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Vulkanausbrüche: Wie lässt sich ein Pompeji 2.0 verhindern?
Meterlange drachenartige Landleguane, schwimmende Meerechsen oder rotbauchige Fregattvögel – Galapagos ist die Heimat einzigartiger Tierarten. Jüngst entdeckten Forscher auf Fernanda die vielleicht letzte Überlebende einer längst ausgestorben geglaubten Tierart – Chelonoidis phantasticus, eine Art der Riesenschildkröten.
Doch die etwa 50-jährige Schildkröte und ihre zahlreichen Inselmitbewohner befinden sich momentan in Lebensgefahr: In der Nacht vom dritten auf den vierten März 2024 ist der auf der Insel befindliche La Cumbre, einer der aktivsten Vulkane der Galapagos-Inselkette, ausgebrochen. "Der Himmel über dem Westen von Galápagos ist rot erwacht!", kommentierte der örtliche Flughafen im Onlinedienst X, vormals Twitter.
Lebensbedrohende Feuerberge
Glücklicherweise ist die Insel Fernandia nicht von Menschen bevölkert. Die möglichen Schäden durch die Eruption halten sich dadurch in Grenzen. Doch das ist nicht überall so: Vielerorts bedrohen die Eruptionen aktiver Vulkane tausende Menschenleben. Selbst in Europa schlummert die Bedrohung: Im Süden Italiens liegt der aktive Supervulkan Campi Flegrei in der Nähe der Großstadt Neapel, die gesamte umliegende Region ist dicht besiedelt. „Die Tatsache, dass eine halbe Million Menschen in der Nähe der Caldera lebt, macht die Situation besonders gravierend“, kommentiert Giovanni Chiodini von Vulkanologischen Nationalinstitut in Bologna.
Damit die Vulkanaktivität in der Nähe Neapels nicht zu einer Tragödie wie vor fast 2.000 Jahren im antiken Pompeji führt, existieren Frühwarnsysteme, die den drohenden Ausbruch von Vulkanen rechtzeitig erkennen sollen. Dies kann es ermöglichen, die gefährdeten Gebiete im Ernstfall rechtzeitig zu evakuieren. Die Frühwarnsysteme haben schon viele Leben gerettet: Erst im Januar 2024 brach in Island ein Vulkan in der Nähe des Küstenorts Grindavik aus, doch als der glutrote Lavastrom die ersten Häuser in Brand setzte, war die Bevölkerung dank solcher Überwachungssysteme schon in Sicherheit.
Kleine Erschütterungen
Die wichtigste Methode, um anstehende Vulkanausbrüche vorherzusehen, ist die Überwachung der seismischen Aktivität: Fast immer werden Vulkanausbrüche von zunehmenden Erschütterungen des Untergrunds begleitet – in mehreren Serien leichter bis mittlerer Erdbeben. Der Grund: Das aufsteigende Magma muss sich auf dem Weg nach oben durch zahlreiche Gesteinsschichten kämpfen. Dabei drückt es gegen die blockierenden Schichten, bis diese zerbrechen. Jeder Bruch ist von kleinen Erschütterungen begleitet und diese werden bei einem bevorstehenden Vulkanausbruch immer stärker und häufiger. Teilweise lassen sich Dutzende oder sogar Hunderte solcher „Minibeben“ messen.
Um solche vulkanischen Minibeben rechtzeitig zu erkennen, stellen Wissenschaftler Seismometer um die Vulkane herum und auf ihren Hängen auf. Diese Messgeräte zeichnen auf, wie häufig und wie stark die Erde schwankt. Sie verraten aber auch, von wo die Erschütterungen kommen. Da vulkanische Erdbeben ein ganz spezielles „Vibrationsprofil“ aufweisen, kann man ihre seismischen Signale von denen anderer Naturereignisse – beispielsweise einem tektonischen Erdbeben oder einer Explosion – unterscheiden.
Die Dämpfe ändern sich
Auch, wenn sich auf einmal die Zusammensetzung der Vulkanschwaden ändert, kann das auf einen bevorstehenden Vulkanausbruch hinweisen. Beispielsweise steigt dann oft der Anteil von aus dem Krater oder Spalten im Untergrund entweichendem Schwefeldioxid. Der Grund: Im aufsteigenden Magma sind bestimmte Gase eingeschlossen. Je weiter sich das Magma nach oben bewegt, desto niedriger wird der Druck auf die glühenden Gesteinsmassen. Die vorher eingeschlossenen Gase dehnen sich aus und werden vermehrt freigesetzt.
„Die Menge, Zusammensetzung und Temperatur der Gase zeigen an, wie weit sich frisches Magma unterhalb der Oberfläche befindet“, erklärt Gudrun Richter von der Universität Potsdam. Dieses Wissen nutzen Vulkanologen. Sie sammeln die austretenden Gase in speziellen Behältern und bringen diese zur Untersuchung ins Forschungslabor. Dort wird das gefangene Gas dann auf seine Zusammensetzung hin untersucht.
Der Untergrund hebt sich
Wenn Magma aus den Tiefen der Erdkruste aufsteigt, verformt sich durch den Druck auch häufig der Untergrund. Als Folge können sich die Flanken eines Vulkans heben, manchmal bildet sich im Laufe der Zeit sogar eine deutlich sichtbare Wölbung. Hunderte von oberflächlichen Rissen entwickeln sich. „Ein solches inelastisches Verhalten ist ein Vorbote für weitere Brüche“, kommentiert Christopher Kilburn vom University College London. So wird es für Magma mit der Zeit leichter, an die Oberfläche zu treten.
Teilweise sind die Veränderungen des Untergrunds so stark, dass schon eine simple aufgesprühte orange Linie reicht, um sie zu erkennen: Bei ihren Untersuchungen am Mount St. Helens in den USA hatten Wissenschaftler schmale Risse im Kraterboden gefunden und diese zur Überwachung mit Farbe markiert. Die Methode erwies sich als erstaunlich zuverlässig – bereits zwei Tage später war der Boden so verformt, dass auch die Linie deutlich verkrümmt war. Etwas später brach der Vulkan tatsächlich aus.
Es gibt aber auch ausgefeiltere Methoden, um auch die kleinsten Hebungen, Risse oder Beulen im Umfeld eines Vulkans zu erkennen. Mit hochpräzisen GPS-Empfängern und satellitengestützten Interferometern lassen sich Veränderungen in der Laufzeit von Funkwellen zwischen Satellit und Boden messen und so Bodenverformungen von wenigen Millimetern feststellen. Nehmen diese Deformationen stark zu und beschleunigen sich, kann dies ein Hinweis auf eine unmittelbar bevorstehende Eruption sein.
Warum die Vorhersage dennoch schwierig ist
Allerdings: Trotz all dieser Vorwarnzeichen und den an den meisten aktiven Vulkanen installierten Überwachungs-Netzwerken ist es nicht immer einfach, den Zeitpunkt eines Ausbruchs genau vorherzusagen. Denn Barrieren im Untergrund oder andere Gründe können das Aufsteigen des Magmas noch in letzter Minute bremsen oder aufhalten. Im isländischen Grindavik wurden die Menschen beispielsweise wegen akuter Eruptionsgefahr evakuiert, aber der eigentliche Ausbruch kam dann erst einige Tage später.
In anderen Fällen werden Bewohner und Wissenschaftler von einer Eruption überrascht und können nicht oder nur knapp entkommen. Auch das kommt bis heute immer wieder vor. So starben beispielsweise 31 Wanderer im Jahr 2014 bei einem überraschenden Ausbruch des japanischen Vulkans Ontake, Dutzende weitere wurden verletzt.