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BepiColombo: Aufbruch zum Merkur
Der Merkur ist einer der am wenigsten erforschten Planeten unseres Sonnensystems. Obwohl er uns viel näher ist als beispielsweise der Jupiter oder Saturn, hat er bisher erst zwei Mal Besuch von einer Raumsonde erhalten: In den 1970er Jahren flog die NASA-Sonde Mariner 10 dreimal an ihm vorbei, von 2011 bis 2015 umkreiste dann die Raumsonde Messenger den Planeten. Sie war das erste Raumfahrzeug, das aus dem Orbit des Merkur auf seine Oberfläche blickte.
Riskante Anreise
Aber warum ist der Flug zum Merkur so schwierig? Der Grund liegt in der Nähe des Merkurs zur Sonne: Das Gravitationsfeld der Sonne zieht mit gewaltiger Kraft an jeder Raumsonde, die sich in diese Gefilde wagt. Das erschwert es Raumsonden, in eine Umlaufbahn um den Planeten einzuschwenken, ohne der enormen Anziehungskraft des Sterns zu unterliegen. Denn um in den Orbit zu gelangen, müssen die Sonden ihren Flug abbremsen. Dadurch aber haben sie der Sonnenschwerkraft weniger entgegenzusetzen.
Um dieses Problem zu überwinden, müssen Raumsonden mit Kurs auf den Merkur eine raffinierte Abfolge von Bremsmanövern durchführen. BepiColombo nutzt dafür, wie schon Messenger vor ihr, die Bremswirkung naher Vorbeiflüge an benachbarten Planeten. "Anders als Missionen, die Raumfahrzeuge in die äußeren Bereiche des Sonnensystems bringen, nutzt das Merkur-Transfermodul die Schwerkraft der inneren Planeten in Verbindung mit dem Schub durch den elektrischen Antrieb, um das Raumfahrzeug zu verlangsamen", erklärt Andrea Accomazzo, Flugdirektor von BepiColombo. Die Sonde fliegt dafür einmal dicht an der Erde, zweimal an der Venus und ab 2021 sechsmal am Merkur vorbei.
Und auch die starke Strahlung der Sonne ist eine Gefahr für die Raumsonde: "Die großen Solarpaneele von BepiColombo müssen genau im richtigen Winkel geneigt werden, um genügend Sonnenlicht zu erhalten, den hohen Energiebedarf des Antriebssystems zu decken und das Raumfahrzeug am Laufen zu halten. Zugleich darf nicht zu viel Sonnenlicht auf sie fallen, ansonsten könnten sie ihre Grenzen überschreiten", erläutert Frank Budnik von der ESA. "Um diese beiden Bedingungen zu erfüllen, gibt es nur einen kleinen Korridor, in dem die Solarpaneele genutzt werden können."
Geteilte Erkundung
Die Mission BepiColombo ist erst der dritte Besucher, der diese Reise wagt. Sie startet am Samstag, 20. Oktober an Bord einer Ariane-5-Trägerrakete ins All. BepiColombo besteht aus zwei während des Fluges aneinander gekoppelten Orbitersonden. Während der siebenjährigen Anreise sind beide Sonden jedoch in einer gemeinsamen Fähre untergebracht, dem Mercury Composite Spacecraft (MCS). Dieses sorgt für den nötigen Antrieb, versorgt die Raumsonden mit Energie und schützt sie durch einen speziellen Schutzschild vor der Hitze und Strahlung der Sonne.
Erst wenn die Mission im Jahr 2025 am Merkur ankommt, werden sich die beiden Orbitersonden von ihrer Fähre lösen und in verschiedene Umlaufbahnen um den Planeten einschwenken. Der Mercury Planetary Orbiter (MPO) der Europäischen Raumfahrtagentur ESA wird den Planeten in einem Orbit über die Pole hinweg umkreisen. Seine Aufgabe ist es, mit seinen Instrumenten die Oberfläche und Zusammensetzung des Planeten zu erforschen. Die japanische Raumsonde Mercury Magnetospheric Orbiter (MMO) dagegen wird den Merkur auf elliptischer Bahn umrunden und dabei dessen Magnetosphäre erkunden. Weitere Ziele der Mission sind die Erforschung des Sonnenwindes, des inneren Aufbaus und des planetaren Umfeldes von Merkur sowie dessen Wechselwirkungen mit der sonnennahen Umgebung.
Planet der Extreme
Aufgaben für die Raumsonden gibt es genug. Mit seinem riesigen Einschlagbecken, seinen bis zu drei Kilometer hohen Steilkanten, die wahrscheinlich auf das Schrumpfen des Planeten zurückzuführen sind, und seinen vulkanisch entstandenen Gebieten ist der Merkur eine faszinierende Welt. Hinzu kommen Höchsttemperaturen von 470 Grad Celsius, ein schwaches globales Magnetfeld und eine ausgesprochen dünne Atmosphäre, genannt Exosphäre. Eine Welt der Extreme.
Darüber hinaus gibt der Merkur den Planetenforschern bis heute einige Rätsel auf. "BepiColombo soll uns helfen zu verstehen, wie sich der Merkur seit seiner Entstehung entwickelt hat – und warum diese Entwicklung so anders verlaufen ist als bei der Erde", erklärt Ulrich Christensen vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung (MPS). So besitzt der Merkur beispielsweise einen ungewöhnlich großen Eisenkern und dafür eine sehr dünne Kruste. Wissenschaftler vermuten, dass vielleicht eine gewaltige Kollision in der Frühzeit des Planeten dafür verantwortlich ist – genau weiß man dies aber nicht.
Ein Rätsel gibt auch das Magnetfeld des Merkurs auf. Obwohl der Merkur einen so großen Eisenkern hat, ist das Magnetfeld an der Oberfläche des Planeten hundert Mal schwächer als das der Erde. Warum das so ist, wollen die Planetenforscher mithilfe von BepiColombo erfahren. Zudem soll die japanische Raumsonde den Einfluss des Sonnenwinds auf das Merkurmagnetfeld erforschen. "Der besondere Reiz der Merkur-Magnetosphäre ist ihre große Nähe zur Sonne", erklärt Norbert Krupp vom MPS. "BepiColombo bietet uns die einzigartige Möglichkeit, den Einfluss der Sonne auf planetare Magnetosphären beinahe an ihrer Quelle zu erforschen."
Bis es soweit ist, müssen sich die Forscher aber noch gedulden – erst in knapp sieben Jahren erreicht BepiColombo sein Ziel.