wissen.de Artikel

Eine Nährstoffautobahn unter unseren Füßen

Im Wald fallen langsam die Blätter von den Bäumen und in der feuchten Herbstluft sprießen Pilze in allen Formen und Farben aus dem Waldboden. Was wir mit unseren Augen sehen können, ist aber eigentlich nur ein Bruchteil dessen, was sich unter unseren Füßen abspielt. Was verbirgt sich unter der Erde? Wie beeinflussen Pilze ihre Umgebung? Und können wir sogar davon profitieren?
SSC, 21.10.2024
Champignon-Fruchtkörper (r.) und -Mycel
Von Pilzen wie dem Champignon kennen wir meist nur den Fruchtkörper (r.). Der eigentliche Pilz selbst wächst unter der Erde (l.) und besteht aus einem Geflecht feiner, wurzelähnlicher Fäden – dem Mycel.

© Champignon-Mycel: Andreas Häuslbetz, iStock; Champignon: 0x010C / CC BY-SA 4.0

Was über die Erde ragt, sind eigentlich nur die Fruchtkörper der Pilze. Unter der Erde erstreckt sich ein großes Geflecht, das bei den meisten Pilzen vorkommt und gewaltige Dimensionen annehmen kann. Das größte Pilzgeflecht erstreckt sich im US-Bundesstaat Oregon. Dort hat ein Hallimasch sich unterirdisch über neun Quadratkilometer ausgebreitet.

Diese Geflechte – auch Mycele genannt – setzen sich jeweils aus einzelnen Zellfäden zusammen, die als Hyphen bezeichnet werden. Über diese Fäden können die Pilze Wasser und Nährstoffe aus der Erde ziehen und sich versorgen.

Mykorr- was? – Hallo Nachbar!

Zusätzlich können die Pilze auch eine Symbiose mit Pflanzen eingehen, um ihr Leben zu optimieren. Als Symbiose wird das Zusammenleben von zwei Lebewesen bezeichnet, bei dem beide Organismen voneinander profitieren. Die meisten Pflanzen bilden mit Pilzen eine solche Form der Symbiose: eine sogenannte Mykorrhiza.

Bei dieser Kooperationsgemeinschaft treten die Hyphen des Pilzes in Austausch mit den Wurzeln der Pflanze. Das können sie auf verschiedene Arten: Bei der Ektomykorrhiza umschließen die Hyphen des Pilzes die Wurzeln der Pflanze. Bei der Endomykorrhiza dringen sie in die Zellwände der Wurzeln ein. Eine besondere Form stellt die arbuskuläre Mykorrhiza dar. Sie ist die am häufigsten verbreitete Form. Dabei dringen die Pilzhyphen ins Innere der Wurzelzellen ein und bilden in ihnen ein Geflecht.

Sämlinge einer Stieleiche  (Quercus robur)
Sämlinge einer Stieleiche, deren Wurzel mit Mykorrhiza verflochten sind.

Und wozu das Ganze? – Wie du mir, so ich dir

Doch wie genau hilft den beiden Organismen dieses Zusammenleben? Die Pflanze gibt dem Pilz durch Photosynthese produzierte Kohlenhydrate ab. Der Pilz kann dann die Kohlenhydrate in andere, für ihn verwertbare Nährstoffe umwandeln, die die Pflanze nicht nutzen kann.

Im Austausch nimmt der Pilz mit seiner durch das Mycel stark vergrößerten Oberfläche sehr viel Wasser auf und gibt es an die Pflanze weiter. Zusätzlich versorgt er die Pflanze mit Nährstoffen wie Stickstoff und Phosphat aus dem Erdboden. Besonders die Aufnahme von Phosphat durch die Pilze ist für die Pflanzen ein entscheidender Vorteil der Symbiose. Phosphat ist ein essenzieller Nährstoff für den Stoffwechsel und Energiehaushalt von Pflanzen. An den kommen sie jedoch nicht so einfach heran: Phosphat ist im Boden gebunden und wenig mobil. Pilze schaffen es allerdings, den Nährstoff aus dem Boden herauszulösen und ihn über das Mycel an die Pflanzen weiterzugeben.

Das die Wurzeln umgebende Mycel schützt die Pflanze auch vor Infektionen genauso wie vor Trockenstress: Der Pilz bildet bestimmte Enzyme, die eine Produktion von schädlichen Stoffen in der Pflanze verhindern können. So werden die Pflanzenzellen vor Schäden und Zelltod bewahrt.

Mykorrhiza-Dünger
Durch den sogenannten Mykorrhiza-Dünger wird die Erde mit einem bestimmten Pilz angeimpft.

© Hiraman, iStock

Mykorrhizadünger – Wundermittel oder alles Humbug?

Kann diese Nährstoff-Symbiose auch im heimischen Garten oder der Landwirtschaft von Nutzen sein? Wer Gemüse erfolgreich anbauen möchte, der findet in einschlägigen Bau- und Gartenmärkten Mykorrhizadünger. Dieser enthält neben Blähton eine Pilzart, die eine arbuskuläre Mykorrhiza eingehen kann. „Größere Früchte“, „intensivere Blüte“ und „widerstandsfähigere Pflanzen“ preisen die Verpackungen an. Aber stimmt das, was die Hersteller versprechen?

Durch den Einsatz des Mykorrhizadüngers bildet sich – genau wie auf natürliche Weise im Wald – ein Pilzgeflecht, das mit den Wurzeln der Pflanze im Austausch steht, ihr Wasser und Nährstoffe zukommen lässt und vor Infektionen und Stress schützt.

Diese Schutzmechanismen können sich positiv auf Pflanzen im Garten oder auf dem Acker auswirken. Um das Pilzgeflecht nicht zu zerstören, sollte aber auf Umgraben verzichtet werden.

Weitere Artikel aus dem Wahrig Herkunftswörterbuch