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Das Geheimnis der Marsmonde
Unsere Erde und alle weiter außen liegenden Planeten im Sonnensystem haben Monde – runde, manchmal ziemlich große Trabanten, die ihren Planeten umkreisen. Einige Planeten wie Saturn und Jupiter haben sogar einen ganzen Hofstaat aus mehreren Dutzend größeren und kleineren Trabanten um sich geschart.
Die Marsmonde: Zu klein, zu nah und ziemlich unregelmäßig
Ganz anders der Mars: Er wird nur von zwei auffallend kleinen, noch dazu unregelmäßig geformten Trabanten umkreist. Phobos hat einen maximalen Durchmesser von knapp 27 Kilometer, bei Deimos sind es sogar nur 15 Kilometer. Zum Vergleich: Der Erdmond hat einen Durchmesser von knapp 3.500 Kilometern und ist damit immerhin ein Viertel so groß wie die Erde. Die beiden Marsmonde ähneln dagegen eher zwei Asteroiden als ausgewachsenen Monden.
Ungewöhnlich ist auch die Umlaufbahn der beiden kleinen Marsmonde: Schon der äußere Mond Deimos ist seinem Planeten mit nur rund 23.500 Kilometer Abstand ziemlich nah. Noch extremer ist dies aber beim inneren Mond Phobos: Er umkreist den Mars in nur knapp 6.000 Kilometer Höhe. Damit bewegt sich dieser Marsmond nur knapp über dem Roche-Limit, ab dem ein Mond von den Gezeitenkräften seines Planeten zerrissen wird.
Tatsächlich bekommt der Marsmond Phobos die Anziehungskraft seines Planeten schon jetzt deutlich zu spüren: Seine Umlaufbahn ähnelt eher ein Spirale als einem Kreis, denn er kommt der Marsoberfläche pro Jahrhundert um rund 1,80 Meter näher. Schätzungen zufolge könnte Phobos in rund 40 bis 50 Millionen Jahren die kritische Grenze passieren und zerreißen.

Eingefangen oder ausgeschleudert?
Diese Eigenheiten der beiden Marsmonde werfen die Frage auf, wie der Mars zu seinen beiden Minimonden kam. Doch eine klare Antwort darauf haben auch die Planetenforscher bisher nicht. Es gibt gleich drei verschiedene Szenarien, die die Entstehung von Phobos und Deimos erklären könnten.
Die erste Theorie geht davon aus, dass die beiden Marsmonde ursprünglich Asteroiden waren, die von der Marsschwerkraft eingefangen wurden. Dafür spricht, dass Helligkeit und Farbspektrum beider Monde sich deutlich von dem der Marsoberfläche unterscheiden, dafür ähneln sie einigen Asteroiden im äußeren Asteroidengürtel. Nicht zu der Einfang-Theorie passen allerdings die Umlaufbahnen von Phobos und Deimos: Beide haben fast kreisrunde Orbits und umrunden den Mars etwa auf der Eben seines Äquators, wie es für reguläre Monde typisch ist.
Der zweiten Theorie nach sind die beiden Marsmonde aus Trümmern ihres Planeten entstanden. Demnach schleuderte ein gewaltiger Einschlag in der Frühzeit des Planeten große Mengen Gesteinstrümmer ins All hinaus, aus denen sich dann erst ein Trümmerring, dann die beiden kleinen Monde bildeten. Das erklärt allerdings nicht, warum gerade Phobos so ungewöhnlich niedrig über die Marsoberfläche fliegt.

Ringe und Monde im Wechsel?
Eine mögliche Erklärung dafür könnte die dritte Theorie bieten. Nach dieser entstand nur der äußere Marsmond Deimos direkt aus dem Trümmerring des Einschlags. Weiter innen bildete sich damals zunächst ein großer, kugeliger Mond. Doch dessen Umlaufbahn war nicht stabil: Der innere Mond wurde im Laufe der Zeit immer näher an den Mars herangezogen, wie er schließlich von den Gezeitenkräfte zerrissen wurde – ein neuer Trümmerring entstand.
Dieser Zyklus von Ringbildung, Mondentstehung und Zerfall könnte sich in den letzten knapp vier Milliarden Jahren mehrfach wiederholt haben. Weil dabei immer ein Teil des Ringmaterials auf den Planeten stürzte, wurden Ring und Mond immer kleiner und masseärmer. Heute ist von dem einst großen inneren Marsmond nur noch der schmächtige Phobos übrig – er ist gewissermaßen das Enkelkind seines frühen Vorgängers.

MMX: Eine Mission zu den Marsmonden
Doch welches dieser Szenarien zutrifft und wie Phobos und Deimos wirklich entstanden sind, ist bisher offen. Weil bisher keine Sonde die Marsmonde näher untersucht hat und es auch keine Gesteinsproben von ihrer Oberfläche gibt, tappen die Planetenforscher bisher im Dunkeln. Umso mehr hoffen sie auf die japanische-europäische MMX-Mission (Martian Moons eXploration). Sie soll erstmals die beiden Marsmonde ganz aus der Nähe erkunden und vom Marsmond Phobos sogar Proben entnehmen und zur Erde zurückbringen.
Die MMX-Mission und ihr teilweise in Deutschland gebauter Rover mit Spitznamen „Idefix“ sollen mit ihrem Besuch auf dem Marsmond Phobos endlich die Daten liefern, auf die die Planetenforschung schon lange wartet. Denn die Messungen und Proben könnten verraten, wie und wo der kleine Mond entstanden ist. Der Start der Mission ist für 2026 geplant – man darf gespannt sein, was die Raumsonde und kleiner Rover dann über die ungewöhnlichen Monde unseres Nachbarplaneten herausfinden werden.