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Wie Gehirn-Computer-Schnittstellen die Kraft der Gedanken nutzen

Elon Musks Firma „Neuralink“ hat erstmals eine ihrer drahtlosen Gehirn-Computer-Schnittstellen einem Menschen eingesetzt. Das Implantat soll dem Patienten dabei helfen, trotz Querschnittslähmung wieder am Leben teilzuhaben. Doch wie genau funktioniert das? Was hat Musks Hirnchip sonst noch drauf? Und welche weiteren Krankheiten könnten künftig von Hirn-Computer-Schnittstellen geheilt werden?
AMA; 01.02.2024
Am Gehirn implantierter Prozessorchip

© peterschreiber.media, iStock

Allein mit der Kraft der Gedanken Smartphone und Laptop steuern – klingt nach Science Fiction oder Superkraft, könnte aber bald Realität werden. Mehrere Unternehmen forschen aktuell an sogenannten Hirn-Computer-Schnittstellen. Diese „Hirnchips“ messen die Aktivität des Gehirns mithilfe von implantierten Elektroden und lesen so quasi die Gedanken und Absichten ihres Trägers.

"Hirn-Chip" der US-Firma Neuralink
Dem von Elon Musk gegründeten US-Start-up Neuralink gelang es Ende Januar 2024 erfolgreich einen Computerchip in ein menschliches Gehirn einsetzen.

© Neuralink

Ein umkämpftes Gebiet

Erst vor wenigen Tagen hat „Neuralink“, ein Start-up von Multimilliardär und Tesla-Chef Elon Musk, dem ersten Menschen einen seiner Chips implantiert. Er soll dem vom Hals abwärts gelähmten Patienten dabei helfen, technische Geräte allein mit der Kraft seiner Gedanken zu steuern. Zum Beispiel indem er den Cursor eines Computers bewegt oder Nachrichten ohne seine Hände verfasst. Bis der Patient gelernt hat, mit seinem Implantat umzugehen, können zwar noch Monate vergehen, doch auf X (ehemals Twitter) schrieb Musk, dass erste Tests bereits vielversprechende Ergebnisse geliefert haben. Der Patient erhole sich außerdem gut.

Neuralink ist allerdings nicht das einzige Unternehmen, das an Hirn-Computer-Schnittstellen forscht und so das Leben von Menschen verbessern will, die an schweren Krankheiten und körperlichen Einschränkungen leiden. Zur Konkurrenz gehören das Start-up „Precision Neuroscience“ mit Sitz in New York und „Synchron“, das unter anderem von Jeff Bezos und Bill Gates finanziert wird.

Elektroden im Hirn

Damit Patienten von solchen Mensch-Maschine-Schnittstellen profitieren können, muss ihnen zunächst ein kleiner Chip mit feinen Elektroden in die Nähe relevanter Hirnbereiche implantiert werden. Im Falle einer querschnittsgelähmten Person, die per Gedanken Nachrichten schreiben will, zum Beispiel in die Gegend des motorischen Kortex, der unter anderem für Zungen- und Kieferbewegungen zuständig ist. Die Elektroden von Neuralink sind allerdings so fein, dass sie nicht von Menschenhand im Gehirn befestigt werden können, sondern nur von einem extra dafür gebauten Roboter. Mit einer extrem filigranen Nadel verbindet er die einzelnen Elektroden jeweils mit den korrekten Hirnbereichen.

Die Elektroden – im Falle von Neuralink und Synchron sind es 1.024 pro Chip – sollen dann die elektrische Aktivität im Gehirn messen und daraus die Absichten und Gedanken einer Person schließen. Denn die unterschiedlichen Aktivitätsmuster spiegeln spiegeln die Nervenimpulse wider, durch die das Gehirn die Bewegung eines Körperteils oder das Aussprechen eines Wortes steuert. Das Hirnimplantat leitet die gesammelten Informationen dann an ein technisches Gerät, zum Beispiel einen speziell dafür ausgelegten Computer, weiter. Dieser setzt die Gedanken schließlich in die Tat um.

Die Entwicklung solcher Computer-Schnittstellen ist komplex. Im Falle von Neuralink hat es rund acht Jahre gedauert, bis die US-Arzneimittelbehörde FDA grünes Licht für Versuche am Menschen gegeben hat. Dem voraus gingen zahlreiche Tierversuche, die immer wieder aufgrund mangelnder Notwendigkeit und überstürzter Durchführung in der Kritik standen. Recherchen haben ergeben, dass Neuralink seit 2018 etwa 1.500 Tiere, darunter Schafe, Schweine und Affen, im Rahmen von Versuchen getötet hat.

 

Wie innovativ sind die Produkte wirklich?

Die Technologie, die am Ende dieser Versuchsreihen steht, mutet zwar überaus futuristisch an, doch bedeutet das gleichzeitig, dass Neuralink und Co. damit ein neues Zeitalter der Technologie einläuten? Ein „Zeitalter der Cyborgs“? Jein. Zwar sind die neuen Hirn-Computer-Schnittstellen so komplex und fein wie nie zuvor, doch das wirklich Bahnbrechende an ihrem Konzept ist eher die Verbindung der Gedanken mit technischen Geräten.

Hirnimplantate als solche werden bereits seit 15 Jahren eingesetzt, um Menschen mit Krankheiten und Einschränkungen zu helfen. So profitieren zum Beispiel Parkinson-Patienten von sogenannten „Hirnschrittmachern“, die das mit der Erkrankung einhergehende Zittern mindern. Auch Menschen mit Epilepsie kann mit einer ähnlichen Technologie bereits gut geholfen werden. Sogar hinsichtlich Depressionen und Zwangsstörungen können Hirnimplantate mitunter wertvolle Dienste leisten, auch wenn sie in diesen Gebieten noch nicht großflächig im Einsatz sind. Selbst Lähmungen lassen sich in manchen Fällen heilen, wenn man entsprechende Elektroden im Rückenmark anbringt.

Viele weitere Anwendungsmöglichkeiten

Trotzdem könnten die Innovationen von Neuralink, Precision Neuroscience und Synchron die bisherige Technik auf eine neue Ebene heben und außerdem auf andere Bereiche ausweiten. So hat Neuralink sich zum Beispiel vorgenommen, mit seinen Produkten irgendwann auch Alzheimer und Demenz heilen zu können.

Langfristig könnten womöglich sogar gesunde Menschen von Hirn-Computer-Schnittstellen profitieren, indem sie mit ihrer Hilfe die eigenen kognitiven Fähigkeiten verbessern. Ebenso wäre es theoretisch denkbar, dass die Technologie uns irgendwann die eigenen Gedanken mit dem Internet oder denen anderer Menschen verbinden lässt. Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg.

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