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Die Religion der Hethiter: Götter und Helden

Was waren die Hethiter für ein Volk?

Die Hethiter waren indoeuropäischer Herkunft und errichteten im 2. Jahrtausend v. Chr. ein Großreich im heutigen Anatolien (Osttürkei). Ab etwa 1500 v. Chr. waren die Hethiter die großen Widersacher des mächtigen ägyptischen Reiches. Berühmt geworden ist die Schlacht von Kadesch (im Jahr 1299 v. Chr.), in der die Hethiter dem ägyptischen Pharao Ramses II. schwer zu schaffen machten.

Obwohl die Hethiter indoeuropäische Wurzeln hatten, spielte das indoeuropäische Element in ihrer Religion nur eine untergeordnete Rolle. Die hethitische Religion war vielmehr ein Konglomerat aus religiösen Vorstellungen der anatolischen Urbevölkerung (Hattier), nordmesopotamisch-syrischen Einflüssen (Hurriter) und nicht zuletzt sumerisch-akkadischen Glaubensinhalten. So kam der Gott Anu aus dem akkadischen Gebiet, während der Gott Kumarbi hurritischer Herkunft war und die Göttin Inara aus der Mythologie der Hattier stammte. In ihrem Aussehen glichen die hethitischen Götter deshalb stark den sumerisch-akkadischen und syrischen Gottheiten.

Welche Gottheit war besonders bedeutend?

Die Muttergöttin nahm – wie dies häufig im kleinasiatischen Raum der Fall war – eine besonders wichtige Stellung ein. Als »Königin des Landes« oder »Königin der Erde und des Himmels« war sie die Hauptgöttin des hethitischen Götterhimmels und stand möglicherweise sogar über ihrem Gemahl Teschup, dem König des Himmels. Während die Hattier sie Wurushemu nannten, bezeichneten sie die Hurriter als Hepat. Als Sonnengöttin von Arinna war sie die Schutzherrin des hethitischen Reiches.

Was hat es mit dem Mythos vom verschwundenen Gott auf sich?

Den hattischen Vegetationsgott Telipinu nannte man auch den »Gott, der verschwindet«. Er war der Sohn von Hepat und Teschup. Um ihn rankt sich eine der bekanntesten Geschichten der hethitischen Mythologie, der Telipinu-Mythos.

Da alle Aufzeichnungen über den Beginn des Mythos verloren sind, weiß man nicht, warum der Gott beschloss zu verschwinden. Doch man weiß, was dann geschah: Nachdem der Gott verschwunden war, erloschen alle Feuer, versiegten alle Quellen, das ganze Land verödete und die Menschen und Tiere verloren ihren Lebenswillen. Da aufgrund dieser umfassenden Lähmung des öffentlichen Lebens selbst die Götter in Gefahr gerieten, zugrunde zu gehen, schickte der Sonnengott einen Adler aus, um Telipinu zu suchen – doch vergeblich, man fand ihn nicht.

Schließlich sandte die Große Muttergöttin gegen den Willen ihres resignierten Gatten eine Biene aus, die um die ganze Welt flog. Mit Erfolg! Die Biene fand ihn schlafend und weckte ihn auf, indem sie ihn in die Hände und Füße stach.

Doch als Telipinu erwachte, geriet er in einen solch großen Zorn, dass er begann, alles Leben auf der Welt zu töten. Die Götter bekamen Angst und konnten ihn nur mit magischen Zaubersprüchen von seiner Raserei befreien. Als sein Zorn sich gelegt hatte, bestieg er den Rücken eines Adlers und kehrte zu den Göttern zurück. So war die Welt wieder in Ordnung und das Leben konnte weitergehen.

Warum gab es unter den Göttern so viele Kämpfe?

Es ging dabei um Macht. Wie in der griechischen Mythologie kämpften auch hethitische Gottheiten oft miteinander. So etwa der Gemahl der Muttergöttin, der hurritische Wettergott Teschup, den die Hattier Taru nannten. Teschup entmachtete seinen Vater Kumarbi, und nachdem ihn dieser mit Hilfe des Steinwesens Ullikumi wieder vom Thron gestoßen hatte, erlangte er mit Unterstützung des akkadischen Gottes Ea endgültig die Macht und wurde der vierte Götterkönig. Vor diesem herrschten der hurritische Alalu, der akkadische Anu und der erwähnte hurritische Kumarbi, die ihre Vorgänger jeweils vom Thron verstoßen hatten.

Wer mischte noch bei diesen Kämpfen mit?

Oft beteiligten sich auch Sterbliche daran. Ein Sohn von Hepat und Teschup war der hurritische Berggott Sharruma, den der Hethiterkönig Tutchalijash zum Schutzgott auserkor. Seine Schwester wiederum war die hattische Göttin Inara, die ihrem Vater half, den Schlangendämon Illujanka zu besiegen. Da sie den sterblichen Helden Hupaschija um Hilfe bat, musste sie mit ihm schlafen und ihn heiraten. Später wurde der Held von ihr getötet, da er ihre Anweisungen missachtet hatte.

Wussten Sie, dass …

in der hethitischen Religion das Praktizieren von schwarzer Magie verboten war? Die Ausübung von weißer Magie gestattete man dagegen, da sie als Mittel dazu diente, Übel von den Menschen und dem Gemeinwesen fernzuhalten.

die Erzählungen von untereinander kämpfenden Göttern ihren Ursprung möglicherweise in den Auseinandersetzungen verschiedener Priestergruppen oder Prinzen um die politische und religiöse Vorherrschaft haben? Solche Machtkämpfe waren in den antiken Kulturen Kleinasiens an der Tagesordnung.

Wie waren hethitische Götter in das Staatswesen eingebunden?

Auf vielfältige Weise. So hatte, ähnlich wie in Mesopotamien, jede Stadt eine eigene Stadtgottheit, die in ihrem jeweiligen Tempel wohnte und von den Priestern und dem Kultpersonal gekleidet, ernährt und unterhalten wurde. Ein Unglück erklärte man mit dem Umstand, dass die betreffende Gottheit gerade außer Haus sei und sich auf Reisen befinde.

Auch die hethitischen Könige hatten einen ganz engen Bezug zu ihren Göttern. Im Gegensatz zu den alltäglichen Riten der Bevölkerung ist uns die Rolle der Könige in der Kultausübung durch Inschriften und Keilschrifttexte sehr gut bekannt. Sie betrachteten ihre Herrschaft als ein Geschenk der Götter, und als Hohepriester waren sie die Vertreter der Götter auf Erden. Im Gegensatz zu anderen Kulturen leiteten sie ihre Abstammung aber nicht von den Göttern ab, sondern wurden erst mit ihrem Tod zu Göttern erhoben.

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