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Naturschutz seit 50 Jahren: Jubiläum des Bayerischen Waldes

Naturschutz – ein tagesaktueller Begriff: Er fördert den Erhalt von bedrohten Tier- oder Pflanzenarten, ihren Lebensräumen und den Gewässern – um das natürliche Gleichgewicht der Wildnis zu erhalten. Ökosysteme zu schützen, wird gerade heute immer wichtiger, denn die Natur ist nicht unbegrenzt belastbar: Der Mensch gestaltet seine Umwelt schon seit Langem in seinem Sinne um und beeinflusst damit langfristig die Lebensbedingungen vieler Lebewesen. Wie lassen sich Naturlandschaften heute noch bewahren?
ABO, 06.10.2020

Mittelgebirgslandschaft des Bayerischen Waldes

Natur Natur sein lassen: So lautet die Devise aller Nationalparks weltweit. Der Naturschutz ist hierbei ähnlich umfassend wie in einem Naturschutzgebiet – nur auf wesentlich größerer Fläche: Auf mindestens 100 Quadratkilometern bleibt die Wildnis vom Menschen möglichst unbeeinflusst. Dabei schützen die Parks nicht nur einzelne Tier- oder Pflanzenarten, sondern vielmehr das gesamte Ökosystem einer Region – für die Regeneration von Wasser, Boden und Luft, als Rückzugsraum für bedrohte Tier- und Pflanzenarten und zugleich als Vorführobjekt für naturkundlich Interessierte.

Naturschutz nach Anleitung

Nationalparks sind in der Regel ausgedehnte Schutzgebiete, die entweder ökologisch besonders wertvoll sind, mit einer seltenen Landschaft reizen oder in ihrer Vergangenheit von menschlichen Eingriffen bedrohlich verändert wurden. Die Bedeutung der Gebiete ist weltweit ähnlich: Sie dienen dem langfristigen Erhalt der Naturgebiete und dem Schutz der Lebewesen. Manchmal umfassen Nationalparks auch den Schutz von Mineralien oder seltene geologische Objekte, wie zum Beispiel Heiße Quellen.

Um diesen Beitrag zu leisten, ergreifen die Initiatoren verschiedene Maßnahmen: So werden beispielsweise lokal ausgerottete Lebewesen wieder angesiedelt, eingeschleppte Arten ausgerottet und die Zahl der Raubtiere reguliert. Außerdem pflegen die Naturschützer auch Wiesenlandschaften und Gewässer.

Prozesse wie Waldbrände, Erdrutsche oder Schädlingsbefall werden im Nationalpark als Teil der Natur toleriert: Ein nach Borkenkäferbefall umgestürzter Baum ist die perfekte Nahrungsgrundlage für Kleinstlebewesen und durch Biber aufgestaute Bäche sind kein Ärgernis, sondern gehören zum Lebenszyklus einer Aue.

Absterben von Bäumen und Jungwuchs

Auch ein Touristenmagnet

Doch Nationalparks sind nicht nur ein wichtiger Beitrag für den Naturschutz - sie haben auch eine staatliche Bedeutung: Die Parks gelten als Symbol des nationalen Stolzes und werden meist  im Auftrag der jeweiligen Staatsregierungen auch als Erholungs- und Erkundungsgebiete für Touristen genutzt. Häufig finanzieren die Einnahmen durch die Besucher die Schutzmaßnahmen in den Parks und sollen die Besucher auf die Relevanz der Schutzgebiete aufmerksam machen.

Besonders sehr stark besuchte Nationalparks sind aber ein großes Problem: Durch die hohe Zahl an Menschen verringern sich zum Beispiel die Rückzugsorte und die Fluchtdistanz der Tiere. In Ländern mit weit verbreiteter Armut kommt es aufgrund der mangelnden Überwachung zusätzlich immer wieder zu illegalen Holzfällungen und zu Wilderei.

Die Größe macht’s

Aber woher stammt die Idee dieser riesigen Schutzgebiete überhaupt? Die Wurzeln der Nationalparks liegen in den großen unberührten Naturlandschaften Nordamerikas. 1872 wurde dort der weltweit erste Nationalpark, der „Yellowstone National Park“, gegründet. Mittlerweile gibt es weltweit etwa 3.000 dieser riesigen Naturschutzgebiete, die nach den internationalen Kriterien der Vereinten Nationen anerkannt sind.

Die meisten der außereuropäischen Schutzgebiete liegen in dünn bis gar nicht besiedelten Regionen und können demzufolge mehrere 10.000 Quadratkilometer umfassen, die meisten davon befinden sich in Nordamerika. Der weltweit größte Nationalpark ist der Nordost-Grönland-Nationalpark, der mit seinen 972.000 Quadratkilometern annähernd 45 Prozent der Landesfläche Grönlands einnimmt. Auch der „Wood Buffalo“ in Kanada zählt zu den größten seiner Art: Mit 44.800 Quadratkilometern ist er etwas größer als Dänemark.

Castle Geyser im Yellowstone-Nationalpark, dem ältesten Nationalpark der Welt.

Deutschland zieht nach

In Deutschland etablierte sich der Begriff Nationalpark erst am 7. Oktober 1970 mit dem Nationalpark Bayerischer Wald – dieses Jahr feiert er damit sein 50-jähriges Bestehen. Einige Jahre nach der Gründung des damals 130 Quadratkilometer großen Schutzgebietes wurde die Waldregion 1997 auf eine Fläche von 240 Quadratkilometer erweitert. Der Nationalpark Bayerischer Wald und der tschechische Böhmerwald bilden mit 900 Quadratkilometern heute das größte zusammenhängende Waldschutzgebiet Mitteleuropas.

Der Bayerische Wald oder Bayerwald, in dem der gleichnamige Nationalpark liegt, ist ein etwa 100 Kilometer langes Mittelgebirge an der Grenze zwischen Bayern und Tschechien und erreicht Höhen von etwa 700 Metern bis hinauf auf 1,450 Meter in die Hochlagen. Aufgrund seines dichten Baumbestands, der kleinen Seen und der Hochmoore ist die Waldregion Lebensraum für viele seltene Waldbewohner wie Luchse, Fischotter, Auerhühnern oder Habichtskauze. Dazu gesellen sich alleine 16 Käferarten, die nur in äußerst naturnahen Urwäldern vorkommen.

Die Gebiete, in denen keinerlei menschlicher Eingriff mehr erfolgt – die sogenannten Naturzonen – nehmen in dem deutschen Nationalpark bereits knapp über 72 Prozent der Fläche ein. Bis 2027 soll dieser Anteil auf 75 Prozent erhöht werden.

Das konsequente Belassen der toten Fichten führte in den Altbereichen des Nationalparks dazu, dass sich der Wald wieder natürlich verjüngen konnte.

Auf Tourismus eingestellt

Dennoch gilt der Bayerische Wald als Anziehungspunkt für Touristen – und ist auch darauf ausgelegt: Das Schutzgebiet weist mehrere Informationszentren und ein 300 Kilometer langes Netz aus Wander- und Radwegen auf. An jedes der Parkzentren ist ein weitläufiges Freigehege angeschlossen, in dem unter anderem Bären, Luchse, Wölfe, Wildschweine und Wildpferde leben. Sie geben einen Einblick in die ursprüngliche Tierwelt des Bayerwaldes. Ein Museum klärt über die Historie des Nationalparks auf.

Zudem bieten die Initiatoren ein ganzjähriges Führungsprogramm durch das Schutzgebiet. Eigene Programme für Kinder, Fachvorträge sowie kulturelle Veranstaltungen in den Parkeinrichtungen runden das Angebot ab. Zusätzlich beherbergt der Nationalpark ein Jugendwaldheim und ein Wildniscamp zum Übernachten. Die Vielzahl an Angeboten lockt jährlich etwa 1,3 Millionen Besucher an.

Erst eine Mindestgröße der Nationalparks ermöglicht in vielen Fällen einen effektiven Schutz: Als großer Beutegreifer beansprucht zum Beispiel der Luchs ein Gebiet von durchschnittlich 100 Quadrat-kilometern.

Der Bayerische Wald als Startschuss

Doch die Eröffnung des Nationalparks Bayerischer Wald blieb kein Einzelfall: „2020 feiern wir nicht nur das 50-jährige Bestehen unseres Schutzgebiets, sondern auch 50 Jahre Nationalparkbewegung in Deutschland“, sagt Nationalparkleiter Franz Leibl. Und das zurecht, denn bereits im August 1978 folgte die Öffnung des Alpen-Nationalparks Berchtesgaden im Südosten Bayerns an der Grenze zu Österreich.

Heute finden sich in Deutschland insgesamt 16 Schutzgebiete, die offiziell als Nationalpark gelten. Darunter beispielsweise die Nationalparks in der Eifel, im Harz, in der Sächsischen Schweiz und der Schwarzwald. Sie bilden eine Gesamtfläche von etwa 10.000 Quadratkilometer – im internationalen Vergleich eine bescheidene Größe, die hauptsächlich Wasserflächen umfasst: Seit 1990 zählen nämlich auch die Küstenbereiche und Wasserregionen des deutschen Wattenmeers zu den Nationalparks und bilden heute etwa 80 Prozent der Schutzgebiete.

Trotz ihrer kleinen Fläche sind die bestehenden Parks für Deutschland von ganz besonderer Bedeutung: Sie bilden die einzigen großen Flächen, die in der stark besiedelten und zerschnittenen Industrielandschaft für natürliche Prozesse geschützt sind.

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