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Tausendfüßer: Vielbeinige Koordinationskünstler

Haben Tausendfüßer wirklich 1000 Füße?

Nein, sie bringen es maximal »nur« auf 700 Füße. Einen »echten« Tausendfüßer gibt es also nicht. Unter der Bezeichnung Tausendfüßer werden mehrere Gruppen von Gliederfüßern zusammengefasst, deren Körper alle aus einer großen Zahl gleichartiger, hintereinander liegender Segmente (Ringe) bestehen. Zu ihnen gehören die Doppelfüßer (Diplopoda), Hundertfüßer (Chilopoda), Wenigfüßer (Pauropoda) sowie die Zwergfüßer (Symphyla). Die beiden Letztgenannten besitzen übrigens keine Augen. Auffällig ist, dass sich an jedem Körpersegment zwei Beinpaare befinden. Dadurch bewegt sich die Zahl der Beinpaare zwischen acht und etwa 350. Die Körpergestalt kann sehr unterschiedlich sein. Man findet abgeplattete, bandförmige Körper mit seitlichen Auswüchsen, zylindrisch-wurmförmige, kugelförmige und halbelliptische Formen.

Sind Tausendfüßergiftig?

Einige ja. Wenn ein Mensch mit dem Gift dieser Tausendfüßer in Kontakt kommt, ruft das schmerzhaft gerötete Schwellungen oder Blasen auf der Haut hervor. Gelangt das Gift ins Auge, kann eine Hornhauttrübung und sogar Erblinden die Folge sein.

Wie gefährlich ist das Gift der Skolopender?

Die Giftigkeit der Riesenläufer oder Skolopender (Ordnung Scolopendromorpha) wird stark übertrieben. Ein Biss ist für einen Menschen zwar äußerst schmerzhaft, doch ernstere Beschwerden sind selten die Folge. Falls doch, ist meistens eine nachträgliche Infektion der Wunde die Ursache, nicht aber das Gift selbst. Nachgewiesene Todesfälle infolge eines Skolopenderbisses sind jedenfalls nicht bekannt.

Bei kleineren Säugern führt das von Skolopendern benutzte Nervengift allerdings zu beschleunigter Atemfrequenz, vermehrter Schweißbildung, Krämpfen, Erbrechen, Atemlähmung und schließlich zum Tod. Ist ein Beutetier aufgespürt, packen die vielfüßigen Gliedertiere blitzschnell mit ihren mächtigen Giftklauen zu und rollen den Vorderkörper ein, um der Beute die Flucht zu erschweren.

Die über 20 Zentimeter langen Skolopender kommen in vielen warmen Regionen der Erde vor. Sie sind in Wüstengebieten ebenso leicht aufzufinden wie im tropischen Regenwald. Ihr erstes Beinpaar, an der Kopfunterseite, ist zu Haken umgeformt. Dort befinden sich auch die Giftdrüsen.

Übrigens: Eine außergewöhnliche Ordnung der Hundertfüßer stellen die Spinnenasseln (Scutigeromorpha) dar, die als Einzige nicht mit einem Tracheensystem atmen, wie es auch bei den Insekten vorkommt. Stattdessen verfügen sie über unpaarige Atemschlitze an den Rückenplatten, sog. Tracheenlungen.

Wie finden die nachtaktiven Steinläufer im Dunkeln ihre Beute?

Mit speziellen Sinnesorganen ihrer Fühler. Steinläufer (Ordnung Lithobiomorpha) gehören neben Erdläufern, Riesenläufern und Spinnenasseln zu den Hundertfüßern. Sie leben von den auf ihren nächtlichen Streifzügen erbeuteten kleineren Insekten und Spinnen, die sie mit ihren Tastsinnesorganen, vor allem den Fühlern, aufspüren. Die meist etwa zwei bis drei Zentimeter großen, recht flinken Steinläufer führen eine sehr versteckte Lebensweise, vorwiegend unter Steinen (daher der Name), Laub und in Hohlräumen des lockeren Bodens. Eine der in Mitteleuropa am häufigsten vorkommenden Arten ist der bis zu 3,2 cm lange Braune Steinläufer (Lithobius forficatus).

Warum bewegen sich Doppelfüßer immer in Wellenbewegungen fort?

Weil ihre Rumpfsegmente jeweils paarweise miteinander verschmolzen sind. Deshalb handelt es sich bei den Ringen, aus denen ihr Körper besteht, eigentlich um Doppelsegmente, denen jeweils zwei Beinpaare entspringen. Die Fortbewegung wird wie beim Regenwurm von einem Strickleiternervensystem gesteuert. Durch seine Nerven laufen regelrechte Erregungswellen, die abwechselndes Strecken und Zusammenziehen des Körpers bewirken.

Wie verlängern Doppelfüßer ihr Leben?

Manche Doppelfüßer erreichen eine längere Lebenszeit mit folgendem Trick: Die Männchen häuten sich und lassen dabei ihre Geschlechtsorgane mit der abgelegten Haut zurück. Sie sind nun Eunuchen, bis sie nach einer weiteren Häutung wieder zu voll funktions-, also fortpflanzungsfähigen Männchen werden. Dieses Eunuchenstadium durchlaufen die Tiere mehrere Male in ihrem Leben, wobei sich ihre durchschnittliche Lebensspanne um die Zeit im Eunuchenstadium verlängert. Der evolutionäre Vorteil für diesen Vorgang liegt in der besseren Reaktion auf widrige Umweltbedingungen. In kargen Zeiten wird so verhindert, dass zu viele Nachkommen gezeugt werden.

Wussten Sie, dass …

in einem Kubikmeter Erde bis zu 2000 Tausendfüßer leben können?

je nach Art die Beine der Tiere zwischen 15 mm und 28 cm lang werden?

im Erdaltertum gigantische Tausendfüßer mit 2 m Länge, einem Viertelmeter Breite und 10–12 kg Gewicht lebten? Sie waren die größten Gliederfüßer aller Zeiten.

schon vor über 400 Millionen Jahren Tausendfüßer auf der Erde lebten?

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