Lexikon
Kommunịstische Partei der Sowjẹtunion
Abkürzung KPdSUKommunismus: Geschichte
1848 | K. Marx und F. Engels verfassen für den „Bund der Kommunisten“ das „Manifest der Kommunistischen Partei“. Das Wort „Kommunismus“ ist seit etwa 1840 in Gebrauch |
1864 | Gründung der Ersten Internationale |
1903 | Die 1898 gegründete Sozialdemokratische Arbeiterpartei Russlands spaltet sich in die Fraktionen der gemäßigten Menschewiki und der radikalen Bolschewiki unter W. I. Lenin |
1912 | Die Bolschewiki konstituieren sich als selbständige Partei |
1917 | Machtergreifung der Bolschewiki in Russland (Oktoberrevolution) |
1918 | Die Bolschewiki nennen sich „Russische Kommunistische Partei“ (später KPdSU). – Gründung der Kommunistischen Partei Deutschlands. In den folgenden Jahren Gründung zahlreicher weiterer kommunistischer Parteien, z. B. 1920 in Frankreich, 1921 in Italien und China |
1919 | Gründung der Kommunistischen Internationale (Komintern). – Kurzlebige kommunistische Räterepubliken in Bayern und Ungarn |
1921 | „Neue Ökonomische Politik“ in Sowjetrussland: begrenze Zulassung der Privatwirtschaft |
1924 | Tod Lenins; danach Machtkämpfe in der Parteiführung |
1928 | J. W. Stalin schaltet die letzten Rivalen aus und wird Diktator der Sowjetunion. Forcierte Industrialisierung und Kollektivierung der Landwirtschaft. Linksschwenkung der Komintern: Als Hauptgegner gilt die Sozialdemokratie |
1931 | Die chinesischen Kommunisten errichten einen „Sowjetstaat“ in der Provinz Jiangxi |
1933 | Verbot der KPD und Verfolgung ihrer Mitglieder durch das NS-Regime |
1934-1935 | „Langer Marsch“ der chinesischen Kommunisten aus Jiangxi nach der nördlichen Provinz Shaanxi. Mao Zedong setzt sich als Parteiführer durch |
1935 | Übergang der Komintern zur Volksfrontpolitik: Bündnisse mit sozialdemokratischen und linksbürgerlichen Parteien |
1936-1938 | „Große Säuberung“ in der Sowjetunion: Stalin lässt Hunderttausende von Partei- und Staatsfunktionären umbringen |
1943 | Auflösung der Komintern |
1945–1948 | Nach dem 2. Weltkrieg kommen in mehreren Ländern Ost- und Mitteleuropas kommunistische Regimes an die Macht, meist im Gefolge der siegreichen Sowjetunion, in Jugoslawien und Albanien aus eigener Kraft |
1946 | In der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands muss sich die SPD mit der KPD zur SED vereinigen |
1948 | Bruch zwischen der Sowjetunion und den jugoslawischen Kommunisten unter J. Tito |
1949 | Sieg der chinesischen Kommunisten im Bürgerkrieg; Gründung der Volksrepublik China |
1949-1952 | Schauprozesse gegen führende Parteifunktionäre in mehreren Satellitenstaaten, die als „titoistische und imperialistische Agenten“ bezeichnet werden |
1953 | Tod Stalins. Die Gruppe der Nachfolger rückt von seinen Herrschaftsmethoden ab |
1953 | Ein Volksaufstand in der DDR wird von sowjetischen Truppen niedergeschlagen |
1955 | Aussöhnung zwischen der Sowjetunion und Jugoslawien, dem ein „eigener Weg zum Sozialismus“ zugestanden wird |
1956 | XX. Parteitag der KPdSU. In einer geschlossenen Sitzung übt N. S. Chruschtschow heftige Kritik an Stalin. – In Polen kommt es zum Sturz der stalinistischen Parteiführung, in Ungarn zu einem Volksaufstand, der von sowjetischen Truppen niedergeschlagen wird |
1957 | Chruschtschow setzt sich als Parteichef durch und lässt seine Rivalen aus der Führung ausschließen. – In China eröffnet Mao die „Hundert-Blumen-Kampagne“ für mehr Geistesfreiheit, bricht sie aber ab, als sie das Machtmonopol der Partei bedroht |
1958 | „Großer Sprung nach vorn“ in China: Der Versuch, den sofortigen Übergang zum Kommunismus zu vollziehen, scheitert |
1960 | Weltkonferenz der kommunistischen Parteien in Moskau; offener Konflikt zwischen der sowjetischen und der chinesischen Partei |
1961 | Der XXII. Parteitag der KPdSU nimmt ein neues Parteiprogramm an, dem zufolge die UdSSR binnen 10 Jahren die USA in der Industrieproduktion überholen soll. – Der kubanische Revolutionsführer F. Castro bekennt sich zum Kommunismus |
1964 | Chruschtschow wird abgesetzt; neuer Parteichef wird L. I. Breschnew |
1966-1969 | „Kulturrevolution“ in China: Auf Weisung Maos werden Intellektuelle und Funktionäre misshandelt, viele von ihnen getötet; wertvolle Kulturgüter werden vernichtet |
1968 | „Prager Frühling“: Die neue Parteiführung der ČSSR leitet eine Demokratisierung ein, die durch den Einmarsch von Warschauer-Pakt-Truppen unterbunden wird |
1971 | W. Ulbricht, langjähriger Parteichef der SED, wird gestürzt; Nachfolger wird E. Honecker |
1975 | Sieg der Kommunisten im Vietnamkrieg; ganz Vietnam wird kommunistisch, ebenso Laos und Kambodscha. – Mehrere Regimes von Staaten der Dritten Welt bekennen sich zum Kommunismus (z. B. Angola, Mosambik, Äthiopien). – In westlichen Ländern, besonders in Italien, entwickelt sich der „Eurokommunismus“ |
1976 | Tod Mao Zedongs. Nach Machtkämpfen wird Deng Xiaoping Nachfolger |
1980 | In Polen entsteht die unabhängige Gewerkschaftsbewegung „Solidarność“ |
1982 | Tod Breschnews; ihm folgen J. W. Andropow ( 1984) und K. U. Tschernenko ( 1985) |
1985 | M. S. Gorbatschow wird Parteichef der KPdSU |
1987 | Unter den Schlagworten „Offenheit, Umgestaltung, Demokratisierung“ kündigt Gorbatschow umfassende Reformen an |
1989 | In Polen, Ungarn, der DDR, der Tschechoslowakei, Bulgarien und Rumänien bricht das kommunistische System zusammen |
1990 | In der UdSSR verzichtet die KPdSU auf ihren Führungsanspruch. Gorbatschow kündigt den Übergang zur Marktwirtschaft an. Versorgungskrisen und nationale Konflikte erschüttern das Land. In der DDR benennt sich die SED in PDS (Partei des demokratischen Sozialismus) um. |
1991 | Nach dem gescheiterten Putsch in der UdSSR gegen Gorbatschow, bei dem sich die Führungsgremien der KPdSU wohlwollend verhalten, wird ein unionsweites Tätigkeitsverbot gegen die KPdSU erlassen. Die Sowjetunion löst sich auf, an ihre Stelle tritt eine "Gemeinschaft unabhängiger Staaten" (GUS). Gorbatschow tritt als Generalsekretär zurück. – Die italienische KP ändert ihren Namen in „Demokratische Partei der Linken“. – Die Volksrepublik Albanien wird zur Republik Albanien. |
1993 | In Russland kommt es zur Neugründung einer kommunistischen Partei. In den ehemaligen Unionsrepubliken bestehen meist die kommunistischen Parteiorganisationen unter neuen Namen und mit veränderten Programmen fort. |
1997 | In Nordkorea wird Kim Jong Il, Sohn des 1994 verstorbenen Staats- und Parteiführers Kim Il Sung, formell als Nachfolger seines Vaters als Generalsekretär der Kommunistischen Partei der Arbeit bestätigt |
1998 | Papst Johannes Paul II. besucht als erster Papst das kommunistische Kuba. |
2002 | Hu Jintao wird Generalsekretär des ZK der Kommunistischen Partei Chinas |
2008 | Die Staatsführung Kubas geht offiziell von Fidel Castro auf seinen Bruder Raúl über |
Die Partei entstand 1903–1912 durch Spaltung der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands (SDAPR). 1903 bildeten sich die Fraktionen der Bolschewiki („Mehrheitler“) und Menschewiki („Minderheitler“); 1912 brach die SDAPR endgültig auseinander. Die bolschewistische Partei stellte sich 1914 vorbehaltlos gegen den Krieg. Daraufhin wurde die bis dahin halblegale Partei verboten. Erst durch die Februarrevolution 1917 wurde ein Wiederaufbau der Partei möglich; im April 1917 kehrte der Parteiführer W. I. Lenin aus dem Exil nach Russland zurück. In der Oktoberrevolution gelang es der Partei, in putschähnlicher Weise die Staatsmacht an sich zu reißen.
Oktoberrevolution: Lenin
Oktoberrevolution
© Corbis/Bettmann
Führender Mann der Partei war von 1903 bis zu seinem Tod 1924 Lenin; seit seiner schweren Erkrankung 1922 wurde jedoch die Partei faktisch von G. J. Sinowjew, L. B. Kamenew und J. W. Stalin geführt. L. Trotzkij wurde bereits kurz nach Lenins Tod beiseite gedrängt. Nachfolger Lenins als Regierungschef wurde A. I. Rykow, führender Parteitheoretiker N. I. Bucharin. Dem Generalsekretär der Partei, Stalin, gelang es 1924–1928, alle anderen Parteiführer zu entmachten und die Führung der Partei, der Kommunistischen Internationale und des Sowjetstaats praktisch in seiner Hand zu vereinigen. Gleichzeitig wurde die innerparteiliche Demokratie beseitigt, die Diskussionsfreiheit unterdrückt und in der Partei eine bürokratische Herrschaftsstruktur errichtet. In der „Großen Säuberung“ 1936–1938 wurden Hunderttausende von Parteifunktionären und -mitgliedern verurteilt und hingerichtet, darunter Bucharin, Kamenew, Sinowjew, Rykow und zahlreiche Generale der Roten Armee.
Trotzkij, Lew (Leo) Dawidowitsch
Lew (Leo) Dawidowitsch Trotzkij
© wissenmedia
Nach Stalins Tod 1953 wurden, vor allem auf Initiative N. S. Chruschtschows (Erster Sekretär des ZK 1953–1964), Reformen eingeleitet. Der 20. Parteitag 1956 verurteilte den „Personenkult“ um Stalin und seine Terrormaßnahmen und verkündete eine Rückkehr zu den „Lenin’schen Normen“ des Parteilebens. Chruschtschow erregte durch unstetes und überhastetes Vorgehen bei seinen Neuerungen das Missfallen des Parteiapparats und wurde 1964 gestürzt. Zunächst bestand im Politbüro eine kollektive Führung, innerhalb deren der Erste Sekretär (seit 1966 Generalsekretär) des ZK, L. I. Breschnew, immer stärker als dominierende Persönlichkeit hervortrat. Chruschtschows Nachfolger machten viele seiner Reformen rückgängig; ihre Politik war vorrangig auf Stabilisierung des Regimes gerichtet.
Seit Anfang der 1960er Jahre verlor die KPdSU ihre bis dahin fast unbestrittene Führungsstellung im Weltkommunismus. Ihr Streit mit der Kommunistischen Partei Chinas, die Zerschlagung des Prager Frühlings 1968, die Haltung der Sowjetunion in der Polenkrise seit 1980 sowie das Problem der Menschenrechte und der Dissidenten im eigenen Land waren jeweils die Ursachen tief greifender ideologischer Auseinandersetzungen mit ausländischen kommunistischen Parteien, die zunehmend ihre Unabhängigkeit gegenüber der KPdSU betonten.
Auf Breschnew, der 1982 starb, folgten als Parteichefs J. W. Andropow (1982–1984) und K. U. Tschernenko (1984/85), die beide nach kurzer Amtszeit starben. 1985 wurde M. S. Gorbatschow Generalsekretär des ZK. Er proklamierte eine Reformpolitik („Perestrojka“, d. h. Umgestaltung) mit dem Ziel, die „Stagnation“ der Breschnew-Ära zu überwinden und das politische und ökonomische System effizienter zu machen. Unter dem Schlagwort „Glasnost“ (Offenheit) ließ er eine relativ freie Diskussion zu. Dies führte zu krisenhaften Zuständen im gesamten sowjetischen Machtbereich. Die kommunistischen Regimes in Mittel- und Osteuropa wurden durch Volksbewegungen gestürzt. In der UdSSR kam es zu nationalen Unabhängigkeitsbestrebungen in den einzelnen Unionsrepubliken, die großenteils von den dortigen kommunistischen Parteiorganisationen unterstützt wurden. 1990 verzichtete die KPdSU auf ihren in der Verfassung verankerten Führungsanspruch in Staat und Gesellschaft. Auf dem 28. Parteitag im selben Jahr trat B. Jelzin, einer der entschiedensten Reformer, aus der Partei aus; ihm folgten weitere führende Vertreter des Reformflügels.
Gorbatschow, Michail S.
Michail Sergejewitsch Gorbatschow
© Corbis/Bettmann/Reuters
1991 legte M. Gorbatschow einen Entwurf für ein neues Parteiprogramm vor, das zwar sozialdemokratische Züge enthielt, aber am Erbe von Marx und Lenin festhielt. Nach dem gescheiterten Putsch gegen Gorbatschow, bei dem sich die Führungsgremien der Partei wohlwollend oder zumindest abwartend verhielten, erließ der Oberste Sowjet ein unionsweites Tätigkeitsverbot gegen die KPdSU. Gorbatschow legte am 24. 8. 1991 das Amt des Generalsekretärs der KPdSU nieder. In Russland kam es 1993 zur Neugründung einer kommunistischen Partei. In den ehemaligen Unionsrepubliken bestehen meist die kommunistischen Parteiorganisationen unter neuen Namen und mit veränderten Programmen fort.
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