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Trockenheit: Wenn den Flüssen das Wasser fehlt
Schon länger warnen Klimaforscher davor, dass der Klimawandel auch die Niederschläge in Europa beeinflusst. Durch die veränderten Luftströmungen kann es dabei immer häufiger zu Wetterlagen kommen, bei denen zu wenig Schnee und Regen fallen. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn Hochdruckgebiete ungewöhnlich lange über Mitteleuropa verharren und heißes, trockenes Wetter bringen – so wie in diesem Jahr und im Jahr 2018. Die normalerweise regenbringenden Tiefdruckgebiete werden dabei weit nach Norden abgedrängt.
Die Folgen des zu warmen und zu trockenen Wetters sind zurzeit überall sichtbar: Felder, Wiesen und Wälder sind braun statt saftig grün, Bäche trocknen aus und selbst große, durch halb Europa strömende Flüsse wie Elbe, Oder und Rhein haben extremes Niedrigwasser. Vielerorts liegen weite Teile des Flussbetts frei und die einst breiten Ströme sind auf nur noch eine schmale Fahrrinne geschrumpft. Am Rhein stand der Pegel am besonders flachen Abschnitt zwischen Koblenz und Bingen am Montag, dem 15. August 2022, bei nur noch bei 31 Zentimetern.
Doch was bedeutet es für Fluss, Natur und Wirtschaft, wenn die Pegel über eine längere Zeit so niedrig sind?
Gestoppte Schifffahrt und Lieferengpässe
Eine offensichtlich betroffene Branche ist die Schifffahrt: Wenn der Wasserstand zu niedrig ist, können größere Schiffe mit etwas mehr Tiefgang nicht mehr fahren – sie würden auf Grund laufen. Auch für voll beladenen Schiffe wird die Durchfahrt riskant oder sogar unmöglich, weil auch sie tiefer im Wasser liegen.
Zwar gibt es selbst bei starkem Niedrigwasser kein generelles Fahrverbot für Binnenschiffe. Ab einem bestimmten Pegel entscheiden sich die meisten Kapitäninnen und Kapitäne gegen eine Durchfahrt, weil ihnen das Risiko zu hoch ist – und weil es sich schlicht nicht lohnt. Denn um überhaupt noch durchzukommen und ihren Tiefgang zu verringern, müssen die Frachtschiffe ihre Ladung stark reduzieren. Dadurch entstehen ihnen wirtschaftliche Verluste, die eine Fahrt nicht mehr rentabel machen.
Doch eine eingeschränkte oder gestoppte Schifffahrt hat erhebliche Folgen für die gesamte regionale Wirtschaft. Denn viele Branchen sind von per Schiff angelieferten Gütern und Rohstoffen abhängig. Dazu gehören vor allem Stahlwerke und Kohlekraftwerke, die große Mengen an Kohle, Koks und Erzen über die Flüsse erhalten. Aber auch Kraftstoffe und Erdöl sowie Getreide werden über die Flüsse transportiert. Die jetzigen Niedrigwasserstände könnte damit zu einer weiteren Verschärfung der ohnehin schon bestehenden Lieferengpässe führen.
Weniger Strom wegen gedrosselter Kraftwerke
Wenn die Pegel der Flüsse zu niedrig sinken, beeinträchtigt dies aber auch die Stromproduktion: Die meisten Kraftwerke benötigen große Mengen Wasser. Atomkraftwerke kühlen damit ihre Reaktoren, Gas- und Kohlekraftwerke benötigen ebenfalls Wasser zur Kühlung und zum Betrieb ihrer Dampfturbinen. Wenn der Fluss aber nur noch wenig Wasser führt und dieses wie in diesem Sommer von der Sonne aufgeheizt ist, sinkt die Kühlwirkung. Viele Kraftwerke mussten daher schon ihren Betrieb drosseln. Hinzu kommt: Normalerweise leiten die Kraftwerke das aufgeheizte Kühlwasser wieder zurück in den Fluss. Ab einer bestimmten Wassertemperatur ist dies jedoch nicht mehr erlaubt, weil dann Fische und andere Wasserbewohner gefährdet sind.
Auch Wasserkraftwerke sind vom Niedrigwasser der Flüsse und den sinkenden Pegeln der Stauseen betroffen. Weil der Wasserdruck auf die Turbinen dann zu schwach wird, müssen sie ihre Leistung drosseln. Im trockenen Sommer 2018 musste beispielsweise das Münchener Laufwasserkraftwerk seine Leistung auf weniger als die Hälfte reduzieren, weil die Isar zu wenig Wasser führte. Bei Talsperren kann auch eine komplette Abschaltung nötig werden, wenn das Wasser im Stausee dringender für Trinkwasser oder andere Zwecke benötigt wird.
Hohe Belastung für Fische und Co
Probleme macht das Niedrigwasser an Rhein, Elbe und Co aber auch den tierischen Bewohnern der Flüsse. Eines davon ist ein Sauerstoffmangel: "Wenn ein Fluss eine geringere Wassertiefe hat, hat er auch in den tieferen Bereichen eine höhere Temperatur und das ist mit einem geringeren Sauerstoffgehalt verbunden", erklärt der Wasserbau-Experte Andreas Malcherek von der Universität der Bundeswehr München. "Die Fische haben dann größere Probleme, Sauerstoff zu bekommen und können sterben."
Bei Niedrigwasser kann zudem der Gehalt an Schadstoffen im Flusswasser deutlich ansteigen. Der Grund: Zum einen werden aus dem Sediment austretende Salze und Schwermetalle wenig gut verdünnt. Zum anderen sorgt auch die Einleitung von gereinigten Abwässern für eine höhere Belastung. Denn trotz Kläranlagen enthalten diese Abwässer häufig noch immer mehr Nährstoffe und Restverunreinigungen als das normale Flusswasser – und auch hier fehlt dann der Verdünnungseffekt. Bei empfindlicheren Wassertieren kann diese Belastung in Kombination mit Sauerstoffmangel zu einem Massensterben führen.
Trinkwassermangel und Rationierungen
Nicht zuletzt schadet das Niedrigwasser auch unserer Versorgung mit Trinkwasser und Lebensmitteln. Denn an vielen Orten wird das Trinkwasser aus Stauseen oder dem Uferfiltrat von Flüssen gewonnen. Haben diese Gewässer aber zu wenig und zu schmutziges Wasser, können die Wasserwerke auch nicht mehr so viel Wasser aus diesen Quellen nutzen. Gleichzeitig können bei langen Trockenperioden auch die Grundwasserspiegel sinken – auch das macht Trinkwasser knapp.
In einigen Regionen Europas, aber auch einigen deutschen Landkreisen haben die Behörden bereits das Trinkwasser rationiert. Die Menschen dort dürfen kein Leitungs- oder Flusswasser mehr zur Gartenbewässerung, fürs Autowaschen oder andere nicht lebensnotwendige Zwecke mehr nutzen. Auch die Bewässerung von Feldern darf nur noch eingeschränkt durchgeführt werden. Die Menschen sind zudem überall dazu aufgerufen, Wasser zu sparen – das gilt auch für Touristen.