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Welche Gefahr geht von Pilzen aus?
Pilze sind weder Tier noch Pflanze und zählen zu den wundersamsten Lebewesen auf der Erde. Sie gedeihen überall dort, wo es organisches Material gibt, von dem sie sich ernähren können. Das kann zum Beispiel die Erde im Garten oder Blumentopf sein, aber auch der Waldboden und verschiedenste Bäume. Je nach Pilzart und Fortpflanzungsstatus treten sie in den unterschiedlichsten Farben und Formen auf: Von der winzigen Spore über den fadenartigen Schimmelhyphen bis hin zum klassischen Hutpilz, der eigentlich nur den sichtbaren Fruchtkörper des gesamten Pilzgeflechts darstellt.
Vorsicht beim Pilze sammeln!
Genau diesen Fruchtkörpern jagen immer mehr Menschen in ihrer Freizeit nach. In den Wald zu gehen und Pilze für das Abendessen zu sammeln ist in den vergangenen Jahren immer beliebter geworden. Nicht nur, weil Pilze lecker, nahrhaft und reich an Eiweiß und Vitaminen sind, sondern auch, weil Pilze sammeln ein naturverbundener Zeitvertreib ist. Doch dabei kommt es immer wieder zu tragischen Verwechslungen von harmlosen Speisepilzen mit giftigen Doppelgängern. Weltweit sterben jährlich etwa 100 Menschen an einer Vergiftung durch Pilzgifte, sogenannte Mykotoxine. In Deutschland vergiften sich im Schnitt zehn Hobby-Sammler pro Jahr. Bevor es ans Pilze suchen geht, sollten Interessierte sich daher ausreichend informieren.

Wie erkennt man Giftpilze?
Hauptproblem beim Pilze sammeln ist die Verwechslungsgefahr: „In Deutschland wachsen sehr giftige Pilze, die essbaren Exemplaren ähneln. Das kann für Sammler mit geringer Erfahrung gefährlich sein“, sagt Herbert Desel vom Bundesinstitut für Risikobewertung. Jedes optische Pilz-Duo aus harmloser und giftiger Variante hat dabei andere charakteristische Erkennungsmerkmale, die auf Fotos oft nicht alle abgebildet werden können. Das macht allgemeine Faustregeln zur Erkennung und eine eindeutige Unterscheidung schwer.
Ein weiteres Problem: Giftpilze riechen und schmecken sehr unterschiedlich und können daher beim Kochen und Verzehren nicht zuverlässig an einheitlichen Merkmalen erkannt werden. Selbst hochgiftige Arten wie der süßliche Knollenblätterpilz können sehr angenehm riechen und schmecken. Viele Pilzgifte sind zudem hitzestabil und bleiben beim Kochen und Braten erhalten, so dass auch die Zubereitung keinen sicheren Schutz vor den Toxinen bietet. Allerdings müssen selbst die giftigsten Pilze für gewöhnlich verzehrt werden, um bei uns ihre toxische Wirkung zu entfalten. Der bloße Hautkontakt reicht bei keinem der europäischen Giftpilze für eine Vergiftung aus.

Welche Pilze werden oft verwechselt?
Zu den beliebtesten essbaren Waldpilzen gehören in Deutschland etwa Champignons, Pfifferlinge, der Austernpilz, der Feldpilz und einige Russula-Arten. Von unerfahrenen Sammlern werden diese und weitere Speisepilze leider häufig mit verschiedensten Giftpilzen verwechselt. Am häufigsten treten Verwechslungen mit einigen Amanita-Arten wie dem Grünen Knollenblätterpilz auf, dem giftigsten aller heimischen Pilze.
Mit der Erderwärmung könnten gesundheitsschädliche Pilze ein noch größeres Problem werden. Denn Wissenschaftler prophezeien, dass sich mit dem Klimawandel viele invasive Pilze aus wärmeren Regionen künftig auch hierzulande ansiedeln könnten. Einige Arten wurden bereits eingeschleppt, darunter zahlreiche Giftpilze wie der falsche Wiesen-Champignon, die wilden Speisepilzen zum Verwechseln ähnlichsehen.
Derzeit sind von den über 5.000 Großpilzen mit großem Fruchtkörper in Europa etwa 150 als giftig bekannt. Sie produzieren kleine Moleküle oder Proteine mit toxischer Wirkung. Doch nur ein gutes Dutzend dieser Pilzgifte sind tatsächlich lebensbedrohlich. Denn auf den menschlichen Körper und andere Tiere wirken Pilzgifte auf ganz unterschiedliche Weise.
Wie wirken die Pilzgifte in unserem Körper?
Die meisten Giftpilze haben nur eine lokale, eher schwache Reizwirkung und erzeugen mit ihren Giftstoffen beispielsweise Verdauungsstörungen, Durchfall, Übelkeit und Erbrechen. Zu dieser Gruppe zählen unter anderem einige Ritterlinge, Täublinge und Milchlinge. Die Vergiftungserscheinungen dieser Pilze dauern meist nur einige Stunden an, die Wirkung anderer Pilze kann dagegen einige Stunden bis Tage anhalten. Diese schädigen besonders das Nervensystem und führen zu schweren Wahrnehmungsstörungen – zum Beispiel der Fliegenpilz und Pantherpilz.
Neben diesen reizenden oder neurotoxischen Pilzsubstanzen gibt es noch ein dritte, deutlich gefährlichere Gruppe: Pilzgifte, die besonders die Zellen der Leber angreifen und zum tödlichen Leberversagen führen können. Dazu zählt zum Beispiel der Grüne Knollenblätterpilz, auch „Todeskappe“ genannt.

Warum produzieren Pilze Toxine?
Aber warum sind manche Pilze überhaupt giftig? Da sie nicht wie Tiere vor Feinden davonlaufen können und keine mechanische Barriere wie Baumrinde besitzen, besteht eine der wichtigsten Verteidigungsstrategien der Pilze in der Produktion von Giftstoffen. Indem sie diese für andere Lebewesen schädlichen Chemikalien in ihre Fruchtkörper einbauen oder ausscheiden, verhindern die Pilze, von Insekten und anderen Tieren gefressen oder von Parasiten ausgenutzt zu werden.
Generell sind Pilzgifte nicht unbedingt für alle Lebewesen schädlich: Manche Mykotoxine richten sich nur gegen konkurrierende Pilze, andere gegen Bakterien und wieder andere gegen Pflanzen oder gegen tierische Fressfeinde. Für wen das Gift gemacht ist, hängt jeweils von der Lebensweise und dem Lebensraum der Pilze ab.