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Animatronik: Wenn Roboter zu Tierfilmern werden

Hautnah in die Welt der Tiere eintauchen: Das wünschen sich wohl die meisten Zuschauer von Tierdokumentationen. Um dem nachzukommen, arbeiten Tierfilmer aber längst nicht mehr nur mit Kameras, die sie in ihren eigenen Händen halten. Sie bekommen mittlerweile Unterstützung von täuschend echt aussehenden Tierrobotern, die ihre Artgenossen aus nächster Nähe filmen. Wie funktionieren die pfiffigen Spione? Und wie überzeugend wirken sie auf die echten Tiere?
AMA. 19.05.2023
Symbolbild Animatronik

© Menno van Dijk, GettyImages

Tierroboter mit integrierter Kamera gehören zur Gruppe der sogenannten Animatroniks – lebensecht aussehender Figuren, die sich elektro-mechanisch bewegen lassen. Der Begriff setzt sich aus dem englischen Wort für Lebhaftigkeit (animation) und Elektronik zusammen. Vor ein paar Jahrzehnten machte sich Hollywood tierische Animatroniks zunutze, um fürchterliche Monster auf der Leinwand besonders lebensecht zu inszenieren, darunter den T. rex aus Jurassic Park. Doch nun, da dies genauso gut mit Computeranimationen geht, mussten die Animatroniks umschulen. Stattdessen arbeiten sie nun hinter der Kamera und gewähren spektakuläre Einblicke in die Tierwelt.

Lebensecht dank Metall-Skelett und Latexhaut

Damit eine Animatronik zum idealen Tierfilmer wird, muss sie möglichst lebensecht aussehen und sich auch so verhalten. Dementsprechend fließen sowohl biologische als auch künstlerische Aspekte in die Gestaltung der beweglichen Tierattrappen ein. Dem Bau einer Animatronik gehen daher typischerweise umfangreiche Bewegungs- und Verhaltensstudien der Tiere voraus, die sie imitieren sollen. Erst dann können sie in Form eines Roboters nachgeahmt werden.

Die Tierroboter haben ein Innenskelett aus Metall, das mit zahlreichen Stellmotoren ausgestattet ist. Diese ahmen die arttypischen Bewegungen eines Tieres bis hin zu dessen Mimik nach. Je nach imitiertem Tier ist diese Konstruktion mal komplexer und mal simpler. Allen Animatroniks gemeinsam ist jedoch, dass sie mit einer hochauflösenden Kamera ausgestattet sind. Diese ersetzt zumeist einen der Augäpfel. Darüber hinaus besitzen sie Infrarotsensoren, die bestimmte Bewegungsmuster auslösen, sobald sich ein anderes Tier nähert. Aber auch die Filmcrew kann die Roboter und die verbaute Kamera per Fernsteuerung gezielt bewegen. Manche Animatroniks laufen, watscheln oder schwimmen darauflos, andere hingegen sind so konstruiert, dass sie sich nicht vom Fleck bewegen können.

Damit die Animatroniks sich aber nicht nur lebensecht bewegen, sondern auch so aussehen, sind sie mit einer Außenhaut aus Latex umspannt. Besitzen ihre Vorbilder Fell, wird dieses mitunter in mühevoller Handarbeit Haar für Haar in die Latexhaut eingearbeitet. Die Illusion ist aber erst dann perfekt, wenn der Roboter auch typische Tierlaute ausstößt und vom Geruch her der Wildnis zuzuordnen ist.

Ein großes Animatronik-Ensemble

Animatroniks sind eine außergewöhnliche Möglichkeit, wildlebenden Tiere extrem nahe zu kommen. Sie liefern dabei aber nicht nur besondere Aufnahmen aus ungewöhnlichen Blickwinkeln, sondern erlauben uns auch, das Verhalten der Tiere so authentisch wie möglich und ohne Verzerrung durch die Anwesenheit von Menschen zu erleben.

Diese Vorteile hat sich 2017 unter anderem die vierteilige BBC-Sendereihe „Spy in the Wild“ zunutze gemacht, eines der aufwändigsten Animatronik-Projekte aller Zeiten. Mehr als 30 verschiedene Animatroniks mussten für die Reihe hergestellt werden, darunter ein flauschiger Wildhundwelpe und ein Orang-Utan mit täuschend echter Mimik. Damit die tierischen Spione von ihren vermeintlichen Artgenossen geduldet wurden, waren jeweils sehr unterschiedliche Taktiken nötig.

So musste etwa ein falsches Warzenschwein-Junges dazu fähig sein, Artgenossen auf „Schweinemanier“, also per Rüsselberührung, zu begrüßen. Der Orang-Utan hingegen zeigte dank 30 beweglicher Einzelteile im Kopf eine sehr feine Mimik, die den anderen Affen signalisierte: „Ich bin keine Gefahr, kommt ruhig näher“. Um einen Erdmännchen-Clan erfolgreich zu infiltrieren, war es hingegen nötig, den Roboter im Kot der Gastfamilie einzureiben. Der vertraute Geruch hielt die Bande davon ab, den vermeintlichen Eindringling anzugreifen.

Wie reagieren die echten Tiere?

Wie ein Tier auf den Spion reagiert, kann sehr unterschiedlich aussehen. Manche merken, dass mit dem neuen Artgenossen irgendetwas nicht stimmt und reagieren dementsprechend vorsichtig oder neugierig. Andere hingegen akzeptieren den Roboter schnell als einen der ihren. So beobachtete die BBC-Filmcrew etwa, wie eine männliche Leopard-Schildkröte versuchte, sich mit einer Schildkröten-Animatronik zu paaren oder wie eine Straußenmutter das falsche Küken als eines der eigenen identifizierte. Manchmal geht es den Tierrobotern aber auch an den Kragen. So zertrampelte eine Herde Elefanten etwa eine falsche Schildkröte und die Orang-Utans begannen, dem Spion dessen Kunstfell auszuzupfen.

Doch selbst wenn eine aufwändig gebaute Animatronik auf diese Weise zugrunde geht, hat sie dennoch ihren Zweck erfüllt: Spektakuläres Bildmaterial auf eine Weise sammeln, die für einen menschlichen Tierfilmer unerreichbar wäre.

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