Wissensbibliothek
Religion im China der Frühzeit: Ahnen und Schamanen
Seit wann sind religiöse Vorstellungen in China nachgewiesen?
Religiosität manifestierte sich in China, wie archäologisch nachgewiesen werden konnte, bereits in der Alt- und Jungsteinzeit. Damals bestand China aus Territorien unterschiedlichster kultureller Prägung. Um 7000 v. Chr. scheint es die ersten Ackerbausiedlungen gegeben zu haben, 3000 Jahre später kam es zum Austausch materieller und religiöser Elemente der Kulturkreise im Einzugsgebiet der großen Ströme Liao, Gelber Fluss und Yangzi. Altäre, Tempel, Grabhügel und Bodenmalereien deuten auf Zeremonien, die von Zauberpriestern (wushi) geleitet wurden. Zunächst waren es Laien, während es in der Shang-Zeit (etwa 1600 bis 1050 v. Chr.) dann schon einen Priesterstand gab.
Woran glaubten die Menschen damals?
Das lässt sich nur schwer sagen. Archäologische Funde aus dieser Zeit vermitteln zwar punktuell Aufschluss über die religiösen Vorstellungen, sicher aber besaß man damals noch kein ausgereiftes religiöses System. Als wichtiges Element lässt sich ein hoch entwickeltes Begräbnisritual ausmachen, das auf Vorstellungen von einem Weiterleben nach dem Tod schließen lässt.
Als weiteres Charakteristikum gilt die Existenz von Schamanen, auf die die Funde von Ritualsymbolen wie Totentänzern, Tiergestalten mit Menschenköpfen, Drachen- und Tigerabbildungen auf Keramik-Ritualgefäßen hinweisen. So genannte Cong-Jadeobjekte deutet man aufgrund ihrer innen runden und außen viereckigen Form als Bild für Himmel und Erde: Die innere Hohlröhre wird als axis mundi, als Weltachse interpretiert, wie sie bei vielen anderen Kulturen, etwa den Germanen, nachweisbar ist. Alle Symbole fügen sich zu einem System, in dem die Natur als Zusammenspiel von himmlischer und irdischer Welt gesehen wurde.
Welche Rolle spielten die Schamanen?
Der Schamane besaß als Einziger die Fähigkeit, die Zweiteilung der Welt zu überwinden. Dieses Können machte ihn zu einem vielseitigen Funktionsträger: Er fungierte als Heiler, Geistmedium, Wahrsager und Magier, etwa für einen Regenzauber. Der Schamanismus, verknüpft mit den hierarchischen Herrschaftsstrukturen, setzte sich als Legitimationsmodell für die Königsherrschaft in der Shang- und in der Zhou-Zeit (1050 bis 249 v. Chr.) fort: Die Könige dieser Epochen hatten nämlich den Anspruch, als Einzige mit der göttlichen Instanz kommunizieren zu können.
Wann trat in China der Ahnenkult auf?
Er ist wohl ziemlich alt, gewann aber im Lauf der Shang-Zeit merklich an Bedeutung. Damals hatte die patrilineare (um die Vaterlinie organisierte) Gesellschaft die matrilineare (um die Mutter organisierte) abgelöst. Als Folge kam es zur inhaltlichen Erweiterung des Ahnenkults, den die Herrscherklasse für ihre Interessen nutzte. Die Vergöttlichung der Ahnen hatte sich aus der Auffassung entwickelt, dass der Mensch aus »Körperseele« und »Geistseele« besteht, die Emanationen einer Leben einhauchenden Energie (qi) sind. Während die Körperseele nach dem Tod zerfällt, existiert die Geistseele weiter. Durch die Versorgung mit Opfergaben suchte man sich des Beistands besonders der für die Gemeinschaft wichtigen Seelen der Stammesführer zu versichern, damit sie kein Unheil anrichteten.
Die als »Korrespondenz« mit den Ahnengöttern zu verstehenden Orakelinschriften auf Schildkrötenpanzern und Knochen besagen, dass die über die Welt herrschende Gottheit Di oder Shangdi, der »oberste vergottete Ahn«, als entfernter Vorfahr des Shang-Volks galt. Die Könige sahen sich jedoch nicht als direkte Abkömmlinge; sie wurden nach ihrem Tod lediglich als Gäste von Shangdi aufgenommen.
Unter den auf die Shang folgenden Zhou verschmolz Shangdi mit Tian, dem Himmel. Die Zhou-Könige verstanden sich als Söhne des Himmels, als von der obersten Gottheit gesandte Vertreter auf Erden, denen das »Mandat des Himmels« verliehen worden war. Diese Idee stellte für die Herrschenden der Zhou und der nachfolgenden Dynastien die Legitimation ihrer Macht dar.
Welche religiösen Praktiken lassen sich nachweisen?
Aus dem China der Frühzeit sind unterschiedliche Riten bekannt. Aufschluss über die Kultpraxis, Opferdienste, Weissagungen mithilfe von Knochen oder Schildkrötenpanzern und Begräbnisriten geben uns archäologische Funde und die ältesten Texte im »Buch der Schriften« und im »Buch der Lieder«. Die wichtigsten dieser Rituale standen im Zusammenhang mit der Sicherstellung reicher Ernten und dem Ahnenkult.
Der hierarchisch gegliederte Ahnenkult diente den Mächtigen zur Festigung ihrer Blutsbande: König, Fürst, Sippe und Familie opferten in ihren jeweiligen Ahnentempeln und versorgten die Ahnen mit dem Nötigsten. Auch der Bestattungskult ist als Zeichen der großen Bedeutung der Ahnenverehrung zu werten. Dem Verstorbenen wurden für das Jenseits verschiedene Dinge mitgegeben, die er im Leben gebraucht hatte, in der Shang-Zeit mussten sogar zahllose Menschen, Diener und Frauen, dem Toten ins Grab folgen. Die aufgefundenen Ritualbronzen dienten als Speise- und Trankopfergefäße.
Bereits die Shang kannten den Kult des Erdgottes, dessen Altar des Erdbodens den allgemeinen kultischen Mittelpunkt bildete. Durch die Gleichsetzung des Hochgottes Shangdi mit Tian kam es dann unter den Zhou zur Verschmelzung von Agrarkult und Ahnenkult. Die höchsten Opferdienste für den Himmel wurden vor der Frühjahrs-Tagundnachtgleiche vom Kaiser, dem Himmelssohn persönlich, mit großem Aufwand an einem Opferaltar in der südlichen Vorstadt vollzogen.
Wussten Sie, dass …
bei den Shang der Getreidegott »Prinz Hirse« wegen seiner großen Bedeutung mit dem Urahn der Zhou identifiziert wurde? Der Gott, für den es einen eigenen Kult gab, war besonders wichtig, da er für eine gute Ernte zuständig war.
der Begriff »Reich der Mitte« aus der Zeit der Zhou stammt? Er wurde ursprünglich nicht auf das ganze chinesische Territorium angewandt, sondern nur auf die zentralen, eben in der Mitte liegenden Feudalstaaten, und wird noch heute verwendet, wenn man von China spricht.
Start-ups: Heiß auf Kernfusion
Kernfusion ist ein heißes Thema, sowohl im wörtlichen Sinne als auch in der Wirtschaft: 4,8 Milliarden US-Dollar wurden bislang in Kernfusions-Start-ups investiert. Davon 2,8 Milliarden allein im vergangenen Jahr. Zwar scheinen diese Zahlen fast lächerlich im Vergleich zu den vielen Milliarden US-Dollar mit denen große...
Konvergent oder kontingent?
Auf der Suche nach Antworten auf die wirklich großen Fragen passiert es oft, dass verschiede Theorien miteinander wetteifern. Wetteifern deswegen, weil sie nach klarem Entweder-oder-Schema vermeintlich nicht unter einen Hut zu bringen sind. Dabei lassen große Fragen gerade in der Biologie häufig auch mehrere Antworten...