern?

Nach Schätzungen bevölkern etwa 500 Mio. Lebewesen einen Hektar Waldboden. Und die Zahl der Bakterien auf der gleichen Fläche lässt sich in Zahlen gar nicht mehr ausdrücken. Letztlich befinden sich in einer Handvoll guten Waldbodens mehr Organismen als es insgesamt Menschen auf der Erde gibt.

Zu jeder Jahreszeit verbirgt sich im sommergrünen Laubwald der gemäßigten Breiten ein überaus vielfältiges Tierleben, von dessen Zusammenleben oder gegenseitiger Konkurrenz der Waldspaziergänger kaum etwas ahnt. Allein die Jahr für Jahr neu sprießenden Blätter der Laubwälder bieten verschiedenen Lebewesen nahrhaftes Futter. In dieser grünen Speisekammer finden unzählige Pflanzenfresser – von der Schmetterlingsraupe bis zum Hirsch – reichlich Nahrung. Von den zahllosen Insekten und Wirbellosen leben wiederum Insekten fressende Vögel, Reptilien und Säugetiere. Sie stellen das Beutespektrum der Räuber dar, z. B. der Greifvögel aus der Luft und der großen Raubsäuger am Boden.

Insgesamt zeigt die Tierwelt der gemäßigten Wälder Eurasiens und Nordamerikas aufgrund der gleichen erdgeschichtlichen Ausgangslage große Übereinstimmungen.

Haben die Tiere noch genug Platz?

Mit dem Zurückdrängen des Waldes infolge der menschlichen Nutzung wird auch der einst üppige Lebensraum der waldbewohnenden Tiere immer mehr eingeengt. So wurden allein durch die Rodung von drei Vierteln der ursprünglichen sommergrünen Laubwälder im Osten Nordamerikas mehr Vogelarten unwiderruflich vernichtet als auf jedem anderen Kontinent. Aber auch durch die selektive Jagd und Hege bestimmter Waldtiere, z. B. Wildschwein, Rothirsch oder Reh, und die Bekämpfung mancher vermeintlicher Nahrungskonkurrenten wie Braunbär, Wolf, Luchs oder Uhu hat sich im Lauf der Jahrhunderte der Tierbestand in den Laubwäldern entscheidend verändert.

Wussten Sie, dass …

einst Schweine im Wald weideten? Sie wurden früher im Herbst zur sog. Eichelmast in die Eichenwälder getrieben. Das macht man heute noch in Spanien, um den beliebten Serranoschinken zu erhalten.

bevor ein Laubblatt im Herbst vom Baum abfällt, die entstehende Wunde geschlossen wird? Auf der dem Zweig zugewandten Seite bildet sich eine Schutzschicht aus Kork als »Narbe«.

nur 1 % aller Waldbrände in Mitteleuropa auf Blitzschlag zurückzuführen ist? Alle anderen werden durch menschliche Einwirkung verursacht, entweder gezielt oder durch Unachtsamkeit.

den größten Anteil an den weltweiten Waldbeständen – trotz ständiger Rodung immer hin noch etwa ein Drittel der Landfläche – die immergrünen tropischen Regenwälder sowie der kaltgemäßigte Nadelwaldgürtel haben?

Was ist eigentlich ...

eine Pflanzengalle? Eine aktiv von der Pflanze verursachte Neubildung von Blattgewebe, die von den normalen Strukturen abweicht. Ausgelöst wird sie von Bakterien, Pilzen oder Gallmücken.

eine Heidelandschaft? Die Zwergstrauchheiden in Mitteleuropa, auch die Lüneburger Heide, entstanden durch frühe Rodung von Laubwäldern. Schafe halten sie heute als »Landschaftspfleger« frei von Baumbewuchs.

der Altweibersommer? Eine in Mitteleuropa fast regelmäßig in der zweiten Septemberhälfte einsetzende Schönwetterperiode. Dann erstrahlen wie beim vergleichbaren Indian Summer in Nordamerika die bunt gefärbten Laubblätter besonders schön.

Gibt es noch Urwald in Europa?

Im Grenzgebiet zwischen Polen und Weißrussland erstreckt sich die Puszcza Białowieska, wörtlich übersetzt der »Urwald« von Białowieska. Der 981 km² große grenzüberschreitende Nationalpark, ein UNESCO-Weltnaturerbe, ist in der Tat der letzte natürliche Tieflandwald in Europa. In den Laubmischwäldern aus Hainbuchen, Stieleichen, Linden u. a. Bäumen gedeihen auch vereinzelte Fichten. Eine Sonderrolle in der reichen Fauna nehmen die erfolgreich ausgewilderten etwa 600 Wisente ein. Die Art hatte nur noch in Zoologischen Gärten überlebt – 1919 wurde das letzte frei lebende Exemplar vor Ort getötet.

Glühwürmchen bei Nacht
Wissenschaft

Warum Glühwürmchen ihr Leuchten entwickelten

Wie kleine, leuchtende Punkte schwirren Glühwürmchen in warmen Sommernächten durch die Luft. Diese Biolumineszenz dient ihnen heute vor allem dazu, Paarungspartner auf sich aufmerksam zu machen. Doch warum hat sich das Leuchten ursprünglich entwickelt? Die bislang führende Hypothese ging davon aus, dass das Glühen ursprünglich...

Trinkwasser
Wissenschaft

Mangelware sauberes Wasser

Der weltweit wichtigste Rohstoff Wasser benötigt auch hierzulande Schutz. Wissenschaft und Politik sind gefragt, den Eintrag von Mikroplastik zu verhindern.

Der Beitrag Mangelware sauberes Wasser erschien zuerst auf...

Weitere Artikel aus dem Wahrig Herkunftswörterbuch

Weitere Artikel aus dem Vornamenlexikon