Vietnamkrieg: Tet-Offensive
Vietnamkrieg: Tet-Offensive
Tet-Offensive leitet US-Niederlage ein
Mit der Tet-Offensive leitet der Vietcong den militärischen
Zusammenbruch der USA in Vietnam ein. Starke Vietcongverbände - unterstützt
von nordvietnamesischen Truppen - starten mit Beginn des buddhistischen Neujahrsfestes
(Tet) in den frühen Morgenstunden eine Großoffensive. Die US-Regierung
spricht von den bisher schwersten Kämpfen ihrer Truppen in Südvietnam.
Zu den heftigsten Gefechten kommt es in Da Nang, der zweitgrößten
Stadt Südvietnams. Zeitweilig erobern Vietcongverbände sogar das
Hauptquartier der alliierten US-amerikanischen und südvietnamesischen
Streitkräfte. Schwere Straßenkämpfe entbrennen besonders im
Hochland in den Provinzhauptstädten Pleiku, Kontum, Ban Me Thuot, Nha
Trang und Hoi An. Am 31. Januar greifen Vietcongpartisanen gleichzeitig 15
Punkte der südvietnamesischen Hauptstadt Saigon an, u. a. das Präsidentenpalais,
den Flughafen und den Rundfunksender. Sie erobern für sechs Stunden die
US-amerikanische Botschaft. Die Vertretung Großbritanniens wird vom
Vietcong beschossen. Mindestens 55 weitere Städte, neun US-amerikanische
Luftstützpunkte und zahlreiche alliierte Stellungen werden attackiert.
Die erbitterten Gefechte fordern viele Tote und Verwundete. Nach US-Angaben
werden über 2500 Vietcongsoldaten getötet. Die eigenen Verluste
werden mit 68 US-amerikanischen und 178 südvietnamesischen Kämpfern
beziffert. Nordvietnam meldet dagegen 120 getötete US-Soldaten allein
in Saigon. Die Tet-Offensive ist sowohl für die alliierten Streitkräfte
in Südvietnam als auch für die US-amerikanische Öffentlichkeit
ein Schock. Sie demonstriert wirkungsvoll die militärische Stärke
des Vietcong. Das US-amerikanische Oberkommando hatte in den letzten Wochen
von einer sinkenden Kampfmoral des Vietcong wegen angeblich hoher Verluste
gesprochen. Die USA müssen einen militärischen Rückschlag eingestehen.
Sie werten die Großoffensive als Versuch Nordvietnams und des Vietcong,
sich eine gute Verhandlungsposition zu sichern. Die Nordvietnamesen hatten
am 5. Januar signalisiert, dass sie zu Gesprächen mit den USA über
eine Beilegung des Konflikts in Vietnam bereit seien. Am 13. Mai werden in
Paris die ersten Gespräche aufgenommen. Kommentatoren vergleichen die
Tet-Offensive mit der Einnahme der französischen Festung Dien Bien Phu
1954, die die Kolonialmacht zur Aufnahme von Verhandlungen und zum späteren
Rückzug veranlasste. My Lai: In den Morgenstunden des 16. März verübt
eine US-Einheit unter dem Kommando des 26-jährigen Oberleutnants William
L. Calley jr. ein Massaker an den Einwohnern des südvietnamesischen Bauerndorfs
My Lai. 507 Dorfbewohner, unter ihnen 173 Kinder, 76 Babys und 60 Greise,
sterben im Kugelhagel der US-Infanteriesoldaten. Als die Weltöffentlichkeit
1969 von dem brutalen Verbrechen erfährt, ist der moralische Bankrott
der USA perfekt. Der Glaube, in Vietnam kämpften tapfere G.I.s für
Freiheit, Demokratie und Menschenrechte entlarvt sich als misslungener Selbstbetrug
des US-amerikanischen Patriotismus.
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