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Was verkörpert die einsame Frau in »Automat«?

Sie steht symbolhaft für die moderne (amerikanische) Massengesellschaft. Die junge, mit grünem Mantel und beigem Hut bekleidete Frau sitzt alleine an einem runden Tisch in einem hell erleuchteten Restaurant. Sie wirkt bewegungslos, in sich gekehrt, ihr Blick ist gesenkt. Mit der einen, bloßen Hand– die andere steckt in einem Handschuh– umfasst sie den Henkel der Kaffeetasse. Setzt sie die Tasse gerade ab oder will sie trinken? Vielleicht hält sie sich nur daran fest. Man weiß nicht, was sie vorhat, was sie hier will, was sie sonst tut, woher sie kommt, wohin sie geht. Der Betrachter erfährt wenig über diese Frau, sie ist ein Geheimnis. Da sie völlig alleine ist, kein anderes Lebewesen zu sehen ist, weiß man auch nichts über die Art ihrer Beziehungen zu anderen Menschen. Sie fügt sich ein in die kahle, unpersönliche Atmosphäre des Ortes und verkörpert die Kälte und Einsamkeit der modernen Welt.

Hopper nannte sein Bild aus dem Jahr 1927 »Automat« (englisch für Automatenrestaurant). Der Betrachter weiß nur aufgrund des Bildtitels, dass sich die Frau in einem Automatenrestaurant befindet, denn es sind ja keine Automaten zu sehen. Hopper könnte mit »Automat« auch die Frau selbst gemeint haben, zumindest schließt er die Doppeldeutigkeit nicht aus. Tatsächlich wirkt sie in ihrer verschlossenen Haltung und blicklosen Starrheit alles andere als lebendig. Die Künstlichkeit des Raums überträgt sich auf die Frau.

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