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Von losen Gebissen und nassen Füßen - die Ferienjobs der wissen.de-Redakteure (Podcast 50)

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Herzlich willkommen zur 50. Ausgabe von Ohrensausen. Heute wird es persönlicher. Die Erinnerung verklärt bekanntlich so manches. Peinlichkeiten werden im Nachhinhein zu Heldentaten, unangenehme Situationen zu spannenden Erfahrungen, langweilige Urlaubsziele zu himmlischen Ruheoasen. Doch funktioniert dieser Trick des menschlichen Hirns auch beim Thema Ferienjob? Die wissen.de-Redakteure sind einmal in sich gegangen und haben alte, halb verdrängte Erinnerungen hervorgekramt. Doch hören Sie selbst: Von großen und kleinen Malheurs.


Michael Fischer erinnert sich an "Die Leseratten und der Ramsch"
 

Es war zu der Zeit, als der VfL Wolfsburg noch in der Regionalliga kickte – mit anderen Worten: in den 1980er Jahren. Damals gab es in der VW-Stadt eine Buchhandlung, die ihren Namen noch verdiente. Denn neben Bestsellern gab es hier einen bunt gemischten Vorrat weiterer Autoren zu entdecken. Und da das VW-Werk zu dieser Zeit keine Werkschüler beschäftigte, nutzte ich die Chance für meinen ersten Ferienjob. Wie sich herausstellte, hatte ich mir allerdings falsche Vorstellungen gemacht. Statt drinnen meine damals noch nicht sehr ausgeprägten literarischen Vorlieben an den Mann und an die Frau zu bringen, kam ich den "Draußenverkauf", und das hieß: Ich war der Herr der Remittenden. Remittenden sind Bücher, die der Handel an den Verlag zurückgeschickt hat und die deswegen nicht mehr an den festen Buchpreis gebunden waren. Mit anderen Worten: Ramschware. Doch ganz so war es nicht. Unter meinen "Schätzen", die auf mehren Tischen vor der Buchhandlung präsentiert wurden, fanden sich Taschenbücher von Böll und Grass, Thomas Bernhard und Thomas Mann. Und das Erstaunliche war: Sie gingen weg wie warme Semmeln. Sicher lag es nicht (oder nicht in der Hauptsache) an meinen Verkaufskünsten. (Ich ging eher zurückhaltend vor.) Wahrscheinlicher war, dass es zu der Zeit in Wolfsburg einfach viele Leseratten gab. Für mich ein Glück – und der Beginn einer weiterhin andauernden Liebe zur Literatur...

 

Susanne Dreisbach wurde „Angebissen!“


Der weiße Kittel und die weinrote Schürze knisterten leise in der Plastiktüte, in der ich sie voll Stolz nach Hause trug. Ich war 16 - und stand ab sofort auf eigenen Füßen. So viel war klar. Denn außer den Kittel hatte ich auch den ersten Ferienjob meines Schülerinnendaseins eingetütet. Bei einer großen Bäckerei-Kette in meiner Heimatstadt: Pfannkuchen machen würde meine Aufgabe für die nächsten Wochen sein. Den Teig in eine aus acht Ringen bestehende Eisenform auf eine heiße, mit Öl beschmierte Platte gießen, die Fruchtfliegen von den Obststückchen wedeln, die Teigkreise wahlweise mit Äpfelchen, Pflaumen, Mandarinen und Kirschen belegen, den festgewordenen Teig ausstechen und wenden. Eine durchaus zu bewältigende Aufgabe! Auch wenn es in jenem Hochsommer, der diesen Namen noch verdiente, sicher angenehmere Orte als den hinter einer heißen Herdplatte gegeben hätte. Die größte Herausforderung bestand im Grunde darin, die bleierne, achtstündige Langeweile zu bekämpfen. Einige Kunden zeigten sich da sehr hilfsbereit - wie zum Beispiel der radebrechende Grieche, der sich in den Kopf gesetzt hatte, meine Doppelgängerin zu kennen, und der mir das mit den Worten "gleich Gesicht, gleich Gesicht" wiederholt erklärte. Mein Favorit unter den skurrilen Kunden sollte aber mit Abstand der alte Mann werden, der einen Apfelpfannkuchen bestellte, umständlich sein Taschentuch aus der Hose zog, völlig ungeniert sein Gebiss aus dem Mund nahm, in das Tuch wickelte und sich daran machte, den weichen Pfannkuchen mit seinen nunmehr zahnlosen Kiefern zu vertilgen. Na denn, bon appétit!

 

Charles Kenwright erlebte einen englische Sommer
 

Ich muss 15 oder 16 gewesen sein, als ich zum ersten Mal die langen Ferien nutzen wollte, um mir ein bisschen Geld zu verdienen. Ich entschied mich für einen Gemüseanbaubetrieb oder "market garden", wie man auf Englisch sagt. Wir haben zehn Shilling am Tag bekommen. Heute wären das 50 Pence, beziehungsweise 57 Euro-Cent! Die reine Ausbeutung! Es war Sommer, wie gesagt, englischer Sommer, um genau zu sein. Es regnete in einer Tour, ich war ständig nass.
 

Mein Chef hieß Jack. Jack war ein großer, wortkarger Mann aus Südirland mit Fingern wie Bananen. Er arbeitete bei jedem Wetter und trug dabei einen sehr alten Filzhut und einen ebenso alten Regenmantel, den er mit einer Schnur zusammengebunden hatte statt mit einem Gürtel. Das wichtigste Utensil waren aber seine Gummistiefel. Man darf vermuten, dass Südiren bereits mit Gummistiefeln auf die Welt kommen. Jack sprach nicht viel. Nur wenn ich mich dumm angestellt hatte oder zu langsam war, erging ein Wortschwall über mich. Dabei verfluchte er mich, meine Herkunft, meine Eltern, ja sogar das Königshaus – alles gesalzen mit eine wunderschönen Mischung von Schimpfwörtern.
 

Der ganze Betrieb war irgendwie provisorisch, es gab keine richtigen Werkzeuge, die Gummireifen an den Schubkarren waren platt. Zum Kohl schneiden benutzten wir alte, stumpfe Besteckmesser. Ich erinnere mich immer noch an die Blasen, die meine Hände übersäten. Dennoch hatte Jack auch eine weiche Seite. Wenn wir mittags zusammen in seiner alten Holzhütte hockten und Tee tranken, konnte er über meine geschundenen Hände nur den Kopf schütteln. Ehrlich gesagt, habe ich damals echt wenig Geld verdient. Aber fluchen - das konnte ich danach hervorragend!
 

Jörg Peter Urbach war der „Ferienwachmann“
 

Direkt nach dem Abi hatte ich mir die freie Zeit bis zum Studienbeginn mit Burger braten bei der ersten Kieler Fastfood-Filiale (die mit dem großen M im Namen) vertrieben. Allerdings rasch eher lustlos, da neben 6,45 DM Stundenlohn das spritzende Pommes-Fett und die permanent stinkenden Haare kein Anreiz für eine längere Beschäftigung waren. Da versprach ich mir beim Lesen der Stellenausschreibung "Wachmann gesucht" schon mehr. Action vielleicht? Spannung zumindest! Die Wach- und Schließgesellschaft nahm mich nach kurzem Vorstellungsgespräch ("Ham Sie gedient? Schon mal geschossen?") und steckte mich in eine furchtbare Uniform. Grau. Steingrau. Ein Funkgerät vervollständigte meine Ausrüstung. Und ich erhielt den Rufnamen "Falke 25". Mein ersten Einsätze entsprachen dann allerdings so gar nicht meinen Vorstellungen. Zusammen mit einem Kollegen war ich für den Objektschutz am Kieler Hafen eingeteilt. Hieß, wir bewachten Autos vor der Verschiffung nach Skandinavien. Stündlich drehten wir unsere Runde und prüften, ob nicht vielleicht Kratzer an den neuwertigen Vehikeln zu finden waren. Wirklich seeehr spannend. Die Nächte waren kalt und lang. Aber immerhin mit mehr als 12 DM ordentlich bezahlt. Und wenn es nicht regnete ...

Dann bot mir die Zentrale einen neuen Auftrag an. Nächtlicher Objektschutz in einer Bankfiliale, die am Tag darauf eröffnet werden sollte. Der Filialleiter zeigte mir die Büros und den im Keller gelegenen Tresorraum. Diesen erreichte man über eine große Glastür, die erst kurz vor meiner Ankunft in den Beton versenkt worden war. Die Nacht kam, ich richtete mich häuslich ein. Las ein Buch am Schreibtisch des Filialleiters. Wurde schlagartig müde. Und nickte ein. Von einem lauten Knall schreckte ich hoch. Ein rascher Blick auf die Uhr. 4 Uhr. Ich knipste meine Taschenlampe an, nahm die Funke und ging langsam die dunklen Räumlichkeiten ab. Das Erdgeschoss war ruhig. Absolut nichts zu hören. Dann kam der Keller dran. Unter meinen Schuhen knirschte Glas. Im Schein der Taschenlampe sah ich das Unglück: Die Glastür lag in Scherben auf dem frisch verlegten Teppichboden. Merkwürdig, Fenster und Eingangstür waren unbeschädigt. "Falke 25 an Zentrale!" Ich informierte flüsternd den Rufdienst, der sofort eine Einheit vorbeischickte. Kurz danach trafen auch die Polizei und der Filialleiter ein. Der Schreck war mir gehörig in die Glieder gefahren und meine Müdigkeit wie weggeblasen. Die Untersuchung ergab, dass die Glastür fehlerhaft verankert worden, somit unter Spannung geraten und schließlich zersprungen war. Keine Einbrecher! Zum Glück für mich. Die Filialeröffnung fiel aus und ich zuhause in einen unruhigen Schlaf. Von Spannung hatte ich genug. Es war mein letzter Einsatz als Wachmann.
 

O'zapft is!, verkündet Barbara Steiger
 

Eigentlich liebte ich meinen Ferienjob: Bei einem familiengeführten Münchner Partyservice jobbte ich als Servicekraft. Die Chefs waren freundliche Menschen, unsere Arbeitsplätze in schönem Ambiente und entspannter Atmosphäre: in Vorstandscasinos, auf Richtfesten edler Häuser, zu runden Geburtstagsfeiern in gehobenem privaten Umfeld und so weiter und so weiter.
 

Und doch gab es ein Erlebnis, auf das ich gerne verzichtet hätte: Zusammen mit einem Kellner sollte ich ein privates Sommerfest mit circa 40 Gästen betreuen. Der Koch war wie üblich nur zur Essensausgabe eingeteilt. Und der Kellner? Er fiel krank aus. Da stand ich nun vor der größten Aufgabe meines bisherigen (Party-)Lebens: dem Anzapfen eines Bierfasses! Denn im Gegensatz zum Münchner OB auf dem Oktoberfest hatte ich weder weitere Fässer in petto noch die Chance, die Gäste zu einem antialkoholischen Abend zu überreden. Und ich bin sicher, nur zwei Zufälle retteten damals das Fest - und mir das Leben: zum einen, dass es ein 30-Liter-Fass war. Zum anderen, dass mir mein Chef per Telefon DEN Trick schlechthin verriet: Ein 30-Liter-Fass lässt sich umlegen und dadurch gefahrenfreier anzapfen. Ein klarer Vorteil gegenüber dem 200-Liter-Fass auf dem Oktoberfest. Und der entscheidende Punkt für mich bei meinen Gästen! 

 

Susanne Dreisbach, Barbara Steiger, Charles Kenwright, Michael Fischer und Jörg Peter Urbach, wissen.de-Redaktion

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