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Gezeiten: Mondsüchtiges Meer

Wer ist für Ebbe und Flut verantwortlich?

In erster Linie der Mond. Eine gedachte Verbindungslinie zwischen dem Mittelpunkt der Erde und dem des Mondes trifft etwa 1700 km unterhalb der Erdoberfläche auf den gemeinsamen Massenschwerpunkt des Erde-Mond-Systems. Durch die Eigendrehung der Erde verlagert dieser Punkt seinen Bezug zum Mond täglich. Die durch die Rotation des ganzen Systems ausgelöste Fliehkraft und die Anziehungskraft des Mondes bewirken zusammen, dass das Meerwasser zu einem Flutberg angehoben wird.

Auf der dem Mond zugewandten Seite überwiegen dabei die Anziehungskräfte des Mondes, so dass sich der Flutberg in dessen Richtung erhebt. Gleichzeitig entsteht auf der dem Mond abgewandten Seite ein zweiter Flutberg, bei dem die Fliehkraft die Anziehungskraft des Mondes überlagert. Beide Flutberge wandern aufgrund der Erddrehung von Osten nach Westen um die Erde.

Von der Küste aus betrachtet, zeigen sich die Flutberge in den Gezeiten. Bei Ebbe ist der Wasserstand niedrig, bei Flut ist er hoch. Den Unterschied des Wasserstandes bezeichnet man als Tidenhub. Aufgrund der Erddrehung treten an den meisten Küsten täglich zweimal Ebbe und zweimal Flut auf.

Auch wenn die Anziehungskraft des Mondes auf unserem Planeten 2,5-mal stärker als die der 380-mal weiter entfernten Sonne zu spüren ist, hat auch sie Einfluss auf Ebbe und Flut. Denn die Sonne besitzt die 27-millionenfache Masse des Mondes.

An welchen Tagen ist die Flut besonders stark?

Bei Vollmond und Neumond. Wenn sich Sonne, Mond und Erde in einer gedachten Linie hintereinander aufreihen, wirken die Anziehungskräfte des Mondes und der Sonne in die gleiche Richtung und summieren sich: Die Flut wird zur Springflut bzw. Springtide.

Stehen Sonne, Mond und Erde dagegen im rechten Winkel zueinander, heben sich die Anziehungskräfte teilweise auf. Ebbe und Flut sind nur gering, und es herrschen sog. Nipptiden.

Wo ist der Tidenhub am höchsten?

Wie stark sich die Gezeiten an den Küsten auswirken, hängt von der Form der Ozeanbecken, aber auch vom Verlauf der jeweiligen Küstenlinie ab; in engen Buchten ist er besonders groß. Den weltweit höchsten Wert erreicht der Tidenhub in der Fundybai an der Ostküste Kanadas. Der Wasserstand zwischen Ebbe und Flut schwankt dort um annähernd 21 m.

Während der Tidenhub im offenen Meer nur wenige Zentimeter beträgt, nimmt er zu den Küsten hin deutlich zu. Im Ärmelkanal zwischen Großbritannien und Frankreich schwankt die Höhe des Meeresspiegels um etwa 2 m, doch an den Küsten kann der Unterschied zwischen Ebbe und Flut 11 m erreichen. In Binnenmeeren macht sich der Tidenhub dagegen kaum bemerkbar. Selbst im riesigen Mittelmeer beträgt der Tidenbub lediglich 40 cm. Auch an der Ostsee hebt sich das Meer bei Flut nur wenig.

Wo enden die Gezeiten?

In Flüssen, die in Trichtermündungen ins Meer fließen, machen sich die Gezeiten bis weit ins Landesinnere bemerkbar. In der Elbe hebt und senkt sich das Wasser noch in 148 km Entfernung von der Mündung. Im Amazonas wirken sich die Gezeiten sogar bis 1000 km von der Mündung entfernt aus.

Stößt das Meerwasser bei Flut bis in den Mündungstrichter eines Flusses vor, wird es an der Wellenfront durch die auftretende Verengung abgebremst. Das nachfolgende Wasser strömt aber ungebremst nach, so dass eine hohe Sprungwelle, eine sog. Bore entsteht. Diese wandert sprunghaft den Fluss aufwärts. Die Boren im Amazonas werden bis zu 5 m hoch, die des Ganges erreichen sogar bis zu 6 m. Auch in Europa treten übrigens Boren auf: Im Fluss Severn in Südwest-England dringen beispielsweise 2 m hohe Boren mit einer Höchstgeschwindigkeit von 14 km/h flussaufwärts vor.

Welche Rolle spielen Wind und Wetter?

Die Größe der Wellen, mit denen die Flut an Land schlägt, ist von der Windstärke abhängig. Streicht der Wind leicht über das Meer, kräuselt sich die Meeresoberfläche. Weht er heftig, bilden sich hohe Wellen, die den Wasserberg mehr als 3 m über die normale Fluthöhe anheben können. Starke, in Richtung Küste wehende Winde können regelrechte Sturmfluten verursachen. Eine solche Sturmflut traf am 16./17. Februar 1962 die deutsche Nordseeküste. Zahlreiche Deiche an der Küste, der Elbe und der Weser konnten den meterhohen Wassermassen und heftigen Orkanböen nicht standhalten. Im 100 km von der Küste entfernten Hamburg zerstörte die Sturmflut mehrere Deiche der Elbe und überflutete ganze Stadtteile. 300 Menschen fanden in den Fluten den Tod.

Wehen die Winde vom Land aufs Meer, wird das Wasser von der Küste weggedrückt. Wellen, die aus verschiedenen Richtungen kommen, überlappen sich dann zur Dünung.

Auch Luftdruckunterschiede beeinflussen den Tidenhub. Ein hoher Luftdruck presst das Meerwasser hinunter und die Flut ist niedrig. Bei niedrigem Luftdruck ist sie dagegen höher.

Wussten Sie, dass …

sich Ebbe und Flut jeden Tag um 60 Minuten nach vorn schieben? Wenn sich die Erde in 24 Stunden einmal um sich selber gedreht hat, ist der Mond durch seine Drehung um die Erde ebenfalls ein Stück weiter gewandert.

ein Wattenmeer ein flacher Meeresteil an der Küste ist, der bei Ebbe trockenliegt? Das größte Wattenmeer der Erde ist das etwa 8000 km² große Wattenmeer der Nordsee. Während der Ebbe wird der schlammige Meeresboden, das Watt, entblößt.

Gezeiten eine große Menge an Energie in sich bergen? Das Heben und Senken des Meeres macht sich der Mensch in Gezeitenkraftwerken zunutze.

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