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Friedrich der Große (Podcast 170)

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Als Friedrich am 24. Januar 1712 das Licht der Welt erblickte, herrschte große Freude im preußischen Herrscherhaus der Hohenzollern. Ein männlicher Thronfolger war geboren, der 28 Jahre später tatsächlich den Thron bestieg und mit seiner Politik den Grundstein für den Aufstieg Preußens zur europäischen Großmacht legte. Nach seinem Tod 1786 wurde aus Friedrich zu einem Mythos, der viele Reaktionen, von Bewunderung bis Ablehnung  auslöste. Er war ein sensibler Feingeist, der als König aber zynische  Machtpolitik vorantrieb. Ein Aufklärer, der Toleranz predigte, den Menschen aber zutiefst misstraute. Er war der “Alte Fritz”, der sich wie ein Vater um sein Volk sorgte, aber seine direkten Untergebenen oft wie Vieh behandelte. wissen.de-Autor Christoph Marx zeichnet den – privat wie politisch – ambivalenten Charakter des Preußenherrschers nach.

 

Unglückliche Kindheitstage

Will man Friedrichs Widersprüche auf den Ursprung zurückführen, kommt man nicht an seiner Kindheit vorbei. Und die lediglich mit dem Schlagwort "unglücklich“ zu versehen eine ziemliche Untertreibung ist. Von klein an litt der zarte, feingeistige Friedrich unter den Demütigungen seines Vaters Friedrich Wilhelm I, des "Soldatenkönigs“, der ihm mit allen Mitteln zu einem tüchtigen Soldaten drillen wollte: "Täglich bekomme ich Schläge, ich werde behandelt wie ein Sklave und habe nicht die mindeste Erholung. Man verbietet mir das Lesen, die Musik, die Wissenschaften, ich darf mit niemanden mehr sprechen, bin von lauter Aufpassern umgeben“, schreibt Friedrich verzweifelt an seine ältere Schwester Wilhelmine. Mit 18 Jahren plante er mit seinem Freund Hermann von Katte die Flucht nach England, die aber misslang. Friedrich musste mitansehen, wie sein Freund wegen Hochverrats enthauptet wurde. In der Folge unterwarf er sich dem Willen des Vaters – und blieb doch seinen künstlerischen Neigungen treu.

 

Schöngeist und Hundefreund

Friedrichs  Talent in schöngeistigen Dingen war bemerkenswert. Er war ein sehr begabter Flötenspieler, er liebte Sprachen, besonders dem Französischen war er zugetan; zeitlebens konnte er die damalige Bildungssprache besser sprechen als Deutsch. Besonders gerne verfasste er Gedichte. Im Schloss Rheinsberg und später im Schloss Sanssouci in Potsdam traf sich Friedrich regelmäßig mit Gästen zum Musizieren oder zum geistreichen Gespräch über Wissenschaft, Literatur und Philosophie, am bekanntesten ist sein jahrelanger Kontakt mit dem französischen Aufklärer Voltaire, aus dem auch Friedrichs bekanntester aufklärerischer Essay hervorging: der "Anti-Machiavel“, ein Plädoyer gegen Machtmissbrauch. Aber Friedrich war auch den weltlichen Genüssen zugetan. Er hatte Spaß an Luxus  und wohl auch an der körperlichen Liebe, zumindest poetisch. Kurz vor Thronbesteigung schrieb er unter anderen  folgende Verse über die "Freuden des Orgasmus“. „Göttliche Wollust! Herrin der Welt! Unsere glücklichen Liebenden, in ihrer äußeren Leidenschaft,/Im Überschwang der Liebe kannten sie nur noch sich selbst:/ Küssen, in Lust zergehen, seufzen und sterben, /Neu auferstehen im Kuss, um wieder Lust zu werden. /Und in den Feldern von Knidos, erschöpft, außer Atem,/Ertragen sie die Waffenruhe des Augenblicks mit Mühe nur.“ Beim Verfassen dieser leidenschaftlichen Verse dürfte er an eine bestimmt nicht gedacht haben: seine Ehefrau Elisabeth Christine. Mit ihr pflegte Friedrich eine offene Nichtbeziehung. Die Verbindung blieb kinderlos und auch sonst versuchte man sich, so gut es ging, aus dem Weg zu gehen. So war auch bereits zu Lebzeiten Friedrichs Privatleben beliebtes Klatschthema. Von Geschlechtskrankheit bis zu homosexueller Neigung reichen die Spekulationen – bis heute. Wirklich geliebt hat Friedrich auf jeden Fall seine Hunde, seine berühmten Windhunde, die überall in Sanssouci Zugang hatten: im Park, zu Tisch und auch im königlichen Schlafgemach. Die Hunde waren Friedrich immer näher als die Menschen.

 

Menschenfreund und Zyniker

Dabei war Friedrich sehr wohl am Wohl seines Volkes interessiert, ja er galt bei der gebildeten Schicht als Hoffnungsträger, als Idol. Und seine ersten Proklamationen, nur wenige Tage nach seinem Machtantritt verkündet, hätten im Sinne der Aufklärung tatsächlich radikaler und progressiver kaum sein können: Er verbot gänzlich die Folter, in Europa bis dahin fast undenkbar, er sicherte allen Religionen Toleranz zu und erlaubte der Presse Meinungsfreiheit – zumindest auf dem Papier. Denn "hier muss ein jeder nach seiner Facon glücklich werden“, wie die wohl berühmteste Formulierung Friedrichs lautete. Auch reiste der "erste Diener des Staates“, wie sich Friedrich selbstlos bezeichnete, nach 1760 fast rastlos durchs Land, um die Modernisierung der Infrastruktur zu überwachen und die Ernährungslage der Bevölkerung zu verbessern. Legendär sein – allerdings zunächst nicht recht erfolgreiches – Werben für die Kartoffel. Doch gerade an diesem später gerne idealisierten Tun zeigt sich die Doppelgesichtigkeit Friedrichs. Seine Handlungen entsprangen nämlich wesentlich seinem schlechten Gewissen. Denn dass das Land so am Boden lag, hatte er allein zu verantworten – mit seinen Kriegen, die entgegen landläufiger Meinung tatsächlich bereits zu dieser Zeit Massenschlachten waren und das Land verwüsteten. Fürchtete sich Friedrich noch in jungen Jahren vor dem Kanonenfeuer, war Krieg führen gerade am Anfang seiner Regentschaft Friedrichs größte Leidenschaft.  Ohne Skrupel fiel er in Schlesien ein und löste damit eine Reihe von Kriegen mit Österreich und Russland aus. Er selbst befehligte in der Regel die Truppen, wobei er kühn und wagemutig, teils wie ein Hasardeur, wie ein Spieler vorging. "Alles oder nichts“ war sein Motto. Dass Preußen am Ende als Gewinner dastand, lag neben der enormen Schlagkraft der preußischen Armee vor allem auch -  an unverschämten Glück.  Damit hatte Friedrich das erreicht, was er ungewöhnlich offenherzig am Anfang als Motiv für seine Angriffskriege anführte: Ruhmessucht. "Meine Jugend, die Glut der Leidenschaft, der Ruhmesdurst, ja selbst die Neugier, um Dir nichts zu verhehlen, kurz ein geheimer Instinkt hat mich den Freuden der Ruhe entrissen, die ich genoß. Die Genugtuung, meinen Namen in den Zeitungen und später in der Geschichte zu sehen, hat mich verführt“, schrieb er einem Freund 1741. Sich selbst sah Friedrich dabei immer als Freigeist – bis zum Schluss. In seinem politischen Testament von 1752 verfügte er, nicht neben seinem verhassten Vater beerdigt zu werden: "Ich habe als Philosoph gelebt und will als solcher begraben werden, ohne Pomp und ohne Prunk. Man bringe mich beim Schein einer Laterne und ohne dass mir jemand folgt nach Sanssouci und bestatte mich dort ganz schlicht auf der Höhe der Terrasse, rechterhand, wenn man hinaufsteigt, in einer Gruft, die ich mir habe herrichten lassen.“  Erst 1991, im wiedervereinigten Deutschland wurde sein Wunsch erhört und auf Wunsch des damaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl seine sterblichen Überreste nach Sanssouci überführt. Auf dem Grab steht schlicht und einfach sein Name: "Friedrich der Grosse“. Und bis heute weiß jeder, wer damit gemeint ist.

 

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