Das Gros der Bundesbürger treibt 1964 weiterhin auf einer Woge materiellen Wohlstands, blickt stolz auf die vollbrachte Leistung und mit Optimismus in die Zukunft. »Wir sind wieder wer« – mit dieser Formel bringt Bundeskanzler Ludwig Erhard, der „Vater“ des „Wirtschaftswunders“, das gewachsene Selbstbewusstsein auf den Punkt. Politische und gesellschaftliche Konflikte werden systematisch verdrängt oder verleugnet. Die Auseinandersetzung mit dem Hitler-Faschismus findet daher vor allem auf der Bühne und in der Literatur statt. Autoren wie Heinrich Böll, Günter Grass und Alfred Andersch fordern vom Nachkriegsdeutschland die Anerkennung politischer und moralischer Schuld ein. Und auch die Jugend begehrt auf. Verwundert, ohne den Zündstoff zu erkennen, blicken die Eltern auf ihre Kinder, die sich die Haare wachsen lassen, die herkömmliche Kleiderordnung missachten, unbekümmert mit sexuellen Fragen umgehen und der als „primitiv“ verfemten Popmusik verfallen sind.
Was sonst noch geschieht:
Im Oktober kommt es, für die westliche Welt überraschend, zu einem Machtwechsel in Moskau. Partei- und Regierungschef Nikita S. Chruschtschow muss gehen; als Regierungschef folgt ihm Alexej Kossygin, als Parteichef Leonid Breshnew.
In Den Haag wird die Ausstellung Neue Realisten & Pop Art gezeigt. Sie bringt erstmals Arbeiten von Andy Warhol, Roy Lichtenstein und Jasper Johns nach Europa, die sich vom amerikanischen Expressionismus der 1950er Jahre bewusst abgrenzen und motivisch mit Alltagskultur beschäftigen.
Die Anzahl der Kraftfahrzeuge hat sich in der Bundesrepublik Deutschland seit 1950 nahezu versechsfacht. 11 284 000 motorisierte Gefährte drängeln sich 1964 auf den Straßen; 1950 waren es lediglich 2 020 935 . In München und Hamburg ist die Dichte der Personenwagen mit Abstand am höchsten. In der bayerischen Landeshauptstadt kommen 271 Automobile auf einen Quadratkilometer, in der Hansestadt 204. Der Bundesdurchschnitt liegt bei 29.
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