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Meeresströmungen: Wasser in Bewegung

Wo fließen die größten Ströme der Erde?

Die gewaltigsten Ströme der Erde sind nicht etwa die Flüsse Nil oder Amazonas, sondern der antarktische Zirkumpolarstrom oder auch Westwinddrift. Diese Meeresströmung auf der Südhalbkugel treibt kaltes Wasser von Westen nach Osten rund um den gesamten Globus. Doch auch sonst ist das Wasser der Weltmeere ständig in Bewegung. Es fließt in riesigen Strömen mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten und wird dabei von zahlreichen Kräften beeinflusst und abgelenkt.

Wie entstehen Meeresströmungen?

Meeresströmungen werden durch mehrere physikalische Mechanismen erzeugt. Die Oberflächenströmung, die bis in eine Tiefe von 100 m, in den Tropen auch bis 200 m reicht, entsteht durch den Einfluss anhaltender Winde, vor allem durch Passate und Westwinde, aber auch tropische Monsune, die das Oberflächenwasser in Bewegung setzten. Oberflächenströmungen erreichen Durchschnittsgeschwindigkeiten von 20 cm/sec; die Spitzenwerte liegen jedoch bei über 200 cm/sec.

Doch auch in der Tiefe der Ozeane zirkulieren riesige Wassermassen. Diese Tiefenströmungen werden durch die Dichteunterschiede des Wassers angetrieben. Der dritte große Mechanismus ist die Anziehungskraft des Mondes, der die Gezeiten und damit vor allem viele Küstenströmungen erzeugt.

Folgen Meeresströme einem bestimmten Muster?

Ja, und das ist leicht zu erkennen, denn die Oberflächenströme bzw. Driftströme der Weltmeere decken sich mit den Windsystemen der Erde.

Auf beiden Seiten des Äquators zwingen die heftigen Passatwinde das oberflächennahe Meereswasser in westliche Richtung. Wären die Kontinente nicht im Wege, würden die Meeresströme endlos die Erde umkreisen. So prallen die Nord- bzw. Südäquatorialströme jedoch auf die Ostseiten der Kontinente und fächern sich auf. Ein Teil der riesigen Wassermassen fließt auf der Äquatorseite in die ostwärts gerichteten sog. äquatorialen Gegenströme, ein anderer Teil strömt polwärts weiter. Ab dem 40. Grad geografischer Breite werden diese Strahlströme von den dort vorherrschenden Westwinden angetrieben und nach Osten gelenkt. So entstehen große, kreisförmige Strombänder: zwei auf der Nordhalbkugel und drei auf der Südhalbkugel.

Übrigens: Mit der jahreszeitlichen Verlagerung der Windsysteme in Abhängigkeit vom Sonnenstand verschieben sich auch die Strömungskreise in Nord-Süd-Richtung.

Wo gibt es die meisten Fische?

Zu den produktivsten Meeresregionen gehören jene Gebiete, in denen warme und kalte Ströme zusammentreffen und einander verwirbeln. Dabei quillt nährstoffreiches Tiefenwassers auf, z. B. im Bereich der ozeanischen Polarfront vor Südostgrönland und Neufundland. Besonders fischreich sind auch die Kaltwasser-Auftriebszonen an den Westseiten der Kontinente, wo ablandige Passatwinde das Oberflächenwasser verdrängen und durch aufsteigendes nährstoffreiches Tiefenwasser ersetzen. Meeresströmungen mit ihren horizontalen und vertikalen Wasserbewegungen bestimmen also weitgehend die natürliche Fruchtbarkeit der Meere.

Welchen Einfluss haben die Meeresströmungen auf unser Klima?

Gäbe es die großen Meeresströme nicht, wäre das Temperaturgefälle der Erde vom Äquator bis zu den Polen erheblich extremer als es ist.

Dort, wo kalte Meeresströmungen wie der Benguela- oder der Humboldtstrom entlang der Westküsten der Kontinente von Süden nach Norden fließen, verschieben sich kühlere Klimazonen äquatorwärts. Dagegen transportieren Strömungen aus den tropischen Bereichen Wärme bis in hohe Breiten und sind hier für milde Klimaverhältnisse verantwortlich. Ein bekanntes Beispiel ist der Golfstrom.

Der Golfstrom bildet sich vor der Ostküste Nordamerikas beim Zusammenfließen des Antillenstroms mit dem Floridastrom. In der Nähe von Grönland teilt er sich in mehrere Zweige auf. Ein Großteil des Warmwassers kühlt ab, wird schwerer, sinkt schließlich ab und kehrt als kalte Ausgleichsströmung nach Süden zurück. Der Rest fließt als Nordatlantischer Strom bis in das Europäische Nordmeer und sorgt bei uns dafür, dass das Klima deutlich milder ist als in Gebieten, die auf dem gleichen Breitengrad liegen.

Wird die Wärmepumpe versiegen?

Möglicherweise, denn neueste Forschungen deuten auf eine eventuelle Abschwächung der Warmwasserströmung hin.

Die Ursachen für die dann folgende Abkühlung in Europa werden paradoxerweise in einer Klimaerwärmung gesehen: Durch den Temperaturanstieg würde sich das Oberflächenwasser nicht ausreichend abkühlen und daher nicht in die Tiefe sinken. Abschmelzendes Grönlandeis könnte außerdem die Salzkonzentration verringern und die sog. thermohaline Zirkulation stoppen. Dadurch würden die Durchschnittstemperaturen in Europa innerhalb weniger Jahrzehnte um 5–10 °C sinken – mit katastrophalen Folgen.

Wann kommt El Niño?

Das El-Niño-Phänomen (spanisch für »Christkind«) tritt etwa alle 4–30 Jahre ein. Dabei wird der kalte nährstoffreiche Humboldtstrom an der Westküste Ecuadors und Nordperus durch warmes nährstoffarmes Meereswasser überlagert, das aus dem tropischen Norden nach Süden vorstößt. Diese um die Weihnachtszeit auftretende Unregelmäßigkeit hat für das Klima großer Regionen Südamerikas und Südostasiens weitreichende Folgen: Die Erwärmung des Ostpazifiks bei einem El Niño führt zu höheren Niederschlägen und Flutkatastrophen in Südamerika, die Abkühlung im Westpazifik dagegen zu Trockenheiten in Asien und Afrika.

Wie funktioniert der »Salz-Motor«?

Als Antriebskraft der gewaltigen Tiefenströmungen wirkt der Dichteunterschied, hervorgerufen durch die unterschiedlichen Temperaturen (griechisch »thermos«) und den Salzgehalt (griechisch »hal«). Denn kühles, salzreiches Wasser ist von seinem spezifischen Gewicht her schwerer als warmes, salzarmes Wasser und sinkt daher stets nach unten.

Von großer Bedeutung für die thermohalinen Strömungen sind die Meeresregionen in den Polargebieten. Hier sinkt das Kaltwasser ab, fließt am Meeresgrund in Richtung Äquator und ersetzt als Auftriebswasser teilweise das Wasser, das durch Driftströmungen nach Norden bzw. Süden transportiert wird. Da die Tiefenströme nahezu die gesamte Wassersäule erfassen, bewirken sie langfristig eine weltweite Umwälzung der Wassermassen.

Wieso vermindern Meeresströmungen den Treibhauseffekt?

Ohne das Meer wäre der Treibhauseffekt weitaus größer, denn vom jährlichen Ausstoß des Treibhausgases Kohlendioxid wird etwa die Hälfte von ihm aufgenommen. Dies geschieht vor allem in den oberen 50–100 m Wasser der Ozeane, da dort Wind und Wellen für eine gute Durchmischung und damit für die Aufnahme von Gasen sorgen. Ein Großteil wird mit dem Oberflächenwasser in die Tiefe transportiert. Größter Transporteur ist der Golfstrom, dessen größter Teil vor Grönland aufgrund von Dichteunterschieden zum Umgebungswasser in das 3500 m tiefe Nordatlantikbecken strömt. Dieser »Wasserfall« im Meer sorgt dafür, dass das kohlendioxidgesättigte Wasser vorerst in der Tiefe verschwindet und durch frisches, aufnahmefähiges Wasser ersetzt wird.

Wussten Sie, dass …

einmal in Bewegung gesetzt, die Wassermassen auf der Nordhalbkugel infolge der Erdrotation von der sog. Coriolis-Kraft nach rechts und auf der Südhalbkugel nach links abgelenkt werden? An den Polen ist die ablenkende Kraft am größten, am Äquator am geringsten.

die kalten Meeresströmungen, die sich entlang der Westküsten der Kontinente zum Äquator hin bewegen, langsamer fließen als die warmen polwärts gerichteten Meeresströmungen entlang der Ostküsten?

das enorme Energiepotenzial der Meeresströmungen mithilfe von Unterwasserturbinen zukünftig für die Stromerzeugung genutzt werden soll?

Wussten Sie, dass …

seit dem 19. Jahrhundert die Flaschenpost gezielt zur Messung von Meeresströmungen eingesetzt wurde? Zeit und Ort des Flaschenfundes ließen Rückschlüsse auf die Strömungsverhältnisse zu. Ähnlich funktionieren auch die modernen Driftbojen. Sie werden allerdings mithilfe der Satellitennavigation geortet.

sich der Norweger Fridtjof Nansen mit dem Forschungsschiff »Fram« 1893–96 im Nordpolarmeer vom Meereis einschließen ließ, um den Meeresströmungen der Arktis auf die Spur zu kommen?

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