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Das mittelalterliche Mönchtum: Zwischen Reform und Verfall
Welchen Einflüssen waren die Klöster ausgesetzt?
Die Geschichte der mönchischen Lebensform ist geprägt von Aufbau- und Zerfallsbewegungen, geleitet vom Versuch, geistlichen Bedürfnissen ebenso gerecht zu werden wie den weltlichen Funktionen der Klöster. Die Einflüsse kamen dabei sowohl aus den Orden selbst als auch aus der Gesellschaft, vor allem auch von den Trägern der weltlichen und kirchlichen Gewalt.
Wie reformierte sich das Mönchtum?
Wenn auch der Begriff »Reform«, der den gestalterischen Veränderungswillen unter Wahrung der Tradition bezeichnet, erst ab dem 13. Jahrhundert in Bezug auf das Mönchtum gebraucht wird, so sehen wir entscheidende Reformbemühungen schon im Versuch der Aachener Bestimmungen der Jahre 816–819, die Frage nach der wahrhaft gottgefälligen Lebensform neu zu beantworten. Der französische Klostergründer Benedikt von Aniane (gestorben 821) verpflichtete hier in Zusammenarbeit mit dem fränkischen Kaiser Ludwig dem Frommen (Reg. 814–840) das Mönchtum zu einer strengen Einhaltung der Regel des Benedikt von Nursia (um 480–547) und einer einheitlichen alltäglichen Lebensführung.
Was wollten die Mönche von Cluny ändern?
Bereits ab 900 zeigte sich erneut ein Bedürfnis nach Reformen in Mönchtum und Kirche, zum Teil bedingt durch politische Auflösungs- und Krisenerscheinungen. Zahlreiche Klöster waren von den strengen Regeln der Askese und des Gottesdienstes abgekommen, so dass eine neue Spiritualität gesucht wurde. Sie hob etwa die liturgischen Pflichten hervor, da die Mönche letztlich für die Gemeinschaft aller Christen beteten und Spender wie Stifter von Klöstern Fürbitte für ihr Seelenheil erwarteten. Neben Zentren wie Gorze, Fruttuaria und Hirsau nahm vor allem das 910 gegründete Cluny den Reformgedanken auf. Solche Neugründungen waren immer auch Versuche, den Einflüssen weltlicher Mächte zu entkommen. In den folgenden Jahrzehnten schlossen sich zahlreiche Häuser dieser Abtei an und bildeten mit ihr einen straff organisierten Verband.
Welche Orden wurden im Hochmittelalter neu gegründet?
Die Konzentration Clunys auf liturgische Dienstleistungen und der große Einfluss seiner Äbte gerade auch in politischen Fragen führten rasch wieder zum Verlangen nach größerer Verinnerlichung der mönchischen Ideale. Im Jahr 1098 gründete Robert von Molesmes das Kloster Cîteaux, die Keimzelle des Zisterzienserordens, mit dem Ziel der Weltabgeschiedenheit. Bereits 1153, im Todesjahr des wohl berühmtesten Vertreters des Ordens, Bernhard von Clairvaux, gehörten 350 Häuser diesem Orden an. Der mit dem Wachstum verbundene wirtschaftliche und politische Machtgewinn ging aber wiederum bald am Verlangen vieler Menschen nach spirituellen Werten vorbei.
Wer war außerdem an den spirituellen Reformen beteiligt?
Ab dem Ende des 12. Jahrhunderts entstand eine breite Laienbewegung, die nach Formen apostolischen Lebens und strengen Idealen strebte. Geführt von Predigern, die vor allem in den Städten Südfrankreichs und Italiens starken Anklang fanden, stellten diese Gruppen die weltliche Macht der Kirche in Frage. Da man sie aufgrund ihrer großen Zahl nicht vollständig als Häretiker aus der Kirche ausgrenzen konnte, versuchte Papst Innozenz III. (Papst 1198–1215) ihre gemäßigten Teile zu reintegrieren, indem er die später so genannten Bettelorden der Dominikaner und Franziskaner unterstützte.
Mit ihrem gelebten Armutsideal und ihrer Predigttätigkeit griffen sie die Bedürfnisse der Bevölkerung stärker auf als die unterdessen reich gewordenen Zisterzienser. Schon die geschätzten Zahlen von etwa 15000 Dominikanern und 30000 bis 40000 Franziskanern um 1300 vermögen dies zu belegen.
Wer profitierte von den Klöstern?
Deutsche Herrscher gründeten oft Klöster an strategisch wichtigen Punkten, um das teilweise nur oberflächlich christianisierte Land zu kontrollieren. Solange das Recht dem Erstgeborenen das gesamte Erbe zusprach, waren Klöster immer auch Anlaufstellen für besitzlose Nachgeborene. Gleiches galt für Töchter aus armen Familien, die mangels Mitgift nicht verheiratet werden konnten. Zu Zeiten von Kriegen und Hungersnöten strömten wahre Massen in die Klöster, wobei viele nicht an einem asketischen Leben interessiert waren.
Wie unterscheiden sich die Orden?
An der Frage, wie streng die Armutsvorschrift auszulegen sei, spaltete sich nicht nur der Orden der Franziskaner. Auch andere Mönchsorden hatten im 14. und 15. Jahrhundert mit Problemen zu kämpfen: Pest, Krieg und das große Kirchenschisma ließen ein Krisenbewusstsein entstehen, das zu asketischen Reformbewegungen führte. In den Bettelorden entstanden Observanzbewegungen mit dem Ziel einer strengen Lebensführung. Auch bei den Benediktinern sind entsprechende Reformansätze zu einer Erneuerung des Mönchtums zu beobachten, und der strikte Einsamkeit vorschreibende Kartäuserorden erfreute sich in dieser Zeit großer Beliebtheit.
Wussten Sie, dass …
Benedikt von Nursia, der Begründer der Benediktinerregel, in der katholischen Kirche als Heiliger verehrt wird und seit 1964 Schutzpatron Europas ist?
kirchliche Reformen im 11. Jahrhundert vor allem gegen Ämterkauf, Priesterehe und Laieninvestitur – die Vergabe kirchlicher Ämter durch weltliche Herrscher – vorgingen?
sich die cluniazensischen Reformen auch gegen weltliche Einflussnahme auf den Papst richteten?
der Zisterzienser Bernhard von Clairvaux mit seinen Reden maßgeblich am Zustandekommen des Zweiten Kreuzzugs (1147–1149) beteiligt war?
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