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Der Buddhismus – Wegweiser zum Heil

So wie die protestantische Reformbewegung aus einer Krise des Katholizismus geboren wurde, so ging der Buddhismus, die jüngere der beiden indischen Weltreligionen, aus der alten Form des Hinduismus hervor. Als der historische Buddha im Jahr 560 v. Chr. im heutigen Nepal geboren wurde, kritisierten viele gläubige Hindus die »Verweltlichung« ihrer alten Religion.

Die Heilslehre des Buddha ist ihrem Ursprung nach reine Philosophie. Sie wendet sich gegen das Kastenwesen in der indischen Gesellschaft, kennt keinen Priesterstand, keine göttliche Offenbarung und keinen Götterhimmel. Im Ur-Buddhismus wird Buddha nicht als Gott, sondern lediglich als Lehrer verehrt. Als »Wegweiser zum Heil« sah er sich selbst.

Wie der Hindu, so glaubt der Buddhist an den Kreislauf der Wiedergeburten. Buddha hatte bereits zahlreiche Existenzen als Tier und als Mensch durchlaufen, bevor er die Erleuchtung unter dem Bodhi-Baum sitzend erlangte. Nun will er Vorbild sein. Wer lebt wie der Buddha, der wird den Kreislauf der Wiedergeburten verlassen und ins Nirvana eingehen.

Obwohl der Buddhismus in Indien bald wieder vom älteren Hinduismus verdrängt wurde, trat die Lehre Buddhas nach dem Tod des Meisters einen einzigartigen Siegeszug in Asien an. Buddha selbst zog predigend durch Nordindien und nach seinem Tod verbreiteten seine Anhänger die Lehre.

Diese hat sich im Lauf von 2500 Jahren vielfach verändert und weiterentwickelt. Die Ur-Lehre hat sich am reinsten in Sri Lanka und Birma erhalten. Den Massen war sie zu asketisch. Mit der zweiten großen Strömung, dem Mahayana-Buddhismus, wurde aus der philosophischen Lehre ein Volksglaube. Buddha wurde vergöttlicht und von weiteren Gottheiten umgeben. Durch Missionare gelangte die neue Religion nach China und weiter gen Osten. Auch der Zen-Buddhismus in Japan und der tibetische Buddhismus, der Lamaismus, sind Varianten des Buddhismus.

Buddha: Ein Adliger gibt alles auf und gründet eine Weltreligion

Hat Buddha tatsächlich gelebt?

Es kann als gesichert gelten, dass Siddhartha Gautama, der Mann, der Buddha wurde, als Adelsspross in der Republik Kapilavastu im Gebiet des heutigen Nepal aufwuchs. Mit einigem Recht kann man seine Lebenszeit in das 5. bis 4. Jahrhundert v. Chr. datieren. Er gehörte zur Familie der Gautama, die wiederum dem Shakya-Klan angehörte. Das in einigen Texten geschilderte, von der Außenwelt völlig abgeschirmte Leben als Prinz, das erst durch die Begegnungen mit einem Kranken, einem Alten, einem Toten und einem Asketen jäh unterbrochen wurde, ist gewiss Legende und spiegelt vermutlich eher die Sorge vieler Eltern der gehobenen Schichten wider, ihre Kinder könnten sich dem durch ihren Stand vorgezeichneten Weg entziehen. Die weiteren Stufen seiner Entwicklung jedoch sind glaubhaft.

Wie wurde Siddharta zum Religionsgründer?

Siddharta wurde Schüler von zwei religiösen Lehrern und suchte die Erlösung durch extreme Askese zu finden. Schließlich aber erkannte er, dass alle Extreme nicht den Weg zur Erlösung weisen, sondern ein mittlerer Weg gefunden werden muss. Darauf folgte die mystische Erfahrung des Erwachens (bodhi) durch meditative Versenkung, die Siddhartha zum Buddha, das heißt zum »Erwachten« oder »Erlösten« machte. Er wird damit zu einem, der das Nirvana, das »Erlöschen« jener Leidenschaften, die der Brennstoff für neue Existenzen sind, erlangt hat. Das Wissen um die Verstrickung in den Kreislauf der Wiedergeburten und den Ausweg aus ihm vermittelte er in den folgenden Jahrzehnten als Wanderlehrer in den Staaten Nordostindiens.

Wie wird Buddha in der Legende dargestellt?

Im Buddhismus hatte sich bald ein fester Kanon der Lehren und der mit dem Leben des Stifters verwobenen Legenden herausgebildet. Buddha-Biografien wurden erst recht spät verfasst, so das »Buddhacarita« und der »Lalitavistara«, die beide etwa aus dem 2. oder 3. Jahrhundert n. Chr. stammen. Sie und einige Texte des Pali-Kanons berichten davon, dass Gautama der Sohn des Königs von Kapilavastu war. Schon bei seiner Geburt wurde klar, dass es sich nicht um einen gewöhnlichen Menschen handelte. Seine Mutter Maya gebar ihn schmerzlos und zahlreiche Götter eilten herbei, um dem Kind zu huldigen. Nach seiner Geburt machte der kleine Prinz sieben Schritte in jede Himmelsrichtung und verkündete, dass er der Retter der Welt sei. Als Jugendlicher schon beschämte er mit seinem Können seine Lehrer. Als sehr junger Mann heiratete er die Prinzessin Yashodhara. Sie gebar ihm einen Sohn namens Rahula (»die Fessel«).

Obwohl Gautamas Vater versuchte, Siddhartha vor beunruhigenden Erfahrungen zu bewahren, erblickte dieser bei Ausfahrten einen kranken, einen alten und einen toten Mann. Weil ihn der Gedanke erschreckte, dass dies auch sein Schicksal sein werde, suchte er nach einem Ausweg. Auf einer vierten Ausfahrt sah er einen abgemagerten religiösen Asketen, worauf er Frau und Kind verließ, um den Weg der Askese zu beschreiten.

Was geschah bei Buddhas Erleuchtung?

Unter dem so genannten Bodhi- oder Erleuchtungsbaum konzentrierte er sich darauf, »die Dinge zu sehen, wie sie wirklich sind«. Dabei durchlief er vier Stadien fortschreitender Einsicht und erlangte die Erleuchtung. Diese bestand in der Erkenntnis der Leidhaftigkeit allen Daseins, der Herkunft des Leidens, der Möglichkeit seiner Aufhebung und in dem Wissen um den Weg zur Aufhebung dieses Leidens. Dies sind die »Vier Edlen Wahrheiten«. Obwohl Buddha dieses Wissen für sich behalten wollte, begann er auf Bitte des Gottes Brahma damit, es den Menschen mitzuteilen. Dies tat er über 40 Jahre lang zusammen mit einer wachsenden Zahl von Schülern, von denen zumindest einige in der Lage waren, sie zu begreifen und dem von ihm vorgezeichneten Weg zu folgen.

Welche anderen Buddhas sind bekannt?

Nach der Tradition des Theravada und dem auf Pali überlieferten Kanon war der historische Gautama Buddha nicht der erste Buddha. Die Texte kennen sechs frühere Buddhas: Vipashyin, Shikhin, Vishvabhu, Kakusandha, Konagamara und Kashyapa. Er ist auch nicht der letzte: Der Buddha der Zukunft, der die buddhistische Lehre erneuert, wird Maitreya sein. Denn nach einer gewissen Zeit soll die buddhistische Lehre in Vergessenheit geraten und somit eines neuen »Erwachten« bedürfen, um sie zu verkünden.

Wussten Sie, dass …

Buddha an einer verdorbenen Mahlzeit gestorben sein soll?

der Feigenbaum in Bodhgaya, unter dem Buddha seine Erleuchtung erfahren haben soll, heute eine Kultstätte ist? In der Volksfrömmigkeit werden viele so genannte Bodhi-Bäume verehrt: Gläubige umrunden sie und bringen oft kleine Stofffetzen an, die für Gebetswünsche stehen.

die Szene unter dem Bodhi-Baum, wo Siddharta zum Buddha, zum Erleuchteten, wurde, in der buddhistischen Ikonographie besonders häufig dargestellt wird?

Die frühe Lehre: Begierde und Unwissenheit als Leidensquell

Welche Ideen verbreitete der frühe Buddhismus?

Etwa bis zum 2. Jahrhundert v.Chr. kann man von einer relativen Einheit in den Grundzügen der buddhistischen Lehre ausgehen. Offensichtlich ging der Buddha wie seine Zeitgenossen von langen zyklischen Zeiten aus, in denen die Wesen vom Gesetz der Tatvergeltung (Karma) beherrscht werden und immer neuen Wiedergeburten entgegensehen. Aber anders als diese leugnete er die Existenz eines dauerhaften Selbst oder einer über alle Wiedergeburten hinweg beständigen Seele. Die buddhistische Lehre verkündete vielmehr, alle Erscheinungsformen seien von Leiden (dukkha) geprägt und der Vergänglichkeit (anicca) unterworfen. Nach buddhistischer Auffassung entsteht das Leiden, wenn man etwas Beständiges oder Ewiges in den Dingen suche.

Warum kann es keine beständige Seele geben?

Das folgt aus der Annahme der Vergänglichkeit: Es gibt nur eine Abfolge von Augenblicken, wobei der gegenwärtige Zustand zur Entstehung des nächsten führt und somit die vermeintliche Identität eines Dinges in lauter einzelne Augenblicke zerfällt. Die Lehre von der Nichtexistenz der Seele wird als anatman-Lehre bezeichnet. Ebenso kann es keinen ewigen Gott geben, der unabhängig von dem von ihm geschaffenen Kosmos existiert. Der Buddhismus kennt zwar viele Götter, besonders auf der volkstümlichen Ebene; diese Götter sind jedoch ebenfalls der Vergänglichkeit unterworfen und können keine Erlösung aus diesem Zustand bieten.

Wie entsteht Leiden und wie kann es überwunden werden?

Darüber geben die so genannten Vier Edlen Wahrheiten Auskunft, in denen die Lehre des Buddha zusammengefasst ist. Die erste Wahrheit ist die vom Leiden: Die ganze Existenz ist leidvoll, so etwa Geburt, Krankheit, Tod, Begegnung mit Unliebsamem oder die Nichterfüllung von Wünschen. Aber selbst die Erfüllung von Wünschen ist nur ein vergänglicher Zustand und daher letztlich ebenfalls leidvoll.

Die zweite Wahrheit handelt von der Entstehung des Leidens, dessen Ursache das Begehren nach sinnlicher Lust, Werden und Vergehen ist. Diese Begierde fesselt den Menschen an den unendlichen Kreislauf der Existenzen. Auch die Tendenz zum Nihilismus, zur Verneinung, zählt zu den Begierden und bewirkt ebenfalls eine neue Wiedergeburt.

Die dritte Wahrheit besagt, dass das Leiden nur durch die Vernichtung der Begierde besiegt werden kann. Die vierte Wahrheit zeigt den Achtgliedrigen Pfad, der einen Mittelweg zwischen äußerster Askese und übermäßigem Sinnesgenuss darstellt und zu Aufhebung des Leidens und Erleuchtung führt. Dabei spielen richtiges Verhalten – das etwa Töten, Stehlen oder auch falsche Rede ausschließt –, die Konzentration von Yoga und Meditation sowie die Weisheit mit ihrer Erkenntnis der Dinge eine entscheidende Rolle.

Was besagt die Lehre vom bedingten Entstehen?

Nach dieser Lehre (pratitya-samutpada), die auch als Kausalnexus bezeichnet wird, sind alle körperlichen und geistigen Manifestationen, die zur Herausbildung der individuellen Erscheinungsformen führen, voneinander abhängig und bedingen sich einander. Sie befinden sich in einem permanenten Prozess des Entstehens und Vergehens.

Diese Kausalkette besteht aus zwölf Gliedern, beginnend mit der Unwissenheit (avijja), die zu Handlungen (sankhara) führt; dadurch entsteht wiederum das Bewusstsein (vijñana) und damit folglich eine neue Erscheinungsform, aus der dann Name und Gestalt (namarupa) hervorgehen; dies führt zur sinnlichen Wahrnehmung der sechs Grundlagen der geistigen Vorgänge (satayatana), dies zum Bewusstseinseindruck (phassa) und daraus folgend zum Gefühl (vedana); das Gefühl aber ist die Voraussetzung für die Begierde (tanha), aus der dann das Anhaften am Leben (upadana) resultiert; dieses führt zu neuem Werden (bhava) und folgerichtig zur Geburt (jati), die aber dann in Alter und Tod (jara-marana) einmündet.

Wird in den »Vier Edlen Wahrheiten« die Begierde als Grundübel skizziert, finden wir hier die Unwissenheit als Quelle allen Leidens. Letztlich aber gilt, dass die Begierde erst durch Unwissenheit um die nach buddhistischer Auffassung tatsächliche Beschaffenheit der Welt ermöglicht wird.

Wie setzt sich die menschliche Erscheinungsform zusammen?

Zwar gibt es kein Selbst oder eine Seele, aber fünf ineinander wirkende Daseinsgruppen (skandha), die die menschliche Erscheinung formen und für eine gewisse Zeit den Eindruck von Identität und Beständigkeit entstehen lassen. Etwa ab dem 2. Jahrhundert v. Chr. kommt es aber bereits zu großen Auseinandersetzungen darüber, ob es nicht doch eine über den Tod hinaus weiterexistierende Persönlichkeit gebe. Grundsätzlich herrscht jedoch Übereinstimmung darüber, dass es letztlich nur eine Anhäufung von Bestandteilen gibt, die durch vorhergehende Augenblicke verursacht wurden und die ihrerseits wiederum die künftigen verursachen.

Wie heißen die fünf Daseinsgruppen?

Die fünf Daseinsgruppen der menschlichen Erscheinungsform gliedern sich in 1. die Materie (rupa), die sich aus den vier Elementen zusammensetzt; 2. die Empfindungen (vedana), die sowohl die leidvollen wie die angenehmen und neutralen umfassen; 3. Wahrnehmungen (samjña); 4. die geistigen Formkräfte (sankhara), die psychische Vorgänge beinhalten wie etwa das Erkennen von Gegenständen, woraus Vernunft, Willen, Freude oder Nachdenken resultieren; 5. reines Bewusstsein (vijñana), das sechs Erkenntnisarten umfasst (die der fünf Sinne und die des Geistes).

Auf einer eher im volksreligiösen Bereich angesiedelten Ebene entwickelten sich bestimmte Vorstellungen über die möglichen Existenzformen der Lebewesen, die allesamt karmisch bedingt waren. Das Verhaftetsein im Weltgetriebe (samsara) besteht aus dem fortwährenden Prozess der Wiederverkörperungen. Neben einem Dasein als Mensch konnte man (immer für eine begrenzte Zeit) in einer der unzähligen Höllen als Hungergeist (preta), Tier oder als Gott wiedergeboren werden. Die Existenz als Gott gilt zwar als besonders glücklich, hindert aber gleichzeitig daran, die Leidhaftigkeit jeglicher Existenz zu verstehen.

Was sind die »Drei Juwelen« des Buddhismus?

Um aus dem Kreislauf der Wiederverkörperungen auszubrechen, ist es notwendig, die weltlichen Bindungen aufzugeben und Zuflucht zu den so genannten Drei Juwelen zu nehmen: zum Buddha, zum Dharma (der buddhistischen Lehre) und zum Sangha, der Gemeindeorganisation der Bettelasketen (bhikshu) oder Mönche. Nach dem Verständnis des frühen Buddhismus konnten nur sie allein zum Nirvana gelangen. Die Laien hingegen konnten durch die Unterstützung des Ordens (der aus Mönchen und Nonnen bestand) Verdienste erwerben und auf eine bessere Wiedergeburt – letztlich als Mönch – hoffen.

Was besagen die buddhistischen Ordensregeln?

Die Ordensregeln (vinaya) waren in einer großen Textsammlung festgelegt. Sie begannen mit dem Austritt aus der Gesellschaft und der Verpflichtung zu den Grundregeln von Armut, Keuschheit und Friedfertigkeit. Nach einer Novizenzeit konnte man als Vollmönch oder -nonne ordiniert werden und verpflichtete sich, fortan ein Leben als Bettelmönch zu führen. Das beinhaltet das Erbetteln von Nahrung mit einer Almosenschale, das Tragen von Flickenkleidung und ein unstetes Wanderleben, das nur in der Regenzeit unterbrochen wurde. Jeden halben Monat fand eine »Beichtversammlung« statt, bei der die Ordensmitglieder Verfehlungen bekennen mussten. Handelte es sich um schwere Verstöße, führte dies zum Ausschluss aus der Gemeinschaft. Neben den Verletzungen der Grundregeln gehörte dazu auch der Versuch der Ordensspaltung, der sich in früher Zeit hauptsächlich auf die unterschiedliche Auslegung der Ordensregeln und weniger auf dogmatische Fragen bezog.

Wie wurde der Buddhismus in der Frühzeit verbreitet?

In den ersten Generationen nach dem Tode des historischen Buddha zogen die in kleinen Gruppen organisierten Ordensgemeinschaften durch Nordindien. Von Zeit zu Zeit kam es zu lokalen Versammlungen, bei denen auch Fragen der Lehre diskutiert wurden. Die in den kanonischen Texten überlieferten drei großen »Konzilien« sind wohl eher eine Verlagerung späterer Zustände in die Vergangenheit.

Die Ausbreitung des Buddhismus wurde während der Herrschaft des Königs Aschoka im 3. Jahrhundert v. Chr. stark gefördert. Er übernahm bestimmte ethische Momente des Buddhismus, etwa das Mitgefühl mit allen Wesen als Philosophie seiner Herrschaft. Obwohl seine persönliche Einstellung zum Buddhismus unsicher war, wurde er von den Buddhisten als das Musterbeispiel des gerechten Herrschers angesehen. Seine politischen und religiösen Anschauungen sind in seinen berühmten Fels- und Säulenedikten überliefert. Aus diesen geht auch hervor, dass er so genannte Dharma-Beamte nach Westen und nach Süden (bis nach Sri Lanka) entsandte, die dort auch missionarische Erfolge erzielten.

Wann spaltete sich der Buddhismus auf?

Mit dem Anwachsen der buddhistischen Ordensgemeinschaften kam es zu Spannungen und Auseinandersetzungen um Lehrinhalte. Um das 2. Jahrhundert v. Chr. bildeten sich zwei Hauptgruppierungen heraus. Auf der einen Seite standen diejenigen Schulen, die mit dem gemeinsamen Oberbegriff Sthaviravada (»Schule der Alten«) bezeichnet werden. Die noch heute existierende Schule der Theravada beruft sich auf diese Tradition. Die »Schule der Alten« nimmt für sich in Anspruch, die ursprünglichen Lehren des Buddha zu bewahren.

Welche neuen Elemente gingen in die Lehre ein?

Die Mahasamghika sahen im Gegensatz zur Mehrheit im Buddha ein übernatürliches Wesen (lokottara) und gestanden ihm eine Präexistenz zu. Sie übernahmen auch Vorstellungen der Volksreligion und räumten den Laien eine größere Rolle ein. Aus ihnen hat sich vermutlich das so genannte Große Fahrzeug, Mahayana, entwickelt, das aber keine einzelne Schule war, sondern eine Strömung, die ganz neue Akzente setzte. Insbesondere lag das Schwergewicht bei seinen Anhängern nicht mehr länger darauf, den nach dieser Ansicht egoistischen Weg der Selbsterlösung als Mönch zu verfolgen, sondern für die Befreiung aller Wesen zu arbeiten.

Wie ist Buddhas Lehre überliefert?

Nicht im Original, denn bereits im frühen Buddhismus hatten mehrere Generationen von Schülern die vom Buddha begründete Tradition und Lehre weiterentwickelt und teilweise völlig neue Elemente hinzugefügt. Da die kanonischen Texte auch der frühen buddhistischen Schulrichtungen schon einen ungeheuer großen Umfang eingenommen haben, ist der Versuch einer Rekonstruktion der ursprünglichen Lehre des Buddha ein vergebliches Unterfangen. Am vollständigsten erhalten ist der Kanon der Theravada-Schule. Trotz des sich teilweise widersprechenden Materials der überlieferten Textmassen lassen sich doch bestimmte Grundkonstanten der Lehren des frühen Buddhismus herausarbeiten.

Wussten Sie, dass …

der Buddhismus mit mehr als 350 Millionen Anhängern nach Christentum, Islam und Hinduismus die viertgrößte Weltreligion ist?

der Buddhismus auch in Deutschland immer mehr Anhänger gewinnt? Seit der Gründung des ersten buddhistischen Vereins 1903 stieg die Zahl buddhistischer Gemeinschaften nach zähen Anfängen inzwischen auf mehrere Hundert. Praktizierende Buddhisten soll es mehrere Hunderttausend geben.

Was ist das Nirvana?

Es handelt sich dabei um einen Zustand der Vollkommenheit: »Wahrlich, ihr Mönche, dies ist der Friede, dies ist das Erhabene, nämlich das Zur-Ruhe-Kommen aller Karmabildung, Loslösung von allen Daseinssubstraten, Versiegung des Begehrens, die Aufhebung, die Erlöschung, das Nirvana. Von der Gier getrieben, ihr Mönche, durch Hass erbost, durch Verblendung betört und überwältigt, im Geiste gefesselt, sinnt man auf eigenen Schaden, sinnt man auf fremden Schaden, sinnt man auf beiderseitigen Schaden, erfährt man geistige Qual und Trübsal. Sind aber Gier, Hass und Verblendung verschwunden, so sinnt man weder auf eigenen Schaden, noch auf fremden Schaden, noch auf beiderseitigen Schaden und empfindet keine geistige Qual und Trübsal. Auf diese Weise ist das Nirvana an keine Zeit gebunden, bereits bei Lebzeiten erkennbar, einladend, anziehend und dem Weisen verständlich.« (Anguttara-Nikaya III, 32).

Die Ausbreitung des Buddhismus: Aufspaltungen in früher Zeit

Wer förderte die Verbreitung des Glaubens?

Die Legende berichtet, nach dem Tod des Buddha sei seine Asche an acht Fürsten verteilt worden, die in ihren jeweiligen Hauptstädten Monumente (Stupa) darüber errichtet hätten. Freilich ist ungewiss, ob der Buddhismus in der ältesten Zeit wirklich durch Potentaten in dem Maße gefördert worden ist, wie diese Erzählung glauben machen will. Nachweisbar ist seine staatliche Förderung erst unter Kaiser Ashoka, dessen Reich um die Mitte des 3. Jahrhunderts v. Chr. fast den gesamten indischen Subkontinent umfasste und sich bis in das heutige Afghanistan erstreckte. Aus Ashokas Säulen- und Felsedikten geht hervor, dass er seine Macht unter Einsatz aller Mittel gefestigt hatte. Als aber ein Aufstand in Kalinga, dem heutigen Orissa, grausam niedergeschlagen werden musste, änderte er seine Gesinnung. Er empfand Reue und bemühte sich fortan, Gewaltanwendung zu vermeiden. Dem Buddhismus war er besonders gewogen; er entsandte Missionare nach Sri Lanka und gilt selbst als buddhistischer Heiliger.

Was ist der Tripitaka?

Die Reden des Buddha wurden bei drei Konventen, bei denen Streitfragen bezüglich der Lehrinhalte und Ordensregeln zu klären versucht wurden, rezitiert, und es kam zur Zusammenstellung von Schriften zu einem verbindlichen Kanon. Tripitaka, wörtlich »drei Körbe umfassend«, nennt sich der Kanon, weil die Texte getrennt nach Vinaya (Ordensrecht), Sutra (Lehrreden) und Abhidharma (Scholastik) in Körben gesammelt wurden. Dabei kam es immer wieder zu Spaltungen der Mönchsgemeinde, bei denen abweichende Versionen des Kanons in Gebrauch waren. Für den Kanon der Theravadins ist eine Redaktion im 1. Jahrhundert v. Chr. nachweisbar.

Wie kam es zu den Ordensspaltungen?

Die meisten Schulrichtungen sind im zweiten und dritten Jahrhundert nach dem Tod Buddhas entstanden. Über den Hergang der Ordensspaltungen ist sich die Tradition allerdings nicht einig. Offenbar führten in erster Linie Fragen der mönchischen Lebenspraxis zu Spaltungen der Gemeinde, so dass in den einzelnen Landesteilen unterschiedliches Ordensrecht (vinaya) gültig war. Neben dem Ordensrecht der Theravadins auf Sri Lanka und in Südostasien sind heute noch folgende Regelwerke von Bedeutung: das der nordindischen Mulasarvastivadins, welches vom tibetischen Buddhismus übernommen wurde, sowie der Vinaya der Dharmaguptakas, der sich besonders in China verbreitet hatte.

Welche Ansichten über die Welt wurden vertreten?

Für die Ausbildung der Richtungen war vor allem die Frage nach der Beschaffenheit der Welt wichtig. So tragen die Sarvastivadins und ihre Abspaltung, die Mulasarvastivadins, ihren Namen (»Anhänger der Lehre, dass alles existiert«) daher, dass sie alle (sarva) Gegebenheiten, die bereits vergangenen und die zukünftigen, als existent (asti) betrachteten. Dies widersprach der Auffassung der Sthaviravadins (»Anhänger der Lehre der Alten«), die die Lehre des Buddha unverfälscht zu bewahren glaubten; auf sie berufen sich die heutigen Theravadins. Für andere endete das verbindliche Schrifttum mit den Sutras, daher waren sie als Sautrantikas (»die die Sutras für das Ende halten«) bekannt.

Was ist das Ich?

Ein anderes Problem betraf die Lehre vom »Nicht-Selbst« (anatmata). Während die übrigen Schulen behaupteten, dass der bloße karmische »Daseinsfluss« (das Zusammenspiel der einzelnen Daseins-Faktoren) lediglich zur Illusion eines individuellen »Ich« führe, lehrten die Pudgalavadins (»Anhänger der Person-Lehre«), dass die »Personalität« (pudgala) eines jeden Menschen wirklich existiere. Obwohl diese Schulrichtung längst verschwunden ist, wurde ihre Lehre als so problematisch erachtet, dass sich buddhistische Denker immer wieder mit ihr auseinandersetzten.

Welches Vermächtnis hinterließ Buddha nach seinem Tod?

»Die Lehre und die Ordenszucht, in der ich euch unterwiesen und die ich euch gegeben habe, sollen nach meinem Dahinscheiden euer Meister sein.«

Gautama Buddha auf seinem Sterbelager (nach dem Mahaparinibbanasutta)

Wussten Sie, dass …

das Regelwerk des nordindischen Buddhismus (der Mulasarvastivadins) zu großen Teilen in Sanskrit und in tibetischen und chinesischen Übersetzungen erhalten ist?

es den Mönchen freistand, sich abweichenden Lehrauslegungen anzuschließen?

Sangha – die Mönchsgemeinde: Abkehr von der Welt

Wer begründete die buddhistische Mönchstradition?

Buddha selbst, denn nach seiner Erleuchtung durchstreifte der Meister noch 45 Jahre – bis zu seinem Tod – mit den ersten Mönchen (bhikkhu) die mittlere Gangesebene und predigte die neue Lehre allen, die sie hören wollten. Buddha und seine Anhänger bestritten ihren Lebensunterhalt aus Almosen, die Laiengläubige ihnen überließen. Ursprünglich sollten die Mönche stets ohne festen Wohnsitz unter freiem Himmel leben. Die alljährliche Regenzeit erzwang jedoch die Errichtung der ersten Klöster und die Zeit dort diente fortan der Sammlung und der Geistesschulung.

Auch nach dem Tod Gautama Buddhas machten es sich die Mönche zur Aufgabe, das Wort des Buddha in weiten Teilen Asiens zu verbreiten. Die Ordensgemeinschaft garantiert denn auch seit nunmehr 2500 Jahren die Kontinuität der Lehre. Bereits zu Lebzeiten des Buddha entschlossen sich Tausende von Menschen, der Welt den Rücken zuzuwenden und die Ordensregeln einzuhalten.

Wie sah das Leben eines Mönchs aus?

Die drei wichtigsten Grundzüge des Mönchtums waren schon in der Frühzeit Armut, Ehelosigkeit und Friedfertigkeit. Die Ordensmitglieder mussten Besitzlosigkeit geloben. Erlaubt waren nur Gewand, Almosenschale, Nadel, Gebetskette, Rasiermesser und ein Wasserfilter, um nicht versehentlich kleinste Lebewesen zu verschlucken. Die Nahrung sollte ausschließlich durch das »Betteln« erworben werden. Morgens zogen die Mönche schweigend von Haus zu Haus. Zu bedanken hatten sich nicht etwa die Mönche, sondern die Spender, da ihnen Gelegenheit gegeben wurde, Gutes zu tun und Verdienste zu erwerben. Die Verletzung des Keuschheitsgebots führte zum Ausschluss aus dem Orden. Man lehnte die Sexualität nicht generell ab, doch stellt sie nach buddhistischer Lehre eine Gefahr dar, da sie zu Abhängigkeiten und Verstrickungen führen kann. Eine zentrale Stelle nimmt das Prinzip des ahimsa (Nichttöten oder Nichtverletzen) ein. Es wendet sich gegen Tieropfer, den Verzehr von Fleisch, aber auch gegen das Führen von Kriegen und Gewaltanwendung jeglicher Art.

Welche weiteren Regeln müssen befolgt werden?

Nicht nur Mönche, sondern auch Laiengläubige haben sich an Vorschriften zu halten. Für sie sind fünf Pflichten maßgeblich: Sie sollen nicht töten, nichts annehmen, was ihnen nicht freiwillig gegeben wird, keinen unsittlichen Lebenswandel führen, nicht lügen und keine berauschenden Mittel zu sich nehmen. Darüber hinaus gilt für Mönche, dass sie keine Nahrung nach der Mittagszeit zu sich nehmen sollen. Auf Zerstreuungen wie Tanz und Musik, auf Schmuck, Wohlgerüche, ein bequemes Nachtlager und den Besitz von Geld sollen sie verzichten. Später wurden diese Verbote durch einen umfangreichen Katalog von Verhaltensregeln ergänzt. Die geistigen Ansprüche der Orden in der Frühzeit des Buddhismus waren wohl hoch, denn man fand meist Angehörige der oberen Hindu-Kasten darin. Zugangsbeschränkungen wurden erlassen, nachdem viele Kranke und Mittellose ihren Unterhalt durch Eintritt in den Orden sichern wollten.

Wie gestaltet sich das klösterliche Leben?

Am Tagesablauf hat sich bis heute wenig geändert: Mönche leisten keine manuelle Arbeit, sondern beginnen den Tag mit dem Bettelgang. Die Zeit im Kloster dient dem Studium, Gesprächen über die Heilslehre, der Rezitation und der Meditation. Dadurch, dass sie ihr Leben vollkommen nach dem Dharma ausrichten und nicht durch ökonomische und familiäre Zwänge gebunden sind, gelten die Chancen eines Mönchs, das Heil zu erlangen, verglichen mit denen eines Laien als ungleich besser. Etwa ab dem 15. Lebensjahr konnte ein Mann ins Kloster eintreten. Nach fünf Jahren konnte der Novize voll ordiniert werden, ohne aber ein lebenslanges Gelübde ablegen zu müssen. Die Rückkehr ins weltliche Leben war jederzeit möglich.

Wie entstanden die Frauenklöster?

Buddhas Stiefmutter und Tante Mahaprajapati bat nach dem Tod ihres Mannes darum, ein Nonnenkloster gründen zu dürfen. Erst nach langem Drängen stimmte Buddha zu, verfügte aber, dass jede Nonne (bhikkhuni) auch dem jüngsten und geringsten Mönch untergeordnet sei. Möglicherweise sprach der Erleuchtete den Frauen die geistige Reife ab und hielt sie erst nach ihrer Wiedergeburt als Mann der Erlösung für fähig. Vielleicht aber scheute er nur davor zurück, die Konventionen des Brahmanismus zu verletzen, der der Frau eine untergeordnete Position zusprach.

Wie lautet das buddhistische Mönchsgelübde?

Die Formel beim Eintritt in ein buddhistisches Kloster besteht aus den drei kurzen Sätzen: »Ich nehme meine Zuflucht zum Erleuchteten (buddha), ich nehme meine Zuflucht zur Heilslehre (dharma), ich nehme Zuflucht zur Ordensgemeinschaft (sangha).«

Wussten Sie, dass …

die Zahl der Ordensmitglieder auch in den buddhistischen Ländern Asiens stark rückläufig ist? Andererseits entstehen im Westen immer mehr buddhistische Ordensgemeinschaften.

Buddha vermutete, dass die Ordinierung von Nonnen die Lebensdauer der Lehre auf 500 Jahre verkürzen werde? Mittlerweile haben die Ordensstruktur und die Lehre allerdings schon seit fast 2500 Jahren Bestand.

Der Mahayana-Buddhismus: Auf dem Weg der Erleuchtung

Warum begann sich eine neue Form des Buddhismus herauszubilden?

Den entscheidenden Anstoß für neue Entwicklungen im Buddhismus lag in einer veränderten Motivation des mönchischen Lebens. Wollte der Mönch bislang als Heiliger (arhat) das Heil erreichen, so streben die Neuerer nun die Buddhaschaft selbst an: Der alte Heilsweg sei unvollkommen, da er nur dem Einzelnen die Befreiung bringe; wenn man stattdessen aber den schwierigeren Weg zur Buddhaschaft beschreite, stelle man sich selbst zurück und könne dadurch auch seine Mitmenschen zum Heil führen. Um die Zeitenwende beginnt sich jene Form des Buddhismus auszubilden, die sich selbst das »Große Fahrzeug (zum Heil)«, Mahayana, nennt; die alten Schulrichtungen gelten ihm nur als vorläufiges, als »Kleines Fahrzeug«, Hinayana.

Wie lautet die Lehre des Mahayana?

Durch die Ausübung moralischer Vollkommenheiten (paramita) wollen sich die Neuerer als Bodhisattvas (Anwärter auf die Erleuchtung) der Buddhaschaft nähern. Die höchste Vollkommenheit ist die Weisheit, von der die Prajñaparamita-Sutras (Lehrreden von der Vollkommenheit der Weisheit) handeln. Weisheit ist nach diesen Sutras die Einsicht, dass alles leer (shunya) sei: Alle Gegebenheiten seien ohne eine eigene, dauerhafte Natur, vielmehr hingen sie ganz von anderen, gleichfalls leeren Gegebenheiten ab. Der Mönch Nagarjuna hat im 2. Jahrhundert n. Chr. diese Lehre in seiner »Philosophie des mittleren Weges« (madhyamaka) systematisiert.

Welche Rolle kommt dem Bewusstsein zu?

Es wirkt sozusagen als realitätsbildende Kraft. Kam den Hinayana-Lehren für die Verfechter der Leerheit nur eine begrenzte Gültigkeit zu, so gilt im Sandhinirmocana-Sutra, einem Basistext des Mahayana, auch die Lehre von der Leerheit als nur vorläufig. Danach gibt es tatsächlich eine letzte Wirklichkeit, die durch das Bewusstsein gebildet wird. Im 4. Jahrhundert hat Asanga diesen Gedanken in ein System gebracht, die Lehre vom »Geist allein« (cittamatra): Alles beruht auf Bewusstseinsaktivitäten, die in einem »Grundlagenbewusstsein« (alayavijñana) ohne Subjekt-Objekt-Unterscheidung wurzeln; dieses kann durch Meditation erreicht werden, weshalb diese Richtung auch Yogacara (Yoga-Praxis) heißt.

Was besagt die Drei-Körper-Lehre?

Sie beschreibt den überweltlichen Charakter Buddhas. Dem Saddharmapundarika-Sutra (Lehrrede vom Lotus der guten Lehre) zufolge ist der Buddha nicht wirklich gestorben, sondern tatsächlich transzendent (außerweltlich), so dass er auch nach seinem Tod weiter zum Heil der Wesen wirke. Diese Auffassung kommt besonders in der Drei-Körper-Lehre des entwickelten Mahayana zum Ausdruck: Ein Buddha ist im »Verwandlungskörper« (nirmanakaya) physisch gegenwärtig, im »Genusskörper« (sambhogakaya) gehört er einer übernatürlichen, feinstofflichen Ebene an, während seine letzte, absolute Wirklichkeit den »Wahrheitskörper« (dharmakaya) darstellt. Der historische Shakyamuni ist der speziell zur Stiftung des Hinayana hervorgebrachte nirmanakaya eines transzendenten Buddha.

Wo befinden sich die überweltlichen Buddhas?

Die überweltlichen Buddhas residieren in paradiesartig erscheinenden Ländern, in die der Verehrer des betreffenden Buddha wiedergeboren werden kann; dort wird er dann dessen Belehrungen hören und dadurch schneller zum Heil gelangen. Diese Religiosität prägt besonders den Kult des Buddha Amitabha, der im japanischen Buddhismus seine äußerste Entfaltung erfahren hat.

Welche Funktion haben die Bodhisattvas?

Die verschiedenen mächtigen Bodhisattvas, die auch zum überweltlichen Bereich gehören, können wegen des von ihnen abgelegten Gelübdes, das sie verpflichtet, allen Bedrängten beizustehen, als Helfer in allen Nöten angerufen werden. Bis heute wird überall der Bodhisattva Avalokiteshvara verehrt. In Tibet zum Beispiel ist er als Tschenresi der nationale Schutzpatron und die Dalai Lamas gelten als seine Verkörperungen; im Fernen Osten dagegen ist besonders seine weibliche Erscheinungsform (chinesisch kuanyin, japanisch kannon) sehr populär. Zur Anrufung solcher Helfer dienen verschiedene Spruchformeln (dharani), wie sie in vielen Mahayana-Sutras gelehrt werden. Die Gläubigen rezitieren sie in ihren Lebensnöten und in Nepal ist heute eine Pañcaraksha (»Fünffacher Schutz«) genannte Sammlung überall in Gebrauch.

Wie entstand der tantrische Buddhismus?

Mit dem Dharani-Kult und verwandten rituell-meditativen Techniken setzt ab dem 3. Jahrhundert die tantrische Phase des Buddhismus ein. Stand zunächst die Abwehr irdischer Probleme und Nöte im Vordergrund, so versteht sich diese Richtung ab dem 7. Jahrhundert auch als Heilsweg und wird nun häufig Vajrayana (»Diamantfahrzeug«) genannt; ihre an Einweihungen gebundene Praxis der Selbst-Identifikation mit überweltlichen, oft Furcht erregend gedachten Gottheiten soll den Gläubigen schneller zur Buddhaschaft führen als der in den Sutras aufgezeigte langwierige Weg.

Wo konnte der Mahayana-Buddhismus Fuß fassen?

Vor allem außerhalb Indiens. Eine eigene Organisation bildete das Mahayana in der Frühzeit nicht aus; noch um die Mitte des ersten Jahrtausends lebten überall in indischen Klöstern Neuerer und Konservative friedlich zusammen. Außerhalb Indiens aber legten sich ganze Mönchsgemeinschaften auf die neuen Lehren fest. Heute herrscht das Mahayana in Tibet und Ostasien vor; in Südostasien und auf Sri Lanka haben sich demgegenüber die »Anhänger der Lehre der Alten«, die Theravadins, durchgesetzt.

Wussten Sie, dass …

der Bodhisattva Avalokiteshvara (Sanskrit: der Herr, der den Schrei der Welt hört) oft mit tausend Armen dargestellt wird? Diese stehen für die Fähigkeit, in unglaublicher Fülle mitfühlend zu handeln.

in vielen Mahayana-Schulen der Verzehr von Fleisch abgelehnt wird? Begründet wird das damit, dass man dadurch bei den lebenden Wesen Schrecken hervorrufe.

Tibet: Die farbigste Spielart des Buddhismus

Welche Ausprägung hat der Buddhismus in Tibet?

Tibet ist das klassische Land des Vajrayana oder »Diamantfahrzeugs« – einer späteren Entwicklungsstufe des Buddhismus. In ihr finden wir eine Synthese unterschiedlicher Elemente der buddhistischen Lehre, wie sie – teilweise in demselben Kloster – bis zur Vertreibung des Buddhismus in Indien im 12. Jahrhundert nebeneinander existierten. Im Vajrayana verschmolzen die Mönchsregeln des Hinayana mit den Heilswegen des Mahayana und den magischen Praktiken des Tantra. Wegen der zentralen Bedeutung tantrischer, esoterischer Lehren zur Verkürzung des Heilsweges spricht man auch vom »tantrischen Buddhismus«. Diese Variante ist wegen ihrer Vielzahl an Lehren und Zeremonien und ihrer ausufernden Ikonografie die farbigste Spielart des Buddhismus.

Wie verlief der erste Anlauf zur Missionierung?

Die »Frühe Verbreitung« endete um 850; auf sie berufen sich die Nyingmapa, die noch in geringem Maße klösterlich organisierten »Schulen der Alten«. Die Grundlagen für die Mission schuf König Trisong Detsen im Bemühen, sich gegen den dem alten Bön-Glauben anhängenden Adel und die chinesischen und zentralasiatischen Missionare durchzusetzen. Er holte den indischen Tantriker Padmasambhava ins Land, der durch Dämonenbannungen den beharrlichen Widerstand der Tibeter überwand und die vorbuddhistischen, bisweilen Furcht erregend anmutenden Gottheiten und Geister als »Beschützer der Lehre« in den Buddhismus integrierte. Der Buddhismus indischer Prägung auf der Grundlage des Bodhisattva-Weges wurde im Jahr 775 mit Gründung des ersten Klosters Samye zur Staatsreligion. Das chinesische Chan, mit seiner Lehre vom spontanen Gewahrwerden der Buddha-Natur, konnte sich in Tibet nicht durchsetzen. Um das Jahr 850 fiel nach der Ermordung des den Buddhisten feindlich gesonnenen Königs Langdarma das Reich auseinander. Der verfemte Glaube lebte in Osttibet weiter.

Wie wurde Tibet endgültig buddhistisch?

Um das Jahr 1050 kam auf Initiative bekehrter westtibetischer Herrscher die zweite Mission in Schwung: Der ostindische Mönchsgelehrte Atisha wurde nach Tibet eingeladen. Im Lauf des 11. Jahrhunderts entstanden zwei der Hauptorden Tibets, die Kagyüpa und die Sakyapa. Nach 300 Jahren intensiver Übersetzertätigkeit aus dem Sanskrit hatte sich der tibetische Kanon der heiligen Texte, Kangyur, konstituiert. Er wurde 1410 in Peking gedruckt. In dieser Zeit bildete sich die besondere Stellung religiöser Meister, der so genannten Lamas, im tibetischen Buddhismus heraus. Auf ihr beruht die im Westen geprägte Bezeichnung »Lamaismus«. Diese Meister übertrugen die verschiedenen Lehr- und Ritualtraditionen auf ihre Schüler.

Der letzte der vier Hauptorden, die Gelugpa oder Gelbmützen, und die großen Staatsklöster Drepung, Sera und Ganden im Umkreis von Lhasa, gehen auf den Reformator der Kloster- und Mönchsdisziplin Tsongkhapa (1357–1419) zurück.

Warum sind weltliche und geistliche Macht miteinander verschmolzen?

Diese Tradition wurzelt in der Mongolenzeit des 13. Jahrhunderts: Der Abt der damals führenden Sakyapa bekam von Kublai Khan zunächst die weltliche Macht übertragen und wurde dann im Zuge der Mission unter den Mongolen auch höchste geistliche Autorität. Im 16. Jahrhundert gingen die weltlichen und spirituellen Führer, die »Dalai Lamas«, aus der Gelugpa-Tradition hervor: Das 3. Oberhaupt des Ordens erhielt den Titel »Lehrer, dessen Weisheit so groß wie der Ozean ist« (Dalai Lama) vom Mongolenfürst Altan Khan verliehen. Dieser Titel ging dann auf seine Nachfolger über. Die Vormachtstellung des Ordens der Gelbmützen über Tibet und die bis zum Einmarsch der Chinesen im Jahr 1959 gültige Staatsform begründete der 5. Dalai Lama. Sichtbares Zeichen ihrer Macht war der Ausbau des Potala, ihrer Residenz in Lhasa.

Welche Besonderheiten weist der Lamaismus auf?

Eine Sonderentwicklung ist die seit dem 12. Jahrhundert bestehende Vorstellung von der Wiedergeburtsreihe herausragender Persönlichkeiten einzelner Lehrrichtungen. Ist ein bedeutender Meister gestorben, so deuten Orakel darauf hin, wo nach seiner Wiedergeburt zu suchen ist. Eine besondere Betonung findet im tibetischen Buddhismus auch die tantrische Polaritätslehre von der Vereinigung des männlichen und weiblichen Prinzips zum uranfänglichen Zustand der »Nicht-Dualität«, des Absoluten, dargestellt als die geschlechtliche Vereinigung männlicher und weiblicher Gottheiten. In der tantrischen Meditation vereinigt und identifiziert sich der Meditierende mit den so genannten transzendenten Buddhas, Bodhisattvas und Schutzgottheiten. Bei diesen Visualisierungen helfen farbenprächtige und handgemalte Darstellungen auf Rollbildern, die so genannten Tankas.

Wussten Sie, dass …

der großteils aus dem 17. Jahrhundert stammende Potala-Palast im tibetischen Lhasa bis zur chinesischen Invasion 1959 auch der Sitz des gegenwärtigen 14. Dalai Lama war, der heute im Exil lebt?

Der Dalai Lama: Das geistliche und weltliche Oberhaupt Tibets

Woher stammt der gegenwärtige Dalai Lama?

Er kommt aus sehr einfachen Verhältnissen. Am 6. Juli 1935 wurde in einem kleinen Dorf in der Provinz Amdo der Bauernsohn Lhamo Dhondup geboren. Er war erst zwei Jahre alt, als ihn aufgrund von Prophezeiungen eine Delegation hoher tibetischer Priester (Lamas) in seinem Elternhaus aufsuchte. Bald schon verkörperte er für diese Männer die 14. Wiedergeburt des Dalai Lama. Unter anderem sprach der Junge den vornehmen Hauptstadt-Dialekt, nicht den bäuerlichen seines Dorfs. Und – er erkannte Dinge wieder, die ihm einst als früherem Gott-König gehört hatten. Er erhielt den Mönchsnamen Tenzin Gyatso und bestieg im Alter von vier Jahren den Löwenthron.

Wer ihn kennen gelernt hat, der geht ein klein wenig verändert von dannen, so jedenfalls hat es den Anschein. Es sind die Würde dieses Mannes, die Zuversicht ausstrahlt, und seine geistig-spirituelle Klarheit und Kraft, die in den Bann ziehen. Der Dalai Lama studierte an den drei klösterlichen Universitäten des einst freien Tibet und besitzt unter anderem den Doktorgrad in buddhistischer Philosophie. Gelebte Toleranz gehört zu seinen Grundsätzen sowie tiefe Menschlichkeit.

Wie geriet Tibet unter chinesische Herrschaft?

Tibet, das höchste Land der Erde, hat seit langem unter Konflikten mit den Nachbarn zu leiden. Auch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts kam es ständig zu Auseinandersetzungen. 1949 übernahmen in China die Kommunisten die Macht, ein knappes Jahr später marschierten sie in Tibet ein. Der gerade mal 15-jährige Dalai Lama erhielt die Herrschaft über sein Land, doch den chinesischen Angreifern war nicht standzuhalten. Nach der Kapitulation gingen Außen- und Militärpolitik in chinesische Hand über, dem Dalai Lama gestand man nur noch eingeschränkte innenpolitische Befugnisse zu.

Warum musste der Dalai Lama aus Tibet fliehen?

Im Jahr 1956 kommt es zu heftigen Unruhen unter den Tibetern, die sich zwei Jahre später zu Guerillakämpfen und Aufständen gegen die fremden Unterdrücker ausweiten. Bald steht Lhasa, die Hauptstadt des höchsten Landes der Erde, ganz im Zeichen der Gewalt. Das chinesische Regime sucht nun die gewaltsame »Lösung« und schlägt die Rebellion blutig nieder, insgesamt haben inzwischen 1,2 Millionen Tibeter den Tod gefunden, über 6000 Klöster und Tempel wurden zerstört. Der Dalai Lama flieht über den Himalaya nach Indien und propagiert den gewaltfreien Widerstand gegen die chinesische Besatzung Tibets.

Welche Botschaft hat der Dalai Lama?

Er betont, auch im Hinblick auf den Tibetkonflikt, wie wichtig innerer Friede für die Bewältigung eines Problems ist, da nur dieser Geisteszustand zu ruhigem und vernünftigem Handeln befähige. Deutlich zum Ausdruck kommt dies in seiner Rede, die er am 10. Dezember 1989 in Oslo hielt, als er für sein Bemühen um eine gewaltfreie Lösung des Tibetproblems den Friedensnobelpreis erhielt. Unter anderem sagte er: »Weil wir alle diesen kleinen Planeten Erde miteinander teilen, müssen wir lernen, miteinander und mit der Natur in Einklang und Frieden zu leben. Das ist nicht bloß ein Traum, sondern eine Notwendigkeit. Wir sind in so vieler Hinsicht voneinander abhängig, dass wir nicht mehr länger in isolierten Gemeinschaften leben und ignorieren können, was außerhalb dieser Gemeinschaft geschieht.«

Welche politische Lösung schlägt der Exilpolitiker für Tibet vor?

Der Dalai Lama ist ein angesehener internationaler Staatsmann des Friedens, ein Mahner auch für die Sicherung des »kleinen Planeten Erde«. Für die Schaffung eines demokratischen Tibet propagiert er einen Fünf-Punkte-Plan ohne Loslösung von China. Diesem Plan zufolge soll das Land zu einer Friedenszone erklärt werden, gefordert wird darüber hinaus ein Stopp der aggressiven chinesischen Siedlungspolitik und die Umsetzung der Menschenrechte. Auch müsse zum Beispiel die Produktion atomarer Waffen auf tibetischem Gebiet beendet werden. Der Dalai Lama befindet sich im indischen Exil in dem Bergnest McLeodganj, einem Ortsteil Dharamsalas. Für die etwa 130000 Tibeter, die mit ihm dort leben, konnte er eine demokratische Exilregierung aufbauen.

Was ist ein Dalai Lama?

Der Name Dalai Lama, des Gott-Königs der Tibeter, bedeutet »Lehrer, dessen Weisheit so groß wie der Ozean ist«. Ein Dalai Lama gilt als die jeweilige Inkarnation des Schutzgottes von Tibet, Chenresi, des Buddhas des Erbarmens. Chenresi, so heißt es, hat auf seine eigene Erlösung verzichtet und wird wiedergeboren, um den Menschen auf dem Weg zu höchster Vollendung zu helfen. Immer wieder kehrt seine Seele nach seinem Tod in den Körper eines männlichen Neugeborenen ein.

Wussten Sie, dass …

es infolge der Siedlungspolitik der chinesischen Machthaber in Tibet immer mehr Chinesen in das besetzte Gebiet zieht? Die Identität der dort lebenden Tibeter soll ausgelöscht werden. Nach Schätzungen der tibetischen Exilregierung leben mittlerweile in den Städten mehr Chinesen als Tibeter.

die Geografie Tibets extrem ist? Das zentralasiatische Hochland erstreckt sich auf einer Höhe von durchschnittlich 4500 Metern und wird rundum durch hohe Gebirge wie den Himalaya im Süden begrenzt. Die Vegetation des »Dachs der Welt« ist steppen- bis wüstenartig, einige Regionen sind wegen des extremen Klimas unbewohnbar.

Buddhismus in Japan: Suche nach Erleuchtung und Erlösung

Was ist Zen-Buddhismus?

Im 6. Jahrhundert n. Chr. kam der Buddhismus nach Japan und entwickelte dort mit seinen nach Indien und China zurückreichenden Wurzeln seine besondere Ausprägung, etwa in Gestalt des Zen- und des Amida-Buddhismus. Die in den Klöstern nach den strengen Regeln der Entsagung gelebte Zen-Praxis zielt auf einen Zustand ab, der von den Zen-Buddhisten als »Verständnis« im Sinne einer Erleuchtungserfahrung bezeichnet wird. Dieser Moment der Erkenntnis verlangt Selbstdisziplin und große innere Konzentration.

Wie entwickelte sich der neue Glaube in Japan?

Der Buddhismus gelangte nach der Zeitenwende nach China. Der indische Mönch Bodhidharma, 28. indischer Patriarch des Buddhismus, brachte im 6. Jahrhundert n. Chr. die Meditationsschule (dhyana) nach China. Aus ihr ging durch den Kontakt mit dem Daoismus die Chan-Schule hervor. Über Korea wurde der Buddhismus nach Japan vermittelt und Ende des 6. Jahrhunderts eingeführt.

Abgeleitet vom chinesischen Begriff Chan, Meditation, entwickelte sich Bodhidharmas Lehre der Versenkung Jahrhunderte später zum japanischen Zen-Buddhismus. Die um 1200 beziehungsweise 1300 von den zwei Lehrern Dogen und Eisai geprägten Schulen Soto und Rinzai erfuhren bald große Popularität. Besonders der Kriegerstand, die Samurai, interessierten sich für die neuen Lehren und deren Ethos der Disziplin. Die daraus gewachsenen Kräfte nahmen starken Einfluss auf die japanische Kunst, Kultur und Landschaftsgestaltung und finden Ausdruck etwa in der Teezeremonie und in den Zen-Gärten.

Was ist das Ziel des Zen?

Für Zen-Buddhisten ist satori (in etwa Verständnis, Erkenntnis) das große Ziel. Zen-Praxis ist darauf ausgerichtet, dass sich der Suchende von Begriffen wie Raum und Zeit und jeder Form intellektueller Aktivität und Wertung befreit. Geübt werden soll die genaue Beobachtung dessen, was in uns vorgeht. Mit strengen Meditationsübungen, Unterweisungen und Gesprächen mit ihrem Zen-Meister sollen die Schüler einen Zustand erlangen, in dem sich das Ich vollkommen leer machen kann. Diese »Ichlosigkeit« steht im Mittelpunkt des Zen. Der Übergang in diesen Zustand erfordert nach der Lehre der Soto-Schule intensive, beharrliche Konzentration auf diesen einen Moment und lange Übung. Nach der Rinzai-Schule wird dieser ersehnte und entscheidende Augenblick nicht bewusst, sondern durch ein spontanes Erlebnis herbeigeführt. Ein plötzlicher Anstoß von außen, etwa ein Geräusch, wird zum Auslöser des satori.

Wie meditieren die Mönche?

Die Meditation wird in sitzender Stellung ausgeübt. Diese Haltung ist eine der zentralen Methoden zur Vorbereitung auf satori und wird zazen, absichtsloses Sitzen, genannt. Dabei gilt es, sich nicht im ständigen Fluss der Gedanken zu bewegen und fortreißen zu lassen, sondern den Geist von seinen vielen Vorurteilen und Projektionen zu befreien und zu reinigen, ihn leer werden zu lassen, so dass seine eigentliche Buddha-Natur verwirklicht werden kann. Überwältigt den Meditierenden die Müdigkeit, schläft er ein, so schlägt ihm der Meister, der die Reihen seiner Schüler entlangschreitet, mit einem Stock kräftig auf die Schulter, um ihn wieder für die Meditation zu erwecken und zu stärken.

Wer verehrt Amida?

Eine ganz andere Praxis herrscht im Amida-Buddhismus vor. Auch diese religiöse Schule gelangte über China nach Japan. Der Mönch Honen und sein Schüler Shinran betonten die Wichtigkeit der Verehrung des transzendenten Buddhas Amida (in Indien Amitabha). Dieser residiere in einem jenseitigen Paradies, dem so genannten Reinen Land, das dieser Richtung den Namen gab. Dort wiedergeboren zu werden, ist das Ziel der Gläubigen, um von da aus, unter günstigeren Bedingungen und mit Hilfe des Buddha Amida, den Ausstieg aus dem Kreislauf der Wiedergeburten zu erlangen. Die fortwährende Anrufung des Amida (namu amida butsu) soll das ermöglichen. Shinran lehrte sogar, dass eine einzige Rezitierung des Amida-Namens für die Erlösung ausreichend sei. Der Versuch, das Reine Land über gute Taten und Verdienste zu erlangen, sei hingegen so gut wie aussichtslos. Die von ihm gegründete Jodo-shin-shu-Schule (»Wahre Schule des Reinen Landes«) war deswegen auch hauptsächlich unter Laien weit verbreitet.

In welchen Etappen verbreitete sich der Buddhismus in Japan?

500–550: In China entsteht die Meditationsschule Chan

Ende des 6. Jahrhunderts: Der Buddhismus gelangt über China und Korea nach Japan

1133–1212: Honen, buddhistischer Mönch und Begründer der japanischen Schule des Reinen Landes

um 1200: Gründung der beiden Zen-Schulen Rinzai und Soto in Japan

1173–1262: Shinran, Schüler Honens und Begründer der Jodo-shin-shu-Schule

Wussten Sie, dass …

es im Zen-Buddhismus neben der klassischen Sitzmeditation (zazen) auch Meditationsformen im Gehen (kinhin) gibt?

die Lehren des Zen mit Hilfe so genannter Koans, scheinbar sinnloser Anekdoten, weitergegeben wurden?

die japanische Rinzai-Schule die Erlernung der chinesischen Sprache verlangte?

noch heute der Amida-Buddhismus die größte buddhistische Glaubensgemeinschaft in Japan stellt?

Die buddhistische Erneuerung: Eine internationale Bewegung

Wie kam es zur buddhistischen Erneuerungsbewegung?

Die meisten asiatischen Länder standen im 19. Jahrhundert unter europäischer Kolonialherrschaft. Verbunden damit war eine starke Missionstätigkeit christlicher Kirchen. Von dieser Konstellation ging auch eine Provokation aus, die buddhistische Denker dazu anregte, ihre eigene religiöse Orientierung zu überprüfen, indem sie sich entweder verstärkt den urbuddhistischen Quellen zuwandten oder sich an die modernen Zeiten anpassten.

Was sollte sich ändern?

Folgende Ziele bestimmten die Bewegung: ökumenische Annäherung und Zusammenarbeit zwischen Buddhisten verschiedener Schulrichtungen und Länder, Verstärkung des sozialen und karitativen Engagements, Erneuerung des buddhistischen Erziehungssystems, weltweite Ausbreitung des Buddhismus, stärkere Einbeziehung der männlichen und weiblichen Laien, politische Unabhängigkeit der buddhistischen Länder und schließlich eine stärkere Betonung der fast in Vergessenheit geratenen Meditationspraxis als Grundlage für all die anderen Ziele.

Wo befand sich die Keimzelle der Erneuerung?

In dem seit 1815 vollständig unter britischer Herrschaft stehenden Sri Lanka, das damals noch Ceylon hieß, kam es im 19. Jahrhundert zu einer Reihe von Disputationen zwischen christlichen Missionaren und buddhistischen Mönchen. Eine wichtige Rolle spielten die Theosophen Colonel Henry Steele Olcott und Helena Petrowna Blavatsky sowie der von ihnen inspirierte Singhalese David Hewavitarane, der als Anagarika Dharmapala berühmt wurde. Er schuf im Jahr 1891 die Mahabodhi-Gesellschaft, die das Ziel hat, das Buddha-Heiligtum in Bodhgaya (Indien) zu reaktivieren. Er nahm 1893 auch am Weltparlament der Religionen in Chicago teil.

Was änderte sich in den asiatischen Staaten?

In Thailand, das nicht der Kolonialherrschaft unterworfen war, unterstützte der weltoffene König Mongkut (Reg. 1851–1868) die Reformschule des Dhammayuttika. Diese Bewegung hatte eine strengere Ordensdisziplin sowie eine engere Verbindung von Religion und Staat zum Ziel. In Burma, dem heutigen Myanmar, gingen von Lehrern wie U Ba Khin, U Narada und Mahasi Sayadaw neue Ansätze zur Meditation aus.

In China taten sich Laienführer wie Yang Wen-hui und T'ai-hsü durch Gründung neuer Verbände mit dem Ziel einer internationalen Zusammenarbeit von buddhistischen Laien hervor. Im nahen Südkorea kam der volkstümliche, überwiegend von Frauen praktizierte Won-Buddhismus auf, der buddhistische Geistlichkeit mit konfuzianischer Familienethik und christlicher Organisation verbindet.

Ähnlich verhielt es sich in Japan, wo sich eine bis heute führende Buddhologie (die wissenschaftliche Erforschung des Buddhismus) etablierte, und neue, buddhistisch inspirierte Religionen den Reformansätzen der alten Schulen den Rang abliefen.

Wie internationalisierte sich die buddhistische Religion?

Bereits 1891 kam es zu einer internationalen buddhistischen Konferenz in Japan, gefolgt von ähnlichen Konferenzen in den 1920er Jahren in China und Japan. Von Bedeutung ist die Gründung der World Fellowship of Buddhists (WFB) 1950 in Ceylon durch den Singhalesen G. P. Malalasekera, die seitdem in zweijährigem Abstand Buddhistische Weltkonferenzen an wechselnden Orten durchführt.

Zwischen 1952 und 1956 fand in Rangun das 6. Große Konzil in der Tradition des Theravada statt, an der auch Mahayana-Buddhisten teilnahmen. 1956 wurde darüber hinaus anlässlich der (nach traditioneller Datierung) 2500-jährigen Wiederkehr des Eingehens des Buddha ins Nirvana international die Feier des »Buddha Jayanti« begangen.

Wie entwickelte sich die Erneuerungsbewegung?

1873: Disputation von Panadura

1875: Olcott, Blavatsky, Judge und andere gründen die Theosophische Gesellschaft

1880: Gründung der Buddhistischen-Theosophischen Gesellschaft

1881: »Buddhistischer Katechismus« Olcotts

1891: Gründung der Mahabodhi-Gesellschaft

1918: Gründung des All-Ceylonesischen Buddhisten-Kongresses durch Dharmapala

1925: Ostasiatische Buddhistenkonferenz in Kyoto (Japan)

1929: Gründung des Chinesischen Buddhistenverbandes

1950: Gründung der World Fellowship of Buddhists

1952–1956: 6. Großes Buddhistisches Konzil in Rangun (Birma)

Indien und der Westen: Rückkehr und internationale Verbreitung

Wie gewann der Buddhismus in Indien wieder an Boden?

Mehr als sieben Jahrhunderte nach seinem Ende in Indien kehrte der Buddhismus durch Dr. Bhimrao Ramji Ambedkar (1891–1956) in sein Heimatland zurück. Dort hatten nur kleine buddhistische Enklaven in Bengalen und im Himalaya überdauert, doch mit dem 14. Oktober 1956 setzte eine Welle von Massenbekehrungen ein. Ambedkar rezitierte die dreifache Zufluchtnahme zum Buddha, zur Lehre und Gemeinschaft. Er rief die 400000 Anwesenden dazu auf, Buddhisten zu werden und den hinduistischen Göttern abzuschwören.

Warum bekehrten sich so viele Hindus?

Die neuen Buddhisten stammten fast nur aus der Kaste der Mahar, einer unteren Kaste der »Unberührbaren«, der auch Ambedkar angehörte. Er brandmarkte die Ungerechtigkeiten, die er und viele Millionen andere im hinduistischen Kastensystem zu erdulden hatten. In der Abkehr vom Hinduismus und der Konversion zu einer nicht hinduistischen Religion sah er die einzige Chance, ein menschenwürdiges Dasein führen zu können. Der buddhistischen Konversionsbewegung gelangen jedoch keine über die Kaste der Mahar hinausgehenden Erfolge. Die Ambedkar-Buddhisten Westindiens, die etwa 90 Prozent der über zehn Millionen indischen Buddhisten stellen, sind als quasi neue, gesellschaftlich kaum bessergestellte Kaste in das indische Sozialgefüge eingegliedert. Dem Einzelnen hat die Konversion zum Buddhismus, die viele als »Befreiung« und »Neugeburt« erlebten, jedoch erstmals ein Selbstvertrauen in die eigene Stärke und Würde gebracht.

Wie gelangte die Religion in den Westen?

Buddhistische Inhalte und Praxisformen kamen durch Zuwanderung und Konversion in den Westen. Erste Buddhisten in Nordamerika und Australien waren chinesische und japanische Migranten, die ihre Heimat verlassen hatten, um Gold und Arbeit zu finden. 1853 entstanden erste chinesisch-buddhistische Tempel in San Franciscos Chinatown, 1856 im australischen Melbourne. Das Verbot weiterer Zuwanderung verringerte den einst hohen Buddhistenanteil stark. Erst Änderungen der Immigrationsgesetze in den 1960er Jahren erlaubten süd- und ostasiatischen Migranten die Einwanderung nach Kanada, den USA und Australien. Viele der Zuwanderer sind Buddhisten, und wie ein Jahrhundert zuvor errichteten sie buddhistische Andachtsstätten und Tempel, je nach landestypischer Tradition.

Was führte zur verstärkten Einwanderung von Buddhisten nach Europa?

Das Ende des Vietnamkrieges (1975) und die einsetzende Fluchtwelle brachten mehr als eine halbe Million Vietnamesen, etwa die Hälfte von ihnen Buddhisten, in westliche Länder. In Frankreich leben mit rund 350000 und in Deutschland mit etwa 110000 Vietnamesen die größten Flüchtlingsgruppen Europas. Die asiatischen Buddhisten sind bislang in der öffentlichen Wahrnehmung wenig präsent. Dies steht im Gegensatz zu ihrer numerischen Stärke, die in Europa, Australien oder den USA etwa doppelt so groß ist wie die Zahl der zum Buddhismus konvertierten Westler.

Wie populär ist der Buddhismus heute?

Um 1850 hatten Übersetzungen und philosophische Traktate buddhistische Lehrinhalte in künstlerische und akademische Kreise getragen. Erste »bekennende Buddhisten« traten in den 1880er Jahren an die Öffentlichkeit. Buddhistische Organisationen entstanden zuerst in Leipzig (1903) und London (1907). Doch zu einem breiteren Interesse an buddhistischen Ideen und Meditationsformen sollte es erst ab den ausgehenden 1960er Jahren kommen. »Morgenlandfahrer«, Künstler und Studenten hatten in Indien, Burma und Japan den Buddhismus als spirituelle Kraft kennen gelernt, die in der Meditation den ganzen Körper einbezieht. Die neuen Schüler und ihre Lehrer aus Asien gründeten zahlreiche Zentren und Klöster. Zen und tibetischer Buddhismus sind besonders gefragt. Buddhismus im Westen, sei es in Nord- und Südamerika, in Südafrika, Australien oder Europa, ist äußerst vielfältig und vielgestaltig.

Wussten Sie, dass …

durch Massenbekehrungen ab Oktober 1956 innerhalb eines halben Jahres die Zahl der Buddhisten in Indien von 2500 auf über 4,2 Millionen anwuchs?

bereits der deutsche Philosoph Arthur Schopenhauer (1788–1860) von der Lehre Buddhas fasziniert war?

Wie verlief die Verbreitung des Buddhismus nach Westen?

1853: erster buddhistischer Tempel in San Francisco (USA)

1856: erster buddhistischer Tempel in Melbourne (Australien)

1903: erste buddhistische Gesellschaft in Deutschland

14. Oktober 1956: Beginn der Konversionsbewegung in Indien

ab den 1960er Jahren: vermehrte Zuwanderung asiatischer Buddhisten in Nordamerika und Australien

ab den frühen 1970er Jahren: rasanter Aufschwung des Buddhismus in der ganzen westlichen Welt

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