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Die soziale Marktwirtschaft: Eine Sonderform

Was zeichnet die soziale Marktwirtschaft aus?

In der sozialen Marktwirtschaft stehen die wirtschaftliche Handlungsfreiheit und der soziale Ausgleich zwischen den Beteiligten gleichberechtigt nebeneinander.

Hinter dieser Verbindung steht die Vorstellung, dass der Staat nicht nur Bewahrer von Recht und Ordnung sein soll. Vielmehr hat er auch dafür zu sorgen, dass seine Bürger vor gesellschaftlich nicht akzeptablen Folgen freier Marktprozesse geschützt sind. Der freie Wettbewerb wird sowohl durch staatliche Wettbewerbspolitik zur Verhinderung allzu großer wirtschaftlicher Macht als auch durch Staatsleistungen, die der Markt nicht liefern kann, ergänzt.

Wie schützt der Staat die soziale Marktwirtschaft?

Insgesamt lassen sich die staatlichen Schutzmaßnahmen in fünf Bereiche unterteilen: erstens den Schutz des marktwirtschaftlichen Wettbewerbs gegen Machtmissbrauch durch große Unternehmen, zweitens das Recht auf Mitbestimmung der Arbeitnehmer bzw. ihrer Vertreter und das Recht der Tarifparteien auf unabhängige, eigenverantwortliche Lohnverhandlungen.

Drittens stimmt der Staat sein Ausgabeverhalten und die Gestaltung des Steuersystems auch auf konjunkturpolitische Notwendigkeiten ab. Viertens besteuert er zur Korrektur der vom Markt erzeugten Einkommensverteilung die Einkommensempfänger gemäß ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und verwendet Teile des Steueraufkommens für Transferleistungen wie Wohngeld oder Ausbildungsförderung. Fünftens ergänzt er die Daseinsvorsorge des Einzelnen durch soziale Sicherungssysteme, die in Notlagen aufgrund von Alter, Krankheit, Erwerbsunfähigkeit oder Arbeitslosigkeit Unterstützung bieten.

Worauf fußt das deutsche Wirtschaftsmodell?

Auf den Theorien des sog. Neoliberalismus, zu dessen wichtigsten Vertretern Friedrich August von Hayek (1899–1992) und Walter Eucken (1891–1950) zählten.

Die Wirtschafts- und Gesellschaftskonzeption des Neoliberalismus wurde in den 1930er Jahren entwickelt. Nach ihr soll sich der Staat nicht völlig aus wirtschaftlichen Belangen heraushalten, vielmehr soll er dort eingreifen, wo die Chancengleichheit der Angehörigen einer Gesellschaft gefährdet ist.

Was war das Wirtschaftswunder?

Als Wirtschaftswunder wird der beispiellose wirtschaftliche Aufschwung bezeichnet, den Westdeutschland in den 1950er Jahren erlebte. Diese Phase ist eng verbunden mit Ludwig Erhard, der mit der Währungsreform 1948 die Zwangswirtschaft beseitigte und als Bundeswirtschaftsminister zwischen 1949 und 1963 in Westdeutschland die soziale Marktwirtschaft durchsetzte.

1945 waren weite Teile Deutschlands zerstört. Der Plan des amerikanischen Finanzministers Henry Morgenthau (1891–1967) sah vor, den Verlierer durch die Demontage der noch intakten Industrieanlagen in ein Agrarland zurückzuverwandeln, um ihn so davon abzuhalten, je wieder einen Krieg zu führen. Morgenthau setzte sich angesichts der wachsenden Spannungen mit der UdSSR nicht durch. Die westlichen Siegermächte wussten, dass sich nur ein wirtschaftlich starkes Westdeutschland in das nordatlantische Verteidigungsbündnis integrieren lassen würde.

Hat die Marktwirtschaft auch Schwächen?

Praktische Erfahrung hat gezeigt, dass das marktwirtschaftliche System eine Reihe von Aufgaben nicht zu lösen vermag.

Zunächst stellt der Marktprozess keine gerechte Einkommensverteilung her. Dann sorgt er nicht für die Bereitstellung öffentlicher Güter wie Sicherheit, Recht und Infrastruktur. Negative Folgen des Wirtschaftens wie Gesundheitsschäden werden oft nicht vom Verursacher getragen, sondern auf die Allgemeinheit abgewälzt. Schließlich ist ein am Gewinnstreben ausgerichtetes Wirtschaften kurzfristig orientiert und vernachlässigt mögliche langfristige Folgen wie Umweltschäden durch Raubbau an der Natur. Und auch der Missbrauch wirtschaftlicher Macht stellt eine Gefahr dar. Diese Nachteile des marktwirtschaftlichen Systems rechtfertigen staatliches Eingreifen.

Lassen sich Markt- und Planwirtschaft verbinden?

Zwar gab es Versuche, sozialistische Eigentumsordnungen mit marktwirtschaftlichem Wirtschaften zu kombinieren, doch sie misslangen weitgehend.

Am bekanntesten wurde der sog. Neue Wirtschaftsmechanismus, mit dem das sozialistische Ungarn 1968 eine neue Konzeption des Marktsozialismus verwirklichte: Die Produktionsmittel verblieben in staatlichem Eigentum, jedoch wurde die zentrale Planung in einzelnen Bereichen durch den Marktmechanismus ersetzt.

Allerdings scheiterte das ungarische Experiment an der Unmöglichkeit, Anreize zum sparsamen Umgang mit den knappen Ressourcen zu vermitteln, ohne sich in ideologische Widersprüche zu verstricken. Es zeigte sich, dass solche Anreize nur aus der Erwartung der wirtschaftenden Menschen entstehen, die Früchte ihrer Bemühungen auch selbst ernten zu können. Diese Erwartung jedoch stand in unauflösbarem Gegensatz zu einer sozialistischen Eigentumsordnung, die kein Privateigentum kennt.

Kann die Marktwirtschaft die Planwirtschaft problemlos ersetzen?

Nein, bestehende Wirtschaftsstrukturen lassen sich nicht von heute auf morgen folgenlos verändern. Der Übergang von der Plan- zur Marktwirtschaft ist ein langer und für die Bevölkerung schmerzhafter Prozess, wie das Beispiel Russland zeigt.

Nach der politischen Demokratisierung und der Bankrotterklärung der Planwirtschaft musste das Land ein System von Marktpreisen einführen, musste Märkte und deren institutionelle Basis schaffen, Staatseigentum privatisieren und eine neue Art von Unternehmertum schaffen. Doch die neuen, privaten Besitzer der einstigen Staatsbetriebe waren auf schnellen Profit aus. Sie zerschlugen die Betriebe lieber anstatt sie zu modernisieren und neue, dauerhafte Arbeitsplätze zu schaffen. In der Folge wurden viele Russen arbeitslos. Die Freigabe der Preise – die zuvor staatlich festgelegt waren – führte zu massiven Preissteigerungen.

Hat die Einführung der Marktwirtschaft Armut erzeugt?

Durchaus. In Russland beispielsweise wurden während der Privatisierungsmaßnahmen nach dem Zerfall der Sowjetunion kaum Vorkehrungen zur Milderung der sozialen Folgen getroffen. Die Notwendigkeit einer Arbeitslosenversicherung hatte in Zeiten der UdSSR nicht bestanden, weil es keine Arbeitslosigkeit gegeben hatte. Während nun große Teile des ehemaligen Volksvermögens in die Hände einiger weniger fielen, waren die Menschen, die durch Betriebsschließungen arbeitslos wurden, der Verschlechterung ihrer Lebensbedingungen ungeschützt ausgesetzt.

Der Glaube, eine Wirtschaft lasse sich im Eiltempo reformieren, hat sich als trügerisch erwiesen. Die Ergebnisse der marktwirtschaftlichen Schocktherapie in Russland blieben hinter jenen weit zurück, die ein allmählicher Übergang etwa nach dem Muster Polens oder Ungarns erbrachte.

Wer prägte den Begriff der sozialen Marktwirtschaft?

Geistesgeschichtlich geht der Begriff auf den deutschen Wirtschaftswissenschaftler und Soziologen Alfred Müller-Armack (1901–78) zurück. Als Vorsitzender verschiedener Wirtschaftsausschüsse und leitender Mitarbeiter im Bundeswirtschaftsministerium formulierte er Wesen und Rahmenbedingungen einer Wirtschaftsstruktur, die mit sozialpolitischen Maßnahmen gepaart ist. Für die praktische Umsetzung dieser Vorstellungen sorgte Wirtschaftsminister Ludwig Erhard (1897–1977).

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