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Umweltsünde Skiurlaub
Skifahrer bekommen die Folgen des Klimawandels deutlich zu spüren: Ihnen bleibt immer häufiger der Schnee weg. Doch die Wintersportler sind nicht nur Leidtragende, sondern auch Mitverursacher. Denn ihr Sport hinterlässt einen nicht unerheblichen ökologischen Fußabdruck in den Bergen. So wie Flugreisen mittlerweile mit der "Flugscham" verbunden sind, ist daher auch das Skifahren zunehmend verpönt.
Der Urlaub auf der Piste gilt aber nicht nur als Umweltsünde im Hinblick auf das Klima. Auch wegen anderer Folgen für die Natur wird der Skitourismus kritisiert. Doch wie schädlich ist diese Art des Urlaubs wirklich?
Eingriff in die Natur
Die ernüchternde Nachricht für alle Skifans: Wirklich umweltfreundlich ist der Pistenspaß tatsächlich nicht. So werden für Skigebiete teilweise ganze Ökosysteme umgebaut. Zwar verlaufen manche Pisten auch über Almen und natürliche Rasenflächen. Trotzdem müssen für ihre Anlegung oftmals Wälder gerodet, Böden planiert und mitunter sogar Felsen gesprengt oder Flüsse umgeleitet werden.
Hinzu kommen die Eingriffe, die für den Bau von Parkplätzen, Liftanlagen, Hotels und Co nötig sind. "Für Skigebiete und die dazugehörige Infrastruktur sind gigantische Flächen nötig. Das bedeutet einen großen Einschnitt in das jeweilige Gebiet und die Zerstörung von Lebensräumen", konstatiert Martina von Münchhausen von der Naturschutzorganisation WWF.
Gestresste Tiere
Durch die Verdichtung von Schneedecken werden zum Beispiel der Wasserhaushalt im Boden und die Luftzufuhr gestört. Dies kann die Pflanzengesellschaften beeinträchtigen und sich auch auf die Tierwelt auswirken. Für letztere bedeutet der Skitourismus darüber hinaus Stress: Gerade abseits der Pisten können Skifahrer und -wanderer leicht Tiere aufschrecken und zum Flüchten verleiten – das kostet sie wertvolle Energiereserven. Besonders betroffen sind zum Beispiel Gämse, Steinböcke, Rehe, Hasen und etliche Vogelarten.
Werden Pisten mit Flutlicht betrieben, sorgt dies in den Abendstunden darüber hinaus für weitere Irritation. So belegen Studien, dass die Lichtverschmutzung Insekten, Vögeln und vielen nachtaktiven Spezies schaden kann.
Problem Kunstschnee
Ein weiteres Problem ist die künstliche Beschneiung: Viele Skigebiete können nur mithilfe von Kunstschnee die ganze Saison über befahrbare Pisten bieten – gerade in Zeiten der Erderwärmung ist der Einsatz von Schneekanonen immer häufiger nötig. Der Betrieb solcher Anlagen verbraucht jedoch jede Menge Energie und Wasser. Für einen Kubikmeter Schnee werden im Schnitt drei bis fünf Kilowattstunden Strom und 250 bis 350 Liter Wasser benötigt. Für ein ganzes Skigebiet summiert sich dies schnell auf beträchtliche Mengen.
Weil Bäche, Flüsse und Co den ungeheuren Wasserbedarf im Winter nicht decken können, wurden vielerorts extra künstliche Speicherseen ausgehoben. Allein in Österreich gibt es inzwischen über 400 dieser Wasserreservoire. Der Deutsche Skiverband (DSV) betont jedoch, dass einmal ausgebrachtes Wasser immerhin nicht verloren ist. Es gelange nach der Schmelze in den natürlichen Wasserkreislauf zurück.
Emissionsreiche Anreise
Die Eingriffe in die Natur und die künstliche Beschneiung sind das eine – doch auch der Reiseverkehr trägt erheblich zum ökologischen Fußabdruck bei. So haben Forscher der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH) ausgerechnet, dass satte 75 Prozent der CO2-Emissionen eines einwöchigen Skiurlaubs auf das Konto der An- und Abreise gehen. Die meisten Urlauber kommen wenig umweltverträglich mit dem Auto ins Skigebiet.
Aus all diesen Gründen ist Skiurlaub eine Belastung für Natur und Klima – so wie andere Formen des Massentourismus auch. "Rein aus Naturschutzgründen sind viele Arten von Tourismus und viele Sportarten zu hinterfragen", sagt der Deutsche Skiverband. Nichtsdestotrotz habe der Wintersport seine Berechtigung.
Wie geht es umweltfreundlicher?
Denn der Skitourismus ist für viele Bergregionen ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Außerdem birgt er die Gelegenheit, Menschen in der Natur für die Natur zu begeistern, wie es auf der Internetseite des Verbands heißt: "Was ich liebe, schütze ich viel eher und bin daher auch im Alltagsleben eher bereit, mich für den Umweltschutz zu engagieren."
Was also können Menschen tun, die nicht auf das Naturerlebnis Skifahren verzichten, aber trotzdem auf ihren ökologischen Fußabdruck achten möchten? Um die Folgen des Winterurlaubs für Umwelt und Klima zumindest zu verringern, empfiehlt es sich, direkt bei der Anreise anzufangen: Die Fahrt mit der Bahn ist deutlich weniger emissionsreich als das Flugzeug oder Auto zu nehmen. Je näher das Urlaubsziel liegt, desto besser ist dabei die Ökobilanz der An- und Abreise.
Siegel als Orientierung
Auch bei der Auswahl des Skigebiets und der Unterkunft können Urlauber auf Nachhaltigkeit achten. Hotels, die Maßnahmen zur Energie- und Wassereinsparung, Abfallvermeidung und Ressourcenschonung ergreifen, können sich dies von unabhängigen Institutionen durch ein entsprechendes Siegel bestätigen lassen.
In Deutschland gibt es zum Beispiel das Zertifikat "Viabono", in der Schweiz zeichnet das Label "ibex fairstay" und in Österreich das Österreichische Umweltzeichen solche Bemühungen aus. Auch das EU-weit vergebene Label "Blaue Schwalbe" steht für vergleichsweise nachhaltige Urlaubsangebote. Zu den Kriterien für die Vergabe dieses Labels gehören unter anderem die Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln, die Durchführung von Wassersparmaßnahmen sowie das Angebot regionaler und saisonaler Speisen.
Ferienorte mit Nachhaltigkeitsanspruch
Doch nicht nur einzelne Anbieter, sogar ganze Skigebiete haben sich inzwischen den Umweltschutz auf die Fahnen geschrieben. Dazu gehören etwa jene Ferienorte in den Alpen, die sich zu den "Alpine Pearls" zusammengeschlossen haben. Sie fördern zum Beispiel die autofreie Anreise, betreiben ihre Lifte mit Strom aus regenerativen Quellen oder lassen nur bestimmte Mengen an Skifahrern auf den Berg. Wer dort Urlaub macht, bekommt zwar nicht unbedingt die modernsten Lifte, die steilsten Pisten und die größten Après-Ski-Partys geboten – dafür aber Erholung mit gutem Gewissen.