wissen.de Artikel

Von Hasenohren und Gänsefüßchen

Warum man Anführungszeichen, die die direkte Rede, ein Zitat oder eine unterschwellige Ironie markieren, umgangssprachlich als Gänsefüßchen bezeichnet, lässt sich heute nicht mehr ganz leicht erklären, weil sich in Zeitungssatz und Buchdruck, auf Schreibmaschine und Computer weitgehend die kommaartigen Häkchen und “ durchgesetzt haben. Seit der Barockzeit bis in die 1970er Jahre waren jedoch die eckigen Doppelklammern » und « gebräuchlich, die wie der Abdruck eines Gänsefußes aussehen.

In der Buchdruckersprache wurde die Spitzklammer zunächst lateinisch als »signum citationis«, als Zitierzeichen, bezeichnet, das ein Zitat kenntlich machte. Im 18. Jahrhundert bürgerte sich dann die deutsche Lehnübersetzung »Anführungszeichen« ein. Auch die bildhaften Begriffe Hasenohr bzw. Hasenöhrchen kamen zu dieser Zeit unter den Setzern in Mode. Der Züricher Verleger und Buchhändler Salomon Geßner (1730-88) führte - zoologisch offenbar nicht ganz sattelfest - den Begriff Gänseauge ein.

Doch diese Spitznamen konnten sich nicht dauerhaft etablieren. Es war dann der gewitzte Dichter Jean Paul (1763-1825), der den Ausdruck Gänsefuß durch seine scharfzüngigen Schriften populär machte. In der 7. Fußnote seiner »Vorschule der Ästhetik« (1804) spottete er etwa über »die Gelehrten, welche in jedem Werke nichts lieber haben und nützen als (...) die sogenannten Hasenöhrchen oder Gänseaugen und Gänsefüße, womit die Buchdrucker typisch genug die Anführ-Typen benennen«. Ein andermal (»Doppelwörter«, 1820) bemerkte er gallig, der antike Satiriker Horaz sei ohne solche Zeichen ausgekommen, aber »wir folgen natürlich gleichsam auf den Gänsefüßen dem Autor leichter und vernehmen ihn mit den Hasenöhrchen besser.« In der humoristischen Idylle »Leben des Quintus Fixlein« von 1796 schreibt er gar: »Die Seele des Kunstrates war jetzt nicht wie die nachgestochene im orbis pictus [das Sachbuch »gemalter Erdkreis« von 1658] aus Punkten zusammengesetzt, sondern aus Ausrufungszeichen; andere Seelen bestehen aus Parenthesen, aus Gänsefüßen, die meinige aus Gedankenstrichen.«

Am bekanntesten wurde indes ein Satz vom Anfang des Romans »Titan« (1800): »Da ich nicht absehe, was die Menschen davon haben, wenn ich die mir beschwerlichen Gänsefüße samt dem ewigen er sagte hersetze: so will ich den Auftrag in Person erzählen.« Genützt hat Jean Pauls Kritik indes wenig. Noch heute gibt es an deutschen Universitäten viele Professoren, die ihre Vorlesungen mit gesprochenen Gänsefüßchen zähflüssig gestalten - indem sie bei jedem Zitat ein »ich zitiere« oder »Zitat Anfang« und »Ende des Zitats« einfügen.

Weitere Artikel aus dem Wahrig Synonymwörterbuch

Mehr Artikel zu diesem Thema

Weitere Artikel aus dem Großes Wörterbuch der deutschen Sprache

Weitere Lexikon Artikel

Weitere Artikel aus dem Wahrig Herkunftswörterbuch

Weitere Artikel aus dem Vornamenlexikon