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Die größten Änderungen, Skandale und Rekorde der Bundesliga
Dortmund gegen Köln, zuhause im Pott. Eigentlich ein normales Spiel, wie es seit Beginn der Bundesliga bereits Dutzende Male vorkam. Köln kassierte in der jüngsten Begegnung jedoch eine ziemliche Klatsche - 5:0 stand es beim Abpfiff. Doch dieses Mal war die Lage anders. Denn zumindest das zweite Tor war unter Einsatz einer neuen Technik gefallen, der Unparteiische hatte schon abgepfiffen, bevor der Ball über die Torlinie war. Der Videobeweis hingegen entschied auf „Tor für Dortmund“ und so reiht sich ein weiterer kleiner Skandal in über ein halbes Jahrhundert Bundesligageschichte ein, denn Köln verzichtete letztendlich auf offiziellen Protest. Aber es ist auch ein schönes Beispiel dafür, welche Änderungen seit der Saison 63/64 aufkamen. Grund genug, etwas Rückschau zu halten.
1. Wie es ´63 noch war
Da soll einer den Überblick behalten: Anfang der 1930er Jahre gab es in Deutschland ganze 55 verschiedene Fußball-Ligen – alle mit erstklassigem Anspruch. Und obschon man damals das Chaos entwirren wollte, sorgten die Jahre des Krieges und des Wiederaufbaus dafür, dass nochmal rund 30 Jahre vergehen sollten, bis eine echte Speerspitzen-Liga der besten Vereine (damals freilich West-) Deutschlands herauskristallisierte: Die Bundesliga. Werfen wir einen kleinen Blick ins Anfangsjahr…
Begrenzte Spielergehälter
Aktuell verdient Bayerns Torwart Manuel Neuer 1,25 Millionen Euro – pro Monat wohlgemerkt. 1963 war das etwas anders. Denn da gab es noch Lizenz- und Vertragsspieler. Nur erstere waren echte Profifußballer nach heutigem Verständnis; für die Vertragsspieler gab es lediglich eine Art Aufwandsentschädigung. Bei Bundesliga-Beginn waren die Gehälter beider Spielertypen noch gedeckelt. Profis bekamen anfangs monatlich maximal 1.200 DM (inflationsbereinigt wären das heute rund 2.500 Euro), die Vertragsspieler (die übrigens einen regulären Arbeitsplatz nachweisen mussten) konnten auf höchstens 320 DM hoffen.
Gedeckelte Ablösesummen
Der Stürmer Kingsley Coman wechselte kürzlich von Turin nach München. 21 Millionen Euro zahlten die Bayern für ihn – heutzutage eine durchaus übliche Summe. 1963 betrug der Gesamtwert des ganzen Bundesliga-Kaders nicht annähernd so viel. Kein Wunder, denn die Ablösesummen waren auf höchstens 50.000 DM festgesetzt. Pro Verein und Saison durften damals nur maximal drei Spieler aus anderen Vereinen zugekauft werden.
Vermarktung
Bei solch bescheidenen Anfängen verwundert es auch nicht, dass sich die damaligen Vereine zu fast 100 Prozent über Stadioneintrittsgebühren finanzierten. Denn sowohl Werbung als auch Fanartikel wie der Verkauf von Übertragungsrechten waren damals schlicht noch nicht vorgesehen. Erst ab der Saison 1965 floss von Seiten der ARD und des ZDF erstmals Geld: 650.000 DM.
2. Die größten Änderungen
Schon nach diesem ersten Kapitel ahnen auch weniger Fußball-affine Menschen: Da hat sich einiges gewandelt. Und in der Tat, das hat es wirklich – und zwar grundlegend.
Werbung
Von Anfang an war die Bundesliga als eine Institution geschaffen worden, in der es um die bloße, sportliche Leistung ging. Das zeigt sich nicht nur in gedeckelten Transfersummen und Gehältern, sondern auch darin, dass in den ersten 20 Jahren jede Form von Trikotwerbung verboten war. Nur das Vereinslogo war erlaubt.
Und genau diese Tatsache nutzte der FC Braunschweig mit Beginn der 1973er Saison frech aus: Dort war Günter Mast eine Art Vereins-Mäzen. Kein „Irgendwer“, sondern in der Firmenspitze der W. Mast Kommanditgesellschaft beschäftigt. Kennern ist das Unternehmen (heute eine AG) auch als Hersteller des Jägermeister-Kräuterlikörs ein Begriff. Und so kam es, dass Braunschweig das Werbeverbot einfach damit unterlief, indem man kurzerhand den Jägermeister-Hirsch zum Vereinslogo machte.
Vor so viel Chuzpe kapitulierte auch der DFB – und gab im November ´73 die Trikotwerbung generell frei.
Torbeweis
Eingangs dieses Artikels kam die vielleicht tiefgreifendste spielerische Änderung der Bundesliga bereits zur Sprache: Der Videobeweis. Bis zu 17 Kameras behalten dabei das Spielfeld im Überblick. An zentraler Stelle sitzt ein Video-Assistent, der sich strittige Szenen mehrfach anschauen und den Feld-Schiedsrichter per Funk informieren kann. Und obwohl gerade das Spiel Dortmund-Köln Kritikern dieses Systems mächtig Wasser auf die Mühlen zu kippen scheinte, muss einfach festgestellt werden: Das seit Beginn der 2017er Saison eingesetzte, kamerabasierende Beweismittel ist eigentlich nur eine logische Konsequenz aus weit über einem Jahrhundert der Fußball-Regulierung, die 1863 in England ihren Anfang nahm.
Denn sind wir ehrlich: Kein Schiedsrichter, auch mit Unterstützung der Assistenten, kann alles sehen. Aufreger wie Maradonnas „Hand Gottes“ oder „das Wembley-Tor“ wären mit Videobeweis nie geschehen. Und selbst wenn auch die Technik nicht perfekt ist, ist Fußball heute, so sehr es Fans gerne anders sähen, bereits ohnehin zutiefst technisiert und durchstrukturiert – unter anderem weil es ein Milliardengeschäft ist. Kein Schuh, der nicht computergestützt designt wäre, kein Spieler, dessen Leistung nicht durch elektronische Kontrolle aufs letzte Tausendstel-Prozent optimiert wäre. Hier den Videobeweis abzulehnen, weil er die „Seele des Fußballs entkernen“ würde, ist eine Kritik, die sich längst überlebt hat. Denn Profifußball ist sowieso schon ein hartes Business – warum sollte der Schiri auf Informationen verzichten müssen, die jeder TV-Zuschauer mehrfach per Zeitlupe gezeigt bekommt?
Internationalisierung
Leipzig und Schalke sind Bundesliga-Könige – zumindest was die Zahl der Spieler ohne deutschen Pass anbelangt. Über 60 Prozent beider Teams bestehen aus ausländischen Spielern. Allerdings ist auch dies nur eine Evolution: Bereits 1963 spielten Ausländer in der Liga, namentlich Frankfurts Wilhelm Hubertus (Österreich), Kaiserslauterns Jakobus Prins (Niederlande) und Petar Radenkovic (Jugoslawien), der für 1860 München als legendärer Torhüter gern auch mal in der gegnerischen Hälfte agierte.
Doch die Bundesliga wurde noch ein gutes Stück internationaler. Vor allem aus Zwang: Das damalige Westdeutschland war klein und somit die Anzahl möglicher Talente begrenzt. Zwar gab es durchaus Versuche eine „Ausländerquote“ zu etablieren, doch seit 2006 sieht die Sachlage in Deutschland ziemlich einfach aus:
- Jeder Kader muss mindestens zwölf deutsche Spieler enthalten
- Keine Beschränkung für Spieler aus nicht-UEFA-Nationen
- Mindestens acht Spieler müssen bei einem deutschen Team ausgebildet worden sein
Und nur durch diese wenigen Einschränkungen konnte und kann Deutschland überhaupt auf internationalem Parkett agieren – dort gibt es nämlich ebenfalls kaum Restriktionen.
Echter Profifußball
In den ersten 20 Bundesliga-Jahren gab es ein weiteres Spielerproblem. Durch die gedeckelten Gehälter war es extrem schwer, ausländische Talente anzulocken und zu verhindern, dass deutsche Kicker sich ins Ausland aufmachten, um dort mehr zu verdienen.
1972 gab der DFB deshalb den seit langem verärgerten Vereinen nach und hob die Deckelung der Gehälter auf. Damit endete fast über Nacht die Zeit der Vertragsspieler – gleichzeitig schossen die Bezüge durch die Decke und machten die Bundesliga zu einer reinen Profiveranstaltung. Nur in den heutigen Regionalligen als „vierte Liga“ existiert noch ein ähnliches Konzept wie damals.
Wanderpokal Meistertitel
Und noch etwas änderte sich, allerdings in den Augen vieler Kritiker nicht zum Guten: Denn anfangs war die Bundesliga über viele Jahre hinweg an ihrer Spitze ein spannendes Bäumchen-wechsel-dich. Es dauerte bis zum Ende der 70/71er Saison, bis erstmals eine Mannschaft (Mönchengladbach) nicht nur ihren Meistertitel aus dem vorherigen Jahr verteidigen konnte, sondern überhaupt zum zweiten Mal Bundesliga-Champion wurde.
Mittlerweile hat der FC Bayern die Meisterschale zum fünften Mal errungen, was für viele eine nicht ganz von der Hand zu weisende Langeweile an der Spitze bedeutet, sodass der Kampf um die weiteren Plätze in den vergangenen Jahren oft spannender war, als jener um den eigentlichen Titel.
Kaderzahlen
1963 betrug der Kader von Schalke 04 19 Spieler und ein Trainer. Heute sind daraus 23 Spieler geworden. Auch die Bayern haben „nur“ 25 Mann im Programm, wo es 1963 noch 24 waren. Die Spielerzahlen haben sich nicht so sehr gewandelt – wohl aber das ganze „Drumherum“.
Anfangs etwa reiste der Mannschaftsarzt nicht zu Auswärtspartien mit. Wurde ein Spieler verletzt, kümmerte sich der medizinische Dienst der Heimmannschaft.
Summa summarum gehören heute zu einem Erstliga-Team
- Ein über rund fünf Köpfe zählender Trainerstab
- Drei Ärzte
- Fünf Physiotherapeuten
- Drei Zeugwarte
In den Anfangsjahren war es indes auch noch üblich, dass die Spielerfrauen sich um die Schmutzwäsche kümmerten.