Lexikon
„Eugen Onẹgin“
Für die Russen ist Alexander Sergejewitsch Puschkin (1799–1837) zunächst der begnadete Lyriker, der die Schönheit der Natur besang und feurige Gedichte auf die Freiheit verfasste, danach der Verfasser von „Eugen Onegin“ (1833), eines Romanes in Versen, wie der Untertitel lautet.
„Eugen Onegin“ wurde sein Hauptwerk, in das sein Empfinden, seine Gedanken und Überzeugungen am intensivsten eingingen und sich miteinander verbanden. Sieben Jahre, vier Monate und 17 Tage hatte er, wie er selber feststellte, an dem Werk gearbeitet. Zwischen die Arbeit an den anderen Werken, der Tragödie „Boris Godunow“ (1825) oder dem Poem „Poltawa“ (1829) und seinen Gedichten, schob er immer wieder die Beschäftigung mit „Eugen Onegin“ ein und entwarf neue, weitere Strophen. Als er 1823 in Odessa die Feder ansetzte, stand er unter dem starken Einfluss von Lord Byron und dessen Versepen „Don Juan“ und „Childe Harold“ und dem sich darin widerspiegelnden Byronismus, den Weltekel, Lebensüberdruss und ironischer Skeptizismus charakterisiert. Je länger sich Puschkin mit „Eugen Onegin“ beschäftigt, um so stärker entfernt er sich von dieser Haltung, die deutlich das Erste Buch prägt, um so stärker wird er zum realistischen Gestalter des russischen Lebens, um so objektiver tritt er seinen Gestalten gegenüber.
Im Mittelpunkt des Poems steht Eugen Onegin, ein 18-Jähriger weltschmerzlerischer Dandy aus Petersburg, der durch Erbschaft zum Gutsbesitzer wird und von der Hauptstadt aufs Land zieht. Hier führt ihn Lenski, ein gefühlvoller Gutsbesitzer, in das Haus der Larins ein, in dem zwei Töchter, Olga und Tabana, leben. Olga ist die Braut von Lenski, Tatjana verliebt sich in Eugen, gesteht ihm in einem Brief ihre Liebe. Da sich Eugen, wie er bekennt, wenig für die Ehe und das Familienleben eignet, weist er blasiert Tabanas Liebe zurück. An Tabanas Namenstag tanzt Eugen nur mit Olga, so dass ihn Lenski zum Duell fordert, in dessen Verlauf Eugen seinen Freund Lenski tötet. Darauf verlässt er das Gut. Nach Jahren trifft Eugen, inzwischen älter und reifer geworden, in Petersburg Tatjana, die inzwischen Frau eines Generals geworden ist. Er begehrt sie, sie weist ihn zurück; denn, obwohl sie noch Eugen liebt, will sie ihrem Mann die Treue halten.
Der Roman, der im Ersten Buch noch unter Byrons Einfluss eine stark satirische Note hat, entwickelt sich immer mehr zur realistisch-poetischen Schilderung des hauptstädtischen Lebens und, im Gegensatz dazu, des Lebens auf dem Lande. Puschkin hat es meisterhaft verstanden, die Atmosphäre seiner Zeit in den vier Hauptpersonen und in unzähligen Nebenpersonen aus der hohen und niederen Schicht einzufangen.
Eugen Onegin, in der Hauptstadt Petersburg aufgewachsen und von ihr geprägt, ist ein oberflächlich gebildeter junger Mann mit kaltem Herzen und voller Ironie. „Onegin war nicht nur eine literarische Figur, der aus den Werken Byrons in eine russische Umwelt versetzt war, er war ein wirklicher Vertreter seiner Generation, des Geschlechtes der Zwanzigerjahre“ (Stender-Petersen). Als Gutsbesitzer will er das Leben der leibeigenen Bauern erleichtern, er schwankt in seiner Haltung zwischen Zynismus und Gönnerhaftigkeit.
Tatjana, in der Bücher- und Traumwelt lebend, ist die Kontrastfigur zu Onegin. „sie, nicht er, ist der Held. Sie ist ein positiver Typ, kein negativer wie er, sie ist der Typ wahrhafter Schönheit, ist die Verherrlichung der russischen Frau“, so urteilt F. M. Dostojewski in seiner Puschkinrede. Lenski, der in Göttingen studiert hat und romantische Gedichte schreibt, wird vom Verfasser recht ironisch gezeichnet; denn sein letztes Gedicht nennt er „Liebesgequatsch“. Im Gegensatz zu Tatjana ist Olga sehr viel erdverbundener, schlichter gezeichnet.
Wie der Untertitel angibt, ist Eugen Onegin ein „Roman in Versen“, genauer gesagt in Strophen. Puschkin hat hierfür die 14-zeilige sog. Oneginstrophe erfunden, in vierhebigen Jamben mit einem sehr kunstvollen Reimschema.
Wissarion G. Belinski, ein russischer Literaturkritiker, nennt das Poem eine „Enzyklopädie des russischen Lebens und ein im höchsten Grade volkstümliches Werk.“ So kann es nicht überraschen, dass aus dem Poem Pjotr I. Tschaikowskij seine bekannteste und beliebteste Oper „Eugen Onegin“ geschaffen hat.
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