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Wie können wir uns besser vor Hochwasserkatastrophen schützen?

Die Flüsse treten über die Ufer, die Straßen stehen unter Wasser, Autos werden weggeschwemmt. Die Bilder sind bekannt, denn Hochwasser werden in Deutschland immer häufiger. Dieser Trend wird sich dank Klimawandel auch weiter fortsetzen, ein Zusammenhang zwischen Klimawandel und häufigem Starkregen ist wissenschaftlich erwiesen. Wir werden uns anpassen müssen. Doch wie können wir uns in Zukunft vor Überschwemmungen schützen? Diese Frage stellt sich spätestens seit den Weihnachtsfeiertagen wieder.
THE, 03.01.2024
Elbeflut 2013

© Mattis Kaminer / iStock

Starkregen und Überschwemmungen sorgen in Deutschland regelmäßig für Chaos. Die Westwindwetterlage, die zur Jahreswende 2023/24 ein Tiefdruckgebiet nach dem anderen heranführte, ist nur das jüngste Beispiel. Da sich derartige Extremwetterereignisse infolge des Klimawandels in Zukunft häufen werden, müssen wir das Risiko von Hochwasserkatastrophen reduzieren. Doch wie lassen sich diese zukünftig eindämmen? Hier sind die wichtigsten Strategien:

Hochwasserschutzinfrastruktur: Deiche und Co

Klassischerweise erbaut man Deiche, Dämme und Stauanlagen, um gefährdete Gebiete vor Überschwemmungen zu schützen. Ähnlich wie an den Küsten sollen sie verhindern, dass Wasser in die tieferliegenden Gebiete entlang der Flussufer übertritt. Allerdings funktioniert dies nur so lange, wie die Deiche hoch genug sind und sie dem enormen Druck der Wassermassen standhalten können. Bricht ein Deich, sind die Schäden groß. Genau das droht zurzeit in Oldenburg. Dort müssen die Menschen eventuell bald ihre Häuser verlassen, um sich in Sicherheit zu bringen. Dann müssten sie schnell fliehen und dürften nur das Nötigste mitnehmen.

Dort, wo kein Deich gebaut werden kann, beispielsweise entlang von Uferpromenaden oder in Ortschaften, lassen sich sogenannte mobile Hochwasserschutzelemente nutzen. Diese „mobilen Deiche“ werden dann aufgebaut, wenn konkret ein Hochwasser droht und anschließend wieder abgebaut.

Mobildeich am Braunschweiger Kalenwall, 27.12.2023
Am Braunschweiger Kalenwall wurde über Weihnachten 2023 ein etwa 300 m langer Mobildeich aufgebaut, um die Innenstadt vor dem Hochwasser der Oker zu schützen.

Natürliche Überschwemmungsflächen

Noch wichtiger und wirkungsvoller als Deiche, Sandsäcke und andere Schutzbauten ist es jedoch, das Ansteigen des Flusspegels schon von vornherein zu verhindern oder das Hochwasser zumindest abzuschwächen. Möglich ist dies, indem man natürliche Puffer schafft. Wenn das Gewässer dann über die Ufer tritt, können natürliche Überschwemmungsflächen die Wassermengen aufnehmen und den Verlauf der Hochwasserwelle dämpfen.

Als natürliche Überschwemmungsgebiete gelten Auen, Moore oder Feuchtwiesen. Diese lassen sich durch Rückbau und Rückverlegung von Deichen erschließen. Natürliche Überschwemmungsflächen fördern außerdem die ⁠Biodiversität⁠ und speichern Kohlenstoff und tragen so zum Klima- und Umweltschutz bei.

Siedlungsplanung: Bauverbote und Schwammstädte

Das wirksamste Mittel, um Schäden durch Hochwasser zu verhindern, ist es zudem, gar nicht erst in Überschwemmungsgebieten zu bauen. Deshalb ist dies bei uns in Deutschland nur in Ausnahmefällen noch erlaubt. Das Problem jedoch: Viele Häuser und Siedlungen in der Nähe von Flüssen sind schon längst gebaut.

Es gibt noch eine weitere Lösung der Stadtplanung: die Schwammstadt. Diese nimmt das überschüssige Wasser bei Überschwemmungen auf und gibt es – wie ein Schwamm – zeitverzögert wieder ab. Um dies zu erreichen, reißt man die betonversiegelten Flächen in Städten auf und ersetzt sie durch Grünflächen oder wasserdurchlässige Materialien. Es gibt es bereits Schwammstädte: die Rummelsburger Bucht in Berlin beispielsweise. Dort speichern tiefergelegte, wannenförmige Grünflächen und Speicherräume unterhalb der Grünflächen Regenwasser ab. Zu Überschwemmungen kommt es dort seitdem nicht mehr.

Blick über den Rummelsburger See in Berlin von der Halbinsel Stralau im Ortsteil Friedrichshain auf die Wohnanlage Hauptstraße im Ortsteil Rummelsburg
Umsetzung des Schwammstadt-Konzepts im Berliner Neubauquartier „Rummelsburg".

Frühwarnsysteme und Informationen

Bei Unwettern zählt jede Minute. Deshalb erstellen Hochwasser-Frühwarnsysteme präzise Vorhersagen zur Gefahrenlage und warnen rechtzeitig vor Überflutung. Dafür sammeln sie durchgehend Daten aus Wetterradars, Flusspegel- und Niederschlagsmessungen und anderen Sensoren. Diese Daten werden anhand mathematischer Modelle analysiert, um potenziell gefährliche Entwicklungen zu identifizieren und Prognosen über mögliche Hochwasserszenarien abzugeben.

Im Risikofall warnt das System automatisch Behörden und die Bevölkerung über verschiedene Kommunikationsmittel wie Sirenen, Textnachrichten oder soziale Medien. So lassen sich Evakuierungen und andere Schutzmaßnahmen rechtzeitig einleiten. Allerdings: Nicht immer funktioniert die Warnkette bisher so wie sie sollte: Bei der Hochwasserkatastrophe im Ahrtal 2021 blieben eindeutige Warnungen zum Teil aus, kamen zu spät oder erreichten die Bevölkerung nicht.

Kommunale Planung und Eigenvorsorge

Lebe ich in einem Hochwasserrisikogebiet? Gibt es aktuelle Hochwasserwarnungen und Prognosen über den erwarteten Wasserstand? Welche Maßnahmen zur Eigenvorsorge sind empfohlen? Wer in einem potenziell von Hochwasser gefährdeten Gebiet lebt, sollte die Antworten auf diese Fragen im Schlaf beantworten können. Denn im Ernstfall bleibt nicht viel Zeit, zu reagieren, wie unter anderem die tragischen Todesfälle bei der Hochwasserkatastrophe im Ahrtal demonstrierten.

Doch auch Gemeinden und kommunale Behörden stehen in der Pflicht, sich vorzubereiten: Damit Helfer, Feuerwehren und Bevölkerung im Ernstfall wissen, wohin, sind Evakuierungspläne und -übungen wichtig. Sie zeigen, wo sich Menschen auch bei starkem Hochwasser in Sicherheit bringen können und auch, wo und ab wann Menschen ihre Häuser verlassen müssen. Auch die Eigenvorsorge am Haus spielt eine wichtige Rolle: Sowohl an Hochwasserrisiken angepasste Fundamente, Wände oder Türen als auch einfache Maßnahmen wie das Hochlagern wertvoller Gegenstände bieten Sicherheit.

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